Maddrax 551 - Sascha Vennemann - E-Book

Maddrax 551 E-Book

Sascha Vennemann

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Beschreibung

Nun ist klar, dass dieses einzelne, letzte Parallelwelt-Areal eine größere Gefahr für die Erde darstellt als alle bisherigen zusammen. Doch wie kam es zu den Vorgängen, die nun auf Matts Realität übergreifen, wenn die Archivare nichts damit zu tun haben? Wer ist der fremde Gott, dessen Jünger das Böse in die Welt tragen wollen? Und wie kann man der Bedrohung begegnen?
Der zweite Teil des Doppelbandes nimmt Sie mit auf eine Reise und Rückschau in die Dunkle Vergangenheit ...


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Seitenzahl: 157

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Dunkle Vergangenheit

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...

Während Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlagen werden, hat der Kampf gegen den Streiter auf der Erde dramatische Folgen: Der Erdmond, auf dem die kosmische Entität vernichtet wurde, ist aus seiner Bahn geraten und nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich durch ein Wurmloch einen Weg in die Heimat finden, haben sie nur noch wenige Monate Zeit, die globale Katastrophe abzuwenden. Zwar gelingt es mit der Hilfe fremder Völker aus dem Ringplanetensystem, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums – das in der Folge an besonderen Punkten in Raum und Zeit aufbricht! Dies sind Orte, wo die Nachfahren der Menschheit, die Archivare, in der Zeit zurückgereist sind, um technische Artefakte der Vergangenheit zu sammeln. Das rächt sich nun, als an den Bruchstellen nacheinander fünfzig Kilometer durchmessende Areale aus verschiedenen Parallelwelten auftauchen.

Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN und einem Sendboten der Archivare gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine Bruchstelle, die nicht auf die Archivare zurückgeht, kollabiert, GRÜN und den Organismus beinahe tötet und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in Afrika in die Gegenwart versetzt. Ein Gebiet, das Matt und Aruula bekannt ist, denn hier stießen sie früher schon auf einen Zeitreisenden: Pilâtre de Rozier, der 1785 mit einem Fesselballon den Zeitstrahl durchquerte, im zukünftigen Afrika strandete und zum Kaiser aufstieg.

De Rozier hat den Austausch des Parallelwelt-Areals beobachtet – und dass das Luftschiff seines Sohnes Victorius darin verschwand, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Als Matt und Aruula eintreffen, stellen sie fest, dass die Menschen, die mit dem Areal herüber kamen, einen »bösen Keim« verbreiten; dieselbe Kraft, mit der sich auch Aruula über den Kontakt mit GRÜN infiziert hat.

Derweil findet sich Victorius mitsamt dem See und der Besatzung seiner Roziere in einer fremden Welt wieder und ist deren verderblichem Einfluss ausgesetzt. Den ersten Angriff der Bewohner überleben nur er und eine Schreiberin. Und auch für Matt sieht es schlecht aus, denn die infizierte Aruula schlägt ihn nieder und will ihn töten!

Dunkle Vergangenheit

von Sascha Vennemann

Der Komet sah aus wie eine glühende, Funken sprühende Feuerkugel, innen gleißend weiß und an der Spitze von milchigem Orange. Er zog einen langen glitzernden Schweif hinter sich her, dessen Licht in alle Richtungen zerfaserte.

»Wahnsinn!«, gellte es in Matthew Drax' Pilotenhelm. »Das ist das absolut Größte, was ich je gesehen habe!«

Professor Smythes Stimme schraubte sich in schmerzhafte Tonlagen und überschlug sich fast. Wie immer, wenn er euphorisch wurde. Und das wurde er viel zu oft, fand Matthew. Zu oft jedenfalls für einen leitenden Wissenschaftler der US Air Force.

»Dann schauen Sie genau hin«, knurrte Matt. »Es wird wahrscheinlich das absolut Letzte sein, was Sie in Ihrem Leben zu sehen kriegen!«

Die Stimme des Professors übertönte sogar noch die Fluggeräusche des Jets, den Matt so ruhig steuerte, wie es seine zitternden Hände nur zuließen. Smythe war schon unter normalen Umständen ein Unsympath, wie er im Buche stand. Seine hervorquellenden Augen, unter denen immer ein leichter Schatten lag, vermittelten hinter den runden Brillengläsern immer irgendwie den Eindruck, als wolle er seinen Gesprächspartner nichts von dem glauben, was der sagte.

Selten hatte Matthew einen so von sich eingenommenen Mann getroffen. Dass dem Professor der Astrophysik und Doktor der Medizin ihm während dieser wohl einmaligen Beobachtungsmission als Copilot zugeteilt worden war, machte die Sache nicht besser.

»Er ist absolut prächtig!«, schrie Smythe hinter Matt. »Göttlich! Wunderschön...!«

Matt presste die Lippen aufeinander, damit ihm kein unwilliges Knurren entfuhr, und wandte sich den Kontrollen des Jets zu.

Er bildete sich ein, dass die Gravitationskräfte, die sich unter dem Einfluss näher kommenden Kometen veränderten, das Flugzeug bereits zum Zittern brachten. Nicht mehr lange und die Eagle-Staffel würde abdrehen müssen.

Aber wenn der Brocken tatsächlich auf der Erdoberfläche einschlägt, dann... Matt wollte den Gedanken nicht an sich heranlassen. Er konnte sich eh nicht vorstellen, wie es sein würde, wenn die Katastrophe tatsächlich stattfand. Trotz aller Simulationen, die im Fernsehen gezeigt worden waren. Trotz all der Zeitungsartikel, die detailliert nachzeichneten, wie der Komet dem Planeten zusetzen würde. Und das, was von der Menschheit übrig blieb, würde kaum die nächsten Jahre überstehen.

Smythe indessen schien keine Angst vor diesem Szenario zu kennen. Er krakeelte einfach weiter. »Schauen Sie doch! Haben Sie je so etwas Wunderschönes gesehen?«

Matthew Drax sparte sich die Antwort. Sollte er das Mikrofon des Professors einfach stumm schalten? Nein. Spätestens beim De-Briefing auf der Air-Force-Basis in Berlin-Köpenick würde er sich dafür rechtfertigen müssen, warum er einem Berater des Präsidenten das Wort abgedreht hatte.

Matts Blick begann zu verschwimmen, als er den Hals drehte, um nach links aus dem Cockpit zu schauen. Das gleißende Sonnenlicht spiegelte sich auf den Tragflächen von Eagle-3 wider. Irvin Chester flog etwas unterhalb seiner Position parallel zu ihm.

Chester und sein Copilot Hank Williams hatten in den vergangenen Minuten fassungslos geschwiegen, nachdem klar wurde, dass die von der ISS auf den Kometen abgefeuerten Atomraketen so gut wie keine Wirkung gezeigt hatten. Weder hatte der Gesteinsbrocken seinen Kurs geändert noch war er in viele kleinere Teile zersprungen.

Die Hiobsbotschaft war per Funk gekommen, nachdem die Staffel ihre Beobachtungs- und Messergebnisse an die Zentrale weitergeleitet hatte. »Sie wissen, was Sie zu tun haben«, lautete der letzte Spruch, den sie von den Kollegen am Boden empfangen hatten. »Viel Glück, und möge Gott uns beistehen.«

Matthew Drax hatte nie an ein höheres Wesen geglaubt, aber in diesem Augenblick wünschte er sich, er täte es. Die Aussicht darauf, dass sich plötzlich die riesige Hand Gottes aus den Wolken schob, nach dem Kometen griff und ihn in die Sonne schleuderte, weil er es nicht zulassen konnte, dass seine Schöpfung von so einem Ding ruiniert wurde... das war fast schon wieder witzig.

Aber nur fast. Denn hier ging es um das Überleben der Menschheit – oder deren Ende.

Nein, vielleicht nicht ganz, dachte Matt. Im Jahr 2013 war eine bemannte Mars-Mission von der Erde aufgebrochen und hatte den Roten Planeten einige Monate später auch erreicht. Doch der Funkkontakt zu den Astronauten war plötzlich abgebrochen. Warum, das wusste niemand. Vielleicht technische Probleme, vielleicht eine Katastrophe.

Eigentlich hatte die NASA eine Sonde losschicken wollen, doch als man den Kometen auf Kollisionskurs entdeckte, waren die Gelder nur noch in dessen Abwehr geflossen.

Wenn die Astronauten noch leben, sind sie vielleicht bald die letzten Menschen, sinnierte Matt.

Dann rief er sich zur Ordnung. Er musste auf den Boden der Tatsachen zurückkehren – im wahrsten Sinne des Wortes. Hier gab es nichts weiter für sie zu tun.

Auf dem Radar sah Matt, dass die Maschine von Jennifer Jensen und Professor David McKenzie etwas zurückgefallen war, aber dem Kurs folgte, den Eagle-1 vorgab. Er stellte sich vor, wie der besonnen wirkende Astrophysiker die hereinkommenden Werte studierte: nüchtern, introvertiert – das genaue Gegenteil von Smythe, der sich inzwischen kaum noch die Mühe machte, ganze Sätze zu formulieren.

»Eagle-1 an Staffel«, funkte Commander Matthew Drax die anderen beiden Maschinen an. »Kurs null neun sieben. Sinkgeschwindigkeit sechzig Fuß pro Sekunde. Unser Job ist erledigt. Wir fliegen zurück zur Basis.«

»Roger«, kam es zweimal aus den Helmlautsprechern. Jensens und Chesters Stimmen klangen gepresst und niedergeschlagen.

»Kommt gar nicht in Frage, Commander!«, protestierte Professor Dr. Smythe. »Sie beschleunigen und steigen! Ich bin noch lange nicht fertig mit meinen Messungen! Und vergessen Sie nicht, dass ich die wissenschaftliche Leitung der Mission innehabe!«

Jetzt wurde es Matthew doch zu bunt. »Das können Sie vergessen, Smythe!«, blaffte er in das Helmmikrofon. Er hatte den Kanal nicht gewechselt; alle konnten hören, was er sagte. »Wenn der Komet einschlägt, haben wir am Boden bessere Chancen zu überleben. Und ich für meinen Teil würde das Unvermeidliche gerne noch etwas hinauszögern!«

»Feigling!« Smythes leise geknurrtes Wort traf Matt wie ein Schlag in den Magen. »Wir erleben hier das vielleicht größte Ereignis der Menschheitsgeschichte mit, und Sie wollen den Schwanz ein-«

»Der Komet wird langsamer!«, schrie plötzlich Dave McKenzie über Funk.

»Was?«, blaffte Smythe.

»Vor wenigen Sekunden waren es noch fünfzig Kilometer pro Sekunde«, berichtete der Astrophysiker atemlos. »Jetzt ist es nur noch die Hälfte!«

»Reden Sie keinen Unsinn, Mann!«, fuhr Smythe ihn an. »Die Erdatmosphäre kann ihn gar nicht stark abbrem...« Er verstummte und tippte hektisch auf seinen Instrumenten herum. »Verdammt noch mal!«, murmelte er. »Sie haben recht, McKenzie. Die Geschwindigkeit schrumpft fast exponentiell. Melden Sie das sofort der Zentrale, Commander!«

Matt versuchte eine Funkverbindung zur Basis herzustellen, hörte aber nur Rauschen. »Negativ. Kein Kontakt. Irgendetwas stört die Frequenzen«, sagte er. »Jensen? Chester? Wie ist es bei euch?«

»Ich komme auch nicht durch«, antwortete Jennifer Jensen in Eagle-2.

»Hier ist ebenfalls alles tot, Commander«, ließ sich Hank Williams' dunkler Bass vernehmen.

»Wahrscheinlich wegen der Strahlung«, schaltete sich Dave McKenzie ein. »Meine Messungen zeigen hohe Werte. Woraus auch immer der Kern besteht – er strahlt wie eine Röntgen-.«

»Nicht nur das!«, unterbrach Jacob Smythe seinen Kollegen. »Floyd hat den Kurs geändert!«

»Er hat was?« Jensen nahm Matt die Worte aus dem Mund.

Floyd hatte sich als Bezeichnung für den Kometen eingebürgert. Ein schottischer Hobbyastronom namens Archer Floyd hatte ihn bei einem Karibik-Urlaub, zu dem er sein Teleskop mitgenommen hatte, entdeckt. Und damit die Welt in einen nie gekannten Aufruhr versetzt.

Er bremst ab?, fuhr es Matt durch den Kopf. Er ändert den Kurs? Das klang ja fast so, als hätte Floyd einen eigenen Willen...

»Ist das gesichert?«, rief er. Matt war versucht, den Jet zu wenden.

»Bestätigt!«, meldete sich McKenzie. »Durch die verringerte Geschwindigkeit und die Abweichung vom ursprünglichen Kurs ergibt sich ein neuer Einschlagsort. Lassen Sie mich das kurz durchrechnen...«

»Bemühen Sie sich nicht«, kommentierte Smythe gönnerhaft. »Ich habe das Ergebnis schon. Floyd hat Kurs auf das östliche Afrika genommen. Und ich würde inzwischen auch nicht mehr von einem Einschlag sprechen.« Smythes Stimme klang ehrlich verblüfft. Die unerwarteten Ereignisse hatten aus dem hysterischen Mann einen ernsthaft interessierten, wenn auch immer noch arroganten Wissenschaftler gemacht. »Ich denke, wir können hier fast von einer weichen Landung reden...«

Commander Matthew Drax warf einen Blick auf das Head-up-Display: 8. Februar 2015, 16:34 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Für 16:42 Uhr hatte man den ursprünglichen Einschlag auf dem eurasischen Kontinent, etwa auf Höhe des Baikalsees, erwartet. Wann er nun erfolgte, hing davon ab, wie sehr Floyd noch abbremste.

Was unmöglich ist!, schrie alles in dem Air-Force-Piloten. Es sei denn, Floyd ist gar kein Komet, sondern... ein UFO?

Das war der Augenblick, in dem er die Entscheidung traf. »Achtung, Staffel«, sagte er mit Befehlston. »Neuen Kurs setzen. Wir müssen herausfinden, was da vor sich geht. Sehen wir uns das mal aus der Nähe an.«

Smythes Jubelschrei ließ Matt fast den Steuerknüppel verreißen.

Tag 2 nach dem Welten-Kollaps

Der Mann hatte keine Chance. Sekundenlang starrte Shadar auf die Frau, die breitbeinig über dem am Boden liegenden Blonden stand, den sie zuvor mit einem Ast niedergeschlagen hatte. An ihren Augen erkannte Shadar, dass die Blasshäutige bereits eine von ihnen war. Jemand, der vom Herrn gereinigt und von seinem Licht erfüllt worden war.

Der Mann, das hatte er deutlich gesehen, bevor die Frau mit den seltsam verschlungenen Zeichen auf der Haut ihn niedergeschlagen hatte, war es nicht.

Elloa stand neben Shadar und betrachtete stumm die Szene. Die Gottgeweihte, die selbst vor Kurzem noch zu den Feinden des Herrn gehörte, hatte die beiden Fremden gespürt, als diese mit ihrer ballonlosen Roziere über die Heilige Stadt hinweg geflogen und das Zentrum – das Allerheiligste –angesteuert hatten. Mit ein paar kraftraubenden Teleportationssprüngen hatte Shadar es gerade noch rechtzeitig zur Landung des seltsamen Luftschiffs hierher an den Rand des Heiligtums geschafft.

Ein Ruck ging durch die Unbekannte, die sich fast liebevoll über den Mann beugte. Die hasserfüllten Worte, die sie dabei ausstieß, straften ihre Gesten allerdings Lügen.

»Zu schade, dass du es nicht sehen kannst«, zischte die Frau. »Es würde dich daran erinnern, wie Daa'tan über Rulfan gestanden hat. Späte Gerechtigkeit, findest du nicht? Damals konntest du Rulfans Leben retten, indem du es meinem Sohn genommen hast. Es ist Zeit, dass du die Rechnung dafür bezahlst.«

Sie lächelte, dann hob sie ihr Schwert. Es sah aus, als wollte sie ihn damit aufspießen wie einen lästigen Käfer.

»Nein!« Shadars Ruf klang nicht nur scharf wie ein Befehl, er war es auch. Es gab gute Gründe, diesen Menschen nicht zu töten.

Die Frau hielt tatsächlich inne. Shadar hörte und sah, wie sie ihren angehaltenen Atem ausstieß und dann das Schwert neben dem Bewusstlosen in den Boden rammte.

Sie drehte sich zu Elloa und ihm um. Ihr langes schwarzes Haar bewegte sich im sanften Wind. Ihr Blick schien ihn beinahe zu durchbohren. »Und warum nicht?«, rief sie herüber.

Shadar kam nicht umhin, von ihrem Auftreten beeindruckt zu sein. Aber nicht so sehr wie von Elloa, als er sie in der Heiligen Stadt entdeckt hatte. Sie war das lang versprochene Geschenk des Herrn an ihn gewesen, die starke Gefährtin, die ihm als Auserwählten zustand. Dennoch war etwas an dieser fremden Frau, das ihm... wichtig erschien. Als hätte der Herr einen Plan für sie und ihn.

»Wir töten unsere Feinde nur, wenn es unumgänglich ist«, antwortete Shadar. »Durch die Gnade Gottes, wie wir sie spenden, können auch sie sein Licht empfangen und die wahre Lehre erfahren.«

»Dann wird auch er alles verstehen«, ergänzte Elloa. Sie lächelte die Fremde an. »Ich war einst wie er.« Sie deutete auf den Bewusstlosen. »Aber auch ich habe die Gnade des Herrn erfahren. Seitdem sehe ich alles mit anderen Augen. Willst du ihm diese Chance verwehren?«

Wieder spürte Shadar den durchdringenden Blick der Frau. Als blicke sie direkt in sein Inneres. Was ist mit ihr?, dachte er. Ist das etwa...?

»Und ich?«, fragte die Fremde lauernd. »Was ist mit mir, Shadar? Bin ich nicht euer Feind?«

Der Auserwählte zuckte zusammen. Er hatte es geahnt. Die Frau war eine Telepathin und hatte in seinem Verstand gewühlt! Wie sonst hätte sie seinen Namen wissen können?

Der Herr hat sie mit dieser Gabe beschenkt. Sie ist wahrlich eine von uns!

Shadar verzog den Mund zu einem Lächeln. »Zuerst hatte ich das gedacht«, gab er zu. »Aber dann erkannte ich das Zeichen der Gnade in deinen Augen. Wir stehen auf derselben Seite.«

Für einen Moment schienen die schwarzen Schlieren, die das Weiß der Augäpfel der Fremden durchzogen und ein untrügliches Zeichen dafür waren, dass sie vom Herrn gesegnet worden war, noch stärker in Bewegung geraten.

Die Blasshäutige nickte langsam, und ihre Körperhaltung entspannte sich etwas. »Ihr habt vermutlich recht«, sagte sie, noch etwas vorsichtig. »Ihr scheint euch hier besser auszukennen als ich. Mein Name ist Aruula, und das da ist Maddrax.« Sie trat mit der Stiefelspitze in die Seite des Bewusstlosen. Der Mann stöhnte auf, regte sich aber nicht.

So ist es richtig, dachte Shadar und unterdrückte ein wölfisches Grinsen. Lass dein Misstrauen fallen! Dann wird alles den Lauf nehmen, den der Herr für uns vorgesehen hat...

Er wusste nun, welches Band ihn und Aruula miteinander verband. Dass sie eine Gesegnete war, würde es einfacher für ihn machen, ihr die Kraft zu rauben. Der Herr hatte sie dazu gebracht, sich ihm zu offenbaren und ihre Kraft zu zeigen.

Shadar würde ihr die Fähigkeit, in anderen zu lesen, rauben. Wahrscheinlich überlebte sie es nicht, aber das war auch nicht wichtig. Schließlich war er dazu auserwählt, die Rückkehr Gottes auf die Erde vorzubereiten, und je mehr Kräfte er in sich vereinte, desto eher konnte er diese heilige Aufgabe erfüllen. Die Absichten der Feinde erspüren zu können, würde sich als unschätzbarer Vorteil erweisen.

Schade, dachte er. Sie ist wirklich hübsch und auf dem besten Weg, eine Gottgeweihte zu werden. Aber ich kann nur einer Gefährtin die Ehre zuteilwerden lassen, meine Sprechermutter zu sein – Elloa.

Shadar zögerte nicht länger. Er musste die Gunst des Augenblicks nutzen. Aruula war waffenlos und würde seinen Angriff nicht erwarten, wähnte sie sich doch unter Gleichgesinnten.

Er konzentrierte sich auf einen Punkt direkt hinter der hellhäutigen Barbarin und spürte, wie sich sein Innerstes zusammenkrampfte. Die Reise mit Elloa hierher hatte ihn viel Kraft gekostet, aber diese wenigen Meter würde er noch schaffen.

Er setzte die aufgestauten Kräfte frei – und fand sich übergangslos hinter Aruula wieder.

Die zuckte zusammen. »Was?«, stieß sie aus. »Wo ist er hin?«

Noch bevor sie sich umwenden konnte, handelte Shadar. Mit einem Ruck zog er das Schwert der Barbarin, das neben Maddrax' Körper steckte, aus dem Boden und wuchtete Aruula die Breitseite der Klinge gegen die Schläfe.

Die Barbarin sank mit einem leisen Stöhnen in die Knie und drehte den Oberkörper Shadar zu. In ihren Augen lag ein ungläubiger Blick. »Aber«, keuchte sie, »warum...?«

»Der Herr will es so«, verkündete Shadar feierlich. Er warf das Schwert von sich. Fast bewusstlos, wehrte sich die Frau nur halbherzig, als er mit der Linken in ihre Haare griff und den Kopf nach hinten zog.

Aruulas Blick wurde glasig, als Shadar mit den gespreizten Fingern der Rechten vor ihrer Stirn verharrte. Er hatte keine Ahnung, woher das Wissen stammte, wie er der Frau ihre Kraft entziehen konnte – er reagierte instinktiv. Bedurfte es noch eines weiteren Beweises, dass er den Willen des Herrn erfüllte?

»Nein«, lallte Aruula. »Nein, bitte...«

Schwarze Nebelfäden stiegen aus ihren Augäpfeln auf und kräuselten sich durch die Luft auf Shadars Fingerspitzen zu. Als sie in seine Haut drangen, durchströmte ihn neue Energie.

Lass mich sehen, was andere denken!, formulierte er im Geiste. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Elloa die Szene gespannt verfolgte, aber keine Anstalten machte, einzugreifen.

Shadar sah in die Augen seiner zukünftigen Sprechermutter und hörte ihre Stimme in seinem Kopf. Sie sprach von einem heiligen Augenblick, dem sie beiwohnte. Es funktioniert!, erkannte er erfreut.

Er würde nicht von Aruula lassen, bis sie ihm alles gegeben hatte, was in ihr steckte.

8. Februar 2015 – Luftraum über Ostafrika

Mit einer Geschwindigkeit von Mach 5 erreichten die drei kobaltblauen Jets der Baureihe F 17 Alpha 2 den Victoriasee im Herzen Afrikas in knapp zwei Stunden.

Die weiteren Messdaten, die sie erhielten, waren inzwischen eindeutig: Der Komet bremste weiter ab. Kurz bevor er in die Erdatmosphäre eindrang, war seine Geschwindigkeit auf weniger als fünfzig Meter pro Sekunde geschrumpft, und mit seinen acht Kilometern Durchmesser hatte er sich problemlos durch die obersten Luftschichten gebohrt, ohne dabei zu verglühen oder auseinanderzubrechen.