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Make it Count - Sommersturm E-Book

Carrie Price

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Beschreibung

Gefühlvoll und mitreißend – Die vierte "Ocenside-Love-Story" der "Make it count"-Reihe von Ally Taylor und Carrie Price Jen und Patrick könnten unterschiedlicher nicht sein. Jen hat alles. Sie ist bildhübsch, eine vorbildliche Tochter aus wohlhabender Familie und die absolute Musterstudentin. Sie wirkt rundum glücklich. Das große Glück hat Patrick nie erlebt, er glaubt nicht daran. Um seine Herkunft macht er in Oceanside ein großes Geheimnis, seine Gefühle hat er weggesperrt. Doch dann ist da dieser winzige Moment, der einen Sommersturm auslöst und Jens und Patricks Herzen zum Rasen bringt. Kann eine flüchtige Begegnung alles verändern? Oder ist es doch nur eine Träumerei, die an der Realität zerbrechen wird? Alle Bände der New-Adult-Serie "Ocenside-Love-Stories" von Ally Taylor und Carrie Price: Band 1 - "Make it count - Gefühlsgewitter" Band 2 - "Make it count - Gefühlsbeben" Band 3 - "Make it count - Dreisam" Band 4 - "Make it Count - Sommersturm"

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Seitenzahl: 341

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Carrie Price

Make it count – Sommersturm

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Ein Bad Boy zum Dahinschmelzen

Jen Main und Patrick Steel könnten unterschiedlicher nicht sein. Jennifer ist bildhübsch, aus wohlhabender Familie und die absolute Musterstudentin. Patrick hingegen hat nie das große Glück erlebt, er glaubt auch nicht daran. Um seine Herkunft macht er in Oceanside ein Geheimnis, seine Gefühle hat er weggesperrt. Doch dann gibt es einen kurzen Moment, der in Jens und Patricks Herzen einen Sommersturm auslöst. Kann diese flüchtige Begegnung alles verändern? Oder ist es nur eine Träumerei, die an der Realität zerbrechen wird?

Inhaltsübersicht

WidmungJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJenPatrickJames MainJenDanksagung
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Für Mr. Castle

 

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Jen

Der Wind lässt meine langen, braunen Haare tanzen.

Die Luft schmeckt nach Meer.

Die Sonne streichelt zart über meine gebräunte Haut, während die Wasseroberfläche um das Boot herum wie tausend Diamanten neben dem Boot funkelt.

Wenn es eine Jahreszeit gibt, die ich gern für immer festhalten will, dann ist es der Sommer. Weil im Sommer alles nicht so schlimm ist. Die Tage erscheinen uns länger, aber wir füllen sie mit wunderschönen Erinnerungen, die wir an den verregneten Herbsttagen wie eine Diashow durch unseren Kopf jagen. Im Sommer tun auch die hässlichen Erinnerungen weniger weh.

Hier, auf dem Meer, könnte ich fast glauben, dass mein Leben perfekt ist. Vor mir in der Ferne liegt der Hafen von Oceanside mit den vielen kleinen Booten, die wie Perlen einer Halskette aufgereiht sind. Der Pier mit den zahlreichen Menschen, die jetzt so weit weg sind und deren Geschnattere mich nicht erreicht, weil der Wind die Geräusche der Natur zu mir trägt. Das Kreischen der Möwen ist ein sicheres Zeichen, dass wir schon auf dem Rückweg sind.

Das Boot schaukelt ein bisschen hin und her, während das große Segel vom Wind gebläht wird und so weiß aussieht wie ein frisch gewaschenes Leintuch am Himmel. Meine Sonnenbrille schiebe ich mir in die Haare und beobachte, wie das Wasser vom Boot durchschnitten wird, wie die kleinen Wellen sich kräuseln. Ich liebe das Meer. Ich liebe den Sommer. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf diesen kurzen Moment, der nur mir gehört. Diesen Moment, den ich ins Einmachglas der Erinnerungen stecken werde, das ich dann in einigen Monaten wieder öffne, um mir die Geräusche, den Duft und das Gefühl des Sommers wieder zu schenken. Nur so überlebt man die dunklen Monate, in denen man nicht hier sein kann. Die Monate, in denen man nicht frei ist …

»So eine verdammte Scheiße!«

Seine Stimme rüttelt zuerst nur leicht an meinem perfekten Moment, so wie ein Kind an dem Rock der Mutter zupft, wenn es Aufmerksamkeit will.

»Fuck!«

Doch dann stößt er mit seinen Flüchen die Tür zu meinem geheimen Ort auf. Ich öffne die Augen, bin zurück im Hier und Jetzt – und sehe den kleinen Yachthafen bedrohlich schnell näher kommen.

»Fuck, wie funktioniert dieser Scheiß denn?«

Da steht er in seinem strahlenden, hellblauen Poloshirt, dessen Kragen er hochgeklappt hat, weil es cool wirken soll. Dabei sieht alles schlichtweg nur dämlich aus: seine dunkelblauen, kurzen Cargohosen mit Bügelfalte, auch die schicken Segelschuhe, die darauf hinweisen sollen, dass er gern segelt. Die letzten zwei Stunden haben mich erfolgreich vom Gegenteil überzeugt. Kevin Bennett, der blonde Surferboy mit dem strahlenden Lächeln und den klaren Augen, mag aussehen wie ein perfekt gestylter, junger Mann, dessen größtes Hobby Segelboote sind. Aber die Realität ist leider eine andere. Nur meine gute Erziehung verbietet es mir, ihm zu sagen, für wie unfähig ich ihn halte. Also stehe ich lächelnd auf und nehme ihm die verschiedenen Seile aus der Hand.

»Das ist ganz einfach …«

Ich ziehe an einem Seil, und das Segel über unseren Köpfen bewegt sich, das Boot folgt dieser Anweisung und verliert an Geschwindigkeit. Ich greife nach dem Ruder und lenke es sanft an einer ziemlich teuer aussehenden Segelyacht vorbei. Sie liegt im Hafen, glänzt frisch poliert, als würde sie jeden Tag von einem ganzen Reinigungstrupp gewartet. Als würde sie nur auf den großen Einsatz für eine Regatta oder eine Weltumsegelung warten. Annie steht in geschwungener Schrift am Bug. Für einen kurzen Augenblick bleibt alles in mir und um mich herum stehen – und ich verliere diesen Moment.

Mit einem lauten Krachen prallt unser Boot gegen den Steg. Kevin hält sich an der kleinen Reling fest und wirft mir einen genervten Blick zu.

»Ganz toll, Jenny! Wolltest du uns umbringen?«

Wollte ich das? Ich weiß, es ist eine rhetorische Frage, aber manchmal würde ich sie gern beantworten. Bedeutet Leben nicht auch Sterben? Sterben wir nicht alle langsam, während wir leben?

»Fuck! Mein Dad bringt mich um, wenn er das sieht!«

Wieder ist es Kevins Stimme, die mich zurück in die Realität holt, als er sich über die Reling beugt und das ganze Ausmaß des Zusammenpralls begutachtet. Ich habe in meinem Leben einige Segelunfälle miterlebt. Die Sache hier ist maximal ein kleiner Kratzer, ganz sicher nicht mehr …

»Ganz toll gemacht, Jenny. Wie soll ich das denn jetzt erklären?«

Versuch es mal mit der Wahrheit! Dass du keine Ahnung vom Segeln hast und ich dich da draußen vor geschätzten zwanzig Anfängerfehlern bewahren musste!

»Es tut mir leid, Kevin. Ich war unaufmerksam.«

Erneut spiele ich eine Rolle, die ich in den letzten Jahren immer wieder gespielt habe. Die ich beherrsche wie keine zweite Person und die mir an manchen Tagen gar nicht mehr wie eine Rolle, sondern wie mein wahres Ich vorkommt.

»Mit ein bisschen Politur ist das verschwunden. Und, wenn ich das erwähnen darf, ich würde sagen, die junge Dame hat dir da draußen den Arsch gerettet. Oder wolltest du eine Eskimorolle mit dem Boot hinlegen?«

Ich höre die rauhe, tiefe Stimme, bevor ich das Gesicht dazu sehen kann. Kevin dreht sich, ebenso überrascht wie ich, zu dem Mann am Steg um. Er trägt dunkelblaue Jeans, die schon mal bessere Tage gesehen haben, dazu ein weißes Unterhemd, das sich über seinen muskulösen Oberkörper spannt. Seine kurzen, braunen Haare scheinen dem bekannten Out-of-Bed-Look zu folgen, und seine warmen, braunen Augen funkeln Kevin herausfordernd an. Er scheint viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen, denn seine Haut ist von der Sonne gebräunt. Schnell greift er nach dem Seil am Bug des Bootes und bindet es an einer in der Nähe des Steges schwimmenden Boje fest. Kevin starrt ihn noch immer fassungslos an, bevor er seine Stimme wiederfindet.

»Sie hat das Boot von meinem Vater fast geschrottet!«

Der junge Mann an Land schüttelt leicht lächelnd den Kopf.

»Sie hat dir nur gezeigt, wie man segelt, Kumpel.«

Die Art und Weise, wie er das Wort »Kumpel« betont, lässt keinen Zweifel daran, dass die beiden genau das nicht sind.

»Und diese Schramme …?«

Er ignoriert Kevin und sieht stattdessen zu mir. Seine Augen mustern mich kurz, und ich spüre an den Stellen ein Kribbeln, wo sein Blick mich berührt. Meine Haut fühlt sich mit einem Mal ungewohnt heiß an.

»Die ist morgen nicht mehr zu sehen. Darum kümmere ich mich.«

Erst jetzt fallen mir die Ölspuren an seinen Händen auf. Er scheint hier zu arbeiten. Im Yachtclub. Das würde zumindest seinen Aufzug an diesem herrlichen Sommertag erklären. Kevin nickt langsam, als auch er versteht, dass es sich um einen Angestellten des Clubs handeln muss.

»Ich zahle dafür keinen Cent.«

Der junge Mann verschränkt genervt die Arme vor der Brust, und ich kann sehen, wie seine Muskeln hervortreten. Nur eine kleine Geste, nicht mal besonders provozierend, aber Kevin wirkt eingeschüchtert. Ich hingegen bin fasziniert. Seine hellen, braunen Augen werden dunkler, als er Kevin anstarrt, und ich glaube zu bemerken, dass sich sein Körper anspannt.

»Das habe ich von jemandem wie dir auch nicht erwartet.«

Kevin würdigt mich keines Blickes, als er vom Boot steigt. Dabei verheddert er sich auch noch fast in einem der Seile und bleibt nur mit Mühe auf den Beinen. Er lässt mich und den anderen Mann einfach stehen.

»Ich muss mich für sein Verhalten entschuldigen, er ist …«

Mir will keine passende Formulierung einfallen, kein Wort, das beschreibt, was ich von Kevin halte.

»… ein arrogantes Arschloch?«

Dabei schenkt mir der junge Mann ein Lächeln und streckt mir die Hand entgegen, um mir den Abstieg vom Boot zu erleichtern. Sein Blick, der eben noch Kevin gegolten und fast gefährlich gewirkt hat, ist mit einem Mal sanft, warm und unverschämt sexy. Seine Mundwinkel sind zu einem leichten Lächeln verzogen, seine Augen – das kann ich sehen – scannen meinen Körper völlig unverhohlen. Ich fühle mich nackt unter diesem Blick aus seinen braunen Augen. Ich trage Jeansshorts und ein helles Top, durch welches man das farbige Oberteil meines Bikinis sehen kann. Als ich seine Hand endlich ergreife, passiert etwas … als würde mich eine Welle mitreißen. Eine Woge, die einen nicht nach unten drückt, sondern sanft mit der Brandung nach Hause trägt. Sein Blick, den er die ganze Zeit nicht abwendet, begleitet mich. Für mein Empfinden stehe ich auf dem Steg vielleicht etwas zu nah neben ihm, aber ich mache keine Anstalten, das zu ändern. Ich kenne zu viele Männer wie Kevin. Sie sind überall, sie sind wie der sprichwörtliche Sand am Meer. Etwas an diesem Mann hier ist anders. Ich kann nur noch nicht so genau sagen, was es ist. Da er meine Hand noch immer in seiner hält, entscheide ich mich dafür, das als Ausrede zu benutzen, um seinen Namen in Erfahrung zu bringen. Ich fange also an, seine Hand zu schütteln.

»Jennifer Main.«

Wieder dieses Lächeln, wenn auch nur ganz kurz.

»Patrick Steel.«

Patrick Steel … Nur ein Name, den ich sicher nicht vergessen werde. Sein Blick lässt mich für einen kurzen Moment erröten. So sehen Männer mich für gewöhnlich nicht an. Ich will wegsehen, aber es fällt mir schwer, mich von dem Anblick seines markanten Gesichts zu lösen. Er trägt einen Dreitagebart, an dem wohl schon eher vier oder fünf Tage keine Rasierklinge mehr zum Einsatz gekommen ist. Eigentlich reagiert mein Körper nicht so auf die Nähe eines Mannes – aber alles, was ich kenne, scheint gerade ziemlich aus den Fugen zu geraten. Nicht nur mein Herz hämmert wie verrückt, auch meine Wangen fühlen sich ungewohnt heiß an. Dabei schütteln wir einander nur die Hände.

»Miss Main, ich werde mich um die Schramme kümmern.«

Seine Stimme, tief und vibrierend, schlägt diese eine Saite in meinem Inneren an, die auch dann noch schwingt, als er meine Hand loslässt und wieder den Abstand zwischen unsere Körper bringt, der vom Anstand gefordert wird.

»Vielen Dank, Mr. Steel.«

Er kann nur ein paar Jahre älter sein als ich. Obwohl er mit seinem Outfit hier, im schicken Bereich des Yachthafens, eine große Ausnahme bildet, fühle ich mich auf magische Weise zu ihm hingezogen. Er zwinkert kurz und wendet sich dann einem älteren Herrn zu, der offenbar seine Aufmerksamkeit und seinen Rat braucht. Wie schade! Ich hätte plötzlich noch 327362 Fragen an ihn, alles Vorwände, um mehr Zeit mit ihm verbringen zu dürfen. Aber mein Vater erwartet mich pünktlich und mit guten Nachrichten zurück. Ich werfe noch einen letzten Blick zu Patrick, der bereits in das Gespräch mit dem Älteren vertieft ist, und spüre das Lächeln auf meinen Lippen. Ein ehrliches Lächeln. Eines, das ich viel zu lang nicht mehr gezeigt habe. Und schuld an diesem Lächeln ist er: Patrick Steel.

Mein Dad erwartet mich im Restaurant des Yachtclubs mit einem liebevollen Lächeln, das über seine Augenringe hinwegtäuschen soll. Vermutlich gelingt es ihm bei den anderen Gästen, die ihm ehrfürchtig die Hand schütteln, aber mich kann er nicht täuschen. Manchmal habe ich das Gefühl, mein Vater spielt für alle eine Rolle – so wie ich. Er ist der erfolgreiche Geschäftsmann, der es von der Provinz bis ins wunderschöne Oceanside geschafft hat. Yachtclubs an der ganzen Ostküste tragen unseren Namen. Seinen Namen. Die Liebe meiner Mutter zum Meer hat ihn schließlich für immer nach Oceanside gebracht, und diesen Sommer, das habe ich ihm versprochen, werde ich mit ihm hier verbringen.

»Du siehst aus, als hättest du eine tolle Zeit gehabt.«

Er drückt mich an sich, und wie immer würde ich in seinen Umarmungen gern die Zeit anhalten. Nur hier darf ich wieder Daddys kleines Mädchen sein, das fest daran geglaubt hat, dass ihr Vater alles aufhalten, verändern und verbessern kann.

»Es war ein toller Tag bisher.«

Das Lächeln auf meinem Gesicht überrascht mich noch immer, weil es wieder mal schön war, draußen auf dem Boot – aber nicht so schön, um dieses Lächeln zu rechtfertigen. Nachdem wir Platz genommen haben, sieht mich mein Vater, James Main, gespannt an. Er hat das Date mit Kevin für mich arrangiert. Weil er denkt, er müsse das für mich tun, schließlich war ich nach meinem Ex-Freund Carl nicht mehr so richtig glücklich. Nun, zumindest denkt er das. Ich würde ihm so gern sagen, dass ich keinen Mann an meiner Seite brauche, um einen schönen Sommer in Oceanside zu verbringen. Und das, was ich mir wünsche, damit ich wieder richtig lachen kann, das kann er mir nicht geben. Nicht mein Vater, nicht Carl – und ganz sicher nicht Kevin!

»Das freut mich. Kevin ist sehr angetan von dir.«

Er zwinkert mir verschwörerisch zu, reicht mir die Karte und winkt einen der Kellner zu uns an den Tisch.

»Hank, was immer meine Tochter will, sie bekommt es.«

Hank, der junge Kellner, nickt und schenkt mir ein Lächeln. Es ist eines dieser »Oceanside-Lächeln«. So nenne ich sie. Seitdem ich hier bin, habe ich von allen Angestellten meines Vaters, von den Gästen, den Söhnen der Gäste und allen anderen, die wissen, wer ich bin, genau dieses Lächeln bekommen. Mit einer Ausnahme … Unauffällig schaue ich von der Terrasse, auf der wir sitzen, zum Hafen hinunter. Irgendwo dort kümmert sich Patrick Steel um die Schramme, die ich Kevins Boot verpasst habe. Patrick, dessen Lächeln anders war. Es wirkte nicht aufgesetzt, er wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wer ich bin. Mir geht seine Berührung nicht mehr aus dem Kopf. Wie seine Haut sich angefühlt hat. Rauh, aber nicht zu rauh. Weich, aber nicht zu weich. Sein Blick, der erahnen lässt, dass er nicht aus Oceanside kommt. Das Funkeln in seinen Augen, während er Kevin angesehen hat, als würde er Streit suchen – und dann sofort wieder die Sanftheit, als er mir vom Boot geholfen hat. Allein der Gedanke an diese überraschende Nähe lässt mein Herz kurz anschwellen.

»Jen, ich habe dich schon lang nicht mehr so lächeln sehen …«

Ich wende mich schnell wieder meinem Vater zu und zucke die Schultern, tue so, als wäre die Sonne oder der Ort schuld daran, während gleichzeitig das schlechte Gewissen meine Wirbelsäule nach oben kriecht. Ich will ihm nicht weh tun.

»Ich war nur wirklich gern mal wieder draußen.«

Er nickt und greift nach der Serviette, weil er meinem Blick nicht standhalten kann. Aber diesen Sommer möchte ich es auf einen weiteren Versuch ankommen lassen.

»Daddy, vielleicht fahren wir beide auch mal wieder raus. Was meinst du?«

Meine Stimme ist nicht viel mehr als ein Flüstern, weil ich weiß, wie schwer es ihm fällt. Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen. Seit so vielen Jahren schon. Er starrt auf die Serviette in seiner Hand, die kurz verdächtig zittert, dann schüttelt er langsam den Kopf.

»Ich habe zu viel zu tun. Ich treffe mich nachher noch mit Bill und …«

»Daddy … nur ein kleiner Törn?«

Ich will nicht betteln wie damals, als ich noch ein Kind war und er sich von mir zu jeder Schandtat hat überreden lassen. Ein Blick aus meinen Rehaugen hat früher gereicht. Mein Dad hat dann alles stehen- und liegenlassen, um mir am Hafen alles über Boote beizubringen, was er wusste. Damals … Es liegt nur ein paar Jahre zurück, fühlt sich aber wie ein anderes Leben an. Sind wir noch die gleichen Menschen?

»Jen … ich habe keine Zeit für so was. Aber frag doch Kevin! Ich bin mir sicher, dass ihm jede Ausrede recht ist, um mit dir Zeit zu verbringen.«

Da ist es wieder: das Lächeln, das ihn zum Erfolgsmenschen hat werden lassen. Keiner seiner Angestellten hat jemals schlecht über meinen Vater gesprochen. Nie kamen Beschwerden über ihn – den Chef, der sich alle Namen merken kann, der immer höflich ist und dabei auf diese bestimmte Art lächelt. Aber ich kenne meinen Vater, der nicht zugeben kann, wie kaputt er innerlich ist. Ich bin ihm verdammt ähnlich.

»Okay. Ich frage Kevin.«

Nicht, weil ich will – sondern, weil ich hoffe, durch mein Verhalten eines Tages wieder ein ehrliches Lächeln auf das Gesicht meines Vaters zaubern zu können.

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Patrick

Oceanside hat gerade eine Attraktion mehr bekommen. Von meinem Platz am Hafen kann ich sie da oben sitzen sehen. Als sie mir ihren Namen verraten hat, hielt ich es zuerst für einen Zufall. Main. Nicht gerade ein seltener Name. Aber hier, unter diesen Umständen … Jetzt sitzt sie mit all den anderen reichen Bonzen auf der Terrasse und hält sich vermutlich für etwas Besseres. Den Mann an ihrer Seite kenne ich, auch wenn er bestimmt vergessen hat, wer ich bin. Warum sollte er sich auch meinen Namen oder mein Gesicht merken? Schließlich arbeite ich lediglich für ihn. Und das auch nur in diesem Sommer. Und das auch nur, weil mein Kumpel Jackson mir den Job besorgt hat. Klar, das Geld ist super, die Trinkgelder sind höher als in der Stadt. Ich bin dankbar, während der Hochsaison diese Arbeit bekommen zu haben. Aber viel wichtiger als die Kohle ist der Stellplatz im Bootshaus hinter mir. Dort könnte ich mein Auto parken, den Pick-up, mit dem ich zum Bewerbungsgespräch gefahren bin. Keine drei Stunden später habe ich ihn allerdings schon verkauft. Ein kurzer Blick auf die Schramme am Boot von diesem Lackaffen Bennett – und ich weiß genau, wie ich das Problem beheben kann. Er hat vorhin so getan, als wäre es ein Totalschaden. Idiot! Dabei hat Jennifer das alles ziemlich gut im Griff gehabt. Zumindest die meiste Zeit. Dann war sie einen Moment abgelenkt und hat zu spät reagiert. Trotzdem keine große Sache. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das Boot aussehen würde, wenn Bennett es in den Hafen gelenkt hätte.

Ich werfe noch einen Blick nach oben zur Terrasse und verfluche mich selbst dafür. Sie ist die Tochter vom Chef, die Freundin von Kevin Bennett. Was, um alles in der Welt, will ich von ihr? Die ist doch wie alle anderen hier auch. Sie spielt einen perfekten Sommer lang die perfekte Tochter aus reichem Hause, die nett ist zu armen Kerlen wie mir. Weil man das so macht. Dann gibt sie mir zu viel Trinkgeld und glaubt, damit eine gute Tat getan zu haben. Ich scheiße auf ihre Kohle! Sobald ich hier fertig bin, sieht mich dieses Kaff sowieso nie wieder.

Ich sehe Jackson, der in seiner Resort-Uniform zu mir an den Hafen joggt. Er sieht aus wie alle, die für das Hamilton-Main-Resort arbeiten, mit seiner kurzen Hose und dem weißen Polohemd mit eingesticktem Namen. Das sollte ich eigentlich auch tragen, aber ich mache mich ungern zum Affen. Kein Bedarf.

»Pat, ich brauche deine Hilfe!«

Jackson Reed. Der einzige Mensch weit und breit, dem ich auch nur ein bisschen vertrauen würde. Er weiß mehr über mich als die meisten anderen – und trotzdem weiß er bei weitem noch nicht alles.

»Was kann ich für dich tun?«

»Lewis fällt für heute Abend aus. Ich springe ein bei den Kellnern.«

Jackson, der eigentlich hier als Animateur sein Geld verdient, damit er sich nach dem Sommer endlich seinen Traum von der Schauspielschule erfüllen kann. Die Großstadt ruft seinen Namen. Ich habe Jackson immer nur arbeiten sehen. Jeden Job nimmt er an, jeden Cent spart er. Er hat sein Ziel fest im Blick, ähnlich wie ich meines.

»Und wie kann ich da helfen?«

»Du springst für mich ein.«

Jackson zwängt sich Tag für Tag in ein Piratenkostüm und bespaßt Kinder am Strand, während sich die Eltern nachmittags mit Gin für den Abend einstimmen. Oder er springt in einem Hot-Dog-Kostüm durch die Stadt und verteilt kleine Flyer. Und so gern ich ihn habe, für mich würde das zu weit gehen. Schnell hebe ich abwehrend die Hände.

»Vergiss es! Auf keinen Fall!«

»Du weißt doch gar nicht, was ich meine.«

»Die Antwort ist: Nein!«

Damit drehe ich mich um und stapfe genervt zurück zu dem kleinen Holzhaus am Steg. Jackson wäre nicht Jackson, wenn er sich so leicht abschütteln ließe.

»Du kriegst einen Smoking!«

Ich bin schon fast an der Tür, als ich kurz stehen bleibe. Einen Smoking? Das klingt nicht nach einem Abend mit Kindern, die alle an meinen Armen und Beinen zerren.

»Und das Essen soll super sein. Alles, was du tun musst, ist, ab und zu mit einer von den Frauen zu tanzen.«

Ich will die Tür öffnen, aber Jackson ist schneller und schiebt sie wieder zu, bevor er sich mit dem Rücken dagegenlehnt und mich mit einem breiten Lächeln ansieht.

»Komm schon …«

Wenn Jackson einmal aufhören würde, dieser Vicky hinterherzurennen, dann würde er mit diesem Lächeln jede Frau kriegen. Nur bin ich eben keine Frau, bei mir funktioniert der Trick nicht.

»Nein.«

»Du schuldest mir was …«

Oha, er zieht die Schuld-Karte. Verdammt!

»Jackson! Tu mir das nicht an.«

»Was tue ich dir an? Einen schicken Anzug, gutes Essen, hübsche Frauen … Du hättest es schlimmer erwischen können.«

Jetzt wird das Lächeln zu einem breiten Grinsen, und ich erkenne den Typen wieder, der mich in Boston in einer Kneipe aufgegabelt hat, als ich vom Barhocker gefallen bin, im wahrsten Sinne des Wortes sturzbetrunken. Nun, es wäre ja nur ein Abend. Und ich könnte ihm diesen Gefallen tun.

»Wer wird denn alles da sein?«

»Alle! Der Chef ruft, und alle tanzen an. Du kannst doch tanzen, oder?«

»Für die alten Schachteln wird es genügen.«

»Spitze! Komm um fünf einfach zu meiner Unterkunft, okay?«

Er klopft mir dankbar auf die Schulter und will dann schon wieder gehen. Ich könnte mich rausreden und ihm sagen, dass ich nicht tanzen kann. Den einen Sommer, den ich als Tanzlehrer in einer Kleinstadt in Vermont verbracht habe, könnte ich verschweigen. Zusammen mit den Erinnerungen an alles, was damals passiert ist. Und den Grund dafür, dass ich den Sommerjob verloren habe … Ehrlich gesagt, ich bin nicht der Typ für große Events. Ich bin lieber für mich allein und verbringe meine freie Zeit mit einem Buch, einem Reiseführer und meinen Gedanken. Während ich im Kopf schnell die Tänze durchgehe, die ich noch beherrsche, zuckt ein Frauengesicht vor meinem inneren Auge auf. Schnell drehe ich mich um.

»Jackson!?«

Er bleibt auf dem Steg stehen und schaut zu mir zurück.

»Hm?«

»Es kommen alle, sagtest du?«

»Alle.«

Mein Blick wandert zur Terrasse des Restaurants, aber sie ist nicht mehr da. So ist das mit Menschen, die einfach auftauchen und einfach wieder verschwinden. Wir treffen so viele von ihnen, und die meisten werfen dir nicht mal einen Blick zu. Aber sie hat mir diesen Blick zugeworfen. Diesen einen Blick, den man nur dann hat, wenn da etwas ist, das man sehen will. Ungewohnt, dass solche Blicke mir gelten. Bisher haben die Menschen immer versucht, mich nicht zu sehen. Das ist wie ein Fehler auf einem Foto. Klar, die Technik bietet inzwischen unendliche Möglichkeiten, einen ungewollten Farbfleck zu entfernen. Man wird sehr schnell unsichtbar und verschwindet, obwohl man da ist. Blicke, die durch einen hindurchgehen, sind so schmerzhaft, als würde man körperlich aufgespießt. Das kann vielleicht nur jemand verstehen, der selbst einmal unsichtbar war.

Unsichtbar …

Es gibt kein schlimmeres Gefühl. Wenn es danach geht, habe ich eine stattliche Sammlung von unangenehmen Gefühlen in mir. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn eine Nase bricht. Ich kenne das Geräusch, wenn Knochen zersplittern, den Schmerz, der wie eine Explosion das ganze Gesicht lähmt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die grimmige Kälte einen umschlingt wie eine grausame Umarmung, aus der man sich nicht mehr lösen kann – egal, wie viel Kraft man aufbringt. Es ist zwecklos, weil man niemals genug Feuer in sich hat, wenn diese Kälte kommt. Das ist ein emotionales Gesetz, gegen das man sich nicht wehren kann. Allein der Gedanke jagt mir eine Gänsehaut über den Körper, versetzt mich zurück in eine Zeit, weit weg von hier. Weit weg von Oceanside. Die Sonne strahlt heute von einem wolkenlosen Himmel. Die meisten Gäste am Strand tragen leichte Kleidung, schlendern barfuß durch den feinen Kies am Strand und sonnen sich auf den blauen Liegestühlen, zu denen die Kellner, gekleidet in makellose, weiße Hemden, die Cocktails bringen. Und obwohl ich weiß, dass es Sommer ist, fühlt es sich plötzlich wie eine eiskalte Nacht in Chicago an. Wenn mich diese Erinnerungen überfallen, dann muss ich für einen kurzen Moment die Augen schließen. Es sind nur Erinnerungen. Im Moment können sie mir nichts anhaben. Aber diese Nachwirkungen sind heimtückisch. Weil sie Erinnerungen an die Zukunft sind. Wenn der Winter kommt, wird auch die Kälte wiederkommen. Sie wird mich suchen und umarmen, ob ich das will oder nicht. Deswegen bin ich hier. Weil es meine letzte Chance ist, ebendieser Angst zu entkommen.

Jennifer Mains Gesicht flackert vor meinem inneren Auge auf. Nur kurz und unscharf, aber ihr Lächeln wärmt den Teil in meinem Inneren, der immer als Erstes vor Kälte erstarrt. Das ist verrückt und albern, weil wir nur einige Minuten miteinander gesprochen haben, weil es nur ein Blick und eine kurze Berührung war. Und trotzdem. Dieses Lächeln …

Ich öffne die Augen, und es ist wieder Sommer.

[home]

Jen

Die Musik ist viel zu fröhlich, der perfekte Soundtrack für diesen Tanz, eine Hymne an das Leben und die Freude. Dazu die bunten Lichter, die lachenden Gesichter, die perfekten Frisuren und das Lächeln, das all diese Menschen gemeinsam zu haben scheinen. Inklusive mir. Ich stehe am Rand der Tanzfläche, breit lächelnd und mit Tränen in den Augen. Niemand wird es bemerken oder vielleicht falsch verstehen. Alle würden denken, es wären Tränen der Rührung, weil ich voller Stolz meinen Vater beobachte, wie die Bürgermeisterin dieser Stadt, Ally Price, in seinen Armen tanzt. Die beiden ziehen die Blicke aller Gäste auf sich. Es ist nur ein Tanz. Vielleicht hatte ich gehofft, dass er ihn mit mir tanzt. Als die Musik vor wenigen Augenblicken einsetzte, schlug mein Herz für einen kurzen Moment wie das eines aufgeregten Kindes: zu schnell und zu laut. Ich war mir sicher, mein Vater konnte es hören. Es ist nicht mein Lieblingslied, nur mein Lieblingstanz. Der Tanz, den ich auf Wunsch meines Dads in der Tanzschule gelernt habe, damit ich mich in Situationen wie diesen nie blamiere. Wir wussten beide, eines Tages würde es meine Aufgabe sein: Ich müsste mit ihm solche offiziellen Abende wie diesen hier eröffnen. Allein der Gedanke daran schnürt mir die Kehle zu. Ich bin nichts weiter als eine Kopie. Ich fülle eine Lücke, die viel zu groß ist und in der ich mich immer klein und unbedeutend fühle. Nur mit einem großen Lächeln und einer souveränen Haltung kann ich die Leute täuschen. Ich versuche, sie und mich davon zu überzeugen, dass diese Lücke niemandem auffällt. Und dass sie nicht den größten Teil des Herzens meines Vaters ausmacht. Plötzlich kostet mich das falsche Lächeln viel mehr Kraft als sonst. Ich beherrsche es aus dem Effeff und habe es perfektioniert. Es ist eine Fassade aus Freundlichkeit mit einer großen Portion Zuversicht. Nein, mir geht es nie schlecht. Ich bin immer positiv gestimmt, und ganz sicher bin ich niemals undankbar.

Mein Vater wiegt Ally Price im Takt der Musik, lächelt und täuscht die Menschen im Raum ebenso wie ich. Ob er weiß, dass ich es durchschaue?

Mein Lächeln bleibt unverändert, nur meine Augen könnten dem aufmerksamen Beobachter verraten, wie ich mich wirklich fühle. Wie verletzt ich bin – und wie traurig. Inzwischen tanzen fast alle. Nur die alte Dame mit dem Rollator und das kleine, vierjährige Mädchen, das auf dem Stuhl in der Ecke schläft, haben ebenfalls keinen Tanzpartner abgekriegt. Das ist nicht weiter schlimm. Davon geht die Welt nicht unter. Das ist nur ein Tanz. Nur ein weiterer Tanz …

Eine Hand greift unerwartet nach meiner, und ich zucke erschrocken zusammen. Ein junger Mann taucht neben mir auf, und seine braunen Augen treffen mich ebenso unerwartet wie seine Berührung. Sein Lächeln ist charmant und unaufdringlich, fast verschwörerisch. Als würden wir uns bereits aus einem anderen Leben kennen, so blind vertraue ich ihm, als seine Augen mich zum Tanz auffordern und er mich auf die Fläche führt – was ich zulasse, gänzlich ohne Gegenwehr. Wie in Trance nehme ich seine Berührung wahr, die mich in eine andere Zeit entführt und ein Feuerwerk in meiner Magengegend entzündet. Er ist fast zwei Köpfe größer als ich und trägt einen schwarzen Smoking wie beinah alle Männer hier heute Abend. Fast hätte ich ihn nicht wiedererkannt.

Patrick Steel!

Mit einer eleganten Bewegung, die ich als ungeheuer sexy wahrnehme, dreht er mich in seine Arme, und mein Herz passt sich dem Rhythmus des Songs an. Seine Hand legt sich auf meinen Rücken, knapp über meinen Po, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Durch den dünnen Stoff meines dunkelblauen Kleides spüre ich die Wärme seiner Berührung. Das löst ein unerwartetes Kribbeln in mir aus. Es fühlt sich an wie blitzende und springende Protonen auf meiner Haut, als er mich sanft näher an sich heranzieht – so nah, wie es der Tanz verlangt. Bilder unseres ersten Treffens am Pier heute Mittag schießen durch meine Erinnerung. Meine Brust berührt seine, und ich starre auf die Fliege, die perfekt um seinen Hals gebunden ist. Mein Blick gleitet über seinen Hals, sein unrasiertes, markantes Kinn und weiter nach oben zu seinen vollen Lippen, die zu einem charmanten Lächeln geformt sind. Ich kann nur hoffen, dass er das Zittern meines Körpers nicht spürt, was aber bei der Nähe, die zwischen uns entsteht, schwer zu vermeiden sein wird. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen, die Musik verschwimmt mit den anderen Hintergrundgeräuschen, während ich mich in seinen Armen sicher und gut aufgehoben fühle. Die Sicherheit, die er ausstrahlt, lässt meine Knie kurz weich werden, nur um ihnen im nächsten Moment sofort wieder Halt zu geben.

Fast schwerelos bewegen wir uns zur Musik, die uns einhüllt, verschluckt und uns diesen flüchtigen, wunderschönen Moment schenkt. Auch wenn mein letzter Tanzkurs schon eine kleine Weile zurückliegt, treffe ich die Schritte so sicher, als hätte ich nie etwas anderes getan. Patrick, der mich mit einer vertrauten Selbstverständlichkeit in seinen Armen hält, weiß zu genau, was er tut. Seine Schritte erfolgen so beiläufig, als wären sie nicht in endlosen Stunden antrainiert, sondern ein dringendes Verlangen. Als müsse er diesem Begehren nachgeben und sich bewegen. Ich spüre seinen Körper so verdammt nah an meinem … so nah, wie ich seit Carl keinen Mann mehr gespürt habe. Aber selbst bei ihm hat es sich nicht so gut angefühlt wie jetzt. Während wir tanzen, sagt er kein Wort, lächelt mich nur an. Ich kann spüren, wie leicht es ihm fällt, mich zu führen. Mit meiner Hand, die auf seinem breiten Rücken liegt, spüre ich bei jeder Drehung, wie sich seine Muskeln anspannen. Diese Feststellung löst eine Lawine an Gedanken und Bildern aus, die durch mein Gehirn tanzen. Wenn er sich hier schon so leicht bewegt, dann will ich mir seinen Körper in anderen Situationen gar nicht ausmalen. Doch, das will ich! Das überrascht mich. Denn seit dem Ende mit Carl hatte ich mir eigentlich eine Pause verschrieben. Patrick ist doch fast ein Fremder, der aber tanzend mit jeder verstreichenden Sekunde ein größeres Lächeln in mir hervorruft. So verzaubert er mich zum Takt der Musik. Umso schockierter bin ich, als nicht nur meine Gedanken – die sich um ihn, einen abgelegenen Strand und mich drehen – mit einem Mal zum Stillstand kommen, sondern auch die Musik. Wir hören auf, uns zu bewegen, und stehen diesen Bruchteil einer Sekunde zu lang eng beieinander. Er lässt mich noch nicht los, als würde er auf das nächste Lied warten. Aber es kommt nicht. Er lächelt noch einmal und beugt sich dann ein wenig weiter zu mir herunter. Seine Lippen streifen meine Wange, und ich schließe sofort die Augen.

»Danke für den Tanz, Miss Main.«

Wenn ich die Augen jetzt wieder öffne, wird er dann verschwunden sein? Ist das nichts weiter als ein Traum, weil ich es mir den ganzen Tag so sehr gewünscht habe? Zugeben würde ich es nicht, aber er ist mir seit der Begegnung am Pier nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Seine Augen, das schräge Lächeln und die Art und Weise, wie er auf Kevin reagiert hat. Ich würde lügen, wenn ich sage, es hat mich kaltgelassen. Dabei war es nur eine Momentaufnahme. Ein Gespräch. Eine Berührung. So wie jetzt.

Als ich die Augen wieder öffne, ist er tatsächlich noch immer da.

»Ich habe zu danken, Mr. Steel.«

Kann sich der eigene Herzschlag dem eines anderen Herzens anpassen? Patrick hält meine Hand noch immer in seiner, und ich spüre die rauhen Stellen auf seiner Handfläche. Ich kenne mich zu gut mit Segelbooten aus und muss nicht raten, woher er sie hat. Unbewusst streiche ich mit meinen Fingern über diese Schwielen, dabei wirkt sein Lächeln fast etwas verlegen. Er weicht meinem Blick aus und lässt meine Hand los.

»Jen, Darling, da bist du ja …«

Mein Dad taucht ohne Begleitung neben uns auf und wirft Patrick einen prüfenden Blick zu.

»Ich habe doch noch einen Tanzpartner bekommen.«

Mein Lächeln ist ehrlich gemeint, doch etwas an Patricks Körperhaltung hat sich verändert. Er wirkt abweisend und vergräbt die Hände in den Hosentaschen. Mein Dad nickt lächelnd.

»Das freut mich.«

Er reicht Patrick die Hand. Da ist er wieder, mein Dad, der mit jeder Situation umgehen kann. Der immer weiß, was sich gehört und angebracht ist.

»James Main.«

Patrick sieht ihn fast unsicher an, dann wirft er mir einen kurzen Blick zu, bevor er die Hand meines Vaters ergreift.

»Patrick Steel.«

Seine Stimme klingt nicht mehr ganz so gefasst, wie ich es erwartet hatte. Verunsichert ihn mein Vater etwa so sehr?

»Warum setzen Sie sich nicht zu uns, Mr. Steel? Erzählen Sie doch ein bisschen über sich.«

Tatsächlich, mein Vater hat keine Ahnung, wer der Mann im Anzug ist. Habe ich ihn etwa überschätzt? Ich dachte, er würde sich an jeden seiner Angestellten erinnern, Patrick eingeschlossen. Nun wirkt er gerade so, als hätte er Patrick zum ersten Mal gesehen. Okay, der Anzug verändert sein Auftreten enorm. Wenn ich an das enge Shirt heute Mittag am Pier denke … wie es sich über seine Muskeln gespannt hat … wie die Jeans seinen knackigen Hintern betont hat …

»Das würde ich sehr gern, aber ich … habe …«

Er sucht nach Worten, die seiner Ausrede ein gutes Gerüst geben.

»Andere Verpflichtungen. Ich verstehe. Schade. Vielleicht können Sie ja morgen mit uns zu Mittag essen.«

»Dad … du überrollst ihn ja.«

Ich springe Patrick zur Seite und bemerke, wie dankbar er für diese Hilfe ist, auch wenn er nichts sagt. Das muss er nicht, seine Augen verraten ihn.

»Oh! Natürlich. Das wollte ich nicht. Verzeihen Sie. Es würde mich freuen, Sie bald mal etwas näher kennenzulernen.«

Dann dreht er sich zu mir, küsst mich auf die Wange und lächelt.

»Ich wünsche euch heute Abend noch viel Spaß.«

Er zwinkert mir zu und entdeckt dann einen anderen Gast im Raum, den er unbedingt begrüßen muss. Er hat das alles gänzlich falsch verstanden. Patrick und ich haben kein Date. Wir kennen uns kaum, und ich glaube nicht, dass ich in seine Abendplanung passe. Was ich unheimlich schade finde.

»Tut mir leid, manchmal …«

Tja, manchmal ist mein Vater so. Patrick zuckt die Schultern und sieht sich suchend um. Hat er vielleicht ein echtes Date? Mit einer bildhübschen Frau, die ich nur noch nicht wahrgenommen habe?

»Wo steckt denn Kevin?«

»Keine Ahnung.«

»Ist er denn mit Ihnen da?«

Sein Blick trifft mich wieder, aber da ist kein Lächeln, keine Wärme mehr.

»Nein.«

Er nickt, mustert mich unverhohlen so wie am Boot. Es ist ihm egal, dass ich sehen kann, wie sein Blick über meine Brüste bis zu meinen Beinen wandert. Es sollte mir egal sein. Ich sollte ihn dafür zurechtweisen. Das würde ich auch. Unter normalen Umständen. Doch jetzt schwirrt mir nur die Frage durch den Kopf, ob ihm auch gefällt, was er sieht? Ich bin nicht besonders groß, meine Beine wirken nicht ewig lang, auch wenn das Kleid alles tut, um diesen Anschein zu erwecken. Sicherlich sieht er am Strand Tag für Tag heißere Frauen als mich. Doch als sein Blick erneut nach oben zu meinem Gesicht wandert, ist das Lächeln wieder da, wenn auch nur kurz.

»Ich will dir deinen Abend nicht durcheinanderbringen …«

Er spricht den Satz nicht zu Ende, erlöst mich nicht. Ich hoffe, dass er weiterredet und mir noch ermöglicht, etwas Zeit mit ihm zu verbringen. Stattdessen steht er nur da, sieht mich an und lässt mich zappeln. Wenn das ein Spiel wird, kenne ich die Regeln nicht. Das hält mich aber nicht davon ab, mein Glück zu versuchen. Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn, eine Augenbraue hochgezogen, an.

»Ich halte dich nicht vom Gehen ab.«

Kurz zucken seine Mundwinkel, dann macht er einen kleinen Schritt auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Erneut bemerke ich, wie groß er ist. Größer als Kevin, so viel steht fest. Mein Herz hämmert gegen meine Rippen, und mein Mund ist wie ausgetrocknet. Seine Nähe bringt mich komplett aus dem Konzept.

»Doch. Doch, das tust du.«

Ich will fragen, was er damit meint – aber er legt einfach seinen Arm um mich und zieht mich an sich. Erst jetzt nehme auch ich die einsetzende Musik wieder wahr. Er dreht sich mit mir zurück in die Mitte der Tanzfläche, und ich lege meine Hand auf seine Schulter, so wie eben, überlasse ihm die Führung und hoffe, dass dieser Tanz länger als der letzte dauert. Schnell befeuchte ich meine Lippen und sehe wieder zu ihm auf.

»Ist das hier Teil deines Jobs?«

»Heute Abend schon.«

Wir flüstern laut, um die Musik zu übertönen.

»So angenehm hatte ich mir den Abend allerdings nicht vorgestellt.«

Damit zieht er mich noch näher an sich, und mit einem Mal sind nur noch seine Lippen von Bedeutung. Patrick Steel verführt mich auf dieser Tanzfläche – und weiß es vermutlich noch nicht einmal. Ich spüre, wie mein Körper auf ihn reagiert. Auf seine Nähe, seine Berührung und seine Stimme, die provozierend sexy klingt.

»Es freut mich, dass ich dazu beitrage, dir einen schönen Abend zu bescheren.«

Ich spreche zu schnell und versuche, dabei meine Atmung unter Kontrolle zu halten. So etwas kenne ich nicht. So etwas ist mir noch nie passiert.

»Hätte ich gewusst, dass ein schicker Anzug so gut funktioniert, ich hätte mir einen gekauft.«

Kurz trennt uns eine Drehung, die so leicht ist, dass ich zu schweben glaube. Kaum bin ich wieder in seinen Armen, dreht sich der Raum um mich weiter. Zu gern würde ich ihm sagen, dass es nicht am Anzug, sondern an ihm liegt. Aber dazu komme ich nicht.

»Entschuldige, aber ich glaube, der Tanz gehört mir.«

Kevins Stimme durchbricht den Moment abrupt wie eine Abrissbirne und schleudert mich sofort zurück in die Realität. Schlimmer noch ist es, als seine Hand sich zwischen Patricks und meine schiebt und uns ruckartig trennt. Patricks Kiefer spannt sich an, seine Augen verdunkeln sich sofort. Mit einer schnellen Bewegung stößt er Kevin von uns weg, so dass dieser einige Schritte nach hinten stolpert. Ich bin überrascht von Patricks Reaktion und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

»Fass mich nicht an!«

Er zischt es Kevin zu, der abwehrend die Hände hebt und zu einem fiesen Lächeln ansetzt.

»Kein Grund, sich danebenzubenehmen, Steel.«

Einige der Gäste drehen sich zu uns um. Patrick sieht zwischen den Gesichtern hin und her, dann blickt er wieder zu mir, und ich bin noch immer nicht in der Lage, etwas zu sagen. Eines weiß ich sicher: Ich will, dass er bleibt! Er kämpft mit sich, und ich hoffe, er deutet meinen Blick richtig. Ich will nicht, dass er geht. Meine Reaktion überrascht mich selber, allerdings bleibe ich trotzdem stumm. Verdammt! Alte Muster sind so schwer abzulegen.

»Ich hau ab.«

Kevins triumphierendes Lächeln schiebt sich in mein Blickfeld, als Patrick sich umdreht und sich bereits im Gehen die Fliege vom Kragen reißt. Ich will ihn aufhalten, etwas sagen, mich gegen diese Fremdbestimmung wehren …

»Sorry, dass es so lang gedauert hat, dich von diesem Idioten zu befreien.«

Kevin nickt in Patricks Richtung und grinst selbstzufrieden. Ich schüttle den Kopf und spüre die Wut, die in mir hochkocht.

»Er ist kein Idiot.«

Dennoch ist meine Stimme zu leise, um dem Gesagten den nötigen Ausdruck zu verleihen. Ich will Kevin anschreien, ihm sagen, dass er