Magdalena - Maarten 't Hart - E-Book

Magdalena E-Book

Maarten 't Hart

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Beschreibung

»Nach meinem Tod«, sagte Maarten 't Harts Mutter oft, »kannst du über mich schreiben, was du willst, aber verschone mich, solange ich lebe.« Der Sohn, einer der berühmtesten europäischen Romanciers, hat sich daran gehalten. Er hat bislang nicht davon erzählt, wie ausgerechnet ein kaputter Hosenträger die Liebe zwischen seinen Eltern stiftete, hat verschwiegen, dass sein Vater im Grunde der Überzeugung war, man könne ein Pferd mehr lieben als eine Frau. Nun aber, drei Jahre nach dem Tod der Mutter, erscheint »Magdalena«: ein Buch über das große Geheimnis, das sich Kindern hinter dem Zusammenhalt der Eltern zu verbergen scheint, ein ungeschminktes Zeugnis dessen, was der begnadete Erzähler 't Hart bislang alles nicht erzählt hat, und ein schmerzvoll schönes Buch über Mutter und Sohn.

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www.piper.de

Übersetzung aus dem Niederländischen von Gregor Seferens

ISBN 978-3-492-97125-6

Oktober 2015

© 2015 Maarten ’t Hart

Deutschsprachige Ausgabe:

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015

Covergestaltung: Cornelia Niere, München

Covermotiv: plainpicture/Reilika Landen

Datenkonvertierung: Kösel, Krugzell

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Prolog

Am Dienstag, dem 25. November 1952, wurde ich acht Jahre alt. Diesem Geburtstag hatten nicht nur ich, sondern auch meine Eltern sehnsüchtig entgegengesehen. Mein Großvater väterlicherseits machte seinen Enkeln, die nach ihm benannt waren, zu ihrem achten Geburtstag ein großes Geschenk. Bei uns war daher die Erwartung hochgespannt. Der zwei Wochen ältere Sohn meines Onkels Maarten, der ebenfalls den Namen meines Großvaters trug (er war also Maarten von Maarten von Maarten), hatte zu seinem letzten Geburtstag ein Fahrrad bekommen. Ein solch großes Geschenk würde mir ganz bestimmt nicht überreicht werden, denn ich war nur Maarten von Pau von Maarten, doch nichtsdestotrotz würde ich ein Wunder erleben.

Am späten Nachmittag, ich war gerade aus der Schule gekommen (wo ich meinen Geburtstag sorgfältig verschwiegen hatte, um keine Süßigkeiten austeilen zu müssen, denn die hätte meine Mutter mir nicht mitgegeben), brachte mein Großvater sein Geschenk. An dem sich nähernden kräftigen Ticken seines Spazierstocks auf den Gehsteigplatten konnte man hören, dass er sich darauf freute, erneut einen nach ihm benannten Enkel großzügig zu beschenken.

Er trug ein ausladendes Paket herein und überreichte es mir im Wohnzimmer. Feierlich entfernte ich das Papier. Was mir zu meinem achten Geburtstag zuteilgeworden war, erwies sich als großer Metallbaukasten. Kein neues Fahrrad zwar, aber doch etwas Unglaubliches. Mein Großvater ging wieder, denn es war zu diesem Zeitpunkt niemand da, mit dem er Dame hätte spielen können.

Mir schien nun der große Augenblick gekommen, den Metallbaukasten weiter auszupacken und damit zu spielen. Als ich Anstalten machte, ihn zu öffnen, rief meine Mutter:

»Was machst du da?«

»Ich mache ihn auf, ich möchte damit spielen.«

»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Ein so teures Geschenk! Lass deine Finger davon.«

»Aber … aber … ich habe den Kasten doch von Opa bekommen, ich will damit spielen.«

»Ganz ausgeschlossen, Finger weg! Ein so teures Geschenk, und du willst einfach damit spielen? Auf gar keinen Fall, ich stell ihn weg.«

Sie nahm den Metallbaukasten und deponierte ihn, hinter Laken und Plumeaubezügen, im Schrank.

Als mein Vater nach Hause kam, wurde der Kasten wieder zum Vorschein gebracht und erneut voller Erstaunen bewundert. Gewiss, es war kein neues Fahrrad, aber dennoch … Was für ein Geschenk!

»Opa ’t Hart meint es aber gut mit dir«, sagte mein Vater.

»Aber ich darf nicht damit spielen«, sagte ich beleidigt.

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte mein Vater, »da hat deine Mutter vollkommen recht, ein so teures Geschenk, es wäre Wahnsinn, wenn du das in die Finger bekämst. Wie leicht könnte eine der kleinen Schrauben oder Muttern oder irgendein anderes Teil wegkommen, nicht auszudenken, deine Mutter stellt ihn fein wieder weg.«

»Genau«, sagte meine Mutter, und mein Metallbaukasten verschwand.

Dies ist nur eine der Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend, in der meine Mutter eine merkwürdige Rolle spielt. Ich kann mehr solcher Geschichten erzählen und werde dies auch tun. Aber ich fürchte, dass sich daraus sehr leicht ein falscher Eindruck ihres Charakters ergeben könnte. Als Kind habe ich sie unendlich geliebt, so sehr, dass ich, was für einen Jungen doch recht außergewöhnlich ist, alles, was sie tat – stricken, häkeln, sticken, nähen, bügeln, waschen, kochen –, auch lernen und tun wollte, und diese Liebe blieb immer bestehen, ungeachtet all der Dinge, die ich mit ihr habe durchmachen müssen. Sie war geduldig und sanftmütig. Mein Vater schlug drauflos, denn schließlich steht in der Bibel: Wer seinen Sohn liebt, der kasteit ihn. Aber meine Mutter hat mich niemals geschlagen. Sie war die Fürsorglichkeit in Person, unsere Kleider waren, trotz ständigen Geldmangels, immer tipptopp in Ordnung. Tag und Nacht stand sie bereit. Wäre sie nicht von einem seltsamen Wahn befallen gewesen, dem Wahn nämlich, mein Vater würde fortwährend fremdgehen, es wäre wenig an ihr auszusetzen gewesen. Nun brachte es dieser Wahn aber mit sich, dass sie meinen Vater pausenlos im Auge behalten wollte oder aber andere ihn im Auge behalten ließ. Dazu rekrutierte sie zuerst mich, später meinen Bruder. Überall wo mein Vater hinging, bekam er einen seiner Söhne mit auf den Weg, denn meine Mutter ging davon aus, dass er in Gesellschaft eines seiner Söhne nicht so leicht würde fremdgehen können. Mein Bruder und ich waren uns nicht bewusst, weshalb wir immer mit unserem Vater losgeschickt wurden. Wir haben es einfach dankbar angenommen, denn so gelangten wir, zu Fuß oder per Fahrrad, an die merkwürdigsten Orte. Ob mein Vater sich der Tatsache bewusst war, dass seine Söhne ihn begleiteten, um ihn zu kontrollieren, weiß ich nicht. Ich kann ihn leider nicht mehr danach fragen, denn er ist schon seit gut vierzig Jahren tot. Aber dass er unter dem vollkommen lächerlichen, absurden Verdacht enorm gelitten hat, steht für mich fest. Einmal hat er in der Dunkelheit des Bahrhäuschens (es hatte keine Fenster, und wenn man die Tür zumachte, war es stockfinster) zu mir gesagt: »Deine Mutter bringt mich um.« Und danach brach er in Schluchzen aus.

Beginn

Meine Mutter, Magdalena van der Giessen, wurde am 30. Mai 1920 in Poeldijk, Gemeinde Monster, geboren. Sie war die älteste Tochter von Arie Adriaan van der Giessen, geboren am 1. August 1893 auf Rozenburg, und Magdalena de Winter, geboren am 15. August 1896 in Hoek van Holland. Vor meiner Mutter hatte das Paar einen Sohn bekommen, der am 8. August 1918 ebenfalls in Poeldijk das Licht der Welt erblickt hatte. Auf die beiden ältesten Kinder folgten in regelmäßigen Abständen von etwa zwei Jahren noch fünf Jungen und zwei Mädchen. In einem der wundersamen, mäandrierenden Monologe, die meine Großmutter hielt, sobald man in ihrem Gesichtsfeld erschien, enthüllte sie mir einmal, wie sie es geschafft hatte, die Kinderzahl auf lediglich neun zu begrenzen, und wie es sich erklären ließ, dass die neun im Abstand von zwei Jahren aufeinanderfolgten.

»Ich wollte unbedingt Kinder haben, am liebsten mehr als vier, aber ich wollte nicht jedes Jahr niederkommen, das war mir viel zu anstrengend, da geht man ja ganz schön auf dem Zahnfleisch, wenn man ein Kind bekommt, also stillte ich die Kinder so lange wie möglich, und solange man so ein saugendes Mündchen an der Brust hat, kann man so feurig sein wie ein Zaunkönig während der Mauser und muss dennoch nicht fürchten, wieder schwanger zu werden. Ich hätte Leen, Lena, Teun, Siem, Cor, Jan, Bep und Jaap gern noch länger gestillt, aber das funktionierte nicht, nach kaum mehr als einem Jahr hörten sie auf zu trinken, außer Aad, der hat es geschafft, zwei Jahre zu nuckeln, sodass Jan 1931 geboren wurde, während Aad von 1928 ist. Und nach Jaap war Schluss, danach kam zum Glück nichts mehr, obwohl ich damals gerade achtunddreißig war. Ja, das war schön, alles in allem, 1918 Leen, 1920 Lena, 1922 Teun, 1924 Siem, 1926 Cor, 1928 Aad, dann plötzlich eine Lücke von drei Jahren, 1931 Jan, 1933 Bep und 1935 Jaap. Gut gemacht, Lena de Winter, sage ich da zu mir selbst, denn glaube ja nicht, jemand anders würde mich dafür loben, was auch wiederum gut ist, denn sonst bildet man sich womöglich noch was ein, aber ich wollte nicht denselben Weg gehen wie die beiden Frauen meines Schwiegervaters Leen van der Giessen. Wie du weißt, hatte der dreizehn Kinder aus seiner ersten Ehe und elf aus der zweiten, und von den dreizehn Kindern aus der ersten Ehe wurden nicht weniger als zehn Kinder, immer im Abstand von einem Jahr, tot geboren, und das dritte hat auch nur ein paar Tage gelebt, und nach den zehn tot geborenen Kindern wurde auch Leens erste Frau zum Herrgott heimgeholt, und da war er plötzlich ein Witwer mit zwei Kindern, mein Mann Arie und seine ältere Schwester also, und Leen hat wieder geheiratet, und die zweite Frau hat elf Kinder zur Welt gebracht, insgesamt waren es also, wenn ich richtig rechne, vierundzwanzig Kinder – stell dir bloß einmal vor, vierundzwanzig Kinder, das wäre was gewesen, wenn die alle am Leben geblieben wären, mein Schwiegervater war Entenfänger auf Rozenburg, tja, von dem, was er damit verdiente, hätte er niemals vierundzwanzig Münder stopfen können, also war es nur gut, dass der Herrgott so viele zu sich nahm. Aber die Kinder aus der zweiten Ehe überlebten alle, sodass dein Großvater nicht weniger als elf Halbbrüder und -schwestern hatte. Und das in solch einem winzigen Deichhaus auf Rozenburg. Vierundzwanzig Kinder, das muss man sich mal vorstellen, einen so hitzigen Mann zu haben. Dein Großvater erzählte immer, dass sein Vater mittags stets nach Hause kam, und nach dem Essen stand er auf und versuchte, seine Frau zu schnappen. Die aber wollte sich nicht fangen lassen, und dann rannten die beiden hintereinander her um den Tisch, sechs, sieben Runden, es können auch acht gewesen sein, das weiß ich nicht so genau, und dann hatte Vater Leen Mutter Betje geschnappt, und all die Kinder sahen, wie ihre Mutter die Leiter zum Dachboden hochgezerrt wurde, und kurz danach hörten sie auf dem Dachboden gewisse Geräusche – ach, ach, ja, ja, dein Großvater war schon schwer geschlagen, der hat es schon als Kind alles andere als leicht gehabt, elf Brüder und Schwestern tot, Mutter tot und einen Vater, der seine zweite Frau jeden Tag um den Tisch jagte, weil er Lust hatte, immer nur Lust. Seine erste Frau wird er wohl auch um den Tisch gejagt haben, aber daran erinnert dein Großvater sich nicht, da war er damals noch zu klein für. Dennoch haben wir ihn, trotz all seiner Lust, lange erleben dürfen, denn er stammte aus dem Jahr 1869, und er ist erst 1960 gestorben. Na ja, das muss man ihnen lassen, den van der Giessens, wenn sie nicht schon in der Wiege sterben, und dafür gibt es eine ganze Menge Beispiele, dann werden sie durch die Bank sehr alt.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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