Mama darf nicht sterben - Maria Hertting - E-Book

Mama darf nicht sterben E-Book

Maria Hertting

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Beschreibung

Zufällig lernen sich Vanessa und Kai auf dem Supermarkt-Parkplatz kennen. Danach geht die junge Frau Single Kai nicht mehr aus dem Sinn. Aber das scheint aussichtslos zu sein, weiß er doch nichts über die bezaubernde junge Frau, die er nie zuvor gesehen hat. Doch ein zweiter Zufall führt die beiden wieder zusammen – und dann wird es Liebe. Abe mit der Liebe kommen auch die Probleme. Vanessa, alleinerziehende Mutter von Zwillingen hat große Probleme, sich erneut zu binden. Und auch Junggeselle Kai bekommt Panik, ob er das mit gleich einer ganzen Familie in seiner engen Wohnung packen wird. Aber als er seine Zweifel überwindet, drängt er aud eine Hochzeit. Es kommt zum Streit, in dessen Folge Vanessa kopflos durch die Straßen der Stadt läuft. Es kommt zu einem schrecklichen Unfall, der ihrer aller Leben verändert. Wird die Liebe noch eine Chance haben?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Mama darf nicht sterben

Maria Hertting

Impressum

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Annemarie Werner

Covergestaltung: Peter Altvater

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig

So spät schon, dachte Vanessa, während sie ihr Auto vor dem Supermarkt parkte. Im Geiste ging sie die Einkaufsliste durch. Sie brauchte Milch, Eier, Brot, etwas Wurst und Fleisch. Ach ja, Obst und Gemüse fehlten auch. Ganz in Gedanken suchte sie den Chip für den Einkaufswagen. Gewöhnlich bewahrte sie ihn in der Jackentasche auf. Dort aber fand sie ihn nicht. Ungeduldig wühlte sie in ihrem Portemonnaie nach Kleingeld. Nicht mal einen Euro oder fünfzig Cent fand sie.

Eine wohlklingende Männerstimme hinter ihr sagte: „Das Gleiche ist mir auch schon passiert. Ich bewahre meinen auch in der Jackentasche auf. Dort ist er leicht zu finden. Zieht man aber etwas anderes an, wird er vergessen. Manchmal landet er sogar mit der Jacke in der Waschmaschine. Deshalb habe ich immer einen Reserve-Chip in meinem Portemonnaie.“ Der Mann wühlte in seiner Geldbörse. „Kann ich helfen?“, fügte er hinzu.

Vanessa hielt einen Augenblick inne und wandte sich um. Zwei Augen, die den Himmel an einem Sommertag gestohlen hatten, blickten sie an. Ganz gefesselt war sie von diesem Blau. Man hätte meinen können, die Sonne müsse erblassen vor Neid, so strahlten sie - ein wunderschönes Azurblau. Der Fremde streckte ihr seine Hand mit dem Ersatzchip entgegen: „Hier, nehmen Sie den.“

„Sie gehen wohl auf Nummer sicher? Ich denke nicht nur mit Ihren Einkaufschips.“ konterte sie. „Ein Glück für mich. Sie sind mein Retter.“

Vanessa rang sich ein Lächeln ab. Es sollte ihm glaubhaft machen, dass sie über die Hilfe erleichtert war. Gleichzeitig spielte sie ihm damit die Überlegene vor. Er lachte ebenfalls und zeigte seine makellos weißen Zähne.

Wie Perlen auf einer Schnur bewunderte Vanessa das Gebiss des Fremden.

Er korrigierte: „Ich habe zwar einen Chip in Reserve. Deshalb bin ich nicht zwangsläufig ein Spießer. Im Gegenteil, ich bin eher der spontane Typ.“

„Ach ja, dann zeigen Sie mal, wie spontan Sie sind. Der Chip ist jetzt in meinem Besitz. Haben Sie eine Idee, wie Sie ihn wiederbekommen?“

Schadenfreude blitzte in Vanessas Augen auf. Sie meinte, ihn sprachlos gemacht zu haben. Doch sogleich wurde sie unsicher. Sein Lächeln machte sie nervös.

„Haben Sie vergessen: Ich bin ein Sammler. Den können Sie behalten. Zu Hause habe ich noch mehr von der Sorte.“ Er stutzte und verbesserte sich: „Sie haben recht. Was man hat, hat man. Wenn Sie mögen, gebe ich Ihnen meine Adresse. Dann können Sie mir den Chip persönlich vorbeibringen.“

„Netter Versuch!“, entgegnete Vanessa schnippisch.

Wieder lächelte er charmant und fügte beschwichtigend hinzu: „Vergessen Sie das. Es war sowieso nicht ernst gemeint.“

„Jetzt sind Sie mir zu spontan“, konnte Vanessa nur stammeln. „Ich werde ihn behalten, diesen Chip, als Andenken. Bei der Menge, die Sie besitzen, merken Sie das kaum.“ Das hatte gesessen.

Gepunktet, 2:1, freute sich Vanessa insgeheim. Sie drehte ihm den Rücken zu und schob den Wagen zum Eingang. Er durfte ihre Bewunderung auf keinen Fall bemerken. Im Gehen hörte sie, dass der Fremde den nächsten Einkaufswagen von der Kette löste. Irgendetwas an diesem Mann faszinierte sie. Sie ertappte sich bei einem Gedanken, den sie sofort verdrängte. Eigentlich wäre es nett, ihn näher kennenzulernen.

Der Supermarkt war gut besucht. Kein Wunder, mittlerweile war es kurz nach 17 Uhr. Viele Menschen erledigten ihre Einkäufe nach der Arbeit. Im Gewühl der Menge verlor sie den Fremden aus den Augen. Fast bedauerte sie das. Doch bald war sie wieder ganz mit ihrem Einkauf beschäftigt. Ihr Wagen hatte sich schon beträchtlich gefüllt. Da sah sie ganz oben im Regal eine Dose Mais stehen. Die musste sie unbedingt haben. Vergeblich bemühte sie sich, diese aus dem Regal zu angeln. Nicht sehr kundenfreundlich, dachte sie. Für Menschen unter 1,70 m hätte man eine Leiter bereitstellen müssen. Plötzlich spürte, nein, roch sie seine Gegenwart. Er stand direkt hinter ihr.

„Es scheint, als soll ich heute ein zweites Mal Ihr Retter sein.“ Mühelos zog er die Konserve heraus und reichte sie ihr.

Da erst bemerkte Vanessa, dass er fast einen Kopf größer war als sie.

„Was würde ich nur ohne Sie tun? Ich wäre verloren“, neckte sie. Anschließend ging sie weiter, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.

„Das haben jetzt aber Sie gesagt!“, rief er ihr hinterher.

Ihr Einkauf war fast beendet. Langsam schlenderte sie Richtung Kasse. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er ihr folgte. In der Schlange stand er plötzlich hinter ihr. Wieder roch sie die Mischung aus Tabak, Vanille und Ingwer. Sein Geruch erinnerte sie an ihre Kindheit. So hatte der Vater gerochen, er hatte Ruhe ausgestrahlt, bei der sie sich geborgen fühlte. Die Erinnerung tat gut.

Vanessa beeilte sich, zum Auto zu kommen. Die Sachen waren verstaut. Sie wollte einsteigen. Da sah sie den Fremden laut rufend und winkend auf sich zu laufen. Der ist aber hartnäckig, dachte sie.

Sein Atem ging schnell, als er ihren Wagen erreichte. Stockend bemerkte er: „Warten Sie einen Moment. Sie haben den Mais vergessen.“ Er zog einen Flunsch und fügte hinzu: „Wo ich mir solche Mühe gegeben habe, diese besondere Dose aus dem Regal zu angeln.“ Es sollte beleidigt klingen.

Vanessa spürte das Blut in ihre Wangen steigen. Das ärgerte sie. Schnell entgegnete sie: „Ich sag’s ja! Auf Sie kann ich nicht verzichten.“

„Ich nehme Sie beim Wort. Sie sind mir was schuldig, einen Kaffee“, bettelte er mit Hundeaugen.

Was war das jetzt? Mehr fällt ihm nicht ein, dachte Vanessa. Laut und etwas keck sagte sie: „Gar nichts bin ich Ihnen schuldig.“ Wütende Blitze schlugen aus ihren Augen.

„Stimmt! Aber …“ Sein Blick wurde noch flehender.

Etwas milder fuhr sie fort: „Ich möchte nur verhindern, dass Sie sich falsche Hoffnungen machen. Zu einer Tasse Kaffee sage ich aber nicht nein. Sie haben mir schließlich dreimal geholfen.“

Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit. „Also gleich in dem kleinen Café am Ausgang des Supermarktes?“

„Aber ich zahle!“, gab sie energisch zum Besten.“

„Ich widerspreche nicht. Stattdessen gehe ich schnell zum Auto und lade meine Sachen ein“, wieder lächelte er so, als hätte er sie schon in seinem Besitz. „Wir treffen uns vor dem Café? Nicht weglaufen!“ Mahnend hob er den rechten Zeigefinger. Dann machte er sich auf den Weg.

„Wo denken Sie hin?“, rief sie ihm nach. Ich halte immer mein Wort.“

Zur Bestätigung, dass er sie gehört hatte, hob er den rechten Arm, dann war er verschwunden.

Wenig später saßen beide am Tisch und genossen einen Cappuccino.

Der Fremde eröffnete das Gespräch. „Danke für die Einladung. Mein Name ist Kai Wegner“, begann er, „Wie darf ich sie nennen?“

Vanessa nippte an ihrer Tasse. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Einerseits wollte sie diesen Menschen kennenlernen, andererseits wieder nicht.

Was, wenn du wieder enttäuscht wirst. Könntest du das verkraften? Fragte die zögernde Stimme in ihr, die schon viel Schlimmes erlebt hatte.

Er ist nicht nur attraktiv, sondern auch hilfsbereit und mitfühlend, ließ die selbstbewusste Stimme in ihr verlauten.

Er spürte den Kampf in ihr drinnen. Um es ihr leichter zu machen, sagte er: „Sie sind die erste Frau, die ich im Supermarkt angesprochen habe. Das können Sie mir glauben.“

Sein Geständnis blieb nicht ohne Wirkung. Es brachte die zögernde Stimme in ihr zum Schweigen, wenigstens für eine Weile.

Während sie die Tasse abstellte, sagte sie: „Mein Name ist Vanessa Prince.“

Sie tauschten noch die eine und andere Höflichkeit aus. Das Gespräch im Ganzen blieb aber an der Oberfläche. Das lag an Vanessa. Er bemerkte, dass sie nicht zu viel von sich preisgeben wollte. Manchmal war sie nicht bei der Sache. Ständig schaute sie auf die Uhr.

Schließlich meinte sie: „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Ich muss mich aber jetzt verabschieden. Ich werde erwartet. Man sieht sich vielleicht wieder.“

„Schade!“, kam es bedauernd von ihrem Gegenüber. „Besteht Hoffnung, dass wir unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen können?“ Wieder dieser flehende Blick, der sie entwaffnen sollte.

Wie er mich anschaut, so bettelnd, fiel Vanessa auf. Sie wollte sich jedoch nicht erweichen lassen: „Überlassen wir es dem Zufall. Wenn er es gut meint, begegnen wir uns wieder. Vielleicht ein zweites Mal beim Einkaufen. Man sieht sich bekanntlich immer zweimal.“

Nach dieser Aussage stand sie auf. Höflich verabschiedete sie sich und verschwand aus seinem Blickfeld. Und wohl auch aus seinem Leben, wie er dachte.

*

So schön dieses Treffen gewesen war, hatte es doch Vanessas gesamte Planung durcheinandergebracht. Der Alltag hatte sie wieder fest im Griff. Sie musste schleunigst nach Hause. Ihre Mutter hütete die Kinder und wollte vor dem Dunkelwerden zu Hause sein.

„Mama, endlich bist du da! Ich dachte, du kommst nicht mehr!“, rief Caroline freudig. Sie kam aus der Küche gelaufen und hüpfte im Flur vor Freude auf und ab.

Vanessa schloss die Kleine in die Arme. „Du Schaf! Ich bin doch da. Heute hat es im Supermarkt nur etwas länger gedauert“, flunkerte sie.

Caroline war fünf und für ihr Alter recht weit. Max war im Frühjahr sieben geworden. In diesem Jahr besuchte er die zweite Klasse der Grundschule. Im Gegensatz zu Caroline war er der Träumer. Sicher saß er auf dem Teppich und schob seine kleinen Autos hin und her. Meist vergaß er dann alles. Er hatte seine Mutter wohl gar nicht vermisst. Ein Glück, dass Vanessa die Kinder hatte. Seit fünf Jahren meisterte sie die Erziehung allein. Es war nicht immer leicht gewesen. Zum Glück unterstützte sie ihre Mutter. Wer weiß, wie es sonst gelaufen wäre.

„Mama, wo bist du?“, rief Vanessa. Sie ahnte aber, wo ihre Mutter sich aufhielt - in der Küche. Sie musste nur der Geruchsfahne folgen. Die Mutter hatte etwas Leckeres vorbereitet.

„Hier! Ich bin hier!“ rief eine weiche Frauenstimme vom Herd her.

Vanessa umarmte die Mutter und gab ihr einen Kuss auf den Hals. „Natürlich! Das konnte ich mir denken. Wieder bei der Arbeit.“

„Setz dich, ich habe Kartoffelpuffer gemacht. Das geht schnell, und die Kinder mögen es.“

„Waren sie brav?“, wollte Vanessa wissen.

Die Mutter bejahte: „Nicht nur brav, sondern vorbildlich. Du hast sie gut erzogen. Zuerst holte ich Caroline von der Kita ab. Dann bin ich hinüber zum Hort. Max stand schon angezogen an der Tür und wartete auf mich.“

Die Mutter machte eine Geste mit der Hand: „Setz dich.“

„Zuvor will ich Max begrüßen“, meinte Vanessa, „danach können wir alle zusammen essen. Ich habe einen Mordshunger mitgebracht.“

Leise öffnete sie die Tür zum Kinderzimmer, das sich beide Kinder teilten. Max saß in Gedanken verloren auf dem Fußboden und spielte.

„Bröm, brö, iiieh“, hörte sie ihn rufen, dann das Geräusch eines Zusammenpralls.

Oje! Zwei Autos waren zusammengestoßen. Vorsichtig versuchte Max, den Schaden zu beheben. Seine Mutter hatte er bis jetzt nicht bemerkt.

„Du musst einen Abschlepper holen“, riet diese. Sie langte in die Auto-Kiste und holte ein Fahrzeug mit einem beweglichen Kran heraus. „Hier! Das kaputte Auto muss in die Werkstatt.“

Max sprang auf und flog in ihre Arme: „Mama, Mama! Du bist wieder da!“

Er wollte sie gar nicht loslassen. Immer wieder küsste und drückte er sie.

„Die Oma hat Kartoffelpuffer gemacht“, unterbrach Vanessa ihn. „Lass uns in die Küche gehen.“

*

Kai parkte seinen Mercedes in der Garage. Seine Laune war nicht die beste. Er hatte dieses große Haus, das er seit seiner Scheidung allein bewohnte, so satt. In der Küche fand er einen Zettel seiner Haushälterin.

Sie schrieb: „Ich musste heute früher gehen. Ihr Essen steht im Kühlschrank. Sie können es in der Mikrowelle aufwärmen.“

Jeden Tag das Gleiche. Ihm verging der Appetit. An der Bar genehmigte er sich stattdessen einen Whiskey. Danach duschte er den Ärger des heutigen Tages ab. Ein wenig fühlte er sich besser.

Diese Frau aus dem Supermarkt ging ihm nicht aus dem Kopf. Sein Blick verlor sich in der Erinnerung an ihre rehbraunen Augen. Es schien ihm, als wollte ihr voller roter Mund ihn zu einem Kuss auffordern. Im Geiste sah er ihr dunkelbraunes Haar, das in Wellen bis auf ihre Schultern fiel. Er überlegte, warum er sie nicht vergessen konnte. Er hatte schon viele Frauen gehabt. Keine aber hatte solchen Eindruck bei ihm hinterlassen wie die heutige flüchtige Begegnung. Was hatte ihn an dieser Frau so bezaubert? Waren es ihre femininen Züge? Oder ihr entwaffnendes, natürliches Lächeln? Hatte ihn ihre Schlagfertigkeit umgeworfen? Er wusste es nicht. Schluss jetzt mit diesen wilden Fantasien gebot er sich. Du hast es vermasselt, Alter.

Er genehmigte sich noch einen Whiskey. Leider würde es wohl nichts werden mit einem Näherkennenlernen. Wie sollte diese Frau verstehen, dass er ein ernsthaftes Interesse an ihr hatte? Musste sie nicht annehmen, dass er auf der Suche nach einem Abenteuer war? Im Supermarkt geknüpfte Kontakte konnten nichts anderes erwarten lassen. Es musste so aussehen, als wäre er nur auf der Lauer nach einem Abenteuer gewesen.

Aus! Aus, bevor es überhaupt begonnen hatte, dachte er.

Das Telefon klingelte. Im Moment hatte er keine Lust auf ein Gespräch. Der AB schaltete sich ein: „Hier ist der Anschluss von Dr. Kai Wegner. Ich bin zurzeit nicht in der Nähe des Apparates. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht auf dem AB.“

Eine Frauenstimme meldete sich: „Hallo Kai, denkst du bitte dran, dass wir am Freitag verabredet sind? Ich habe Karten für ‚die Zauberflöte‘ besorgt. Bis dann, Marita.“

Gelangweilt ließ Kai sich auf die Couch fallen. Aufrichtig bereute er, dass er seiner Kollegin das Versprechen gegeben hatte, mit ihr in die Oper zu gehen.

Der Whiskey machte ihn müde. Da er morgen einen schweren Tag vor sich hatte, ging er früh zu Bett.

*

Max und Caroline schliefen. Die Mutter war nach Hause gefahren. Vanessa dachte an den Mann aus dem Supermarkt. Groß und stattlich war er gewesen. Geschmack hatte er auch gehabt. Und Empathie hatte er ebenfalls bewiesen. Die Mutter hätte ihr sicher geraten: „Lass dir diesen Schatz nicht entgehen.“ Offensichtlich hatte dieser Mann Interesse an ihr gehabt. Vanessa kämpfte mit sich. Warum nur hatte sie ihn abblitzen lassen? In ihr drinnen kämpften zwei Stimmen.

Die wachsame, fürsorgliche, aber skeptische Stimme, die schon viel Übles erlebt hatte, riet ihr: "Das hast du gut gemacht. Lass dich nicht noch einmal von einem Mann einwickeln, auch wenn er noch so gut aussieht und überdurchschnittlich mitfühlend ist.

Die andere Stimme, die einem Abenteuer nicht abgeneigt war und bereit war, alles mitzunehmen, was sich ihr bot, flüsterte: Willst du ewig die Betrogene spielen? Ergreife selbst die Initiative. Ein Abenteuer ist das Beste, was dir passieren kann. Was ist schon dabei, ein bisschen Spaß und keine Verantwortung.

Vanessa wollte die beiden Stimmen zum Schweigen bringen. Es ist sowieso zu spät, ich hätte ihm meine Telefonnummer geben sollen, dachte sie. Sie musste sich ablenken. Das gelang ihr glücklicherweise sehr gut. Es wartete eine Menge Arbeit auf sie. Zuerst räumte sie die Reste vom Abendbrot in den Kühlschrank. Das schmutzige Geschirr passte nicht mehr in die Spülmaschine. Also stellte sie es auf die Ablage. Gleich morgen früh wollte sie den Abwasch erledigen. Jetzt war sie zu müde. Heute ging nichts mehr, außer ihrer Lieblings-Soap. Schon während des Vorspanns gähnte sie. Als die Schlussmusik einsetzte, schreckte sie hoch. Die Hälfte der Soap hatte sie verschlafen. Das war ihr noch nie passiert. Oh Gott, dachte sie. Hoffentlich ist nicht jeder Tag so anstrengend. Sie schaltete den Fernseher aus und begab sich zu Bett. Nicht lange danach war sie eingeschlafen.

Um 6 Uhr früh weckte sie das Handy zum Morgenappell mit einem Trompetensolo. Vanessa schreckte hoch. Das brauchte sie - nicht einmal oder zweimal umdrehen, wieder und wieder geweckt werden. Wenn sie nicht sofort aufstand, schaffte sie es nicht. Schnell duschen, Frühstück vorbereiten, Kinder wecken und Pausenbrote schmieren. Sie selbst bekam morgens kaum einen Bissen herunter. Aber zwei Tassen Kaffee mussten sein. Den Fremden aus dem Supermarkt hatte sie aus ihren Gedanken verdrängt. Eben hatte sie die Kinder in Schule und Kita abgesetzt. Da erhielt sie im Auto einen Anruf der Pharmazentrale. Vanessa schaltete auf laut.

„Frau Prince“, hörte sie Ihren Direktor sagen, „wir müssen umdisponieren. Sagen Sie alle Arzttermine für nächste Woche Mittwoch ab. Stattdessen haben Sie eine Präsentation im St. Joseph Krankenhaus. Sorry! Es war mir nur möglich, diesen einen Termin zu buchen. Ihre Arztbesuche müssen Sie anders koordinieren. Macht das Probleme?“

Vanessa verneinte: „Das ist machbar. Eine Woche reicht für meine Vorbereitung. Geht es um unser neu zugelassenes Präparat für die Migräneprophylaxe?“

„Ja, genau! Gehen Sie noch einmal Vorteile, Risiken, Wechselwirkungen, Anwendung und Dosierung durch. Bereiten Sie sich auf einen ausführlichen Austausch mit dem Neurologen der Klinik vor.“