Magic Maila (Band 1) - Marliese Arold - E-Book

Magic Maila (Band 1) E-Book

Marliese Arold

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Beschreibung

Band 1 Mit einem riesigen Knall beginnt das Chaos in Mailas Leben. Als ihrer Oma Luna beim Brauen von Jungbrunnenlikör der Hexenkessel explodiert, können etliche magische Wesen und Gegenstände aus dem Zauberladen der Familie ausbüxen. Und zwar in die Menschenwelt! Die weitgereiste Tante Juna versucht ihr Bestes, um die Ausreißer zurückzubringen. Aber allein schafft sie es nicht. Jetzt muss die 13-jährige Maila helfen, die als Einzige der Familie ebenfalls in die Menschenwelt reisen kann. Zaubern ist dabei allerdings streng verboten. Genauso wie Verlieben. Eigentlich. Denn Herzensdinge haben – genau wie Zaubereien – den Hang, aus dem Ruder zu laufen …

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Seitenzahl: 209

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Magic Maila

Verhext noch mal!

Band 1

eISBN 978-3-96129-156-4

Edel Kids Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Projektkoordination: Judith Haentjes

Text: Marliese Arold

Covergestaltung: formlabor

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt 

Ein seltsamer Besucher

Explosion mit schlimmen Folgen

Es ist zum Ohrenwackeln!

Lauter Lügen und ein Brief

Abschied mit Blindschleiche

Eine zauberhafte Abschiedsparty

Per Fass in die Menschenwelt

Zaubern streng verboten!

Suchzauber um Mitternacht

Der verhexte erste Schultag

Die Jagd nach den Maglings

Lügen und Gewissensbisse

Besuch mit sprechendem Hund

Onkel Justus mag keine Tiere

Rätsel um Fiona

An der Kletterwand

Der große Streit

Ein neuer Schulleiter

Punkt sechs flog das Türchen der Kuckucksuhr auf. Ein grellbunter Vogel stürzte so heftig heraus, dass er sich einmal überschlug. Mühsam kletterte er wieder auf die Stange und flötete mit silberheller Stimme:

»Werte Kundschaft, leider schließen wir gleich. Bitte gehen Sie zum Bezahlen an die Kasse. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend und hoffen, Sie bald wieder bei uns begrüßen zu dürfen.«

Die 13-jährige Maila, die an der Ladentheke saß und Hausaufgaben machte, sah von ihrem Heft auf. »Danke, Wilbur! Aber es ist sowieso kein Kunde gekommen. Den ganzen Nachmittag nicht.« Sie seufzte.

Wilbur blickte nach links und nach rechts. »Stimmt!«, piepste er. Er stieß sich von der Stange ab und flatterte auf Mailas Schulter. »Schade. Warum kommen denn keine Leute mehr? Wir haben doch die allerschönsten Zaubersachen!«

»Ach, Wilbur!« Maila schlug ihr Heft zu. Mit Wilbur auf der Schulter konnte sie sich ohnehin nicht mehr konzentrieren. Der bunte Kuckuck hielt allzu gern ein Schwätzchen. »Das habe ich dir doch schon erzählt. In der Möchtegern-Straße hat dieses große Zauberei-Kaufhaus MacMagic aufgemacht. Die haben dort ein Riesenangebot und verkaufen die Sachen auch noch viel billiger als wir.«

Wilbur plusterte sich auf. »Das ist ziemlich doof, oder?«

Maila nickte. Heute nach dem Unterricht war sie extra an dem Kaufhaus MacMagic vorbeigegangen und hatte beobachtet, wie etliche ihrer Stammkunden im Eingang verschwanden, während andere mit vielen Tüten in den Händen wieder herauskamen. Außerdem hatte Maila neben der Tür einen magischen Finger an der Wand entdeckt. Dieser lockte die Leute an wie ein Magnet. Das war unlautere Zauberei und eigentlich verboten. Eigentlich. Inzwischen hatte der Bürgermeister eine Verordnung erlassen, der zufolge die kleineren Läden keinen magischen Finger verwenden durften. Nur die kleinen.

Läden wie zum Beispiel der Zauberladen Wünsch dir was, der schon seit vier Jahrhunderten Mailas Familie gehörte. Opa Orpheus fürchtete, dass die Tage des kleinen Ladens gezählt waren und sie in einigen Wochen schließen mussten. Außer, sie hatten sehr, sehr bald eine wahnsinnig tolle Idee, wie sie ihren Laden aufpeppen konnten.

Für wahnsinnig tolle Ideen war normalerweise Maila zuständig, aber all ihre bisherigen Vorschläge waren vom Familienrat abgeschmettert worden.

»Einen Tag in der Woche könnten die Leute umsonst bei uns einkaufen«, war eine von Mailas Ideen gewesen.

»Aber Maila, dann kommen die Leute an diesem Tag zu uns und räumen die Regale leer«, hatte Damian Espenlaub, Mailas Vater, gemeint. »Und an den anderen Tagen kaufen sie wieder bei MacMagic.«

»Hm.« Maila hatte überlegt. »Und wenn wir unseren besten Kunden einen Gutschein für eine Reitstunde auf einem Einhorn schenken?«

»Genau diese Idee hatte MacMagic auch schon«, hatte Alma Espenlaub, Mailas Mutter, geantwortet. »Eine Gratis-Reitstunde für einen Einkauf ab zweihundert Hexengulden.«

»Und wenn wir einen Gutschein ab hundert Hexengulden ausgeben?«, hatte Maila vorgeschlagen.

»Liebes, eine Einhorn-Reitstunde kostet hundert Hexengulden«, hatte Oma Luna gesagt. »Mindestens.«

»Schade.« Maila hatte ihr Gehirn so angestrengt, dass sie das Gefühl hatte, ihre Ohren würden gleich qualmen. »Wir könnten kostenlose Kekse mit einfachen Zaubersprüchen verteilen. So was wie Glückskekse.«

»Das haben wir schon einmal vor drei Jahren gemacht«, hatte sich Opa Orpheus erinnert. »Kekse mit Zaubersprüchen, die allerdings nur ein einziges Mal funktionieren. Leider bekam man von den Keksen blaue Zähne. Die Kunden haben sich massenweise beschwert.«

»Dann weiß ich auch nicht weiter«, hatte Maila geseufzt.

»Dass ich das noch erleben darf!«, hatte ihr großer Bruder Robin gespottet und sie an ihren karottenroten Locken gezogen. »Meine Schwester weiß nicht weiter. Wo sie doch sonst immer alles besser weiß.«

»Das sagst du doch nur, weil … weil … weil du neidisch bist auf mich!«, hatte Maila zornig gerufen. »Weil ich mit den Ohren wackeln kann und du nicht!«

Mit dem Ohrenwackeln hatte es in der Hexenwelt eine besondere Bewandtnis: Wer mit den Ohren wackeln konnte, der konnte auch die Schwelle zur Menschenwelt überschreiten. Das konnten nur sehr wenige Bewohner der Hexenwelt, vielleicht einer von hundert.

In Mailas Familie konnte außer Maila nur Oma Luna mit den Ohren wackeln. Obwohl Robin manchmal stundenlang vor dem Spiegel stand und übte – er schaffte es einfach nicht!

Bei dem Gedanken an Robin wackelte Maila automatisch mit den Ohren. In diesem Moment bimmelte die Ladenglocke. Ein kalter Windstoß öffnete die Tür und ließ Maila frösteln. Sie blickte auf. Ein hochgewachsener Mann in einem dunklen Mantel schob sich zur Tür herein. Den Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen.

Maila sprang erschrocken auf. »Eigentlich haben wir schon geschlossen!«

»Wie schade«, brummte der Fremde. »Ich würde ja morgen wiederkommen, aber leider bin ich nur noch heute hier.«

Eine unnatürliche Kälte ging von ihm aus. Maila fröstelte. Der Kerl war ihr unheimlich. Am liebsten wäre es ihr gewesen, er würde sich umdrehen und gehen. Stattdessen kam er näher. Sein Blick wanderte neugierig umher.

Jetzt konnte Maila auch sein Gesicht sehen. Es war hager und bleich, als würde sich der Fremde nie im Freien aufhalten. Seine Augen waren von einem stechenden Blau, und die lange, spitze Nase reichte fast bis zu seinem Mund. Ein dunkles Ziegenbärtchen wuchs an seinem Kinn und wippte mit, sobald der Mann sprach.

»Man sagte mir, dass man hier Dinge bekommt, die man nirgendwo anders erhalten kann«, murmelte der Fremde.

Mailas Herz klopfte vor Aufregung. »Ja, das kann sein«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Wir haben viele schöne Sachen. Was … was suchen Sie denn?«

»Schmeiß den Kerl raus!«, zischte Wilbur in ihr Ohr. »Mit dem stimmt was nicht!«

»Sei still, Wilbur«, flüsterte Maila.

Der Fremde lächelte dünn. »Ich hätte beispielsweise gerne diese Kuckucksuhr.« Er deutete mit seinen langen Spinnenfingern auf die geschnitzte Uhr, die an der Wand hing.

Wilbur stürzte vor Schreck von Mailas Schulter und plumpste auf die Theke, wo er in einem Glas mit Wünsch-dir-einen-Geschmack-Bonbons landete und panisch mit den Flügeln flatterte.

»Die Kuckucksuhr ist unverkäuflich«, sagte Maila schnell und fischte Wilbur aus dem Glas. »Tut mir leid.«

»Wie wäre es dann mit dem hübschen Vogel in deiner Hand?«, fragte der Fremde, und sein Blick schien noch stechender zu werden.

»Das … das ist Wilbur, und er ist ebenfalls unverkäuflich«, antwortete Maila. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg.

»Ich würde dir fünfhundert Hexengulden für ihn bezahlen«, sagte der Fremde. »Und für die Uhr bezahle ich noch einmal fünfhundert.«

Maila rechnete im Kopf. Tausend Hexengulden! Manchmal nahmen sie in einer Woche nicht so viel Geld ein!

Trotzdem schüttelte sie den Kopf.

»Es geht nicht«, sagte sie. »Wilbur gehört zur Familie – und er ist außerdem mein Freund!«

»VERDAMMT!«, brüllte der Fremde und schlug so heftig mit der Faust auf die Theke, dass das Glas mit den Bonbons in die Höhe sprang. Maila zuckte erschrocken zusammen, und Wilbur schoss in die Kuckucksuhr zurück. Das Türchen knallte hinter ihm zu, und ein Schutzgitter rasselte herab.

»Gibt es ein Problem?«, ertönte eine Stimme hinter Maila.

Maila atmete erleichtert auf, als Oma Luna neben sie trat. Die Großmutter war zwar kaum größer als Maila, aber eine der besten Hexen weit und breit. In Mailas Alter war sie bereits zum ersten Mal Junior-Hexenmeisterin geworden. Im Wohnzimmer der Großeltern gab es eine ganze Wand mit Pokalen und Urkunden, die Oma Luna im Laufe ihres Lebens gewonnen hatte. Auch jetzt nutzte sie noch jede Gelegenheit, sich weiterzubilden, reiste zu Seminaren und Workshops und hatte mehrere Fachzeitschriften abonniert.

»Hallo, Luna«, säuselte der Fremde und verzog seine Lippen zu einem dünnen Lächeln. »Lange nicht mehr gesehen.«

»Das stimmt«, erwiderte Oma Luna mit eisiger Stimme. »Und es ist nicht so, dass ich dich vermisst hätte, Luzian.«

Maila spitzte die Ohren. Ihre Oma kannte also diesen merkwürdigen Mann?

»Ich habe dich aber schon vermisst, schönste Luna von allen«, sagte Luzian mit einem kurzen, harten Lachen.

»Was willst du?«, fragte Oma Luna scharf.

»Hast du einen Tarnumhang in meiner Größe?«, fragte Luzian. »Die meisten Umhänge sind mir zu kurz. Er muss so lang sein, dass auch meine Füße verschwinden.«

»Was hast du vor?«, wollte Oma Luna wissen. »Willst du wieder ein krummes Ding drehen? Es wundert mich, dass man dich schon freigelassen hat, nachdem du verbotene schwarze Magie betrieben hast und deine Frau und deine Tochter dabei umgekommen sind.«

»Es war ein bedauerlicher Unfall«, entgegnete Luzian. »Das mussten auch die Richter anerkennen. Ich habe meine Strafe in den Bergwerken von Alun verbüßt, und das war wahrhaftig kein Zuckerschlecken. Also – hast du nun einen Umhang für mich oder nicht?«

»Wir haben gestern den letzten in deiner Größe verkauft«, log Oma Luna. »Und es ist ungewiss, wann unser Lieferant wieder liefern kann. Geh doch zu MacMagic, vielleicht findest du dort das Gewünschte.«

»Bei MacMagic habe ich Hausverbot«, grummelte Luzian.

»So? Warum wundert mich das nicht?«, fauchte Oma Luna. »Und bei uns hast du auch Hausverbot, Luzian. Wenn du dich hier noch einmal blicken lässt, dann hetze ich meinen persönlichen Dämon auf dich!«

Luzian hörte endlich auf zu lächeln. Seine Miene wurde grimmig. »Ist das dein letztes Wort, Luna?«

»Mein allerletztes«, sagte Oma Luna.

»Das wirst du noch bereuen!«, sagte Luzian und streifte Maila mit einem so eisigen Blick, dass sie das Gefühl hatte, schockgefrostet zu werden. Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Laden. Oma Luna schoss hinter der Theke hervor und schloss hastig die Tür ab. Maila stellte fest, dass ihre Großmutter sehr bleich geworden war. Auch ihre karottenroten Locken waren auf einmal in sich zusammengefallen und hingen strähnig über ihre Schultern.

»Wer war denn das?«, fragte Maila mit schwacher Stimme. Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern.

»Ein früherer Bekannter«, antwortete Oma Luna. »Luzian Morchelstiel. Wir haben zusammen an der Hexenakademie studiert, bis Luzian eines Tages dort rausgeflogen ist. Ich weiß bis heute nicht genau, was damals passiert ist. Niemand wollte darüber reden.« Sie fischte ein Gummiband aus ihrer Schürzentasche und band damit ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Luzian war ein kluger Kopf. Leider hat er sich der falschen Seite zugewandt. Aber jetzt lass uns das Thema wechseln. Bist du mit deinen Hausaufgaben fertig?«

Maila nickte.

»Dann kannst du mir vielleicht unten im Labor helfen«, sagte Oma Luna. »Gestern Nacht ist mir ein Rezept für einen neuen magischen Kräuterlikör eingefallen. Ich muss es unbedingt ausprobieren!«

Maila folgte ihrer Großmutter durch den Laden nach hinten. Es kam Maila vor, als hätte Luzians Besuch ihren Blick geschärft. Obwohl sie den Zauberladen jeden Tag sah, fielen ihr heute bestimmte Dinge auf: die wunderbaren Muster auf den fliegenden Teppichen, die zusammengerollt in den Schwerlastregalen lagen. Die lustigen Spardosen in Form von Einhörnern, die jedes Mal wieherten und ihr Horn glühen ließen, wenn eine Münze eingeworfen wurde. Die feinen Seidenschals, die vor Erkältung schützten. Die Trillerpfeifen, mit denen sich Vögel anlocken ließen …

»Es ist dringend nötig, dass ich einen neuen Kräuterlikör erfinde«, brummte Oma Luna vor sich hin, während sie die Kellertür aufsperrte und die Stufen hinabstieg. »Viele Kunden kommen nur wegen des magischen Likörs. Vielleicht kann der neue Likör unseren Laden retten!«

Maila verdrehte heimlich die Augen. Oma Luna und ihre Likörsorten! Ja, es stimmte, manche Leute kamen tatsächlich hauptsächlich deswegen. Es gab Liköre für schönere Träume. Liköre, damit sich jemand in einen verliebte. Liköre gegen schlechte Laune. Liköre, damit das Hexen besser klappte …

Maila war gespannt, was sich Oma Luna diesmal ausgedacht hatte. Es ging immer tiefer in den Keller hinab. Das Gebäude, in dem sich der kleine Zauberladen befand, war früher ein Turm gewesen. Einige Grundmauern standen immer noch, verstärkt mit wuchtigen Balken. Deswegen war der Keller tief und das Gebäude ziemlich hoch.

Im Erdgeschoss lag der Laden, im ersten Stock das Lager, im zweiten Stock wohnten Mailas Großeltern, im dritten Stock die Eltern. Der vierte Stock, das Dachgeschoss, gehörte Maila und ihrem Bruder Robin. Die einzelnen Stockwerke waren durch eine lange, lange Wendeltreppe miteinander verbunden. Nur in den Keller führte eine gerade Treppe hinab.

Allerlei Düfte schlugen Maila entgegen, während sie ihrer Großmutter nach unten folgte. Es roch nach Holunderblüten und Kamille, nach Nelken und Zimt. Außerdem gab es noch einige andere Gerüche, die Maila nicht zuordnen konnte. Manche lagen schwer in der Luft und verursachten in Mailas Kopf ein drückendes Gefühl. Andere fühlten sich so leicht und erfrischend an, dass Maila am liebsten in die Luft gesprungen wäre. Sie liebte dieses unterirdische Reich, über das ihre Großmutter herrschte. Die Wände, selbst im Treppenhaus, waren voller Regale, in denen Oma Luna ihre verschiedenen Zaubermarmeladen und -liköre aufbewahrte. Ihre selbst gekochten Brotaufstriche waren heiß begehrt, ebenso die Liköre, die in jedem Schluck etwas Magie enthielten.

»MacMagic verkauft zwar auch Liköre, aber die sind längst nicht so gut wie meine«, murmelte Oma Luna vor sich hin, während sie die letzten Stufen hinabstieg. »Wenn uns etwas retten kann, dann sind es Getränke, die auf bestimmte Kunden abgestimmt sind. Und die auch noch lecker schmecken.«

Maila hätte zu gerne einmal von diesen Wunderlikören gekostet, aber weil diese Alkohol enthielten, wurde es ihr immer wieder verboten. Gut, es gab auch ein paar alkoholfreie Liköre für Kinder, beispielsweise gegen Angst im Dunkeln oder gegen Gespenster unterm Bett. Maila hatte an den Flüssigkeiten genippt und fand sie quietschsüß. Ob sie wirkten, konnte sie nicht sagen, denn sie fürchtete sich nicht im Dunkeln, und Gespenster gab es in ihrem Zimmer zurzeit auch nicht.

»So, da wären wir«, sagte Oma Luna, als sie in dem Kellerraum angelangt waren, in dem sie ihre Liköre zusammenmischte. Es war ein niedriger Raum mit einer Gewölbedecke, von der jede Menge Kräuterbündel herabhingen. Auch hier gab es viele Regale aus groben Holzbrettern, auf denen sich unzählige Tiegel und Töpfe befanden. Eine große Saftpresse stand auf dem Boden. Maila wurde es fast schwindelig von den intensiven Gerüchen in diesem Raum.

»Was für einen Likör willst du denn machen?«, fragte sie neugierig.

Oma Luna warf ihr einen verschmitzten Blick zu. »Einen Likör fürs Jungbleiben! Was glaubst du, wie schnell sich der verkaufen wird! Ich habe kürzlich ein Rezept in einem uralten Hexenbuch entdeckt.« Sie deutete auf ein riesiges altes Buch, das in einem Regal lag. Der Ledereinband war schon ganz brüchig und das Papier vergilbt. Als Oma Luna das Buch aufschlug, sah Maila, dass manche Seiten von Mäusen angenagt worden waren.

Oma Luna blätterte so lange, bis sie das Rezept wiedergefunden hatte. Dann ging sie mit Feuereifer ans Werk. Maila half ihr, Äpfel klein zu schneiden, Orangen auszupressen und Pflaumen zu entkernen. Oma Luna gab alles in einen großen Kupferkessel, während sie Zaubersprüche rückwärts aufsagte. Maila durfte Zucker hinzuschütten, aber zuvor verband Oma Luna ihr die Augen, und Maila musste sich dreimal im Kreis drehen. Vorsichtig ließ Maila den Zucker aus der Tüte rieseln, trotzdem rief Oma Luna entsetzt: »Halt, das ist zu viel!«

Maila riss sich die Binde von den Augen. »Tut mir leid, aber ich habe nichts gesehen!«

»Nicht so schlimm«, beruhigte Oma Luna das Mädchen. »Wir geben eben noch etwas mehr Früchte hinzu.«

Wieder flogen etliche Obststücke in den Kessel. Anschließend gab Oma Luna acht verschiedene Gewürze dazu und sang laut:

»Chili, Nelken und Vanille,

Curcumin und Kardamom,

find ich auch noch ohne Brille,

hopsassa, das war’s fast schon!

Koriander und viel Zimt,

schwupps, damit die Mischung stimmt!

Und als Wichtigstes zum Schluss

kommt Muskat – nur eine Nuss!«

Maila sah ihrer Großmutter fasziniert zu und versuchte, sich den Reim zu merken. Dann war sie wieder an der Reihe. Sie durfte zwei Flaschen Rum in den Kessel gießen.

Während Maila behutsam die Flaschen in den Kessel leerte, begann die Großmutter mit einem langen Holzlöffel zu rühren und brummte:

»Lirum, larum, Morchelstiel,

blöder Kerl, du kannst nicht viel!«

Maila blickte entsetzt auf. Das war der falsche Spruch! Merkte Oma Luna denn nicht, was sie eben gesagt hatte? Offensichtlich war sie in Gedanken noch bei Luzian.

Jetzt fiel auch der Großmutter auf, dass sie nicht den richtigen Text aufgesagt hatte. Hastig versuchte sie, ihren Fehler wiedergutzumachen.

»Lirum, larum, Löffelstiel,

alte Hexen zaubern viel!«

Aber zu spät.

Im Kessel fing es an, unheilvoll zu brodeln. Maila starrte ängstlich hinein. Die Obststückchen schienen ein Eigenleben zu entwickeln und hüpften hin und her. Dabei stand der Kessel gar nicht auf dem Herd, sondern nur auf einem ganz normalen Tisch!

»Oje«, jammerte Oma Luna. »Das sieht gar nicht gut aus. Nein, nein, nein, ganz und gar nicht!«

Blaue Dampfschwaden stiegen aus dem Kessel. Maila wich ein Stück zurück. Ihr kam es so vor, als würden im Dampf bunte Sternchen glitzern. Das konnte doch gar nicht sein!

Der Kessel wackelte hin und her, wie von Zauberhand bewegt. Der Dampf glitzerte jetzt unerträglich, sodass Maila geblendet wurde und die Hand vor die Augen halten musste. Gleichzeitig ertönte ein lautes Rauschen und Zischen. Maila spürte, wie Oma Luna sie am Arm packte und auf den Boden drückte.

»Hinlegen! Schnell!«

Maila gehorchte. Keine Sekunde zu früh!

Das Rauschen schwoll zu unerträglicher Lautstärke an. Maila musste sich die Ohren zuhalten. Trotzdem hörte sie einen gewaltigen Knall, der Kessel explodierte. Alles, was darin gewesen war, flog durch die Luft. Obststückchen prasselten auf Maila und ihre Großmutter nieder. Maila musste husten. Der ganze Raum war voller Glitzerqualm, außerdem stank es unerträglich nach Rum.

Mühsam rappelte sich Oma Luna hoch und murmelte einen unverständlichen Zauberspruch, worauf sich die Dunstschwaden verzogen. Die Luft wurde wieder klar.

Auch Maila kam hoch und sah voller Entsetzen das Ausmaß der Zerstörung.

»Ach, du liebe Zeit!«, rief sie erschrocken.

Die Regale hingen schief, und zahlreiche Tiegel und Gefäße waren heruntergefallen. An den Wänden klebte das klein geschnippelte Obst. Der Kupferkessel war in sieben Teile zersprungen. Und das große Zauberbuch war einfach verschwunden. Nur die getrockneten Kräuter baumelten von der Decke, als wäre nichts geschehen.

»Du hast den falschen Zauberspruch aufgesagt!«, stammelte Maila. Ihre Ohren klingelten noch wegen des Knalls. Sie war ganz erschüttert von dem, was Oma Luna angerichtet hatte. So etwas war ihrer Großmutter noch nie passiert. Gut, es war schon einmal vorgekommen, dass sich Oma Luna verhext hatte und beispielsweise statt eines Gugelhupfs ein nasser Badeschwamm auf dem Teller gelandet war. Aber das hier war etwas anderes.

»Hölle und Schwefel!«, wiederholte Oma Luna. »Du darfst niemandem davon erzählen. Kein Wort! Versprochen? Bei meinem letzten Fehlzauber haben deine Eltern die Hochglanzbroschüre von der Seniorenresidenz Zauberhafte Oldies bestellt. Nicht dass sie auf dumme Ideen kommen.«

Maila nickte stumm. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihre Beine waren so wackelig wie der grüne Pudding, den es manchmal zum Nachtisch gab.

»Hoffentlich ist oben im Laden nichts passiert«, sagte Oma Luna. »Am besten, wir schauen gleich nach.«

»Du hast ziemlich viel Ruß im Gesicht«, bemerkte Maila.

»Ach ja, du auch«, sagte Oma Luna. »Und in deinen Haaren hängen lauter Pflaumenstückchen.« Sie schnupperte. »Du duftest wie ein leckerer Kuchen.« Sie zupfte an Maila herum. Dann wischte sie ihr mit einem sauber gebliebenen Tuch den Ruß aus dem Gesicht. Maila kicherte ein bisschen, nahm ihr das Tuch ab und fuhr ihr damit über Stirn, Wangen und Nase. Jetzt waren sie beide wieder einigermaßen vorzeigbar!

Oma Luna hatte es nun eilig, in den Laden zu kommen. Maila kam kaum hinterher, so schnell erklomm ihre Großmutter die Treppe.

»Du liebe Güte!«, rief Oma Luna. »Molchschwanz und Krötenkacke! Das ist ja eine Katastrophe!«

Maila linste an ihr vorbei in den Ladenraum. Es herrschte ein heilloses Durcheinander! Ein Teil der Regale war umgestürzt und der Inhalt auf dem Boden verstreut. Auch die Kuckucksuhr war von der Wand gefallen. Wilbur, der auf der Theke gehockt hatte, flatterte auf Mailas Schulter und zwitscherte aufgeregt.

»Die Welt geht unter, die Welt geht unter!«

»Ruhig, Wilbur! Alles wird gut!«, sagte Maila. Dabei war sie selbst völlig aus dem Häuschen. Ihr Herz schlug einen Trommelwirbel.

Oma Luna bahnte sich einen Weg durch das Chaos hindurch und ließ die Rollläden am Schaufenster und an der Ladentür herunter.

»Damit keiner sieht, was bei uns passiert ist«, brummelte sie vor sich hin.

Maila hatte inzwischen auffällige Risse in den Wänden entdeckt.

»Unser Haus ist kaputt!«, jammerte sie. Oje! Wie wollte Oma Luna das vor Mama und Papa verbergen? Sie mussten Mailas Eltern die Wahrheit sagen, es ging nicht anders!

Oma Luna betrachtete schweigend den Schaden und schüttelte den Kopf.

»Ich verstehe das nicht«, sagte sie dann. »Wie kann ein falscher Zauberspruch eine solche Wirkung haben?«

»Es war eben ein besonders starker falscher Zauberspruch«, meinte Maila und pflückte Wilbur aus ihren Haaren. Der kleine Vogel hatte sich darin versteckt.

»Wenn ich das geahnt hätte!« Oma Luna stemmte die Hände in die Hüften. »Ich hätte die Sache mit dem Zauberlikör gelassen. Vielleicht ist heute auch nicht der richtige Tag dafür.«

In diesem Augenblick kam Mailas Bruder Robin in den Laden gestürmt. Als er die Zerstörung sah, blieb er wie angewurzelt stehen.

»Was ist denn hier passiert?«, stieß er aus. »Hat Maila wieder versucht, Kaffee zu kochen?«

Aber Maila war nicht nach Witzen zumute. Auch Oma Luna machte ein finsteres Gesicht, doch daran war nicht Robins Bemerkung schuld.

»Mir scheint, es fehlen ein paar Sachen«, sagte sie. »Wir haben doch noch drei fliegende Teppiche auf Lager gehabt. Und jetzt sehe ich nur noch einen einzigen!«

»In meinem Zimmer sind zwei wichtige Zauberbücher verschwunden«, sagte Robin sofort. »Ich dachte schon, Maila hätte sie stibitzt, während ich auf dem Klo war. Darum bin ich runtergekommen. Ich brauche die Bücher unbedingt, in zwei Wochen sind doch die Jugendmeisterschaften im Freihändig-Zaubern!«

Seit einem Monat redete er nur noch von diesem Wettbewerb. Maila konnte es fast nicht mehr hören.

»Ich war nicht in deinem Zimmer«, erwiderte sie. »Und deine Bücher habe ich erst recht nicht genommen.«

»Das will ich dir auch nicht geraten haben, kleine Schwester!« Robin drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Du weißt ja, dass ich dich ratzfatz in eine hässliche schleimige Kröte verwandeln kann!«

Maila verschränkte trotzig die Arme. »Versuch’s doch. Ich weiß, wie man sich verteidigt!«

»Kinder, jetzt streitet euch doch nicht schon wieder!«, rief Oma Luna dazwischen. »Wir haben jetzt wirklich andere Probleme.« Sie blickte Robin scharf an. »Deine Bücher sind verschwunden?«

»Wenn ich’s doch sage«, murrte Robin. »Ausgerechnet die wichtigsten Zauberbücher. Wenn ich deswegen bei den Meisterschaften verliere …«

»Deine Schwester kann jedenfalls nichts dafür«, meinte Oma Luna. »Ich fürchte, ich bin schuld an allem. Möglicherweise ist bei der Explosion ein Hexenwirbel entstanden.«

»Ein Hexenwirbel?« Robin riss die Augen auf. »Und was für eine Explosion?«

»Was ist ein Hexenwirbel?«, wollte auch Maila wissen.

»Ich muss mich erst einmal setzen.« Oma Luna räumte einen Stuhl frei, auf dem etliche Schachteln und Tüten gelandet waren. Sie räusperte sich. »Ihr wisst, dass zwischen der Hexenwelt und der Welt der Menschen eine Barriere besteht. Nur wenigen Hexen und Zauberern ist es vergönnt, die Menschenwelt zu betreten.«

Maila nickte. »Nur denen, die mit den Ohren wackeln können.« Sie grinste breit.

»O nein, jetzt fang nicht schon wieder damit an!« Robin stöhnte und verdrehte die Augen. »Du bist deswegen nichts Besonderes, Maila!«

»Bin ich wohl!«, widersprach Maila. Fast hätte sie mit ihrem Fuß aufgestampft, doch das verkniff sie sich im letzten Moment. Aber zwei kurze Ohrenwackler in Richtung Robin mussten trotzdem sein.

»Diese Barriere ist ein wirksamer Schutz, damit keine Zaubergegenstände in die Menschenwelt gelangen«, fuhr Oma Luna fort. »Die Manschen haben nämlich keinerlei Talent zum Zaubern. Magische Dinge können ein großes Durcheinander oder sogar auch Schaden anrichten, wenn man nicht damit umzugehen weiß.«

»Ja, Menschen können mit Maglings nichts anfangen«, stimmte Maila ihr zu. »Obwohl sie bestimmt gerne welche hätten.« Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es war, wenn man nicht zaubern konnte.

»Ein Hexenwirbel ist ein Loch in der Barriere«, erklärte Oma Luna. »Eigentlich mehr als ein Loch. Er ist wie ein Tornado und wirbelt alles durcheinander. Durch einen Hexenwirbel können Maglings in die Menschenwelt geraten – und ich fürchte, das ist vorhin durch meine Schuld passiert!« Sie seufzte tief.

»Wie?«, schrie Robin. »Willst du damit sagen, dass sich meine Zauberbücher jetzt irgendwo in der Menschenwelt befinden?«

Oma Luna nickte. »Und nicht nur deine Bücher. Auch unsere fehlenden fliegenden Teppiche und vermutlich noch viele andere magische Sachen aus unserem Laden.«

Im ersten Moment fand Maila die Vorstellung ziemlich lustig. Menschen, die plötzlich einen Zauberstab in ihrem Schirmständer fanden und sich versehentlich in einen Fußabstreifer verwandelten … Sie kicherte. Doch als sie Robins wütendes Gesicht und Oma Lunas kummervolle Miene sah, wurde sie wieder ernst.

»Ist das  … ist das sehr schlimm?«, fragte sie leise.

»Allerdings«, antwortete Oma Luna. »Abgesehen davon, dass wir die fehlenden Sachen nicht mehr verkaufen können, ist es streng verboten, einen Hexenwirbel zu erzeugen. Vermutlich werde ich ein paar Jahre im Gefängnis verbringen müssen, wenn man herausfindet, dass ich schuld bin. Vielleicht werde ich zur Strafe auch in einen Balkonkasten oder in einen Grabstein verwandelt.«