Madly Forbidden - L. J. Shen - E-Book

Madly Forbidden E-Book

L.J. Shen

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Beschreibung

Das Spiel mit dem Feuer war noch nie verlockender

Dylan will in New York mit ihrer kleinen Tochter einen Neustart wagen, weit weg von ihrem betrügerischen Ex-Freund. Nur hat die junge Mutter nicht damit gerechnet, dass ihr großer Bruder ihr einen Aufpasser zur Seite stellt. Rhyland Coltridge ist ein Frauenheld, so nervtötend wie sexy, ihr neuer Nachbar - und als bester Freund ihres Bruders absolut tabu! Doch als Rhylands potenzieller Business-Partner die beiden für ein Paar hält, bittet er Dylan kurzerhand, seine Fake-Verlobte zu spielen, um als liebevoller Familienvater dazustehen. Während sie das verliebte Paar vortäuschen, können sie jedoch schon bald die Funken zwischen ihnen nicht länger leugnen ...

»L. J. Shen hat es mal wieder geschafft, dass ich mich in ein weiteres Buch und weitere Charaktere von ihr verliebe. Sie ist und bleibt meine Queen.« charlies_library

Band 2 der FORBIDDEN-LOVE-Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin L.J. Shen


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Seitenzahl: 622

Veröffentlichungsjahr: 2025

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Motto

Playlist

1

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von L. J. Shen bei LYX

Impressum

L. J. Shen

Madly Forbidden

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anne Morgenrau

ZU DIESEM BUCH

Dylan Casablancas’ Leben läuft alles andere als nach Plan. Als alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter hat sie all ihre Träume begraben müssen. Doch als ihr Bruder ihr anbietet, auf sein Apartment in New York aufzupassen, sieht sie ihre Chance für einen Neuanfang – weit weg von ihrer Heimatstadt und dem Skandal um den Betrug ihres Ex-Freundes. Womit sie allerdings nicht gerechnet hat: Ihr großer Bruder hat ihr ausgerechnet seinen besten Freund als Aufpasser zur Seite gestellt. Rhyland Coltridge ist ein Frauenheld, so nervtötend wie sexy, ihr neuer Nachbar – und plötzlich Dylans Verlobter! Denn sein konservativer Business-Partner hält die beiden für ein Paar, und um als liebevoller Familienvater dazustehen, bittet Rhyland sie, seine Fake-Verlobte zu spielen. Obwohl Rhyland der letzte Mann ist, auf den sie sich einlassen sollte, kommt Dylan der Deal gerade recht, um ihren aufdringlichen Ex auf Abstand zu halten. Während die beiden das verliebte Paar vortäuschen, können sie die Funken zwischen ihnen nicht länger leugnen. Als kleine Schwester seines besten Freundes ist Dylan für Rhyland allerdings absolut tabu. Doch das Spiel mit dem Feuer hat sich noch nie verlockender angefühlt …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Für jedes Mädchen, das man jemals dazu gebracht hat, sich wegen ihrer Entscheidungen weniger wertvoll zu fühlen.

Du bist wunderbar.

Nieder mit dem Patriarchat.

Sie war eine wunderschöne Träumerin.

Ein Mädchen, das den Kopf in den Wolken hatte, bis zum Himmel und zurück liebte und jede Reue unter der Erde begrub, auf der sie wandelte.

Robert M. Drake

PLAYLIST

Spiracle – Flower Face

Recomposed By Max Richter: Vivaldi, The Four Seasons – Max Richter (My Brilliant Friend)

Washing Machine Heart – Mitski

Soaked – Shy Smith

The Tortured Poets Department – Taylor Swift

Wildest Dreams – Taylor Swift

I Like the Way You Kiss Me – Artemas

Crazy Girls – TOOPOOR

Lilith – Adeline Troutman

Bulletproof – La Roux

I’m not in Love – 10cc

1

DYLAN

Es gibt schlimmere Arten, zu Hause begrüßt zu werden, als der Anblick der eigenen Mutter, die, mit gespreizten Gliedern an die Scheibe der Hintertür gedrückt, von ihrem Verlobten vernascht wird. Allerdings fiel mir keine ein, als ich, die Klinke noch in der Hand, in der Haustür stehen blieb und gegen meinen Würgereflex ankämpfte … vergeblich.

»Ja, Marty! Ja, genau da … Dio mio … nicht aufhören!« Ihre undeutlichen Anfeuerungsrufe, gedämpft von seiner Hand, damit sie das Kleinkind oben nicht weckten, bohrten sich in mein Gehirn und brannten sich unauslöschlich in mein Gedächtnis ein.

Instinktiv wollte ich wie Phoebe Buffay »MEINEAUGEN, MEINEAUGEN!« schreien und wild um mich schlagend Haus, Stadt, Staat und Planet verlassen, doch das konnte ich leider nicht. Erstens, weil meine dreijährige Tochter im Obergeschoss schlief und ich sie niemals zurücklassen würde. Zweitens, weil ich mit sechsundzwanzig immer noch bei meiner italienischen Mamma wohnte, wenn auch in einem prächtigen Mini-Herrenhaus, das mein Bruder für sie errichtet hatte. Ihr stand das Haus eher zu als mir.

Und drittens? Schon verstanden, Mamma. Ich ziehe den Hut vor dir, weil du dein Leben lebst, so gut du kannst.

Ich unterdrückte den Brechreiz, schloss mit einem leisen Klicken die Tür, stieg wieder in meinen roten 1999 GMC Jimmy, um ihre Privatsphäre nicht zu stören, und knallte die Fahrertür der uralten Karre zu. Aus Rache fiel das Ding aus den Angeln und landete mit einem zornigen Knall auf dem schmutzigen Bordstein.

Ich schloss die Augen, packte das Lenkrad, als wollte ich es erwürgen, und holte tief Luft.

Alles ist gut. Mehr als gut. Sehr gut sogar. Du hast ein Dach über dem Kopf. Einen festen Job. Ein Kind, das du liebst …

In der verschlissenen Vordertasche meiner Kellnerinnenuniform begann mein Handy zu vibrieren. Die Uniform bestand aus einem hellrosa Kleid, so kurz, dass es auch als Serviette durchgehen könnte, und einer karierten Schürze mit allerlei Flecken von Tomatensoße über Kaffee bis zu Fett und Kotze.

Was soll ich sagen? Ich führte ein Leben voller Luxus und Verschwendung, aber irgendjemand musste es ja tun.

Mein Blick wanderte zu dem Bild meiner besten Freundin Cal auf dem Display. Darauf stand sie vor dem Eiffelturm und lachte sorglos mit zurückgeworfenem Kopf, während mein dämonischer Bruder sein Gesicht an ihrem Nacken vergrub und sie küsste. Ich hatte das Foto als Kontaktbild ausgewählt, um den einzigen Makel ihres ansonsten sonnigen Naturells nicht zu vergessen: Sie schlief mit Luzifers Doppelgänger alias mein herrischer, kontrollsüchtiger älterer Bruder.

Immerhin waren die beiden verheiratet. Und wirklich sehr süß zusammen. Vielleicht war ich ja nur genervt, weil ich von Paaren umgeben war, die nicht mehr aus ihren Liebesnestern herauskamen. Der einzige Freund, den ich in den letzten vier Jahren gehabt hatte, war batteriebetrieben und aus Silikon.

Ich wischte über das Display, sagte aber nichts, denn ich hatte Angst, mich übergeben zu müssen, sobald ich den Mund aufmachte.

»Dyl«, sagte Cal atemlos lachend am anderen Ende der Leitung. Row im Hintergrund brummte wie ein Grizzly – wie immer, wenn er sie küsste.

Ich war nicht eifersüchtig, weil für Cal ein Märchen wahr geworden war. Sie hatte es verdient, denn sie hatte meinen halbwilden Bruder gezähmt.

»Du glaubst nicht, wer uns in Cannes gerade über den Weg gelaufen ist!«, kreischte sie.

Erneut schloss ich die Augen und redete mir einen spontanen Nervenzusammenbruch aus.

Ed Sheeran? Taylor Swift? König Charles? Gott?

Das Leben der beiden war voll mit Promi-Partys, Pinterest-Ferien und Mahlzeiten, die zum Essen zu schön waren.

Es war ja nicht Cals Schuld, dass ich gerade eine Zwölf-Stunden-Schicht in meinem erbärmlichen Job in Dahlia’s Diner hinter mir hatte. Es war nicht Cals Schuld, dass ich alleinerziehend war. Es war nicht Cals Schuld, dass ich noch bei meiner Mutter wohnte. Und es war nicht ihre Schuld, dass mein Leben mir so vorkam wie der mittlere Teil eines quälend langweiligen Buchs mit zusammenklebenden Seiten, bestehend aus einer endlosen Reihe von To-do-Listen und Pflichten.

»Dylan? Bist du noch da?«, quengelte Cal nach kurzem Schweigen.

Ja, leider.

Ich glaubte zu hören, wie Row grunzte: »Bleib stehen und lass es einfach zu.« Jetzt mal im Ernst: Wen hatte ich in meinem vorherigen Leben getötet, um diesen Abend zu verdienen?

Der kreischende, wild wirbelnde Wind peitschte in mein Auto und drang mir in die Knochen.

»Row«, schimpfte Cal. »Ich versuche gerade zu essen.«

»Ich auch.«

Oh Gott. Würde das Jugendamt auch noch bei einer Sechsundzwanzigjährigen eingreifen?

»Ich habe Mamma und Marty gerade beim Vögeln an der Hintertür erwischt«, platzte es aus mir heraus.

Genau deshalb räumst du Tische ab, anstatt Regierungsgeheimnisse für dich zu behalten, Dylan.

»Holy Shit«, sagte Cal – oder Dot wegen der vielen Sommersprossen auf ihrer Nase und den Wangen, ein Beweis dafür, dass Gott sie mit Feenstaub bestreut hatte. »Na ja, ist doch prima für Zeta. Sie hat etwas Sex verdient, aber gleichzeitig … tut es mir leid für dich.« Cal lachte schnaubend. »Du weißt schon, kein Hunger, keine Lust und so.«

»Es wird immer schlimmer«, sagte ich und setzte ein Lächeln auf, nur damit sie es in meiner Stimme hörte. »Außerdem werden sie Flecken hinterlassen, und du weißt ja, wer hier die Fenster putzt.«

Scherz beiseite: Meine Mom hatte eine furchtbare Ehe mit meinem Vater ertragen. Als er sechs Jahre zuvor gestorben war, hätte ich nicht gedacht, dass sie sich jemals wieder verlieben würde. Aber ich war froh, dass wenigstens eine von uns es getan hatte. Denn ich würde keinen Mann mehr anfassen, verdammt, nie mehr, nicht mal mit der Kneifzange.

»Wir wär’s mit einem Geschwisterchen?«, fragte Cal provozierend. Die Stille um sie herum ließ mich annehmen, dass Row aufgehört hatte, sie zu belästigen, und unser Gespräch nun belauschte.

»Danke. Mir ist schon schlecht.«

»Vielleicht bist du ja schwanger … obwohl ich Nonnen kenne, die mehr Sex haben als du.« Cal kicherte. »Hat sie nicht gewusst, dass du nach Hause kommen würdest?«

»Eigentlich sollte ich eine Doppelschicht machen, aber es war nicht viel los, darum hat Dahlia mich früher nach Hause geschickt.«

»Und wo bist du jetzt?«, fragte Cal.

»Ich hab bei Jimmy Zuflucht gesucht«, sagte ich und streckte eine Hand aus, um eine dicke Staubschicht vom Armaturenbrett zu wischen. »Aber bei dem ist gerade die Fahrertür abgefallen, also ist es hier drin alles andere als warm und gemütlich.«

»Heute ist definitiv nicht dein Tag«, sagte meine beste Freundin mitfühlend. »Ich schicke dir einen Kuchen.« Pause. »Und ein Ladekabel für deinen Zauberstab, weil ich weiß, dass du deine immer verlierst.«

Im Hintergrund hörte ich Row angeekelt würgen. Gut so. Seit die beiden zusammen waren, bekam ich ungefähr einmal im Monat mit, wie er meine beste Freundin aus Kindertagen besudelte. Auf diese Art konnte ich mich wenigstens revanchieren.

»Ladekabel haben Beine«, protestierte ich und zwang mich zu lachen, wodurch sich mein Rachen rau und metallisch anfühlte. »Eine andere Erklärung gibt es nicht dafür, dass die Dinger immer wieder verschwinden. Ihr seid also gerade in Cannes?«

Row und Cal verbrachten ihre Zeit abwechselnd in New York und London. Row besaß in beiden Städten mit Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurants, aber sie reisten auch gern mal woanders hin.

»Jep. Morgen früh fliegen wir wieder nach London und bleiben vermutlich eine Weile dort. Row eröffnet in Edinburgh ein neues Restaurant, und er möchte, dass Serafina und ich in seiner Nähe sind.«

Serafina war meine Nichte. Sie war gerade zwei geworden und hatte die riesigen blauen Augen ihrer Mom, die wilden, rabenschwarzen Locken ihres Dads und die Lunge der Opernsängerin von nebenan. Das Mädel war imstande, mit seinem Geschrei ein Erdbeben der höchsten Stufe auszulösen.

»Dylan …« Cal zögerte. »Ich habe eine Idee.«

Sie und Row hatten ständig Ideen. Und alle drehten sich um den Versuch, mein verpfuschtes Leben zu verbessern. Nicht, dass ich ihnen das vorwarf. Mein Dasein war tatsächlich so erbärmlich, dass es nach Rettung förmlich schrie.

»Nein«, sagte ich und rieb mir mit dem Handballen seufzend die Augen. »Alles, was ich noch habe, ist mein Stolz.«

»Bist du sicher?«, fragte Row sarkastisch.

»Haha. Fick dich.«

»Nein, danke, Dyl. Und mal ganz im Vertrauen: Deine Ansprüche sind in den letzten Jahren stark gesunken. Inzest ist keine schöne Sache.«

»Halt’s Maul, verdammt.« Ich trat das Gaspedal durch und hätte am liebsten jemanden überfahren.

»Wir werden jemanden brauchen, der auf unsere Wohnung in New York aufpasst«, redete Cal weiter, ohne unserem Geplänkel Beachtung zu schenken. »Könntest du das nicht übernehmen? Du wolltest doch schon immer in New York leben.«

Ja, aber das vor vorher gewesen.

Bevor mir klar wurde, dass ich niemals aufs College gehen würde.

Bevor ich geschwängert wurde und mit dreiundzwanzig ein Kind bekam.

Bevor der Daddy des Babys mich vor aller Augen für die korrupte Bürgermeisterin verließ, mit der er eine Affäre hatte.

»Himmel, was redest du denn da? Ein Leben in New York kann ich mir nicht leisten«, erwiderte ich und lachte laut.

»Klar, kannst du es dir leisten«, mischte Row sich ein. Sein Tonfall war barsch, finster und höhnisch – wie immer. »Wir würden sowieso jemanden dafür einstellen. Du musst keine Miete zahlen, weil du in unserem Apartment wohnst, und Lebensmittel werden dir zweimal wöchentlich an die Tür geliefert. Du musst nur den Kühlschrank und die Vorratskammer sauber halten. Nebenkosten sind inklusive. Ich kann dir einen Posten in der Verwaltung vermitteln und dich auf die Gehaltsliste der Fir…«

»Nein!« Meine Stimme überschlug sich fast vor Panik. »Mit deiner Vetternwirtschaft will ich nichts zu tun haben.«

Ambrose »Row« Casablancas konnte die meisten Menschen nicht leiden, wenn er also zufällig jemanden kennenlernte, den er nicht total bescheuert fand, neigte er dazu, ihn sofort einzustellen. Deshalb hatte er ein halbes Jahrzehnt mit seinem Jugendfreund Rhyland zusammengearbeitet, ehe ihre Wege sich trennten. Deshalb hatte er sich schließlich mit seinem Geschäftspartner Tate angefreundet. Und aus demselben Grund ließ er auch Mamma als »Social-Media-Influencerin« für die verrückte Summe von zweihundertfünfzig Riesen pro Jahr für sich arbeiten, obwohl er weder auf Instagram, noch auf TikTok, Facebook oder X war.

»Ich weiß nicht recht, wie ich es dir sagen soll, Dyl, aber deine Umstände verbieten dir ein derart großes Ego«, versetzte Row mit leidenschaftsloser Stimme. »Nimm den Job lieber an.«

Cal hielt die Luft an, und ich hörte, wie sie nach ihm schlug. »Sei nicht so gemein, Row!«

»Treib mir die Gemeinheit heute Abend aus, und ich kaufe ihr obendrein noch ein Auto«, murmelte Row.

Jep. Von diesem Gespräch werde ich mich nie mehr erholen.

»Ich will eure Wohnung in New York nicht«, stieß ich hervor. »Ich könnte mir keine Kinderbetreuung leisten, und ich werde nicht in einem Fantasiejob arbeiten und mich in meinem Alter schon aushalten lassen.« Ich war kein Sugarbabe. Ich würde mich weiterhin allein durchs Leben schlagen, auch wenn ich dabei nicht sonderlich erfolgreich war.

»Du bist einfach nur stur und unvernünftig«, sagte Row vorwurfsvoll.

»Und du bist arrogant und unhöflich.«

Row schnaubte. »Das ist nun weiß Gott nichts Neues.«

»Ihr erstickt mich mit eurer Liebe«, versetzte ich.

»Und deine Lebenseinstellung bringt uns alle auf die Palme«, konterte er.

Cal schaltete sich ein. »Bitte, denk darüber nach, ja? Du könntest dich dort um andere Jobs bewerben. Vielleicht irgendetwas im Marketing?«, schlug sie fröhlich vor, und als ich hörte, wie mein Bruder erneut an ihr herumküsste, stieg eine brodelnde Mischung aus Wut, Verdruss und Verbitterung in mir auf. »Für Gravs Betreuung wird uns schon was einfallen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Du musst endlich da raus, Dylan«, sagte Cal leise. »Dein Job führt doch zu nichts. Es ist an der Zeit, dich um dich selbst zu kümmern.«

Was leichter gesagt als getan war. Ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte. Ich hatte mich noch nie nur um mich gekümmert, sondern immer vor allem um andere, ob nun um Mamma oder um Gravity.

»Nein.« Ich biss mir auf die Unterlippe und überschlug im Kopf, wie viel es kosten würde, Jimmys verdammte Tür zu reparieren. »Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, inzwischen sind mehr als zehn Minuten vergangen. Sie sollten allmählich fertig sein. Ich will endlich auf der Couch in Ohnmacht fallen.«

»Falls du damit das Sofa im Wintergarten meinst … lass es lieber. Row und ich haben es eingeweiht, als wir neulich bei euch übernachtet haben.«

»Cal!«, blaffte ich sie an.

»Und auch sämtliche Küchenschränke, das Gästezimmer und jede Dusche im Haus«, fügte Row seelenruhig hinzu. »Ehrlich, wenn du die Vorstellung, dass wir es dort auf sämtlichen Oberflächen getrieben haben, nicht ertragen kannst, solltest du das Haus in Zukunft lieber meiden.«

Ich legte auf und schrie volle zwei Minuten lang meinen Frust heraus.

Als ich wieder nach Hause kam, waren Mamma und Marty mit ihrem Fifty-Shades-of-Grey-Hair-Spiel im Wohnzimmer fertig. Dank sei Gott für die kleinen Gaben. Abgesehen vom Brummen des Kühlschranks war es dunkel und still im Haus. Ich schenkte mir ein Glas Wasser ein, spülte das Geschirr und ging die Treppe hoch in Gravitys Zimmer. Es war sehr hübsch mit einer pastellfarbenen Blumentapete, einem Kinderbett, das Marty selbst zusammengebaut und in ihrer Lieblingsfarbe Lila gestrichen hatte, und weißen Regalen mit Gravs Lieblingsbüchern. In dem Raum herrschte Unordnung. Auf dem zotteligen Teppich und dem kleinen Schreibtisch lagen Experimentiersets und Legosteine, und überall waren Bücher zum Ausmalen und mit Buchstaben zum Nachzeichnen verstreut. Für meine Tochter tat ich alles. Sie sollte das Gefühl haben, dass sie im Leben erreichen konnte, was immer sie wollte.

Das Herz so voller Liebe, dass es mir fast den Atem raubte, ging ich zu ihrem Bett. Nach jeder Schicht, bei jedem Trinkgeld, das ich einsteckte, dachte ich an sie. Sie gab meinem langweiligen, unbefriedigenden Leben einen höheren Sinn.

Und gleichzeitig war sie es, die mich erdete. Sie war der feste Grund unter meinen Füßen.

Ich blickte auf mein wunderschönes Mädchen herab und schob ihr eine kleine braune Locke hinters Ohr. Selbst ihre Ohrmuscheln waren perfekt. Ehe ich es verhindern konnte, entschlüpfte mir ein leises Lachen. Bei ihrer Geburt hatte sie ausgesehen wie ein zorniger alter Mann. Jetzt war sie atemberaubend … und das genaue Ebenbild ihres entlaufenen Vaters.

Der gleiche Kranz langer schwarzer Wimpern um die auffallend schönen Augen mit der gelbgrünen Iris, umgeben von dunkelblauen Kreisen. Mit der Fingerspitze fuhr ich an ihrer eleganten Stupsnase entlang und sah zu, wie ihre kirschroten Lippen sich zu einem kleinen Lächeln verzogen. Wovon träumte sie? Was würde aus ihr werden? In meinen Träumen – den wenigen, die ich mir noch erlaubte – stellte ich mir vor, wie ich eine Tür nach der anderen für sie eintrat und ihr half, jedes noch so hohe Ziel zu erreichen, das sie anstrebte.

Aber konnte ich ihr all das hier, in Staindrop in Maine, wirklich geben? In dieser Kleinstadt, in der es nur eine Schule gab, einen Kindergarten, keine Zukunft und wenige Einwohner? Selbst das neue Einkaufszentrum und das vor einigen Jahren erbaute protzige Hotel hatten das kleine Kaff am Meer nicht lebenswerter gemacht.

Was, wenn Grav so endete wie ich, gefangen an einem Ort, an dem sie nicht glücklich war, und sich mit dem begnügte, was es gab, anstatt nach dem zu streben, was möglich war?

Ich beugte mich über sie, hielt die Luft an, um sie nicht zu wecken, und hauchte meiner Tochter einen Kuss auf die Wange.

Schlaf gut, meine Süße, sang mein Herz. Mommy hat dich lieb.

Es war lächerlich, aber zu dem Vorfall, der mir letztlich das Rückgrat brach, kam es, als ich mir zwanzig Minuten später den Slip herunterzog und zum ersten Mal seit acht Stunden pinkelte. Ich saß auf der Toilette, schaute auf mein altmodisches Baumwollhöschen hinunter, und mir wurde klar, dass ich keinen einzigen Slip in einer anderen Farbe als Beige besaß. Und auch keine echten Dessous. Überhaupt nichts Schönes mehr. Nicht mal High Heels zum Ausgehen. Und schon gar keine Freunde, mit denen ich ausgehen könnte.

Meine billige, zerschlissene Unterwäsche war eine perfekte Metapher für mein ganzes Leben. Farblos, unbedeutend, beliebig … ein uninspiriertes, trauriges, rein praktisch orientiertes Dasein.

Mit einem Mal erkannte ich, dass ich … nun ja, ich wollte mehr.

Das Leben war nicht nur schwarz oder weiß. Es bestand nicht entweder aus fantastischen Partys in Cannes oder aus endlosen Schichten im Diner. Ich musste dieses Leben nicht führen, das das Schicksal mir zugedacht hatte.

Der letzte Fehler, den ich begangen hatte – an die Armlehne eines Sofas gepresst, die Wange auf ein Kissen gedrückt –, hatte die Form eines geplatzten Kondoms gehabt. Das Ergebnis war meine Tochter. Und obwohl ich Gravity mehr liebte als mein Leben und die Folgen dieses sogenannten Fehlers niemals bereut hatte, war mein Leben seitdem völlig anders verlaufen. Ich hatte mich in einen Feigling verwandelt, der sich davor fürchtete, Fehler zu machen.

Aber das hier war ein Fehler. Diese Stadt. Dieser Job. Dieses ziellose Leben.

Ich hatte mehr verdient und Grav ebenso. Ich konnte ja immer wieder hierher zurückkehren. Aber etwas Wildes, Rebellisches, neu Erwachtes in mir sagte mir, dass es dazu nicht kommen würde. Wenn ich mich einmal befreit hatte, würde ich weglaufen und nicht mehr stehen bleiben. Es war, als wäre ich gerade aus einem jahrelangen Koma erwacht. Als wäre ich zum Luftholen an die Oberfläche gekommen, nachdem ich ewig auf dem Grunde einer Schlammgrube gesessen hatte.

Hastig nahm ich mein Smartphone vom Rand des Waschbeckens, und noch bevor ich die Spülung betätigte, rief ich Cal zurück.

»Dot?«

»Bitte, sag mir, dass du das Angebot annimmst.«

»Ja, ich nehme es an.«

»Braves Mädchen.«

2

DYLAN

»Fuck, verdammt noch mal, elender Mist!« Ich schlug mit der Stirn auf das Lenkrad, und wie der Rest meines Lebens löste sich auch mein Pferdeschwanz in seine Bestandteile auf.

Im Rückspiegel sah ich, dass Grav der Mund offen stand und ihre Augen sich weiteten. Sie saß angeschnallt in ihrem Kindersitz und drückte Mr Mushroom an sich, ein dickes pinkes Stofftier, das wie ein Penis aussah. Sie hing heillos an diesem Ding. Cal hatte es mir geschenkt, und irgendwie war es zu einem Bezugsobjekt für meine kleine Tochter geworden.

»Mommy!«, sagte sie erstaunt und in tadelndem Ton. »Grandma wird böse sein, wenn sie das hört.«

»Wenn du es für dich behältst, darfst du von Mommys Cola trinken.« Ich bestach mein Kind mit einer Dose Cola.

»Okay!«

Unser Neustart in New York begann mit einem kaputten Auto, das zu Rows Wohnung an der Fifth Avenue nicht einmal mehr rollen konnte, und mit einer Reihe von zwanzig Wagen, deren Fahrer hupten und mich anschrien.

Hektisch versuchte ich, den Motor wieder in Gang zu bringen. Drei Meter vor der Einfahrt zu Rows Tiefgarage beschloss Jimmy, den Geist aufzugeben.

»Na los, nun mach schon.« Ich riss die Handbremse hoch, drückte sie wieder runter und wiederholte das Ganze. Ich erstickte förmlich vor Wut. Dieses verdammte Auto.

Als ich Jimmy vor zwei Jahren gekauft hatte – stolz auf mich, weil ich Rows milde Gabe in Form eines besseren gebrauchten Silverados nicht annehmen musste –, hatte der Wagen bereits einhundertsechzigtausend Kilometer auf dem Tacho und verrostete Türen, die im Wind klapperten, sobald ich schneller als siebzig fuhr. Aber er lag fünfhundert Dollar unter dem Listenpreis, ein Angebot, dem ich nicht widerstehen konnte. Auf diese Art blieb nicht nur Geld für Gravs Schwimmstunden übrig, sondern auch für das monatliche Buchabonnement, das ihre Vorschullehrerin empfohlen hatte. Inzwischen sah ich ein, dass ich einen Fehler begangen hatte.

Erneut versuchte ich, den Motor zu starten. Nada. Jimmy war mausetot.

Wieder dröhnte lautes Hupen in meinen Ohren. Wütende Fahrer drohten mir durch ihre Wagenfenster mit den Fäusten und beleidigten mich, während sie auf die andere Spur zu wechseln versuchten.

»Schaff diese Rostlaube von der Straße, du Ziege.«

»Lern mal, den Knüppel richtig zu bedienen, blöde Kuh.«

»Hast du den Vorbau von der Lady gesehen? Also, an meinem Knüppel dürfte sie jederzeit üben.«

Hitze stieg mir ins Gesicht. Warum passierten solche Dinge immer mir? Ich wünschte, das Leben hielte weniger Lektionen und mehr Geld für mich bereit.

Ich stieg aus dem Wagen und reckte den Hals, um in der Reihe der stinkigen Fahrer hinter mir denjenigen zu entdecken, der am wenigsten psychopathisch wirkte und der sich vielleicht überreden lassen würde, mir zu helfen, den Wagen zur Einfahrt des Parkhauses zu schieben.

»Mommy, ich will hier raus«, maulte Gravity und trat mit ihren pinken Skechers gegen den Beifahrersitz vor ihr.

»Gleich, Schätzchen.«

»Mir ist laaangweilig.«

Noch mehr Gehupe und Beleidigungen. Die Fifth Avenue – auf der einen Seite von dicht gedrängt stehenden mittelhohen Gebäuden gesäumt, auf der anderen vom Central Park – hat vier Spuren. Eine für Busse und eine, die von Lkws verstopft war. Blieben zwei übrig, und eine davon versperrte gerade ich.

»Ich brauche Hilfe, um mein Auto zu der Einfahrt da drüben zu schaffen«, rief ich und zeigte auf die Zufahrt zu dem Parkhaus. Ich schwitzte, und unter meinem marineblauen Sweatshirt und der schlabbrigen Mom-Jeans begann meine Haut zu jucken. Meine Haare waren das reinste Chaos, und wenn ich dicht am Wasser gebaut hätte, wäre ich in Tränen ausgebrochen.

»Ist ja wohl Ihr Problem.« Der Fahrer hinter mir rotzte mir ungerührt seinen Auswurf vor die Füße.

Tja, ich bin nicht mehr Maine, so viel ist sicher.

»Es sei denn, Sie bezahlen dafür.« Der Typ musterte mich anerkennend von oben bis unten.

»Na klar.« Ich schob die Hüfte vor und bedachte ihn mit einem süßlichen Lächeln. »Soll ich Ihnen das Knie in den Schritt rammen, oder stehen Sie mehr auf Schläge?«

»Miststück«, knurrte er und fuhr das Wagenfenster wieder hoch.

»Mommy!«, schrie Gravity noch lauter. »Ich will jetzt hier raus. Jetzt. Jetzt!«

»Einen Moment noch, Süße.«

»Ich will Cola!«

Mit zittrigen Händen holte ich mein Smartphone aus der Gesäßtasche. Ich konnte weder Mamma noch Row anrufen … Mit dieser Situation wollte ich unbedingt allein klarkommen. Auf keinen Fall wollte ich vor den beiden als hilfsbedürftiges, verzweifelt gestikulierendes weibliches Wrack dastehen, das nichts geregelt bekam.

Stattdessen rief ich die Versicherung an, während ich am ganzen Körper Ausschlag bekam.

Das hier war ein Fehler. Ich hätte niemals herkommen sollen. Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Ich hatte mein Leben ja nicht mal im Griff gehabt, als ich mit meiner Mutter in meiner Heimatstadt lebte; New York City war mehrere Nummern zu groß für mich.

Ungeduldig ging ich hinter dem Kofferraum auf und ab, darauf wartend, dass sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete, da flog plötzlich Jimmys Hintertür auf. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was vorging. Grav hatte nach der achtstündigen Fahrt die Nase voll, daher hatte sie sich selber abgeschnallt, rutschte nun aus dem Auto, landete auf der verkehrsreichen Straße auf dem Hosenboden und purzelte auf die andere Spur.

»Grundgütiger!«, schrie ich hysterisch und ließ mein Handy fallen.

Meine Tochter erhob sich auf wackeligen Knien, einen erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht. Dann stolperte sie einfach zwischen den fahrenden Autos hindurch, wobei sie mich mit einem gehetzten, entsetzten Blick ansah. In den Sekunden, in denen ich langsam auf sie zuging und dem verzweifelten Drang widerstand, mich auf sie zu stürzen und sie womöglich noch weiter in den Berufsverkehr zu jagen, sah ich mein ganzes Leben an mir vorbeiziehen.

Plötzlich – wie aus dem Nichts – hob ein großer, breiter Kerl Gravity mit einer Hand hoch, klemmte sie sich unter den Arm wie einen Football und brachte sie auf dem Bürgersteig in Sicherheit.

Ich fiel auf die Knie und hustete die Luft aus, die in meinen Lungen gefangen gewesen war.

Sie hätte sterben können. Beinah wäre sie gestorben. Nur weil ich zu dumm war, auf sie aufzupassen.

Ich zwinkerte die Tränen weg und eilte auf den Mann zu, der mein Kind festhielt. Oder genauer gesagt: der es an den Knöcheln gefasst hatte und es sanft hin und her schwenkte wie eine gerade zerrissene Piñata. »Wo sind die Bonbons?«, fragte er laut mit tiefer Stimme. Babysprache war definitiv nichts für ihn. »Ich weiß, dass du welche hast. Versuch ja nicht, mir was vorzumachen.«

»Ich hab aber keine Bonbons!« Gravity versuchte kichernd, sich mit rudernden Armen aus seinem Griff zu befreien. »Die hab ich unterwegs alle aufgegessen.«

Petze.

»Na, dann muss ich wohl dich essen.«

Erneutes Gekicher. »Nein, Onkel Rhynand. Das wird Mommy nicht zulassen! Sie liebt mich!«

Endlich beruhigte sich mein Herzschlag wieder. Ich wischte mir die schweißnassen Hände an meinem Sweatshirt ab und gesellte mich betont lässig zu den beiden.

Wobei die beiden meine Tochter und Rhyland Coltridge waren.

Rhyland Coltridge, der beste Freund meines Bruders.

Und ein Frauenheld.

Ein arroganter Scheißkerl, der sich für den schönsten Mann hielt, der je auf Erden gewandelt war.

Ein verkommenes, selbstsüchtiges Subjekt in einem Prada-Anzug.

Schade nur, dass dieses Subjekt tatsächlich ein Meisterwerk war.

Rhyland war gestört, denn er wollte nur Spaß. Er war eine Gefahr, denn wegen seiner auffallenden Schönheit verzieh man ihm all seine Fehler. Zu seinen Vorzügen gehörte ein braun gebrannter, muskulöser, perfekt definierter und über eins neunzig großer Körper, Haare wie gesponnenes Gold, das an ein endloses Weizenfeld erinnerte, und Augen so grün und leuchtend wie Edelsteine. Alles an ihm, von seiner rasiermesserscharfen Kinnlinie, den fast schon lachhaft hohen Wangenknochen bis hin zu den vollen Lippen und der geraden Nase war einfach perfekt.

Und wir hassten einander.

Doch in Wahrheit verfügte er nicht über genug Substanz, um irgendwie geartete tiefere Gefühle für mich oder sonst jemanden aufzubringen. Das war einer der Gründe, warum ich ihn verachtete. Er war der lebende Beweis dafür, dass man ohne ein Herz in der Brust leben konnte.

»Hallo, Rhyland.« Mit falscher Selbstsicherheit, die ich aufsetzte wie einen schicken Hut, ging ich auf ihn zu.

»Hallo, du Versagerin«, versetzte er mit ausdrucksloser Miene, nahm mein Kind auf den Arm und musterte mich mit zutiefst gelangweiltem Blick. Um den Hals trug er eine Münze an einer schlichten schwarzen Kette. Immer noch. Damit lief er schon herum, seit wir Teenager waren. Ich hätte ihn ja gefragt, warum, aber es hatte mich nie wirklich interessiert.

»Achte auf deine Worte, wenn du mit meinem Kind sprichst«, warnte ich ihn in kühlem Ton.

»Mommy hat im Auto fuck gesagt«, mischte sich Gravity fröhlich kichernd ein.

Verräterin.

»So was nennt man Wunschdenken, Mäuschen.« Rhyland bedachte mich mit einem Raubtiergrinsen, das mich erschauern ließ.

Er war nicht sexy, weil er gut aussah, sondern weil er halb Wikinger, halb Hozier war.

Das Hupen war inzwischen zu ununterbrochenem Geheul angeschwollen, das wir beide ignorierten.

Rhyland bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Reiß dich zusammen, Casablancas. Dein Kind hätte sterben können«, sagte er und grinste spöttisch. »Ach, und wo wir gerade dabei sind: Nimm sie mir ab. Ich bin nicht dein Babysitter.«

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Nicht die achtstündige Fahrt, unterbrochen von zehn Pinkelpausen, ermöglicht durch Koffeindosen von Starbucks und verdächtig kalte Tankstellen-Hotdogs.

Nicht die Tatsache, dass Jimmy mich drei Meter vor dem Parkhaus im Stich gelassen hatte.

Nicht, dass ich pleite, arbeitslos und ledig war und ein Kind hatte, obwohl ich die Hälfte der Zeit das Gefühl hatte, selbst noch eins zu sein.

Nicht einmal die Erkenntnis, dass Rhyland mein Nachbar sein würde, weil Rows und Cals Apartment ein Stockwerk unter dem seinen lag. Sie hatten es so geplant, um immer nah beieinander zu sein.

Sondern das hier.

»Eher friert die Hölle zu, als dass ich von dir Erziehungsratschläge annehme«, fauchte ich, riss ihm Grav aus den Armen und schrie ihn dann an: »Sie war angeschnallt. Es ist nicht meine Schuld, dass sie klug genug ist, um herauszufinden, wie man sich abschnallt. Die Fahrt hierher war schrecklich. Mein Auto ist kaputt und blockiert jetzt den Verkehr. Bei der Versicherung konnte ich niemanden erreichen. Ich habe seit drei Tagen nicht mehr geschlafen und kein Geld, um dieses Auto reparieren zu lassen …«

»Nach allem, was ich gehört habe, bist du Rows neuestes Charity-Projekt und wirst jetzt in seiner Wohnung wohnen«, fiel Rhyland mir brüsk ins Wort und drehte den Arm, um auf seine Uhr zu schauen. Er sah aus, als könne er es kaum erwarten, von mir wegzukommen. Offenbar hatte er Besseres zu tun, als aus nächster Nähe meinen Nervenzusammenbruch zu beobachten.

Gott, ich hasste ihn. So sehr, dass es wehtat.

»Ich bin kein Charity-Projekt.«

»Probier’s lieber erst mal aus. Sonst musst du noch als Stripperin Charity auftreten, um deine finanziellen Probleme zu lösen.«

»Du bist ein Schwein«, knurrte ich.

Er zwinkerte mir zu. »Oink, oink.« Und dann – da es offenbar nur auf meiner Agenda stand, mein Gegenüber zur Weißglut zu reizen, nicht auf seiner – fügte er hinzu: »Na, komm schon. Lass uns die Karre aus dem Weg schieben.«

»Ich will deine Hilfe nicht.«

»Was für ein Zufall. Eigentlich will ich dir auch gar nicht helfen.« Ein weiteres diabolisches Grinsen, dann krempelte er die Ärmel hoch und enthüllte sehr muskulöse Unterarme mit hervortretenden Adern. »Leider bist du die kleine Schwester meines besten Freundes, und ich besitze genug Anstand, dich und dein Kind nicht der Gefahr auszusetzen, von einem Taxifahrer ermordet zu werden.«

Damit riss er die Fahrertür auf, setzte sich in den Wagen und drehte den Zündschlüssel. »Das Licht funktioniert, also liegt es nicht an der Batterie. Wohl eher an den Zündkerzen. Wie alt ist das Ding?«

»Nicht so alt wie du.« Und wie alt war ich? Fünf? Ich verhielt mich total kindisch.

Ohne mich zu beachten, holte Rhyland sein Smartphone aus der Tasche und runzelte die Stirn. »In ein paar Minuten bin ich verabredet, aber später bringe ich den Wagen in die Werkstatt und lasse ihn reparieren. Bis dahin lassen wir ihn im Parkhaus stehen.«

»Ähm … okay.«

»Nimm deine Koffer lieber vorher raus. Der Aufzug unten ist klein und braucht ewig.«

Ich hasste es, dass Rhyland mir half. Und dass ich erschöpft genug war, um seine Hilfe anzunehmen. Und noch dazu schrecklich aussah.

Rhyland stieg wieder aus, warf mein komplettes Gepäck auf den Bürgersteig und hielt einen Paketboten an, den er dazu überredete, die Spur freizumachen, damit er mein Auto in das Parkhaus schieben konnte. Dann stemmten die beiden sich gegen den Kofferraum und bugsierten den Wagen in die Tiefgarage. Ich platzierte Gravity rittlings auf einem Koffer, drückte ihr das iPad mit der Schmetterlingshülle in die Hand und setzte ihr die Kopfhörer mit den Katzenohren auf. Beim Anblick von Caitie’s Classroom begann ihr Gesicht zu leuchten. Danach klaubte ich mein kaputtes Smartphone von der Straße.

Mit einer Mischung aus Scham und Kränkung sah ich Rhyland und dem Boten zu. Als der Wagen sicher in der Garage untergebracht war, tauchte Rhyland durch die Lobby wieder auf. Er sah sehr viel weniger perfekt aus; eine seidige Strähne eines sandfarbenen Haars hatte sich aus dem Man Bun gelöst und fiel ihm ins Gesicht, und auf seinen Wangenknochen lag eine unschöne Röte. Fast hätte ich mich mies gefühlt, als er auf uns zukam. Ich öffnete schon den Mund, um mich bei ihm zu bedanken.

»Gibt es einen Grund, warum das Kind einen Penis im Arm hat?« Er schaute zu Gravity, die auf dem Koffer saß, Mr Mushroom an sich drückte und ganz auf ihre Show konzentriert war.

Das Kind. Er sprach von ihr, als wäre sie ein Problem, das gelöst werden müsste.

»Das ist kein Penis, das ist Mr Mushroom«, korrigierte ich ihn hochnäsig.

Er bedachte mich mit einem ausdruckslosen Blick und einem halben Grinsen, das mein Höschen in Flammen zu setzen drohte.

Denn obwohl ich ihn jetzt hasste, hatte ich immer schon für Rhyland Coltridge geschwärmt.

So sehr, dass ich mich gern jederzeit für ihn ausgezogen hätte.

Was die Sache natürlich nicht besser machte.

»Es ist eine lange Geschichte, okay?« Ich nahm meine Tochter wieder auf den Arm und barg ihren Kopf an meiner Halsbeuge. »Wie auch immer, danke für die Hilfe. Jetzt kannst du wieder New Yorks beliebtester Fuckboysein.« Das vorletzte Wort sprach ich stumm aus, damit Grav es nicht hören konnte, dann scheuchte ich Rhyland mit einer Handbewegung weg.

»Soll ich mich etwa dafür schämen, dass ich ein Sexarbeiter bin?« Rhyland zog eine seiner dichten Brauen hoch, die eine Nuance dunkler waren als sein Haar.

»Nein. Du solltest dich dafür schämen, dass du ein Scheißkerl bist.«

»Warum? Die Vergangenheit lehrt uns doch, dass du solche Männer am liebsten magst.« Er lachte kurz auf.

Eins zu null für die Heimmannschaft.

Mein Ex-Freund, Tucker, war definitiv eine wandelnde Reklame für die Benutzung von Kondomen.

»Weißt du was, Rhyland?« Ich lehnte mich mit der Hüfte an einen hohen Koffer und brauchte all meine Schauspielkünste, um ruhig und lässig zu wirken. »Die englische Sprache hat nicht genug Wörter, um zu beschreiben, wie sehr ich dich hasse.«

Was nichts daran änderte, dass ich Lust auf ihn hatte. Und auf drei Valium und einen ganzen Mango-Key-Lime-Käsekuchen, obwohl ich wusste, dass nichts davon mir guttun würde.

»Ich fühle mich geschmeichelt«, sagte Rhyland, legte sich eine Hand auf die Brust und verbeugte sich schwungvoll. »Ich glaube, es gibt auch kein Wort für meine Meinung von dir, aber es muss etwas zwischen Verachtung und völligem Desinteresse sein.«

»Gleichgültigkeit«, sagte ich großzügigerweise.

Er schnipste mit den Fingern und zeigte auf mich. »Siehst du? Und alle denken, du hättest nur ein hübsches Gesicht. Dabei ist Dylan Casablancas ein wandelndes Lexikon, meine Damen und Herren.«

»Ich höre da nur heraus, dass du mich hübsch findest, und obwohl ich dir da zustimmen muss … Bei mir hast du keine Chance. Auf Verlierer lasse ich mich nicht mehr ein.«

»Das ist ein bisschen kurz gedacht, Süße.«

»Wieso?«

»Ich bezweifle, dass ein Mann, der kein Verlierer ist, etwas mit dir zu tun haben möchte.«

Gerade als ich dachte, ich würde in meiner ersten Stunde in Manhattan auf den besten Freund meines Bruders losgehen, wurden wir von einem echten Cowboy unterbrochen, der winkend auf uns zukam, begleitet von einem ebenso gekleideten anderen Mann.

»Howdy, Coltridge.«

Mit seinem Westernhut und dem bestickten Hemd, den Cowboystiefeln und der abgetragenen Jeans wirkte der Mann in New York so deplatziert wie eine Disney-Prinzessin in einem Sado-Maso-Club. Neugierig betrachtete er die Szene, die wir ihm boten – das Gepäck, Gravity, mich und Rhyland –, dann verzog sich sein breiter Mund zu einem erfreuten Lächeln. Er schien Anfang sechzig und in exzellenter Verfassung zu sein. An seinem Ringfinger funkelte ein dicker goldener Ehering.

»Marshall«, grüßte Rhyland ihn mit einem leichten Lächeln, aber mir fiel auf, dass er schluckte. »Sie sind früh dran.«

»Der frühe Vogel fängt den Wurm.« Der Mann zwinkerte Rhyland zu, blieb ein paar Schritte vor uns stehen und hakte die Daumen in seine Longhorn-Gürtelschnalle. »Na, wenn das mal kein schöner Anblick ist. Rhyland Coltridge, ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie vergeben sind. Und noch dazu ein Kind haben. Das gibt bei mir definitiv Pluspunkte.«

Was?

Ich machte den Mund auf, um ihm zu erklären, dass es zwischen Rhyland und mir nicht mal einen Funken Liebe gab, und wenn er mit dem Mikroskop danach suchen würde, da hörte ich, wie der Mann gutmütig auflachte.

»Man sollte niemals nach dem Äußeren urteilen, Bruce.«

Zu meinem Entsetzen legte Rhyland mir einen Arm um die Schultern. Ich erstarrte zur Salzsäule, und meine Augen wurden riesengroß. Was in Taylor Swifts Namen ging hier vor?

»Wen haben wir denn da?« Bruce schäkerte mit Gravity, die mit baumelnden Beinen auf dem Koffer hockte und Mr Mushroom an sich gedrückt hielt. Glücklicherweise so fest, dass seine Form nicht zu erkennen war.

»Das ist Gravity.« Rhyland ignorierte, dass ich ihm zornig auf den Arm schlug, zog ihn aber langsam weg, hob meine Tochter hoch und blickte grinsend auf sie herab. Gravitys Blick hing noch immer wie hypnotisiert am Display. »Oder mit anderen Worten: das Licht meines Lebens.«

»Dann lebst du offenbar im tiefsten Mittelalter«, zischte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Rhyland bedachte mich mit einem mörderischen Blick.

»Bruce Marshall.« Warm lächelnd reichte der Mann mir seine Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am. Und Sie sind?«

»Keine Ma’am«, sagte ich und löste die verschränkten Arme, um ihm die Hand zu geben. »Und Gott sei Dank auch nicht Mrs Coltridge.«

Bruce Marshalls Lächeln erlosch, und Rhyland drängte sich laut lachend zwischen uns. »Sie meint, noch nicht«, erklärte er. »Tatsächlich können wir es kaum noch erwarten, endlich zu heiraten.«

Bruce’ Blick fiel auf meine nackten Finger. »Ich sehe aber keinen Ring.«

Was machte Rhyland da? Und was noch wichtiger war: Warum?

Nun versetzte er Bruce einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. »Verderben Sie mir doch nicht die Überraschung, Brucey. Sie wollte einen anderen Ring als den, den ich ihr geschenkt habe. Diese Frau ist schwer zufriedenzustellen.«

»Nein«, sagte ich gedehnt. »Du bist nur schlecht im Bett.«

Bruce’ Blick wanderte zwischen meiner Tochter und mir hin und her. Mir war klar, was er dachte. Und obwohl ich wusste, dass es nicht schlimm ist, ein uneheliches Kind zu haben – zumal ich es war, die sitzen gelassen worden war –, fühlte ich mich nackt und verletzlich.

»Gravity ist nicht von mir«, erklärte Rhyland eilig. »Auch wenn sie in jeder Hinsicht wie mein eigenes Kind ist.«

Was für ein Haufen Schwachsinn. Rhyland konnte Kinder nicht ausstehen und hatte stets versucht, auf der anderen Seite des Raums zu bleiben, wenn Gravity und Serafina da waren. Selbst Gravity starrte ihn nun verständnislos an.

Bruce schaute Rhyland anerkennend an und nickte bedächtig. »Ich habe Sie eigentlich nicht für einen Mann gehalten, der sich ohne Not zusätzliche Verantwortung aufbürdet.«

»Tja, es gibt vieles, was Sie über mich und meinen Charakter noch nicht wissen«, erwiderte Rhyland geheimnisvoll. Dieses Arschloch hatte mich nicht nur unter den Bus geworfen, sondern ließ ihn zur Sicherheit auch noch ein paarmal vor- und zurückfahren. Warum log er das Blaue vom Himmel herunter?

»Sie tun das Richtige, mein Sohn.« Bruce schlug Rhyland auf die Schulter. »Ich habe Respekt vor einem guten Familienvater. Bin selber einer. Ich weiß nicht, ob Sie den Forbes-Artikel über mich gelesen haben, aber dreiundsiebzig Prozent meiner Angestellten gehen sonntags in denselben Gottesdienst wie ich. Lauter Leute vom gleichen Schlag, hm?«

Rhyland lächelte breit, und auf einmal begriff ich, was er vorhatte.

Um nicht zu lachen, biss ich mir auf die Unterlippe. Denn Rhyland war ein echter Heide. Der Mann war ein derart elender Sünder, dass er ziemlich sicher vom Blitz erschlagen werden würde, falls er jemals näher als fünf Kilometer an eine Kirche herankommen sollte. Er verdiente sein Geld allen Ernstes damit, sich gegen Geld mit Frauen zu verabreden und mit ihnen zu schlafen. Und zwar mit großem Vergnügen. Wahrscheinlich hatte er schon mit mehr Frauen geschlafen, als in diesem Bezirk wählen gehen durften. Und wie man genau hier und jetzt sehen konnte, hatte er nicht die geringsten Skrupel, zu lügen und zu betrügen, um seine Ziele zu erreichen.

»Sie haben absolut recht, Sir. Keiner ist ein größerer Fan von Ehe und Kindern als ich.« Rhyland lachte gackernd, seine zuckersüße Stimme war eine verborgene Drohung.

»Prima.« Bruce rieb sich die Hände. »Ich mache es mir in dem schicken Coffeeshop bequem, den Sie mir empfohlen haben, und kaufe mir eins von diesen angesagten Gebäckteilchen, während Sie ihrer kleinen Miss dabei helfen, die Koffer nach oben zu bringen. Und dann kommen Sie zu mir. Keine Eile, ja? Familie geht vor.«

»Ich gebe mir alle Mühe, mich von den beiden loszureißen.« Rhyland seufzte übertrieben. »Aber es wird schwer.«

»Ich könnte dich doch aus dem Fenster werfen, dann geht’s schneller«, schlug ich fröhlich vor.

Rhyland stieß mir den Ellbogen in die Seite.

Bruce und sein Begleiter schlenderten die Straße hinunter zu besagtem Coffeeshop. Sobald sie hinter der Tür verschwunden waren, drückte Rhyland mir Gravity so hastig wieder in die Arme, als bestünde sie aus radioaktivem Sprengstoff.

»Wir müssen reden.« Er warf sich die Reisetaschen über die Schulter und schob die restlichen Koffer zum Haupteingang des Gebäudes.

Es war ein mittelhohes Vorkriegshaus mit prächtigen weißen Bögen und Säulen. Der Boden der Lobby bestand aus schachbrettartig verlegten schwarzen und weißen Kalksteinfliesen, die unbesetzte Rezeption sowie die Briefkästen aus glattem, schwarz gestrichenem Holz. Die Aufzüge waren altmodisch, ein schwarzer Käfig aus Schmiedeeisen umgab die hölzernen Türen. Das Ganze wirkte irgendwie europäisch, und zum ersten Mal seit Beginn dieser Reise wurde mir schwindlig.

»Bitte«, sagte ich und massierte mir die Schläfen. »Sag jetzt nichts mehr.«

»Mommy hat Kopfschmerzen«, sagte Gravity mitfühlend und positionierte ihr iPad so, dass es auf meiner Brust ruhte.

Mommy musste auch dringend aufs Klo. Und etwas essen. Und sich drei Mimosas genehmigen.

»Mommy muss Onkel Rhyland einen sehr großen Gefallen tun.« Rhyland heftete seinen anzüglichen Blick absichtlich boshaft an mich, und seine heisere Stimme ließ mich erschauern wie ein leichter Sommerregen. Unsere Blicke trafen sich, und es war, als hätten wir ein Streichholz entzündet, das die gesamte Lobby in Brand setzen würde. »Ich hoffe, diesmal trifft sie ausnahmsweise die richtige Entscheidung.«

3

RHYLAND

»Vergiss es.« Dylan formte die Worte über Gravitys Kopf hinweg mit ihren vollen Lippen, wobei sie jeden Vokal extra betonte.

»So kenne ich meine zarte Blume«, sagte ich spöttisch grinsend und versuchte, die hysterische Aufregung, die mir wie ein Kloß im Hals steckte, hinunterzuschlucken.

Bruce Marshall glaubte, die kleine Schwester meines besten Freundes und ich seien ein Paar. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu erkennen, dass ihm bei der Vorstellung einer abgegangen war. Ich. Ein Familienvater. Fest gebunden. Zum ersten Mal hatte er Interesse an mir gezeigt. Was bedeutete, dass die Scharade weitergehen musste. Die Chance durfte ich mir nicht entgehen lassen.

»Ich werde nicht so tun, als wäre ich mit dir verlobt, Rhyland«, erklärte Dylan.

»Also …« Nun war ich es, der sich die Schläfen massierte. »Hör mir einfach zu, ehe du die Idee verwirfst, ja?«

Sie hat bereits einen nichtsnutzigen Ex. Es gibt nichts, was du ihr im Tausch für diesen Gefallen anbieten kannst.

Der Aufzug kam, und ich schob die rostigen Türen auf, warf die Koffer und Taschen in die Kabine und ließ dann Mutter und Tochter den Vortritt. Als Dylan eintrat, starrte sie mich immer noch an, als hätte ich den Verstand verloren. Zu ihrer Verteidigung muss ich sagen, dass ich ihr gerade tatsächlich etwas vorgeschlagen hatte, das sonst nur in billigen Rom-Coms vorkommt.

Da hatte ich meine gesamte Jugend damit verbracht, diesem Mädchen aus dem Weg zu gehen, nur um am Vortag einen Anruf von Row zu bekommen, bei dem er mir mitteilte, dass seine kleine Schwester in seine Wohnung ziehen würde. Er hatte mich gebeten, auf sie aufzupassen, wahrscheinlich weil ihm nicht klar war, wie genau ich sie als Heranwachsende beobachtet hatte.

Oh, Dylan zu beobachten, war beileibe keine Strafe. Aber sobald ich sie reden hörte, hätte ich mich am liebsten vor einen fahrenden Güterzug geworfen.

Und jetzt wollte ich nicht nur, dass sie so tat, als würde sie mich mögen, sondern sie sollte die Leute davon überzeugen, dass sie ihre Zukunft mit mir teilen wollte.

Die Aufzugtüren glitten zu. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht.

»Hör mal, du hast sicher viele Fragen.«

»Nö.« Dylan öffnete ihre Handtasche, nahm einen Kaugummi heraus und schob ihn in den Mund, ohne mir einen anzubieten. Der Duft von Kirsche und Limone erfüllte den engen Raum. »Ich habe keine Fragen, weil ich bei diesem Unsinn nämlich nicht mitmache.«

»Aber …«

»Das hier ist doch kein alberner Spielfilm, und du bist nicht Nicholas Galitzine.«

»Nun mach mal halblang.« Zum Zeichen der Kapitulation hob ich beide Hände. »Ich denke, wir können uns darauf einigen, dass ich und Nicholas Galitzine viel zu gut sind, um nur im Fernsehen …«

»Die Antwort lautet Nein.«

Okay. Sie machte es mir schwer. Tatsächlich hatte ich etwas getan, das sie dazu gebracht hatte, mich zu hassen, aber das war eine Ewigkeit her, verdammt noch mal. Warum hatte diese Frau ein derartiges Elefantengedächtnis? Ich wusste nicht mal mehr, was ich morgens zum Frühstück gehabt hatte.

Moment mal. Doch. Die Blonde aus dem Hot-Yoga-Kurs.

»Also, es ist so.« Ich leckte mir über die Lippen. »Bruce ist ein potenzieller Investor für meine Start-up-App namens App-date. Wenn ich mir seine Unterstützung sichern kann, werde ich ein riesiges Budget haben und einen Gehaltsscheck, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenläuft, von seinen Beziehungen gar nicht zu reden. Marshall ist ein sehr mächtiger Mann. Vielleicht kennst du ihn von DieHöhlederLöwen.Aus der letzten Staffel?« Hoffnungsvoll sah ich sie an.

Sie blickte demonstrativ über ihre Schulter und sagte: »Ach, du redest mit mir? Ich dachte, du sprichst mit einem Boomer, der sich solche Sachen tatsächlich anschaut.«

Ich stöhnte innerlich. Dylan bedeutete Ärger in jeder nur denkbaren Form. Sie war eine tödliche Kombination aus herzzerreißender Schönheit – so schön, dass sie dein System infiltriert wie guter Whiskey, sodass deine Knochen weich werden und dein gesunder Menschenverstand sich verabschiedet –, Blitzgescheitheit, Sarkasmus, Sturheit und unfassbar starker Emotionalität. Sie hatte keine Filter und keine Hemmungen, und was die Leute von ihr dachten, scherte sie einen feuchten Dreck.

Schon als Kind weinte sie wegen allem Möglichen. Verletzte Tiere. Menschen, die allein in der Cafeteria aßen. Super-Bowl-Werbespots. Sie nahm sich alles zu Herzen, sofort, voller Leidenschaft. Ich hingegen spürte gar nichts. Nie. Weil ich es so wollte. Wir waren wie Öl und Wasser. Schwarz und weiß. Hot Dogs und richtiges Essen und so weiter.

»Hör zu …«, setzte ich ein weiteres Mal an.

In diesem Moment pingte der Aufzug, und die Türen glitten zur Seite. Ich nahm die Koffer und folgte ihr, als wäre ich ein Hotelpage. Mitten im Flur blieb sie stehen und sah mich erwartungsvoll an. Mir wurde klar, dass sie noch nie hier gewesen war. Nicht in Rows Apartment und wahrscheinlich auch nicht in New York. Abgesehen von einigen Ausflügen nach London, um ihren Bruder und Cal zu besuchen, hatte Dylan praktisch noch nichts von der Welt gesehen.

»Es ist die da.« Mit dem Kinn deutete ich auf die richtige Tür.

Stolz reckte sie das Kinn, und wir sahen beide darüber hinweg, dass ihr Gesicht rot anlief.

Dylan öffnete die Tür und stieß ein ungläubiges Husten aus. Ja, die Wohnung war ziemlich schön. Gravity quiekte vor Aufregung.

»Wow! So große Fenster!« Sie wand sich aus den Armen ihrer Mutter. Dann warf das kleine Mädchen seine Kopfhörer auf den Boden und lief durch den Flur, um die Räume zu erkunden.

Ich rollte das Gepäck herein und starrte Dylan durchdringend an.

Genervt runzelte sie die Stirn. »Oh. Verzeihung«, sagte sie, und ihre Stirn glättete sich wieder. Sie nahm die Target-Tasche von der Schulter, wühlte darin herum und drückte mir einen Fünf-Dollar-Schein in die Hand. »Vielen Dank, Sir. Einen schönen Tag noch.«

Sie hatte mir ein verdammtes Trinkgeld gegeben.

Gerade eben.

Ich habe gelogen. Sie war mir nicht gleichgültig.

Ich wollte sie umbringen.

Langsam und methodisch. Über mehrere Tage hinweg.

Mit Blicken lieferten wir uns einen stummen, feindseligen Kampf. Sie wartete darauf, dass ich wegschaute. Aber das würde ich nicht tun … nicht bevor ich aus diesem verfluchten Kreis ein Quadrat gemacht hatte. Ich wusste, dass Bruce Marshall bei dem Deal zögerlich war, weil seine Frau glaubte, ich sei ein schmieriger Typ, der aus der App eine Neuauflage von Ashley Madisons Seitensprungbörse machen würde. Und sie hatte nicht unrecht. Ich war ein schmieriger Typ. Und noch dazu sehr stolz darauf. Ein Frauenheld, eine männliche Prostituierte, ein Sexsüchtiger.

Aber jetzt hatte ich eine Chance, so zu tun, als sei ich eine Säule der feinen Gesellschaft, nicht einer der Gründe für ihren Untergang. Und die Chance, deshalb widerwärtig reich zu werden. Dylan war alles, was ich noch brauchte: eine junge Mutter mit einem pausbäckigen Kind.

»Hättest du nicht Lust, vorübergehend mit einem Mann aus dem Finanzsektor verlobt zu sein … einem manin finance, der eins fünfundneunzig groß ist und grüne Augen hat?«, versuchte ich sie zu ködern.

Unbeeindruckt blickte sie über meine Schulter. »Sicher. Wo ist er denn?«

Zum Verzweifeln.

»Ich meine mich«, sagte ich und stieß mir einen Daumen in die Brust.

Dylan schnaubte. »Du bist selbst an guten Tagen nicht größer als eins neunzig, Mann. Außerdem machst du mir nichts vor. Du arbeitest nicht im Finanzsektor.«

»Werde ich aber bald, wenn du mir nicht alles verdirbst, verdammt.«

»Außerdem hast du von Haus aus kein Geld«, setzte sie nach.

Ich hatte echt Glück. Ausgerechnet die Frau, die gegen meinen Charme völlig immun war, sollte mir einen Gefallen tun.

»Du wirst jemanden brauchen, der dir bei diesem Schrottauto hilft, Glühbirnen wechselt und anderes Zeug hier erledigt«, sagte ich und reichte ihr die Fernbedienung für die Jalousien, als sie ziellos an den Terrassentüren entlanglief, um herauszufinden, wie man sie öffnete. »Gib es doch zu, Dyl. Du steckst in der Klemme.«

»Ich komme allein …«

»Ach ja?« Ich biss die Zähne zusammen. »Row und Cal werden meistens nicht hier sein. Deine Mom ist weit weg in Maine. Du hast hier keine Freunde. Und keine Verwandten. Denk nur an diese erste Stunde, Herrgott noch mal.« Ich deutete auf die Tür. »Was wäre passiert, wenn ich nicht da gewesen wäre, um Grav zu retten? Und dein Auto in die Garage zu schieben? Dein Gepäck zu tragen? Sieh es doch ein. Im Moment brauchen wir einander und können uns gegenseitig helfen. Es wäre ein nützliches Arrangement für uns beide.«

»Ich komme allein zurecht«, wiederholte sie, die Augen funkelnd vor stahlharter Entschlossenheit.

Ich wusste, dass sie der Situation nicht gewachsen war, und auf dieser Tatsache würde ich herumreiten, solange es nötig war. Ich war mir für nichts zu schade. Menschen waren ein Mittel zum Zweck, und sie konnte dafür sorgen, dass meine ständigen Geldprobleme ein Ende fanden.

»Nein, kommst du nicht«, blaffte ich gereizt und schaute auf meine Uhr. Bruce Marshall schätzte Pünktlichkeit, und ich schätzte die vierhundert Millionen Dollar, die er mir als Vorschuss geben wollte, sollten wir ins Geschäft kommen. »Du weißt nicht mal, wo die Klimaanlage ist, wie man die Heizung repariert oder was du tun musst, wenn das WLAN ausfällt. Ich biete dir einen gottverdammten Freifahrtschein an, damit du deiner Familie beweisen kannst, dass du es schaffst, in New zu überleben, Casablancas. Nimm das blöde Ticket und benutz es.«

»Row wird außer sich sein, wenn er glaubt, wir hätten was miteinander.« Sie lief durch die Räume, öffnete Schränke und machte sich mit ihrer Umgebung vertraut.

Endlich kamen wir voran. Sie dachte ernsthaft über meinen Vorschlag nach.

»Dazu hat er keinen Grund«, entgegnete ich.

Dylan verzog das Gesicht. »Bei allem Respekt, Rhyland – nicht dass ich welchen für dich hätte, das kann ich dir versichern –, aber du bist kaputter als Cals Haare in der Phase, in der sie jeden Tag die Farbe gewechselt hat. Und du hast noch nie eine feste Freundin gehabt. Und du bist im wahrsten, biblischen Sinn eine männliche Hure. Und die einzigen Gefühle, zu denen du fähig bist, sind Lust und Langeweile. Daher kann ich ehrlich gesagt gut verstehen, warum er nicht glücklich wäre, wenn er glauben würde, wir hätten was miteinander.«

So viel zum Thema demütigende Erfahrungen. Eine Unterhaltung mit Dylan Casablancas richtete so viel mentalen Schaden an, dass ich mich wunderte, warum sie nicht in Guantanamo Bay als Foltergehilfin eingesetzt wurde.

»Unseren Freunden sagen wir die Wahrheit«, versicherte ich ihr und knipste mein Nun-komm-schon-Lächeln an. »Row weiß, dass ich Marshall dazu bringen möchte, mit mir zu arbeiten, und alle werden sich freuen, wenn ich dir helfe, dich einzugewöhnen. Row weiß, dass ich ein Versprechen unter Brüdern niemals brechen würde.«

Dylan verdrehte nur die Augen und fing an, nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumzukauen. Im Hintergrund hörte ich Gravity laut kreischend von einem Zimmer ins nächste rennen. Himmel, ich konnte Kinder nicht ausstehen. Selbst dieses ging mir auf die Nerven, obwohl es im Grunde klug und brav war.

»Ich mache das aber nicht umsonst«, sagte Dylan und stemmte eine Hand in die Hüfte. »Vor allem, wenn wir zu Partys gehen und so tun müssen, als würden wir uns mögen.«

Ich lachte schnaubend, doch sie musterte mich nur mit ausdrucksloser Miene.

Oh. Sie meinte es ernst. Sie wollte, dass ich sie dafür bezahlte, dass … ja, wofür eigentlich? Ich wusste nicht mal, ob Bruce mehr als dieses zufällige Treffen auf der Straße brauchen würde, um zu glauben, dass wir ein Paar waren. Andererseits: So, wie ich diesen analfixierten Bastard kannte, wäre es durchaus denkbar, dass er mich durch Reifen springen lassen würde und ich sie am Ende herumführen musste wie eine prämierte Stute. Das Geschäft war noch lange nicht unter Dach und Fach, und ich würde ihn noch einige Male sehen müssen, ehe der Vertrag unterzeichnet wurde.

»Nenn deinen Preis.« Welche Summe sie auch aufrief, es stand zu befürchten, dass ich sie nicht aufbringen konnte. Ich war ein Armani-Typ ohne Geld. Wie aus dem Ei gepellt, aber nichts auf der Bank.

Dylans Augen weiteten sich vor Erstaunen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ich anbeißen würde. Dann waren wir ja schon zu zweit. Aber ich brauchte dieses vorübergehende Arrangement. Und wenn alles so lief, wie ich wollte, würde es weniger als einen Monat dauern, bis Bruce diesen blöden Vertrag unterschrieb und unserer vorgetäuschten Verlobung ein abruptes Ende setzte.

»Ähm …« Unsicher ließ Dylan den Blick durch den Raum schweifen. Sie hatte absolut keine Ahnung, was sie fordern sollte, denn die einzige Arbeit, die sie je verrichtet hatte, hatte darin bestanden, in einem Kleinstadt-Diner das Geschirr abzuräumen. »Sagen wir … zweitausend Dollar die Woche?«

»Einverstanden.«

»Moment mal, nein. Zehntausend die Woche!«, brachte sie atemlos heraus.

Meine Augen wurden schmal. »Jetzt hast du dir einfach irgendeine Zahl ausgedacht.«

Sie zuckte mit der Schulter. »In Pretty Woman hat Julia Roberts dreitausend verlangt, und ich glaube, für weniger als eine Woche. Das war 1990. Denk doch mal an die Inflation.«

»Julia Roberts hat Richard Gere aber auch verdammt viel mehr geboten als nur Händchen zu halten und hübsch auszusehen«, knurrte ich.

»Mache ich doch auch.« Nervös leckte Dylan sich die Lippen und verflocht ihre Finger miteinander. »Sex wird bei diesem Deal der einzige Vorteil sein.«

»Was hast du gerade gesagt?« Ich gähnte, um besser hören zu können. Sicher hatte ich mir das nur eingebildet. Ich musste endlich meinen Kokskonsum herunterfahren.

»Ich sagte, Sex liegt auch auf dem Tisch.«

Stille.

»Oder wo du ihn sonst haben willst. Mir egal, ich bin nicht wählerisch.«

Meine.

Kinnlade.

Krachte.

Auf.

Den.

Boden.

»Tut mir leid.« Ich schluckte Speichel hinunter … und beinahe auch meine Zunge. »Mein Verständnis der englischen Sprache hat in den letzten fünf Sekunden gelitten. Willst du mir damit sagen, dass du … äh … ficken möchtest?«

Sie schaute mir direkt in die Augen, ruhig, mit nur leicht geröteten Wangen. »Tja, die Beziehung ist vorgetäuscht, aber die Orgasmen sollten besser echt sein. Wenn ich dich schon ertragen muss, will ich wenigstens ein bisschen Spaß haben. Wir sind doch beide erwachsen. Ich habe schon eine ganze Weile keinen Sex mehr gehabt. Du bist zwar erbärmlich, aber wirklich heiß. Und eigentlich kannst du auch nicht so schlecht im Bett sein bei all der Erfahrung, die du gesammelt hast …«

Diese Frau war tödlich für mein Ego.

»Solange es mit meinem vollen Einverständnis passiert …« Sie tat so, als würde sie ihre abgekauten Nägel begutachten, und ich fragte mich, ob sie jetzt, wo ich ihr offenbar verdammte zehn Riesen bezahlen würde, damit sie sich an meiner Seite zeigte, in Mani- und Pediküre investieren würde. Was ich gut fände, auch wenn ich verdammt noch mal nicht wusste, warum.

»Du musst keinen Sex mit mir haben, um das Geld zu bekommen«, stellte ich das gottverdammte Offensichtliche fest. Ich hatte immer gewusst, dass ich eine erotische Ausstrahlung hatte, aber dass man mich für derart gemein halten konnte? Das war mir neu.

»Ich weiß, dass du es nicht verlangst. Ich biete es an, falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe.« Erneut verdrehte Dylan die Augen … ihre typische Mir scheißegal, was du denkst-Reaktion in den Fällen, in denen ihr etwas ganz und gar nicht egal war. »Nun komm schon. Du bist ein Sexarbeiter. Sei doch nicht so prüde.«

»Erstens bin ich nicht prüde. Ich überlege nur, ob du dir vielleicht den Kopf angestoßen hast.« Doch in Wahrheit hatte ich mich kurz überrumpelt gefühlt. Die Vorstellung, zwischen diesen langen, schlanken Beinen einzutauchen, hatte mich aus dem Konzept gebracht. »Zweitens braucht man sich für Sexarbeit nicht zu schämen, und bei mir läuft alles wie geplant. Nach vertraglich festgelegten Regeln. Drittens bin ich seit drei Monaten aus dem Geschäft.«

Alles, um mich ungestört auf den Start von App-date vorzubereiten. Was bedeutete, dass sogar noch mehr auf dem Spiel stand.

»Viertens …«

Es gab da einen vierten Punkt – er hatte etwas damit zu tun, dass sie mir ihren Körper gegen Geld anbot, während ich sie einfach nur dafür bezahlen wollte, dass sie nichts Dummes anstellte –, aber den hatte ich vergessen. Ehrlich gesagt, war es schon ein Wunder, dass ich in diesem Moment noch meine Muttersprache beherrschte, denn Dylan Casablancas, die heißeste Frau auf dem amerikanischen Kontinent und wahrscheinlich auf der ganzen Welt, hatte mir Sex gegen Bezahlung vorgeschlagen.

»Verdammt noch mal, Dylan. Ich kann gerade nicht denken. Versprich mir einfach, dass du zu mir kommst, falls du jemals dringend Geld brauchst, denn dann gebe ich es dir. Ohne Haken und Ösen.«

Bei diesen Worten musste ich an Bondage denken, und mein Schwanz wurde so hart, dass er nur eine eigene Hose und einen Schuh gebraucht hätte, um als drittes Bein durchzugehen.

»Es geht mir nicht um Geld. Ich habe ein paar Ersparnisse.« Sie knabberte an der Haut rings um ihren Daumennagel herum, und aus einem Grund, über den ich nicht nachdenken wollte, fand ich es nicht so abstoßend wie normalerweise. »So etwas habe ich bisher noch niemandem angeboten. Es würde mir nichts ausmachen, wenn Sex bei der Abmachung eingeschlossen wäre, denn mir wächst praktisch ein neues Jungfernhäutchen, und es ist ausgeschlossen, dass ich jemals Gefühle für einen so erbärmlichen Wicht wie dich entwickeln könnte.«

»Oh, vielen Dank«, sagte ich und atmete langsam durch die Nase aus. »Ich freue mich immer, wenn ich Fans von mir treffe.«

»Hey, wenigstens finde ich dich körperlich anziehend.«

»Und abstoßend als Person.«

Dylan zog eine Schulter hoch.

»Möchtest du, dass dein Bruder mich umbringt?«, fragte ich. Denn das würde definitiv passieren, wenn wir miteinander schliefen.

»Das wäre ein schöner Bonus«, gab sie trocken zu, »aber wie sollte er es herausfinden?«