Maddrax 500 - Sascha Vennemann - E-Book

Maddrax 500 E-Book

Sascha Vennemann

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Beschreibung

Der letzte Band endete mit einem fiesen Cliffhanger. Aber schließlich sollte ja auch genug Spannung aufgebaut werden für den Maddrax 500: Welche dramatischen Folgen hat das "Projekt Mondsprung" für die Erde?

Der Jubiläumsband mit diesmal 80 Seiten Umfang bietet den ersten Teil eines Rückblicks auf 499 MX-Bände, ein Preisrätsel mit vielen Gewinnen, einen Mad-Matt-Cartoon und ein Miniposter. Und natürlich eine Story, die es in sich hat und die einen neuen Zyklus einleitet. Feiert mit uns 500 Romanhefte MADDRAX!

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Seitenzahl: 202

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Inhalt

Cover

Impressum

Mini-Poster

Zeitbeben

Cartoon

Leserseite

Das große MADDRAX-Wortsuchspiel

Der MADDRAX-Rückblick

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

Autor: Sascha Vennemann

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7744-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Zeitbeben

von Sascha Vennemann

Es war taghell. Das gleißende Licht des Erdtrabanten füllte den ganzen Himmel aus. Noch nie war der Mond der Erde so nahe gekommen. Matthew Drax spürte das leichte Beben, das die Anziehungskraft des Gestirns verursachte. Spürte den Körper an seiner Seite, der ihn umklammerte. Aruula drückte sich an ihn.

Dann hörte er den Befehl des Pancinowa Hyicus über sein Headset: „Jetzt!“

Wie von selbst fand Matts Daumen das Tastfeld. Wenn die Berechnungen und Vorbereitungen stimmten, würde er die Welt retten. Wenn nicht … war dies das Ende.

Von allem.

Ich muss es mit eigenen Augen sehen!, dachte Matt. „Komm mit!“ Er griff nach der Hand seiner Gefährtin und zog sie mit sich zur hinteren Rampe des Amphibienpanzers.

Ein Sturm tobte über dem Very Large Array in der Einsamkeit New Mexicos. Nur schemenhaft waren die riesigen Radioteleskopschüsseln zu erkennen, Zeugen einer Epoche, die vor über fünfhundert Jahren untergegangen war.

Die Kometen-Katastrophe im Jahr 2012 hatten die wenigsten Menschen überlebt. Ein dunkles Zeitalter der Postapokalypse war angebrochen. Und während sich der Planet langsam erholte, machten sich auf ihm Mutanten, Barbaren und Wesen breit, deren Ursprung in den Tiefen des Weltraums lag.

Matt Drax war in diese Zeit hineinkatapultiert worden – im wahrsten Wortsinn. „Christopher-Floyd“, so der Name des Kometen, hatte den Air-Force-Piloten aus Riverside, Kalifornien durch eine Zeitanomalie ins Jahr 2516 geschleudert, in eine völlig veränderte Welt. Wo er die telepathisch begabte Aruula traf, die ihn aus dem havarierten Jet rettete. Sie hatte ihm auch den Namen Maddrax gegeben.

All das war bereits neunzehn Jahre her – plus sechzehn Jahre aus einem weiteren Zeitsprung. Genau konnte er es nicht bestimmen, weil er sich in den vergangenen Jahren in einem fernen Planetensystem aufgehalten hatte, wo die Zeit langsamer verging als hier. Inzwischen schrieb man auf der Erde das Jahr 2549.

Gealtert waren er und Aruula jedoch nur wenig. Ein Mantel aus Tachyonen hatte sie lange vor dem körperlichen Verfall bewahrt. Dann hatte die Reise durch ein Wurmloch die Zeitpartikel neutralisiert; seitdem alterten sie wieder normal.

Matts Gedanken zersprangen, als die Erde bebte. Irgendwo schrien Menschen. Matt ahnte, dass es die Encantos waren – eine Gruppe von nomadischen Ureinwohnern der Ebene, die ihnen dabei half, zwei der Teleskopschüsseln zu stützen. Sie waren exakt ausgerichtet worden, um ein großes Wurmloch zu erzeugen, durch das der Erdmond fallen und auf seine alte Umlaufbahn zurückversetzt werden sollte.

Das „Projekt Mondsprung“ war eine Zusammenarbeit mit der außerirdischen Spezies der Pancinowa, die als Architekten der Wurmlochtechnologie galten. Doch auch für sie war ein Transfer dieses Ausmaßes Neuland.

Und sie hatten nur einen Versuch – diesen hier.

„Ich habe Angst, Maddrax!“, schrie Aruula über den Sturm hinweg. „Werde ich dich an Wudans Tafel wiedersehen?“

Matt presste sie noch fester an sich, sagte aber nichts. Der Wudan-Glaube war ihm immer fremd geblieben.

Der Mann aus der Vergangenheit blickte auf. Der Himmel bestand nur noch aus Mond. Direkt über ihm schwebte das Mare Cognitum – das Meer der Erkenntnis – und kam rasend schnell näher.

Von allen wunderlichen Dingen, die ich je gesehen habe, dachte er, ist dieser Augenblick der schönste und schrecklichste zugleich.

Grelle Blitze zuckten durch die Atmosphäre, verästelten sich und trafen sich erneut. Knisternde Entladungen wanderten über die beiden miteinander verbundenen Radioschüsseln in Matts Nähe. Ein rötlicher Wirbel entstand.

Matt hatte den Eindruck, als würde er direkt in die Hölle blicken. Sein Verstand meinte Feuersäulen zu sehen, die sich umeinander drehten, ein Tanz bis in die Unendlichkeit.

Wenn dieser Wirbel das Wurmloch war, durch das der Mond gehen sollte, dann war dies der entscheidende Augenblick. Was auch immer geschehen würde, er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, seinen Heimatplaneten zu retten – und mit ihm die, die er liebte und Freunde nannte.

Einige wenige von ihnen hatten sich zuvor in ein fernes Planetensystem gerettet; die Menschheit würde also auf jeden Fall weiterexistieren. Darunter waren auch Matts ehemalige Gefährtin Xij, ihre gemeinsame Tochter Xaana sowie sein Freund Tom Ericson.

Matt hielt den Atem an und schloss geblendet die Augen. Alles schien nur noch Licht zu sein. Die Geräusche des Sturms wurden leiser. Er hörte das Schlagen seines Herzens und das Rauschen seines Blutes in den Ohren.

Ich liebe dich!, dachte er intensiv und hoffte, dass Aruulas Lauschsinn seine Gedanken empfing.

Die Stille hielt an. Ganz in dem Moment versunken, bemerkte Matt erst, wie viel Zeit vergangen war, als ihn sein Körper zwang, aus- und wieder einzuatmen. Verwirrt öffnete er die Augen.

Die Erde zitterte nicht mehr. Der Sturm hatte sich gelegt. Lediglich ein paar Staubschwaden wehten noch über die Ebene.

Es ist … dunkel!, durchzuckte es Matthew. Nein, nicht ganz … Ein silbriger Glanz lag über der Landschaft, ein indirektes Licht, das die Schatten nur wenig verdrängte. Er kannte dieses Leuchten, hatte es unzählige Male in wolkenlosen Nächten erlebt.

Langsam hob Matthew Drax den Blick. Er sah den dunklen, von Sternen gesprenkelten Himmel. Und dort oben – weit entfernt – stand der Mond. Da, wo er sein sollte. Noch immer fehlte ihm ein Stück im oberen rechten Quadranten, wo einst das versteinerte kosmische Wesen namens Streiter eingeschlagen war und Teile abgesprengt hatte.

„Aruula!“, keuchte Matt. „Sieh nur!“

Seine Gefährtin löste sich von ihm. Ihre tränennassen Wangen glänzten im Mondlicht, als sie den Blick hob und ihre Anspannung sich mit einem erleichterten Seufzen löste.

Auch Matt weinte – vor Glück und Erleichterung.

„Wir haben es geschafft!“, rief er in die gespenstische Stille hinein. „Wir haben es wirklich geschafft!“ Wieder sah er zum Himmel hinauf, konnte sich gar nicht sattsehen am Mond.

Die Erde hatte wieder eine Zukunft. Vorbei die Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme, Überschwemmungen und Unwetter, die ganze Landstriche unbewohnbar gemacht hatten. Jetzt würde sich die Welt wieder erholen, und die Menschheit konnte sich an den Wiederaufbau machen.

Ein lautes Knirschen riss ihn aus seinem Freudentaumel. Erschreckt wandte Matt den Kopf zur Quelle des Geräuschs. Es kam von einer der beiden Teleskopschüsseln, die sie für das Öffnen des Wurmlochs benutzt hatten.

Die Encantos!, durchfuhr es Matt. Sie und ihre Biisons hatten dafür gesorgt, dass eine der Schüsseln, die im letzten Augenblick umzustürzen drohte, mit Seilen stabilisiert werden konnte.

Jetzt forderte die Schwerkraft ihren Tribut. Die Schüssel neigte sich! Die Kraft der Encantos und der Tiere war erschöpft. Auch PROTOs Seilwinde würde das gewaltige Gebilde nicht halten können.

„O verdammt!“, murmelte Matt. „Die Encantos müssen sich in Sicherheit bringen – schnell!“

Aruula nickte knapp und rannte zu den Mitgliedern das Nomandenvolks hinüber, während Matt bereits hörte, wie die Räder des Panzers über den sandigen Untergrund schabten. Einem Gewicht von über zweihundert Tonnen hatte PROTO nichts entgegenzusetzen.

Matt eilte zur Seilwinde an der Front des Gefährts. Er warf einen Blick zurück. Als er sicher war, dass niemand mehr gefährdet wurde – die Nomaden trieben ihre Biisons bereits vor sich her und von der Schüssel weg –, löste Matt die Sperre.

Gleichzeitig barsten die Streben des Teleskops mit einem reißenden Geräusch, das wie der Schrei eines Urzeitungetüms anmutete, und die gewaltige Schüssel kippte. Als ihr unterer Rand aufschlug, zog sich ein langer Riss durch die flache Halbkugel. Verkleidungen platzten ab und Splitter wirbelten herum.

Unwillkürlich duckte sich Matt, aber PROTO befand sich weit außer Reichweite. Auch den Encantos war nichts passiert. Sie sanken auf die Knie und verfielen in einen Singsang, der wie ein Gebet klang. Vermutlich trauerten sie um die Schüssel, die eines ihrer Heiligtümer gewesen war.

Matthew würde später zu ihnen gehen und sich bedanken. Die Encantos hatten sich – nach anfänglichen Missverständnissen – als selbstlose Helfer erwiesen. Ohne sie wäre das gesamte „Projekt Mondsprung“ gescheitert.

Er lächelte Aruula zu, die gerade wieder zurückkam. Sie fielen sich in die Arme und küssten sich. Sie sah ihn mit ihren großen braunen Augen an. „Ich bin so froh, dass wir all dies gemeinsam durchstehen konnten“, sagte sie leise und küsste ihn erneut.

Matt nickte. Er wusste genau, was sie meinte. „Und jetzt kann es weitergehen“, erwiderte er. „Es ist ein Neuanfang.“

Aruula löste sich aus der Umarmung und blickte um sich. Unweit standen die Pancinowa und Quart’ol neben dem Wurmlochgeber und starrten ebenfalls in den Nachthimmel. Die Außerirdischen und der Hydrit schienen vom Erfolg der Aktion genauso überwältigt zu sein.

„Wir sollten rübergehen und sie kneifen, damit sie merken, dass sie nicht träumen“, lachte die Barbarin.

Matt grinste. Noch einmal sah er hinauf zum Mond, zu der hellen Scheibe am Nachthimmel, die jegliche Bedrohlichkeit verloren hatte.

An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit

Thermik war wirklich nicht Julian Springs Lieblingsfach. Noch dazu fanden die staubtrockenen Vorlesungen von Professor Lindbergh um acht Uhr morgens statt; eine Zeit, zu der Julian gerade erst wach zu werden pflegte. Was vielleicht auch seine eher mäßigen Prüfungsergebnisse in dieser für Luftschifffahrer nicht unwichtigen Unterrichtseinheit erklärte.

Während er dem einlullenden Singsang der Lehrkraft mit halbem Ohr lauschte, malte Julian gelangweilt ein paar Kreise auf den Zeichenblock vor sich. Das Schaubild an der Tafel hatte er längst übertragen: der schematische Aufbau der Steuerungsruder, wie man sie sowohl an den kleineren Zeppelinen als auch an den großen interkontinentalen Reiseluftschiffen fand. Ein Mechanismus aus Zahnrädern und Stangen übertrug die Einstellungen des Piloten auf die kleinen Flügelflächen, die das Luftschiff in höhere Luftmassen aufsteigen ließen oder es bei der Landung zu Boden drückten.

Das wissen wir doch alles längst, dachte Julian und seufzte leise. Genau wie seine Mitstudenten kannte er die Grundlagen der Luftfahrt. Nur die Besten und Talentiertesten würden eines Tages das Privileg genießen dürfen, für die ganz großen Reiseunternehmen zu fliegen. Aber jeder von ihnen wollte das – es bedeutete neben einer hervorragenden Bezahlung auch jede Menge Ansehen und Prestige.

Als Luftschiffkapitän standen einem viele Türen offen, die anderen verschlossen blieben. Außer vielleicht den Dampf-Pionieren, jenen unermüdlichen Erfindern, die fast im Wochentakt die Modernisierung unablässig vorantrieben.

Julian ließ den Blick über seine Kommilitonen schweifen, von denen nur wenige wirklich aufmerksam dem Unterricht folgten. Es waren ausnahmslos junge Männer zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die hier am L.I.A. – dem Lancaster Institute of Aeronautics – unterrichtet wurden. An ihrer Kleidung erkannte man, dass sie zumeist aus höheren gesellschaftlichen Kreisen stammten.

Julian strich sich ein Haar vom Ärmel seines dunkelblauen Samtjacketts, das sein Vater ihm vermacht hatte. Er war nicht mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen. Sein alter Herr hatte sich den mäßigen Wohlstand seiner Familie als Zeppelin-Mechaniker in der Dwyer-Reederei hart erarbeitet. Wenn Julian es schaffte, den Abschluss am L.I.A. zu machen, dann wäre ihnen der Aufstieg in die oberste Schicht endgültig gelungen.

Aber noch war es nicht so weit. Dass er als Sohn aus dem Mittelstand überhaupt aufgenommen worden war, war alles andere als selbstverständlich. Die Familie sparte sich die Semesterbeiträge vom Mund ab. Also wollte Julian sein Bestes geben!

Er zwang sich zur Konzentration. Das klappte allerdings nicht allzu lange, dann wurde er abgelenkt, als er durch die Fensterfront hinausblickte.

Aus einem der Hangars am Flugfeld der Hochschule wurde gerade mit einem Dampfmobil eines der mittelgroßen Übungsschiffe hinaus in die Morgensonne geschoben. Der mit Gas gefüllte, zigarrenförmige Ballon war rund zwanzig Meter lang. Seine etwa halb so lange Gastkabine ruhte auf vier steuerbaren Radachsen.

Der Auftrieb des zylindrischen Gaskörpers war noch zu gering, als dass das Schiff abheben konnte. Es würde auf der Startposition weiter befüllt werden und dann mit Halteseilen am Boden fixiert, bis die Mannschaft die Gondel bestiegen hatte. Julian schätzte, dass es noch etwa eine halbe Stunde dauerte, bis sich das Schiff in den Himmel erhob.

Ich wünschte, ich könnte mit an Bord gehen, dachte er wehmütig, als er die Kadetten eines höheren Jahrgangs betrachtete, die sich zusammen mit ihrem Fluglehrer dem Luftschiff näherten.

Nun, lange würde er nicht warten müssen. Am Montag stand die nächste praktische Einheit auf dem Lehrplan. Heute war Freitag und das Wochenende stand vor der Tür.

Mit seinen zweiundzwanzig Jahren hatte Julian zwar schon unzählige Flüge als Passagier absolviert, als Pilot aber erst wenige Minuten bei den Ausbildungstouren über dem nahen Pazifik. Doch die hatten ihm gezeigt, dass dies der richtige Job für ihn war.

Fast hatte er sich eins mit dem Luftschiff gefühlt, beinahe körperlich den Wind gespürt, wie er die Gaszellen hin und her wiegte und die Gondel an ihren Aufhängungen knarren ließ.

Auch jetzt spürte er wieder etwas – nämlich einen Ellenbogen, der ihn unsanft in die Seite knuffte. Erschreckt fuhr Julian herum und blickte in das feiste Gesicht seines Mitstudenten Theodore Dwyer, der mit dem Kinn in Richtung des Flugfelds deutete.

„Ein Prachtstück, was?“, raunte ihm der Reedersohn zu, der nur ein Jahr älter war als Julian. „Mein Vater hat fünfzehn davon in seinen Hangars stehen, für Inlandstouren in den Mittleren Westen und bis nach New York.“ Dwyer schaute kurz zur Seite zu Professor Lindbergh, aber der Dozent stand gerade mit dem Rücken zum Auditorium und kritzelte etwas an die Tafel. „Selbst bei Gegenwind schaffen die neuen Vierpropellermotoren die Strecke bis zur Ostküste in nur zwei Tagen“, fuhr Theodore fort. „Die Pioniere haben die Übersetzungsleistung der dampfgetriebenen Antriebswelle noch weiter verfeiert. Höhere Geschwindigkeit bei weniger Dampfdruck und weniger Verbrauch!“

„Respekt“, murmelte Julian und schaffte es gerade noch, nicht die Augen zu verdrehen. Er wusste das alles. Schließlich hatte sein Vater mitgeholfen, die neuen Komponenten in die Flotte der Dwyers einzubauen.

Theodore war ein Angeber vor dem Herrn, genau wie sein Vater, der so offensichtlich mit seinem Reichtum umging wie kein anderer. Das fing beim Stadthaus der Dwyers an, dessen hohe Grundstückszäune vergoldete Spitzen besaßen, und hörte bei Theos Anzug auf, dessen elfenbeinfarbene Weste mit so filigranen Stickereien versehen war, dass die Näherinnen monatelang daran gesessen haben mussten.

Auch Theos Äußerungen über die Modernisierung der Inlandsflotte rührten natürlich nicht aus seiner Begeisterung für die neue Technik. Er wollte Julian nur aufs Brot schmieren, dass die Dwyers Geld wie Heu hatten.

Als Julian nichts weiter erwiderte, verzog Theodore seine Lippen zu einem spöttischen Lächeln, wohl im Glauben, dass sein Mitstudent ihn bewunderte. Er beugte sich zu ihm herüber und raunte ihm ins Ohr: „Sehen wir uns heute Abend im Wells?“

Julian zuckte unwillkürlich zusammen. Das „Wells“ war eine unter L.I.A.-Studenten sehr beliebte Kneipe in der Altstadt von Lancaster. Er hatte sich mit ein paar Freunden aus dem Studiengang dort verabredet – aber zu seinen Freunden zählte er Theodore nicht. Woher wusste der von dem Treffen?

Wahrscheinlich hatte einer der anderen Kommilitonen es erwähnt. Und Theo lud sich selbst ein, um an dem Kneipenabend teilzunehmen.

Julian grinste. Einen Vorteil hatte es ja: Sie würden keinen einzigen Dollar für Getränke ausgeben müssen; das übernahm Theodore, um dafür dankbare Schulterklopfer, wohlwollendes Nicken und den einen oder anderen Toast auf sich zu ernten.

„Sicher“, flüsterte Julian zurück. Dann sah er wieder hinüber zum Luftschiff und ließ den Blick über die Dächer der nicht weit entfernten Stadt schweifen.

Aus der Skyline ragten einige hohe Schlote hervor, aus denen Rauch quoll. Die niedrige Sonne leuchtete zwischen den Gebäuden hindurch und wob ein Schattennetz zwischen ihnen, dort wo Kabel und Leitungen sie miteinander verbanden. Der Geruch von Holz- und Kohlefeuern war allgegenwärtig. Qualm und Wasserdampf lagen über den Kopfsteinpflastern, über die Dampfmobile jeder Größe ratterten. In der Ferne zog ein großes Luftschiff über den Himmel – eines der Postschiffe aus Los Angeles, das zur Ostküste unterwegs war.

Ein charakteristisches Rattern holte Julians Aufmerksamkeit zurück in den Hörsaal. Sein Blick ging zu dem großen Gong an der Wand über der Tafel. Das mechanische Geräusch erklang immer dann, wenn das zentrale Uhrwerk des Instituts das Signal zum Ende der Stunde gab.

„Na endlich!“, schnaufte Theodore Dwyer. Er warf seine Schreibutensilien in eine Ledertasche und erhob sich. „Bis heute Abend, Springs!“, rief er, während er sich an anderen Mitstudenten vorbei und auf den Gang drängelte.

„Ja. Das wird toll“, murmelte Julian wenig begeistert. Er trug noch ein paar der Beschriftungen von Professor Lindbergh nach, die er während seines Abschweifens verpasst hatte. Sicher stand sein Vater mit dem Steamer schon draußen auf dem Parkplatz, um ihn abzuholen. Er wollte ihn nicht unnötig warten lassen.

Nachdem Matthew und Aruula den Pancinowa Hyicus, Agnetis und Lutrae zum gelungenen Mondsprung gratuliert hatten und sich auch Quart’ol dem allgemeinen Händeschütteln und Schulterklopfen angeschlossen hatte, war es für alle Beteiligten an der Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen – und zu besprechen, wie es nun weitergehen sollte.

Während Aruula mit den Pancs sprach, wandte sich Matt an zwei Encantos, die sich ihrer Gruppe näherten. Die über und über tätowierten Nomaden hatten sich nach dem Zusammenbruch der Teleskopschüssel zu ihrem Wohnwagen-Treck und ihren Zugtieren zurückbegeben.

Die Gruppe bestand aus etwa dreißig Familien. Ihre Anführerin, die Katsina, hatte den Willen ihrer Götter so interpretiert, dass alles Leben auf der Erde zum Zeitpunkt des Mondabsturzes die „Knochenstraße“ nehmen musste – den sinnbildlichen Weg ins Jenseits. Darum hatte man die Störenfriede von den „Schalen der Götter“ vertreiben wollen.

Erst spät hatte die Katsina erkannt, dass die Götter das Leben nicht enden lassen, sondern erhalten wollten. So hatten sie mitgeholfen, die Radioschüssel nach einem Erdbeben in Position zu halten.1)

Es war die Katsina, die sich Matt nun näherte. Ein junger Encanto, den Matthew als Josee kennengelernt hatte, begleitete sie.

„Unsere Aufgabe ist erfüllt!“, sagte die Göttersprecherin feierlich. „Die Uwanami haben uns den rechten Weg gewiesen, und die Encantos werden weiterhin alle begleiten können, die sich auf den Weg über die Knochenstraße machen.“

Matt deutete eine leichte Verbeugung an. „Nur euch ist es zu verdanken, dass wir die Erde retten konnten. Dafür können wir euch und euren Göttern gar nicht genug danken.“

„Die Uwanami haben der Katsina eine neue Vision geschickt, die uns hinter die Berge führt.“ Josee deutete auf die Gebirgskette, die sich am Horizont abzeichnete. „Wir werden in Kürze aufbrechen und wollten uns nur von euch verabschieden.“

„Auch wir bleiben nicht mehr lange“, erwiderte Matthew. „Bald wird wieder Frieden einkehren an eurem heiligen Ort.“

Die Katsina reckte die Arme zum Himmel. „So hat sich alles zum Guten gewendet. Lebt wohl!“ Sie winkte Aruula, Quart’ol und den Pancinowa, die die Geste erwiderten.

Dann wandten sich die Göttersprecherin und Josee zum Gehen. Im Hintergrund muhten die Biisons, als man ihnen die Kutschgeschirre anlegte.

Matthew Drax sah den beiden Encantos noch einen Augenblick lang nach, dann wandte er sich wieder den Wurmloch-Architekten zu.

Hyicus, Lutrae und vor allen Dingen die Chefingenieurin Agnetis sahen sehr zufrieden aus. Die großen, plumpen Außerirdischen, die auf ihrem Heimatplaneten Cancriss zum Teil amphibisch lebten, hatten sich zur Feier des Tages kleine Kanister aus ihrem Nahrungsvorrat genommen, deren gallertartigen Inhalt sie genüsslich über ihre kahlen Schädel gossen. Ihre Art zu trinken.

Hyicus schüttelte sich wohlig. „Alle Berechnungen waren korrekt!“, freute er sich. „Das größte Wurmlochprojekt in der Geschichte der Pancinowa kann als voller Erfolg gewertet werden.“

Lutrae schüttelte den letzten Tropfen aus ihrem Behälter auf ihren Kopf und blubberte zustimmend. „Die Daten, die wir erfasst haben, dürften unsere Forscher über einige Äons beschäftigen.“

Agnetis fixierte Matt mit ernstem Blick. „Damit haben wir unseren Teil der Abmachung erfüllt. Wir werden also nach Cancriss zurückkehren und den Kontakt mit der Erde abbrechen.“

Matt nickte nur. Die Pancs waren sehr darauf bedacht, unter sich zu bleiben. Sie hatten zugestimmt, bei der Erdrettung zu helfen, weil sie dafür eine entsprechend wertvolle Gegenleistung erhalten hatten.

Auf ihrer Welt kannte man keine Telepathie. Alle Pancinowa verband über Implantate ein allgegenwärtiges Online-Netzwerk miteinander, die sogenannten „Gestade“, doch einige von ihnen waren dazu nicht kompatibel. Mittels der genetischen Entschlüsselung von Aruulas Lauschsinn wollte man auch diesen Ausgestoßenen einen Zugang ermöglichen.

Zunächst hatte Aruula sich ihnen als Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt, war aber zwischenzeitlich von der Telepathin Eileen abgelöst worden, deren Lauschsinn außer Kontrolle geraten war und die sich von der Pancinowa Heilung erhoffte.

„Es wäre schön, wenn ihr die Menschen auf Novis auf dem Laufenden halten könntet, wie es Eileen geht“, sagte Aruula, als hätte sie Matts Gedanken gelesen.

Agnetis machte eine abwiegende Geste. „Ich werde versuchen, das Gremial dazu zu bewegen. Eigentlich wollen wir jeden Kontakt zu den Außenweltlern wieder abbrechen.“ Sie wandte sich an ihre Artgenossen. „Packt den mobilen Wurmlochgeber und die anderen Gerätschaften ein. Wir brechen auf!“

Hyicus und Lutrae machten sich ans Werk, und auch Agnetis entschuldigte sich.

Quart’ol klatschte in die Flossenhände und sah Matt und Aruula an. „Und wir? Was tun wir als Nächstes?“

Die Barbarin lachte. „Heißt das, du willst uns begleiten?“

Der Hydrit nickte. „Ich denke, dass wir zunächst nach Sub’Sisco und zur Oase der Hundert zurückkehren, um dort die frohe Kunde zu verbreiten, oder?“

Matt zuckte mit den Schultern. „Miki ist ja nicht blind. Er weiß, dass der Mond wieder in seinem Orbit ist. Wir sollten uns aber per Funk bei ihm melden.“

Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Pancinowa abreisefertig waren. Auch die Verbindungskabel zu PROTO und den Teleskopschüsseln waren eingerollt, die Programmierung des Amphibienpanzers wieder in den Ausgangszustand zurückversetzt worden.

Als Hyicus, Agnetis und Lutrae sicher waren, nichts vergessen zu haben, aktivierten sie den mobilen Wurmlochgeber und öffneten in sicherem Abstand ein Portal, dass sie zurück in ihre Welt führen würde.

Matt spürte den Anflug wilder Freude, die ihn erfasste, aber er konnte den sogenannten „Freukrampf“ unter Kontrolle halten. Die von den Wurmlöchern ausgehende Strahlung wirkte sich auf den menschlichen Organismus euphorisierend aus, was bis zum Verlust der Selbstkontrolle ging. Was sie in der Vergangenheit mehr als einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte.

Hyicus schulterte den deaktivierten Wurmlochgeber. Sie hatten mit dem Gerät eine Passage nach Hause geöffnet, die nun von Cancriss aus offen gehalten wurde. Der Pancinowa hob seine Vier-Finger-Hand. Ein Abschied für immer.

Als sich das Tor hinter den Wurmloch-Architekten schloss, verflog die Euphorie in Matts Kopf sofort. Die Ebene des Very Large Array wirkte plötzlich einsam und verlassen.

Matthew sah sich um. Im fahlen Mondschein der noch jungen Nacht konnten sie die Lichter sehen, die den Treck der fortziehenden Encantos begleiteten.

Nur noch Matthew Drax, Aruula und Quart’ol sowie ein Amphibienpanzer wiesen darauf hin, dass hier vor kurzem der Fortbestand eines Planeten gesichert worden war. Das Ende eines großen Abenteuers.

Doch Matthew ahnte, dass das nächste bereits auf sie wartete …

Matt nahm im Fahrersitz des Amphibienpanzers Platz, den Aruula, Xij und er einst in einem Bunker in Schottland gefunden hatten. Er lehnte sich zurück und schloss einen Augenblick lang die Augen. Er hoffte, dass Xij und Starnpazz es durch das Wurmloch in San Antonio ins Ringplanetensystem geschafft hatten, bevor die Passage abgeschaltet worden war.

Xij hatte wieder bei ihrer Familie auf Novis sein wollen – und Starnpazz bei seinen Artgenossen.

Schon beachtlich, was wir in den letzten Wochen erreicht haben, dachte Matt.

Angefangen hatte alles mit einer unerwarteten Reise durch ein Wurmloch, das im Teilbeschleuniger des CERN in der Schweiz entstanden war. Es führte in ein fernes Sternensystem, um dessen Zentralgestirn ein Planet kreiste, der von zwanzig Monden und einem Trümmerring umgeben war.

Unvermittelt hatten sich Matt und Aruula auf einem dieser Monde wiedergefunden. Nachdem sie über sogenannte Transfertürme von Mond zu Mond gelangt waren, kamen sie nach und nach hinter das Geheimnis des Systems.

Die einheimische Spezies, die in ihrem Aussehen verblüffenderweise dem entsprach, was man sich Ende des 20. Jahrhunderts unter den sogenannten Greys vorstellte, beherrschte das Ringplanetensystem. Sie selbst nannten sich Kasynari – und sie entführten Fremdrassen, um sie auf ihre Kompatibilität mit einer Vorrichtung zu testen, die sie „Mentalschirm“ nannten.

Dieser Mentalschirm wurde von den Gehirnen der Entführten aufrechterhalten, und er schützte den Ringplaneten – der in Wahrheit nur Tarnung war! In seinem Inneren befand sich etwas, das Matt immer noch nicht fassen konnte: ein Wandler, ein kosmisches Wesen wie jenes, das vor über fünfhundert Jahren als Komet „Christopher-Floyd“ auf der Erde eingeschlagen war und ihn mitsamt seiner Fliegerstaffel in diese dunkle Zukunft geschleudert hatte.

Das Universum war voller seltsamer Zufälle – und Gefahren. Mit Schrecken erinnerte sich Matt an die Begegnung mit einem der Streiter – weiteren kosmischen Wesen, die Jagd auf die Wandler machten. Der Kampf gegen einen solchen Streiter war letztendlich auch schuld daran gewesen, dass der Erdmond aus seiner Bahn gedrückt wurde und sich der Erde immer weiter angenähert hatte.

Womit sich der Kreis schließt, dachte Matt.