Maddrax 507 - Lucy Guth - E-Book

Maddrax 507 E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Als eine Jagdgruppe der Frawen in ihre Stadt zurückkehrt, findet sie Berlin dramatisch verändert vor: eine Welt des Jahres 2030, in der die Reformation nie stattgefunden hat und die Inquisition der katholischen Kirche das Machtmonopol innehat. Hexenjäger sorgen hier für die "öffentliche Ordnung". Natürlich geraten die Amazonen sofort als mutmaßliche Hexen in deren Fokus. Kurz darauf erreichen auch Matt, Aruula und Ydiel mit dem Gleiter das Parallelwelt-Areal. Eine Telepathin und ein Echsenwesen - ein gefundenes Fressen für die Inquisitoren!

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Seitenzahl: 146

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Hexenjagd 2.0

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Mike Orlov/shutterstock

Autor: Lucy Guth

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8180-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete, und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber sie hinterlässt Spuren: Areale aus verschiedenen Parallelwelten tauchen plötzlich auf der Erde auf …

Matt und Aruula wissen nicht, was bei dem Wurmloch-Unfall geschah; nur, dass der Mond wieder in seinem alten Orbit ist. Vom Untergang der Kasynari im Ringplaneten-System ahnen sie nichts, und dass Colonel Aran Kormak, Matts Gegenspieler, mit seiner Flucht durch das Wurmloch zur Erde die Katastrophe ausgelöst hat. Sie entdecken fünfzig Kilometer durchmessende Areale von Parallel-Erden, die von einer hohen Dornenhecke umgeben sind, die offenbar die Vermischung beider Welten eindämmen soll! Im ersten wurde die Stadt Lancaster, wo die Technik durch Dampfmaschinen bestimmt wird und das Britische Empire eine Weltmacht ist, in ihre Welt versetzt, im zweiten eine Metropole, in der die Nachfahren der Dinosaurier leben. Doch was hat diese Versetzungen ausgelöst, und kann man sie rückgängig machen? Im Zentrum der Areale scheint es eine Verbindung beider Universen zu geben, die sporadisch „flackert“.

Um weitere Areale aufzuspüren, nutzen Matt & Co. ein im Erdorbit installiertes Satelliten-Netzwerk der Pancinowa, das plötzlich auftauchende Polarlichter über dem Ort der Versetzung anzeigen kann. Dabei sind sie mit einem Gleiter des Androiden Miki Takeo unterwegs und können so den Pflanzenwall überwinden. So auch in Yucatán, wo die Sauroiden bereits auf Ex-Technos gestoßen sind und ein Krieg droht. Doch ihre Friedensmission scheint schon im Ansatz zu scheitern, als sie von den Sauriern mit einer Art EMP abgeschossen und von den Menschen bombardiert werden. Dazu kommt ein Machtkampf zwischen zwei Sauroiden-Arten. Aruula findet telepathischen Kontakt zu dem Szousss Ydiel und kann mit seiner Hilfe vermitteln. Als endlich Frieden herrscht, will Ydiel die Gefährten bei ihrer Reise begleiten. Die führt – nach einem besorgten Funkruf aus dem Hort des Wissens – nach Schottland, wo sie einem Techno-Paten das Geschäft mit dem Zeitstrahl verderben und selbst hineingeraten, wodurch ihr Tachyonenmantel für die nächsten 50 Jahre wieder aufgefrischt wird und ihre Zellalterung hemmt.

Nur knapp verpasst Colonel Kormak in Yukatán ihren Abflug. Aber er belauschte Matt über Funk und erfuhr so von Takeos Gleiterfabrik bei Sub’Sisco …

Hexenjagd 2.0

von Lucy Guth

Die Klänge von Brahms Requiem erfüllten die Fahrstuhlkabine. Jakob Kramer schloss die Augen und genoss die Musik. Er liebte diese stillen Momente. Sie kamen in seinem Leben nicht oft vor. Und auch jetzt wurde seine Ruhe vom SMS-Signal seines Mobiltelefons unterbrochen. Kramer las die Nachricht und steckte das Handy wieder ein. In dem Moment kam der Aufzug mit einem leisen Glockenklang im zehnten Stock an – doch die Türen öffneten sich nicht. Stattdessen wurde das Kloster von einem Beben erschüttert. Kramer hielt sich an den Kabinenwänden fest. Sirenen heulten. Dann glitten die Aufzugtüren zurück und er sah sich seinem Assistenten Gregor gegenüber.

„Großinquisitor, alles in Ordnung? Kurz vor dem Beben kam die Nachricht, dass vor den Grenzen Berlins …“

„Ich weiß.“ Kramer ballte hasserfüllt die rechte Hand zur Faust. „Hexenwerk!“

Das Gewicht der gewaltigen Wisaau drückte schwer auf Kayaas Schulter, obwohl sie das erlegte Tier zu viert trugen. Es war eine fette Beute, die die sieben Amazonen nach Hause brachten.

Kayaa lächelte bei dem Gedanken an zu Hause – ihre Siedlung, Beelinn, wo ihre kleine Tochter Heleen auf sie wartete. Ihr Gefährte Peer passte auf die Fünfjährige auf, während Kayaa auf der Jagd war.

Seit vielen Jahren lebten Frawen und Menen nun schon friedlich in Beelinn zusammen. Kaum jemand dachte noch an die alten Tage, als die Menen nicht mehr waren als Jagdtrophäen, von den Amazonen zur Nachzucht eingefangen und nach dem Akt getötet.1) Kayaa selbst war damals noch ein Kind gewesen, gerade mal so alt wie Heleen jetzt.

„Du denkst an deine Kleine, oder?“ Lalee, Kayaas Stellvertreterin, lief an ihrer Seite und stieß sie neckend gegen die Schulter – natürlich nicht zu fest, um Kayaa nicht aus dem Tritt zu bringen. „Ich sehe es an deinem Lächeln. Ich hätte nie gedacht, dass du einmal zu den Frauen gehörst, bei denen schon beim Gedanken an Babys Muttermilch fließt.“

„Hör auf damit!“ Kayaa lachte. Sie nahm die Frotzelei der breitschultrigen Blonden nicht ernst. Zumal sie wusste, dass ihre späte Mutterschaft nichts an ihren Qualitäten als Anführerin geändert hatte.

„Ich bin nur froh, dass wir eine erfolgreiche Jagd hatten. Qadra war uns gewogen. Seit Monaten konnten wir keine so große Wisaau mehr erlegen.“ Kayaa pustete sich eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht. „Heute Mittag können wir zuhause sein – dann gibt es ein Festessen.“

„Das ist wahr. Während der Zeit, in der sich der Mond der Erde angenähert hat, wurden die Tiere immer verrückter, ist dir das auch aufgefallen?“

Kayaa nickte zustimmend. „Ich hatte das Gefühl, dass sie sich zum Sterben zurückgezogen hatten. Aber seit dem Mondsprung scheinen sie allmählich wieder aus ihren Verstecken zu kommen.“

„Damit wir sie erlegen können!“, rief Yasiin von hinten. Alle lachten. Die Stimmung war gelöst und heiter wie schon lange nicht mehr. Kayaa freute sich darüber. Die Zeit, bevor der Mond in seine alte Umlaufbahn zurückgekehrt war – auch wenn keiner den Grund dafür kannte –, war für alle hart gewesen. Beelinn war durch viele Erdbeben verwüstet worden; zahlreiche der alten Ruinen und Opferstätten waren ihnen zum Opfer gefallen. Doch die Statue ihrer Göttin Qadra war unversehrt geblieben und hatte über ihr Volk gewacht.

„Hoffen wir, dass das nicht das einzige sein wird, das sich jetzt zum Besseren ändert.“ Lalee gab sich Mühe, unbekümmert zu klingen, doch Kayaa wusste, wie es um sie stand. Die Frenen waren nicht gänzlich verschont geblieben.

„Ich weiß, was du meinst.“ Sie senkte ihre Stimme. „Wenn ich mich umsehe, gibt es keine Frau in unserer Gruppe, die keine Verluste erlitten hat. Ich vermisse meine Mutter jeden Tag.“ Kayaas Mutter hatte als rechte Hand von Königin Macrana eine bedeutende Rolle in der Gemeinschaft gespielt und war bei einem Beben von herabstürzenden Ruinentrümmern erschlagen worden.

„Das geht mir mit Duunja genauso.“ Auch Lalee sprach leise. Sie war eine der Frauen, die sich keinen Gefährten genommen hatten, sondern mit einer anderen Frau das Zelt teilte. Ihre Geliebte Duunja war in einem der unberechenbaren Wirbelstürme ums Leben gekommen. Poola, Maarn und Yasiin hatten Geschwister und Gefährten verloren, Roos trauerte noch immer um ihre Tochter. Die zwölfjährige Mioo war eine der ersten gewesen, die starb, schon vor vier Jahren, als die Naturkatastrophen immer häufiger auftraten. Und Brias, die letzte ihrer Jagdgruppe, war bei einem Sturm von einem herumwirbelnden Ast getroffen worden, hatte dabei ein Auge verloren. Ihre Verstümmelung hatte sie nicht verzweifeln lassen, sondern sie angespornt, nur noch besser im Kampf und bei der Jagd zu werden.

„Wir sind ein starkes Volk, Lalee.“ Kayaa lächelte ermutigend. „Wir haben dem Mond getrotzt und sind stärker als zuvor. Sogar die Männer sind stärker geworden.“

„Aber sie sind noch immer so abergläubisch und ängstlich.“ Lalee lachte hell auf. „Einige von ihnen glauben nach wie vor, dass der Mond bald zurückkehrt, um die Erde zu vernichten.“

Kayaa wurde ernst. „Wir alle hatten Angst, dass das Ende der Welt gekommen sei. Auch du, wenn ich mich richtig erinnere.“

„Das ist wahr“, gab Lalee freimütig zu. „Aber die Göttin hat uns durch den Mondsprung doch noch gerettet. Ich habe Qadra als Buße für meine Zweifel bereits einen fetten Gerul geopfert. Der Mond ist wieder an seinem alten Platz und wir können unser altes Leben wieder aufnehmen.“

„Unser altes Leben.“ Kayaa stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. „Die Kinder wissen ja nicht einmal mehr, wie das war.“

„Es war auf jeden Fall einfacher, und das wird es jetzt auch wieder werden.“

Kayaa musste gegen ihren Willen lachen. „Schön, dass du dein Vertrauen in die Göttin und ihre unendliche Weisheit wiedergefunden hast.“

Ehe Lalee antworten konnte, hob Brias den Arm und deutete zum Himmel hinauf. „Seht doch! Was ist das?“

Kayaa blickte auf. Grün-blaue Lichter geisterten am Himmel umher wie Schmetterlinge auf einer Blumenwiese. Sie beschattete die Hand mit den Augen. Sie hatte schon ein paar Mal Irrwirsche in der Nacht gesehen, doch diese bunten Lichter waren etwas völlig anderes.

„Ob das mit dem Mondsprung zu tun hat?“, rätselte Roos und strich sich die rotbraunen Locken aus der Stirn.

„Würde mich nicht wundern.“ Poolas raue Stimme klang gelassen. „Aber solange mich die Lichter nicht angreifen, können sie dort oben leuchten, so lange sie wollen.“ Die anderen lachten.

Doch das Lachen blieb ihnen im Halse stecken, als Maarn nach vorne deutete. „Seht nur!“

Maarn hatte die schärfsten Augen der Gruppe und ging deswegen oft als Späherin voraus. Jetzt hatte sie als erste entdeckt, dass etwas mit dem Horizont nicht stimmte. Dort, wo nun langsam die Ruinen von Beelinn auftauchen sollten, erstreckte sich eine grüne Wand.

„Was ist das?“ Kayaa tauschte einen ratlosen Blick mit Lalee. Doch ihre Stellvertreterin wirkte genauso ratlos wie sie. Vorsichtig gingen sie weiter. Doch als sie dem seltsamen Phänomen näher kamen, stellten sie fest, dass es natürlichen Ursprungs war.

„Das ist nur eine Dornenhecke.“ Maarn klang erleichtert.

Kayaa dagegen war überhaupt nicht beruhigt. Das Grünzeug war ihr unheimlich. Sicherlich waren die Ruinen des alten Beelinn an vielen Stellen von Unkraut überwuchert, und hier und da gab es richtige kleine Wälder. Doch als sie vor einigen Tagen zu ihrem Jagdausflug aufgebrochen waren, hatte es an dieser Stelle noch keinen so starken Bewuchs gegeben.

„Diese Hecke kann doch nicht so schnell gewachsen sein“, sagte Kayaa etwas später zu Lalee. Sie waren nun dicht bei dem Pflanzenwall, der sich nicht nur fast zwei Meter in die Höhe rankte, sondern sich auch nach beiden Seiten erstreckte, so weit Kayaa blicken konnte. Dabei schien die Hecke in einem leichten Bogen zu wuchern.

Sie legten die Wisaau ab. Poola ging dicht an die Hecke heran. Sie kannte sich recht gut mit Pflanzen aus; ihre Mutter war eine Heilerin. „Das ist keine gewöhnliche Dornenranke“, stellte sie fest. „Die Zweige sind viel dicker als gewöhnlich und … voller Feuchtigkeit.“ Sie drückte mit Daumen und Zeigefinger auf einen der Stränge, wonach grünlicher Pflanzensaft zu Boden tropfte. „Die Hecke ist so dicht, dass ich nicht auf die andere Seite sehen kann – ich kann nicht einmal abschätzen, wie dick sie ist.“

Die Frauen bildeten einen kleinen Kreis und berieten sich.

„Wie konnten diese Pflanzen so schnell wachsen?“, fragte Poola beunruhigt. Sie blickte zum Himmel, wo die seltsamen Lichter immer noch flackerten. „Ob das etwas mit dem Leuchten zusammenhängt?“

„Das werden wir von hier aus bestimmt nicht herausfinden.“ Kayaa fuhr sich mit der Hand durch die widerspenstigen dunklen Haare, die im Nacken vom Schweiß durchnässt waren. „Wir müssen weiter zur Siedlung!“

„Wir könnten außen herumgehen“, schlug Roos vor.

Maas stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. „Wer weiß, was dieser Umweg bedeutet. Ich kann in keiner Richtung ein Ende der Hecke erkennen.“

„Dann müssen wir uns eben durch dieses Grünzeug durchhacken.“ Lalee klopfte auf ihren Schwertknauf. „Das hält uns nur kurz auf.“

Kayaa stimmte zu. Nicht alle hatten ihr Schwert dabei – schließlich hatten sie für die Jagd vor allem ihre Bögen und Spieße gebraucht. Nur Lalee, Maarn, Brias und sie selbst zückten ihre Schwerter, wählten eine Stelle aus, die ihnen nicht ganz so dicht erschien, und machten sich ans Werk.

Schon nach kurzer Zeit lief Kayaa der Schweiß in Strömen über den Körper. Die Triebe und Strünke waren ungewöhnlich elastisch und federten die Schläge ab.

Schnaufend hielt Kayaa inne und betrachtete die kleine Schneise, die sie geschlagen hatten. Die Härchen auf ihren Armen richteten sich auf: Aus den abgeschlagenen Pflanzenstümpfen brachen Triebe hervor. Zwischen den verstümmelten Stämmen und Strünken ringelten sich neue grüne Ranken, füllten die Lücke und schlossen die Schneise wieder.

Mit einem Keuchen wich Kayaa zurück. „Es hat keinen Sinn – dieses Zeug wächst schneller nach, als wir es abhacken können.“

Auch die anderen Amazonen zogen sich zurück. Schon nach wenigen Augenblicken war die Hecke wieder genauso dicht, wie vor ihrem Versuch.

Kayaa schüttelte fassungslos den Kopf. „Bei Qadra, was ist das für ein Teufelszeug?“

Nach einigen Diskussionen erkannten die Frawen, dass es sinnlos war, auf diese Weise einen Durchbruch zu versuchen. Sie beschlossen, Roos’ Vorschlag zu folgen und an der Hecke entlangzugehen, um eine andere Möglichkeit zu finden oder vielleicht das Ende der Hecke zu erreichen.

Doch je länger sie liefen, desto unruhiger wurde Kayaa, wie Lalee bemerkte. „Was hast du?“, fragte sie leise.

Kayaa sah sich unruhig um. „Wir müssten bald Pottsdam erreichen. Und ich bin nicht sicher, ob es derzeit eine gute Idee ist, sich auf deren Gebiet herumzutreiben.“

Lalee wusste, auf was Kayaa anspielte. Seit dem Tod von Bolle Karajan vor fünfzehn Jahren regierte dessen Nachfolger Datze Höllerich Pottsdam und Braandburg. Höllerich war Beelinn nicht so feindlich gesinnt2), wie es sein Stiefvater gewesen war, und es gab schon lange keine kriegerischen Begegnungen mehr. Aber von einem freundschaftlichen Verhältnis konnte auch keine Rede sein.

Vor kurzem erst hatte es einen Streit gegeben, weil der Fürst von Königin Macrana verlangt hatte, einen seiner Männer auszuliefern, den die Amazonen angeblich gewaltsam entführt hatten. Dabei war dieser Mann freiwillig zu ihnen gekommen, weil er eine Frene zur Gefährtin genommen hatte.

„Vielleicht hätten wir die andere Richtung einschlagen sollen.“ Kayaa nagte zweifelnd an ihrer Unterlippe.

„Vielleicht hat Höllerich ja sogar eine Erklärung dafür, was hier passiert ist.“ Lalee rückte die Stange auf ihrer Schulter zurecht – sie wechselten sich mit dem Tragen der Wisaau ab. Zurücklassen mochten sie die Beute nicht, trotz aller Ungewissheit.

„Zumindest haben wir einen triftigen Grund für unser Hiersein, falls sie uns erwischen.“ Kayaa lächelte halbherzig.

In Pottsdam trafen sie jedoch auf niemanden – es waren keine Wachen oder Jäger in dem Randgebiet des Herrschaftsbereichs unterwegs, warum auch immer. Doch das beruhigte weder Kayaa noch Lalee, im Gegenteil.

Es war Maarn, die das steinerne Rohr entdeckte. In Beelinn gab es viele Überreste solcher Rohre unter der Stadt. Die meisten waren in sich zusammengestürzt und nicht mehr begehbar. Dieses hier schien noch intakt zu sein – und es führte in einem tiefen Graben unter der Hecke hindurch!

Lalee musterte das Rohr skeptisch. Sie wies auf die obere Wandung, wo sich kleine grüne Triebe durch winzige Risse zwängten. „Seht, die Hecke versucht auch hier, mit ihren Wurzeln durchzudringen.“

„Dann sollten wir uns beeilen.“ Kayaa tätschelte bedauernd das Beutetier. „Die Wisaau müssen wir wohl hier lassen. Mit ihr im Schlepptau wird es zu eng in dem Rohr.“

Die anderen nickten widerstrebend. Es schmeckte niemandem, dass die erfolgreiche Jagd umsonst gewesen sein sollte. Doch sie akzeptierten die Entscheidung ihrer Anführerin und sicherten ihre Beute unter ein paar Fellen, um sie gegebenenfalls später zu holen.

„Das wird die Aasfresser nicht lange aufhalten“, meinte Lalee unleidlich.

Kayaa ging voran, Lalee folge, dann kamen hintereinander die anderen. In gebückter Haltung durchquerten sie das Rohr, das immer mehr Risse zeigte, je weiter sie kamen. Die Pflanzen arbeiteten sich durch das brüchige künstliche Gestein, das als „Betonn“ bezeichnet wurde. In dem Gang war es düster, aber in einiger Entfernung war ein Lichtschimmer zu erkennen.

Als sie etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, fiel Lalee etwas auf. „Das Gestein hat sich verändert!“, sagte sie und tastete über die Wandung. „Es ist zu dunkel, um Genaueres zu erkennen, aber ich fühle, dass hier weniger Pflanzentriebe durchgekommen sind. Der Betonn fühlt sich glatter an als vorher.“

„Du hast recht.“ Kayaas Stimme klang ungewohnt unsicher. „Was mag das zu bedeuten haben?“

„Wir werden es vielleicht verstehen, wenn wir ins Freie kommen.“ Lalee bemühte sich, Zuversicht in ihre Stimme zu legen. Sie war sich nicht sicher, ob ihr das gelang. Sie war eine tapfere Kriegerin, aber dieses seltsame Gewächs über ihnen war etwas, das sie noch nie erlebt hatte – kein Gegner, den man bekämpfen, keine Beute, die man erlegen konnte.

Kurze Zeit später krochen sie aus der dunklen Röhre ins Licht der Abendsonne, die nur noch eine Handbreit über dem Horizont stand. Lalee richtete sich auf und ging automatisch ein paar Schritte weiter, um den Nachfolgenden Platz zu machen. Sie brachte kein Wort heraus.

„Wo sind wir?“, fragte Yasiin erschreckt, nachdem sie sich aufgerichtet hatte.

Das fragte sich Lalee auch. Von der Wildnis und den überwucherten Ruinen, die sie aus Pottsdam kannten, war nichts mehr zu sehen. Um sie herum ragten hohe weiße Gebäude mit vielen Fenstern auf – keine Ruinen, sondern Häuser und Hallen, die nicht alt zu sein schienen. Dort, wo sie aus dem Rohr gekommen waren, klaffte ein Loch in der Erde, als hätte jemand das Rohr absichtlich ausgegraben. Dahinter stand, halb von der Hecke überwuchert, ein gelbes Fahrzeug ohne Räder, das an seiner Vorderseite so etwas wie eine Metallhand hatte.

„Ich glaube, wir sind nicht mehr in Beelinn“, sprach Lalee das Offensichtliche aus. Das Rohr musste eine Art Passage in eine andere Welt gewesen sein.