Made in Sachsen - Kristina vom Dorf - E-Book

Made in Sachsen E-Book

Kristina vom Dorf

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Beschreibung

Kristina vom Dorf kommt vom Dorf. Genauer gesagt: aus einer 750-Seelen-Gemeinde in Sachsen. Dort verbrachte sie die prägendsten Jahre ihres Lebens und legte den Grundstein für eine unverrückbare Liebe zu ihrer Heimat. Auch das Studium und ihre ersten Schritte als selbstständige Journalistin und Moderatorin absolvierte Kristina noch in Sachsen, bevor die Liebe und die große weite Welt riefen. Mit ihrer weltoffenen und sächsisch-herben Art eroberte sie auch außerhalb der Heimat die Herzen im Sturm und wurde sich einmal mehr bewusst, wie sehr sie von ihren Wurzeln geprägt ist – und profitiert. Mittlerweile mit der gesamten Familie in Fürth gelandet, beleuchtet Kristina in Made in Sachsen unterhaltsam ihre eigene Heimat, hält sich selbst den Spiegel vor und gibt spannende Informationen zu vielen Themen und Eigenheiten, die wir alle mit Sachsen verbinden oder nie erwartet hätten. Verknüpft mit Anekdoten aus ihrem eigenen Leben wird ihr dabei einmal mehr bewusst: »Ich bin Made in Sachsen. Und stolz darauf.« Die Sachsen verstehen mit Kristina vom Dorf: www.instagram.com/diesachsenverstehen

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© Conbook Medien GmbH, Neuss

Alle Rechte vorbehalten.

www.conbook-verlag.de

www.instagram.com/conbook_verlag

Einbandgestaltung: Favoritbuero, München, unter Verwendung eines Fotos von Kai Schmidsberger

Lektorat: Carolin Weißer

Satz: David Janik

Druck und Verarbeitung: CPI Books GmbH, Leck

894587 01 23 2

ISBN 978-3-95889-458-7

eISBN 978-3-95889-466-2

Kristina vom Dorf

MADE IN

SACHSEN

Meine sächsischen Wurzeln,meine Landsleute und ich

INHALT

Vorwort

Meine Kindheit

Bitte nicht Prinz Harry

Langen- wo?

Die sind doch alle braun in Sachsen

Vorurteile vs. Fakten

Die kleinsten Dörfer Sachsens

Sächsisch stirbt aus

Der Kaffeesachse

Liebenswertes Sachsen

Magische Weihnachten

Meine Jugend

Sachsen ist hollywoodreif

Prost

Es gibt kein Sächsisch

Wort des Jahres

Der beliebte Sachse

Sitzenbleiberkind

Dann machen wir eben etwas Kunst

Mein Studenten- und Berufsleben

Schicksalsfahrt

Die slawischen Wangenknochen

Die Medien-Tussi

Keine Wetterfee

Bereit für den Faktencheck Dresden? Los geht’s!

Traumberuf gefunden, oder?

Sächsisch ist Bummelletzter*

Der versoffene Frosch

Leipzig-Liebe

Mein Familienleben

Fußball, wohin man schaut

Die schönen Sachsenmädels

Sächsische Gemütlichkeit in Dänemark

Maultaschen für die Dänen

»Sächsische Küche«

Dschiddschoriengrien

Erfindungen und Pfusch

Erfindungen

Produkte aus Sachsen weltweit

Sächsin goes Zypern

Mein Leben heute

Kann ich noch Deutschland?

Wer tummelt sich auf dem Account?

Freiwild im Internet

Die Influencerin Lene Voigt

Ronny-Bashing

Zeigt euch, ihr Sachsen!

Mein Osten

Sachsen-Stars

Hoffentlich bald vergessene Sachsen

Der stolze Sachse

Lach doch mal!

Die Franken und die Sachsen

Kleines sächsisches Wörterbuch

Dialekt ist Heimat und Seele

Danksagung

VORWORT

oder warum Sie dieses Buch lesen sollten!

Bevor ich Ihnen sage, was »Made in Sachsen« alles kann, möchte ich etwas klarstellen. Wenn Sie dieses Buch lesen, dann werden Sie schnell erkennen, dass es sich nicht um einen Reiseführer handelt. Es ist kein Ratgeber und vor allem ist es weder ein politisches noch ein historisches Buch.

Vielmehr beschreibt dieses Buch meine Heimat Sachsen und ihre Bewohner so, wie ich sie als Kind, Jugendliche und junge Journalistin erlebt habe, wie ich sie heute wahrnehme und vor allem in Zukunft sehen möchte.

Ich möchte endlich den Staub aus dem sächsischen Jackett klopfen und ein modernes, weltoffenes und wunderschönes Sachsen zeigen, was auch die Menschen sehen können, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, die keine Ahnung haben, wie wir Sachsen sind und die sich dennoch eine Meinung gebildet haben. Aber ich hoffe auch diejenigen zu erreichen, die sich nicht mehr zu 100 Prozent mit ihrer sächsischen Herkunft identifizieren können. Vor allem ist dieses Buch aber auch für Sachsen, die ihre Heimat, ihren Dialekt und die Mentalität so lieben wie ich.

Dieses Werk soll Ihnen zeigen, wie liebeswert Sachsen und seine Bewohner sind und wie gern wir über uns selbst lachen und es Leid sind, uns zu verstecken. Warum sollten wir auch?

Wir Sachsen haben die Welt bereist und Erfindungen gemacht, von denen alle profitieren. Wir haben die schönsten Mädchen, die an Bäumen wachsen, und bei der Pisa-Studie hängen wir immer wieder alle ab. Unser Dialekt, der so gern durch den Schlamm gezogen wird, ist dem Hochdeutschen von allen Dialekten am nächsten, und Goethe reiste einst extra nach Leipzig, um sich sprachlich weiterzubilden.

Fakten gegen Vorurteile, könnte man sagen, oder Geschichten aus meinem eigenen Leben können als Beispiel für Weltoffenheit, Anpassungsfähigkeit und der ewigen Leidenschaft, Neues zu entdecken, dienen.

Es gibt Themen in diesem Buch, vor allem politische oder historische, die ich bewusst nicht näher beleuchte. Sicher nicht, um diese unter den Teppich zu kehren oder totzuschweigen. Meiner Meinung nach gibt es genügend andere Plattformen, auf denen man sich über politische und historische Themen austauschen kann. Mein Buch sehe ich allerdings nicht als solche.

»Made in Sachsen« soll vor allem leicht und lustig sein, es soll Sie unterhalten und Lust auf unseren Freistaat und die Menschen dort machen. Es soll uns Sachsen wieder daran erinnern, warum wir uns hier so wohl fühlen, was uns besonders macht und dass wir unseren »Sachsenstolz« und unseren Dialekt auch nach außen tragen dürfen.

MEINE KINDHEIT

Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, war schon nach den ersten Seiten klar, dass es sehr persönlich werden würde. In mein Erstlingswerk »How to survive auf dem Dorf«, das ich vor vier Jahren schrieb, lasse ich vor allem meine Kindheit und Jugend einfließen, und dennoch ist es lange nicht so privat wie dieses Werk. Auch in meiner Liebeserklärung »Niemals Dänemark« gibt es viele persönliche Einblicke in mein Leben. Doch auch dort überwiegen immer die Fakten und Informationen. Das ist in diesem Buch anders. Es ist voll von Kristina vom Dorf, aber eben auch voll von Kristina Ahnert, wie ich schließlich 32 Jahre meines Lebens hieß.

Einerseits stehen in diesem Buch also alle wichtigen Stationen meines Lebens. Ungeschönt, nicht künstlich aufgebauscht, sondern echt. Damit biete ich sicherlich eine große Angriffsfläche, weil ich mich durch die persönlichen Storys und Gedanken auch angreifbar mache und weil ich meine Familie und Freunde unweigerlich mit in dieses öffentliche Boot ziehe.

Andererseits möchte ich Ihnen so viele Fakten, lustige Geschichten und wissenswerte Details über Sachsen an die Hand geben, wie es nur geht. Wie also vereint man eine Art gekürzte und lückenhafte, auf Highlights begrenzte Autobiografie und einen Text voller Fakten?

Ich habe mich dafür entschieden, mein bisheriges Leben als roten Faden für alle Erzählungen, Geschichten, Fakten und Gedanken in diesem Buch zu benutzen. Und wo starten wir, wenn wir ganz am Anfang beginnen wollen? Genau, bei der kleinen Kristina vom Dorf. Obwohl, Rotzlöffel vom Dorf trifft es wahrscheinlich besser.

Bitte nicht Prinz Harry

Sichere Quellen, wenn es um Fragen zu meiner Kindheit in Sachsen geht, sind natürlich immer meine Eltern und Großeltern. In einem der ersten Recherchegespräche sagte meine Mutsch (so nenne ich meine Mutter) zu mir: »Überleg dir aber, was du über uns schreibst, sonst geht es dir wie Prinz Harry.« Klingt wie eine Drohung, war auch so gemeint. Aber natürlich muss man diese Aussage mit einem Augenzwinkern sehen. Als Prinz Harry das Enthüllungsbuch über die englische Königsfamilie schrieb, hätte ihm Charles vielleicht auch den weisen Rat meiner Mutter mit auf den Weg geben sollen. Dann dürfte Harry vielleicht noch heute an den rauschenden Festen im Palast teilnehmen. Stattdessen ist die royale Familie zerstritten.

Dennoch verstehe ich natürlich genau, was mit meine Mutsch damit sagen wollte. Es gibt einfach Familieninterna, die man nicht in der Öffentlichkeit breittreten sollte, und auf der anderen Seite gibt es Erinnerungen und Erlebnisse mit der eigenen Familie, die mich so sehr geprägt haben und so unvergesslich sind, dass sie in dieses Buch gehören. Ich hoffe also, dass mir ein guter Spagat gelingt. Nur so können die Leser besser verstehen, warum ich bin, wie ich bin, warum ich heiße, wie ich heiße und wie sehr mich meine Jugend und Kindheit in Sachsen beeinflusst haben.

Ich bin also hiermit von meiner Mutsch vorgewarnt und starte deshalb mit den völlig frei gewählten Worten: »Ich hatte eine grandiose Kindheit, danke Mutsch!« in dieses Buch.

Ich hätte wirklich nicht schöner und behüteter aufwachsen können als in meinem kleinen sächsischen Dorf. Auch was das Timing betrifft, kann ich mich nicht beschweren, denn als ich 1987 geboren wurde, stand der Mauerfall direkt bevor. Wie oft habe ich den Satz: »Ach, da hast du von der Mauer ja gar nix mehr mitgekriegt.« schon gehört. Und ja, ich bin zum Glück jung genug, um dieses Kapitel nur aus Erzählungen und Geschichtsbüchern zu kennen. Und weil das so ist, werde ich hier auch nicht näher darauf eingehen. Ganz anders ist es beim Thema Dorfleben. Darauf muss ich eingehen, denn mein Künstlername »Kristina vom Dorf« kommt nicht von ungefähr.

Das Dorfleben und meine Kindheit haben mich sogar so stark geprägt, dass ich bereits ein ganzes Buch mit meinen Erinnerungen gefüllt habe. In meinem Debut »How to survive auf dem Dorf« gebe ich Menschen Überlebenstipps, die in kleinen Gemeinden leben oder leben wollen, und ich fülle ganze Kapitel damit, zu erzählen, dass ich an keinem anderen Ort dieser Welt hätte aufwachsen wollen. Müsste ich einem Vollblutstädter erklären, was es bedeutet, auf dem Dorf zu leben, würde ich ihn für eine Woche mit nach Langenreinsdorf nehmen und es ihm zeigen.

Dorf ist für mich: Zeit in der freien Natur zu verbringen, immer Leute um sich zu haben, die einen unterstützen oder bereit für den neusten Dorftratsch sind, zu lernen, wie man körperlich anpackt und dass der Zusammenhalt das Wichtigste ist. All das sind typische Dorftugenden.

Bei uns wurde nie verblümt gesprochen, es wurde Tacheles geredet und zwar im feinsten Sächsisch. Ehrlicherweise muss ich mir als Sächsin wohl eingestehen, dass unsere Mundart für Außenstehende etwas derb, hart und plump klingen könnte. Wenn also mein Opa früher zu meinen Eltern sagte: »De Kristina heuld, weil se offs Maul geflochn is.« (Übersetzung: Kristina weint, weil sie auf den Mund gefallen ist.), dann war das auf eine ganz sächsische Art und Weise tröstend und liebevoll gemeint. Jetzt könnten die Menschen, die mich etwas besser kennen, sagen, dass dieser raue Umgangston einiges erklärt. Ich aber sage: Die Art und Weise, wie in meiner Kindheit mit mir gesprochen wurde, hat mich für mein ganzes Leben abgehärtet. Auf dem Dorf weht ein anderer Wind, und auf einem sächsischen Dorf wütet der verbale Sturm.

Wie schon der sächsische Kabarettist Tom Pauls sagte: »Die Sachsen geizen mit Komplimenten.« Diese Behauptung kann ich zu 100 Prozent bestätigen. Wenn ich in meiner Kindheit etwas richtig gemacht habe, gab es dafür keine überschwänglichen Lobeshymnen, bestenfalls einen anerkennenden Klaps auf die Schulter und das wars. Darüber möchte ich mich auch überhaupt nicht beschweren, im Gegenteil.

Durch den Umgang auf dem Dorf und die knallharten Ansagen, die auf Sächsisch irgendwie noch härter klingen, kann ich heute als Erwachsene viel leichter mit Kritik umgehen und warte nicht ständig auf verbale Bestätigung. Keinem Lehrer, keinem Professor und auch keinem meiner Chefs ist es jemals gelungen, mich mit Worten einzuschüchtern. Und noch wichtiger: Keiner konnte mich bisher zum Schweigen bringen. Wenn mich jemand nach meiner Meinung fragt, dann bekommt er diese. Ehrlich und auf meine harte, sächsische Art. Auf der anderen Seite bin ich selbst empfänglich für Kritik und kann mit Ehrlichkeit und Direktheit umgehen – meiner Meinung nach typisch sächsische Eigenschaften.

Langen- wo?

Meiner Meinung nach hat es allerdings auch einen klitzekleinen Nachteil, aus einem kleinen sächsischen Dorf zu kommen: Ich werde nun schon seit über 30 Jahren nach meiner Herkunft gefragt, und ich kenne die richtige Antwort bis heute nicht. Natürlich kennt niemand in Deutschland Langenreinsdorf, das setze ich bei einer 750-Seelen-Gemeinde auch gar nicht voraus. Aber selbst in Sachsen ist es unmöglich, meine Herkunft zu erklären ohne ganz weit auszuholen.

Mein Monolog klingt dann meist so: »Ich komme aus Langenreinsdorf, das ist ein kleines Dorf und ein Ortsteil von Crimmitschau.« An diesem Punkt meiner Rede füllt sich das Gesicht meines Gegenübers meist noch nicht mit Erkenntnis, es sei denn er oder sie ist zufällig Eishockeyfan. Dann dürften die Eispiraten vom ETC Crimmitschau nämlich nicht unbekannt sein. Ich bin ehrlich, die wenigsten kennen sich so gut im Zweitliga-Eishockey aus. Also spreche ich weiter: »Crimmitschau ist in der Nähe von Zwickau und Chemnitz.« Wenn auch dieser Hinweis nicht weiterhilft, fahre ich meist härtere Geschütze auf, auch, wenn ich geografisch damit jegliche Glaubwürdigkeit verliere: »Das Langenreinsdorf in der Nähe von Leipzig und Dresden.« Wenn sie sich diese Beschreibung bildlich vorstellen, müsste das eine Auge nach links und das andere Auge nach rechts schauen. Es ergibt eigentlich keinen Sinn, aber spätestens jetzt ruft mein Gegenüber immer: »Ah, Leipzig!« oder »Oh, wie schön, Dresden!« Und alle sind zufrieden, aber woher ich komme, weiß dennoch keiner.

Wenn ich bei meiner »in der Nähe von Dresden«-Version bleibe, dann könnte ich sogar im gleichen Atemzug sagen, dass ich aus dem Herzen Sachsens komme. Klingt gut oder? Stimmt aber eben nicht. Bei meinem Heimatdorf verhält sich das nämlich anders, da mein Langenreinsdorf nämlich sehr nah an der Grenze zu Thüringen liegt. Vielleicht wird mir auch deshalb manchmal vorgeworfen, dass mein Sächsisch nicht perfekt sei. So ’ne Frechheit!

Warum es korrektes oder perfektes Sächsisch allerdings gar nicht gibt und was unseren Dialekt so vielfältig macht, lesen Sie noch ausführlich in diesem Buch. Doch zu Beginn lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, was die Sachsen und die Nicht-Sachsen so über Sachsen denken und vor allem, was die Sachsen denken, was die Nicht-Sachsen über die Sachsen und Sachsen denken. Sie kommen nicht mehr mit? Keine Sorgen, ich erkläre es Ihnen.

Die sind doch alle braun in Sachsen

Wo Menschen sind, sind Vorurteile. Klingt einfach dahingesagt, stimmt aber zu 100 Prozent. Wir Menschen bilden uns eine Meinung über Dinge, bestenfalls aufgrund von Erfahrungen. Meistens jedoch sind es nicht einmal die eigenen Erfahrungen, die uns beeinflussen, sondern die Meinung anderer. Sei es ein Artikel, der Nachbar, das Gerede der Leute oder unsere Familie. Wir haben eine Meinung über etwas oder jemanden, den wir nie persönlich getroffen oder kennengelernt haben. Leider schwingt bei dem Wort »Vorurteil« auch immer etwas Negatives mit. Oftmals sind diese nämlich sogar mit Abneigung und Hass verbunden. Zum Glück gibt es aber eben auch jene, die einem zum Schmunzeln bringen.

Als ich in Zypern gelebt habe, sagte meine Nachbarin einmal zu mir: »Du bist gar nicht typisch deutsch.« Als sie den Satz ausgesprochen hatte, hatte ich sofort gesehen, dass sie sich der unangenehmen Situation, in die sie sich gebracht hatte, sehr bewusst war. Ich lachte kurz auf und fragte: »Ach so? Was ist denn typisch deutsch?« Sie wollte nicht so richtig mit der Sprache rausrücken, aber natürlich konnte ich jetzt nicht mehr lockerlassen. Sie sagte: »Die Deutschen sind immer so streng und lachen so wenig.«

Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass wir während des Gesprächs auf einer Party waren und der zypriotische Wein ausgezeichnet schmeckte. Es war also selbst für mich als scheinbar mieslaunige und strenge Deutsche leicht, das Leben zu genießen.

Ich fragte sie, wie viele Deutsche sie kenne und sie antwortete: »Nur dich.« Natürlich musste sie dabei lachen, und ich war froh, dass ich die eine Deutsche war, die in Zypern vielleicht zumindest ein bisschen mit den Vorurteilen über uns aufräumen konnte.

Wenn Sie also einmal das Wort »Vorurteil« definieren müssen, nutzen Sie diese Geschichte. Warum ich das erzähle? Ich habe den Eindruck, dass es vor allem über uns Sachsen in Deutschland eine Menge Vorurteile gibt und diese leider oftmals negativ behaftet sind. Um herauszufinden, ob ich damit richtig liege, habe ich eine Umfrage unter Sachsen gestartet, welche Vorurteile über den Sachsen selbst oder das Bundesland Sachsen sie am meisten nerven. Hier nun die Top-Antworten ungeschönt, unkommentiert und ohne persönliche Wertung.

Welche Vorurteile nerven die Sachsen, wenn es um ihre Herkunft geht?

•Der sächsische Dialekt sei unerotisch.

•Alle Sachsen seien dumm, rückständig oder Hinterwäldler.

•In den Medien wird Sachsen als Dunkeldeutschland und brauner Sumpf dargestellt.

•Sachsen wird zu oft mit ganz Ostdeutschland gleichgesetzt.

•Wenn ein Nicht-Sachse den sächsischen Dialekt nachäfft.

•Alle Sachsen haben eine rechte Gesinnung, sind Querdenker und wählen die AfD.

•Der sächsische Dialekt sei der schlimmste in ganz Deutschland.

•Die Sachsen haben eine mangelnde Bildung.

•Alle Sachsen lieben FKK (Freikörperkultur).

Schön wäre, wenn ich es schaffe, bis zum Ende des Buches ein paar Vorurteile aus der Welt zu räumen. Was den »unerotischen, sächsischen Dialekt« allerdings angeht, wird das schwer. Ehrlich gesagt, möchte ich aber auch nicht in tiefstem Bairisch ins Ohr geflüstert bekommen, wie schön ich bin. Dialekt und Erotik gehören für mich irgendwie nicht unmittelbar zusammen.

Vorurteile vs. Fakten

Da Ihnen in diesem Buch immer wieder das Wort »Dialekt« begegnen wird, möchte ich dieses gleich zu Beginn einmal vorbildlich definieren. In Deutschland ist die Standardsprache Hochdeutsch. Das Hochdeutsche ist quasi die Sprache, auf die man sich einigte, damit sich alle Menschen innerhalb dieses Landes verständigen können.

Im Alltag allerdings sprechen die meisten Menschen untereinander eine bestimmte Variante der deutschen Sprache. Diese Variante nennt man dann Dialekt. Oftmals unterscheiden sich die Dialekte und das Hochdeutsche in den Punkten Satzbau und Grammatik. Buchstaben werden häufig anders ausgesprochen, weggelassen oder einfach angehängt. Wie genau man Sächsisch spricht, werde ich Ihnen natürlich auch noch detailliert erläutern.

Aber Vorsicht! Sehr viele Menschen in Sachsen sind der Überzeugung, dass man den sächsischen Dialekt nicht lernen kann, sondern man muss diesen mit der Muttermilch aufgesogen haben.

Vorurteilen gegenüber stehen immer Fakten. Deshalb möchte ich es auch nicht versäumen, ein paar wichtige Worte zu definieren und ein paar Fakten zum Thema Sachsen aufzuzählen. Damit Sie beim Lesen allerdings nicht einschlafen, mache ich ein Quiz daraus, und Sie können gleich mal zu Beginn ihr Sachsen-Wissen testen:

Was ist die Hauptstadt Sachsens?

a)Leipzig

b)Chemnitz

c)Dresden

Wie viele Einwohner hat Sachsen?

a)5,1 Millionen

b)4,1 Millionen

c)3,1 Millionen

Wie groß ist Sachsen?

a)ca. 25.000 km2

b)ca. 18.500 km2

c)ca. 15.500 km2

Welches Bundesland grenzt nicht an Sachsen?

a)Thüringen

b)Brandenburg

c)Berlin

Welches ist der größte See in Sachsen?

a)Störmthaler See

b)Zwenkauer See

c)Bärwalder See

Welche Stadt ist die älteste in Sachsen?

a)Meißen

b)Torgau

c)Grimma

Lösungen: Dresden; 4,1 Millionen; 18,5 km2; Berlin; Bärwalder See; Meißen (gegründet im Jahr 929)

Von den knallharten Fakten zurück zu den Vorurteilen. Besonders die Bewohner kleinerer Dörfer scheinen dazu zu neigen, welche zu haben. Merken Sie etwas? Das ist schon wieder ein Vorurteil. Ich will dieses aber gar nicht analysieren oder gar bestätigen, eigentlich wollte ich nur ganz galant zum nächsten Thema überleiten.

Die kleinsten Dörfer Sachsens

Bis ich dieses Buch geschrieben hatte, dachte ich, dass Langenreinsdorf mit seinen 750 Einwohnern klein ist. Aber haben Sie schon mal etwas von Dobschütz gehört? Dieser Ortsteil gehört zur Stadt Nossen im Landkreis Meißen und wird auch als kleinstes Dorf Sachsens bezeichnet. Genau sechs Menschen wohnen hier. Während in vielen Orten Sachsens die Bevölkerungszahl zurückgeht, hat sich diese in Dobschütz in den letzten Jahren allerdings sogar verdreifacht.

Im Jahr 2010 lebte nur noch ein altes Ehepaar hier. Dann kam das Ehepaar Papmeyer dazu und bekam zwei Kinder. Bevor sich das damals noch unverheiratete, kinderlose Paar für ein Leben auf dem Land entschied, studierten sie in England und arbeiteten danach in der Schweiz. Nun leben die Weltenbummler deutlich zurückgezogener und ruhiger im Dreieck zwischen Meißen, Nossen und Döbeln, weitab von Lärm und städtischem Alltagestress. Für viele der perfekte Ort, um Kinder großzuziehen.

In Dobschütz können sie ihren Traum vom Bauernhof leben. Der Dreiseitenhof stammt aus dem Jahr 1699. Ihr Gehöft ist umgeben von Wiesen, Feldern und Bäumen. Der nächste Supermarkt ist aber auch nur zehn Autominuten entfernt.

Mittlerweile fungiert das Gehöft als Erlebnishof für Urlauber. Familie Papmeyer hält Rinder, Pferde, Esel, Schafe und Hühner. Mit ihrer Pension laden sie zum Urlaub auf dem Bauernhof ein. Vielleicht kommt der ein oder andere Gast ja auch auf den Geschmack und möchte ein Leben irgendwo im Nirgendwo. Dann würde die Bevölkerungsexplosion und damit die Erfolgsgeschichte vom eigentlich schon totgesagten Dobschütz weitergehen.

Wer Dobschütz kennt, sollte unbedingt auch etwas über Liebon erfahren. Sie kennen Liebon nicht? Liebon ist so speziell, dass noch nicht mal die Suchmaschinen im Internet nachkommen. Wikipedia weiß zum Beispiel so viel: »Liebon, obersorbisch, ist ein Bauernweiler in der sächsischen Gemeinde Göda im Landkreis Bautzen. Der mit nur noch einem Einzelgehöft belegte Weiler liegt innerhalb des Kernsiedlungsgebiets der Sorben in der Oberlausitz.« Ein Weiler, was so viel bedeutet wie »noch kleiner als ein Dorf«, ist quasi eine Art Siedlung.