Mami 1734 – Familienroman - Eva Maria Horn - E-Book

Mami 1734 – Familienroman E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese einzigartige Romanreihe ist der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Liselotte Betram war froh, den Aufenthaltsraum für sich allein zu haben. Sie ließ sich auf die Bank fallen, drückte den Rücken gegen die Wand und warf die Hände vor ihr tränenüberströmtes Gesicht. Sie konnte überhaupt nicht mehr aufhören zu weinen. "Was ist denn mit dir los?" Liselotte zuckte bei der Stimme zusammen, ließ ihre Hände sinken und starrte auf den Mann, den sie am allerwenigsten zu sehen wünschte. "Ich dachte, ich wäre allein", stammelte sie. "Ich hab' dich gar nicht gesehen, euch nicht gesehen", verbesserte sie sich, als sie Rose Lohmann neben Harro entdeckte "Hat dich die ›Kaiserin‹ fertig gemacht?" wollte er wissen und zauberte so etwas wie Mitgefühl in seine Stimme. Einen Moment erhaschte Liselotte einen Blick von Rose. Ganz deutlich spürte Liselotte die boshafte Freude der anderen. Liselotte und Rose Lohmann waren zwar Kolleginnen, aber Rose war von Neid wie zerfressen, sie war Liselottes schärfste Rivalin. Sie hatte ihr auch die Freundschaft mit Harro Kunz nicht gegönnt, der jetzt nahe neben ihr saß, den Arm um ihre Taille gelegt. Liselotte und Harro waren befreundet gewesen, von ihrer Seite war es nie mehr gewesen, aber dann war Harro zu Rose übergewechselt. Nicht etwa, wie Rose annahm, weil sie attraktiver und begehrenswerter als Liselotte war, Harro war geblendet von dem goldenen Hintergrund Roses. Roses Vater war ein reicher, einflußreicher Mann. Mit einem solchen Schwiegervater war seine Karriere gesichert, mit Geld erreichte man alles. "Was wollte die Terhove denn von dir?"

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 Papis Freundin wird vergrault

Roman von Eva Maria Horn

Liselotte Betram war froh, den Aufenthaltsraum für sich allein zu haben. Sie ließ sich auf die Bank fallen, drückte den Rücken gegen die Wand und warf die Hände vor ihr tränenüberströmtes Gesicht. Sie konnte überhaupt nicht mehr aufhören zu weinen.

»Was ist denn mit dir los?« Liselotte zuckte bei der Stimme zusammen, ließ ihre Hände sinken und starrte auf den Mann, den sie am allerwenigsten zu sehen wünschte.

»Ich dachte, ich wäre allein«, stammelte sie. »Ich hab’ dich gar nicht gesehen, euch nicht gesehen«, verbesserte sie sich, als sie Rose Lohmann neben Harro       entdeckte

»Hat dich die ›Kaiserin‹ fertig gemacht?« wollte er wissen und zauberte so etwas wie Mitgefühl in seine Stimme. Einen Moment erhaschte Liselotte einen Blick von Rose. Ganz deutlich spürte Liselotte die boshafte Freude der anderen. Liselotte und Rose Lohmann waren zwar Kolleginnen, aber Rose war von Neid wie zerfressen, sie war Liselottes schärfste Rivalin. Sie hatte ihr auch die Freundschaft mit Harro Kunz nicht gegönnt, der jetzt nahe neben ihr saß, den Arm um ihre Taille gelegt. Liselotte und Harro waren befreundet gewesen, von ihrer Seite war es nie mehr gewesen, aber dann war Harro zu Rose übergewechselt. Nicht etwa, wie Rose annahm, weil sie attraktiver und begehrenswerter als Liselotte war, Harro war geblendet von dem goldenen Hintergrund Roses. Roses Vater war ein reicher, einflußreicher Mann. Mit einem solchen Schwiegervater war seine Karriere gesichert, mit Geld erreichte man alles.

»Was wollte die Terhove denn von dir?« Rose hoffte inbrünstig, daß die Leiterin der staatlichen Ballettschule ihrer Lieblingsschülerin einen derben Nasenstüber verpaßt hatte. »Ich hab’ den Ballettmeister auch hineingehen sehen. Was hast du Musterschülerin denn nur verbrochen, daß du dir den Zorn deiner Gönner zugezogen hast?«

Liselotte hatte das Gefühl, sie müßte explodieren vor Glück, sie hatte ja nicht aus Kummer geweint! Es war so unbeschreiblich wunderbar, ein solch unerhofftes Glück, sie hatte einfach weinen müssen. Aber trotzdem überhörte sie nicht den boshaften Unterton in Roses Stimme.

Sie drehte ihr Gesicht Harro zu, noch hingen die Tränen wie Perlen an ihren langen Wimpern. Sie brauchte sie nicht tuschen wie Rose, sie waren von Natur aus lang und dicht und dunkel. Die Natur hatte es mit Liselotte überhaupt sehr gut gemeint.

»Ich kann es noch gar nicht glauben, Harro«, ihre Stimme zitterte. Sie mußte es einfach jemandem erzählen, sie platzte sonst. »Ich soll den Puck tanzen.« Ihre grünen Augen, die noch immer blank von Tränen waren, leuchteten. Sie war wunderschön, das stachelte Roses Wut noch mehr an. Ihr hatte es für einen Moment die Sprache verschlagen.

»Und darum heulst du?« Harro Kunz schüttelte verständnislos den Kopf. »Weißt du denn nicht, was diese Chance für ein Ballettmädchen bedeutet, für jemand, der noch nicht einmal ausgelernt hat?«

»Natürlich weiß ich das. Darum bin ich ja auch total durchgedreht vor Freude. Ich dachte, ich träume, als Frau Isolde es mir sagte.« Sie hätte gern noch hinzugefügt, daß der  Ballettmeister neben der »Kaiserin« gesessen  und ein Gesicht wie ein Weihnachtsmann gemacht hatte. »Nicht einmal im Traum habe ich an ein solches Glück gedacht.«

Sie wünschte sich so sehnsüchtig, daß Harro sich mit ihr freute, aber mit Rose an seiner Seite wagte er das wohl nicht. Ihr Gesicht war entstellt von Neid und Eifersucht. Die Lippen hielt sie fest zusammengepreßt, vielleicht aus Angst, daß sich der Neid in Worten entladen könnte.

»Da muß man gratulieren«, raffte sich Harro endlich zu einer Antwort auf. Auf keinen Fall wollte er es mit Liselotte verderben. Mit dieser Aufführung im großen Haus, die schon seit Wochen ausverkauft war, würde aus Liselotte Bertram, dem unbekannten Ballettmädchen, ein Star werden, davon war Harro überzeugt. So dumm konnte er doch gar nicht sein, um Liselotte nicht gebührend zu beglückwünschen. Wenn sie erst einmal die oberste Sprosse der Erfolgsleiter erreicht hatte, konnte sie allerhand für ihn tun.

Liselotte war nun einmal die Beste. Das müßte eigentlich auch Rose anerkennen. Sie konnte nicht nur tanzen, sie besaß auch den Charme, die Austrahlung, sie verkörperte im Tanz die Figur, die sie darstellte. Ja, sie war die geborene Tänzerin, voll Ausdruckskraft, voll Harmonie, einfach vollkommen. Er hätte diese Gedanken gern in Worte gefaßt. Aber das wagte er einfach nicht. Noch war Liselotte kein Star und er von Roses Gunst abhängig. Rose war nun einmal reich und hatte das Geld locker sitzen,er brauchte nicht einmal darum zu bitten. Sie drängte es ihm förmlich auf.

»Dann wirst du uns ja bald nicht mehr kennen«, spöttelte Rose, die endlich ihrer Stimme wieder trauen konnte.

»So ein Unsinn«, widersprach Liselotte energisch. »Ich weiß doch selbst, wieviel ich noch zu lernen habe. Die ›Kaiserin‹ wird schon dafür sorgen, daß ich auf dem Teppich bleibe.«

Plötzlich hatte Liselotte das Gefühl, in dem Zimmer ersticken zu müssen. Dabei war die Balettschule mehr ihr Zuhause, als die winzige Wohnung, die sie mit ihrer Freundin Hannelore teilte. Liselottes Welt war das Tanzen. Schon als Kind hatte sie gewußt, daß sie Tänzerin werden wollte. Der Weg bis hierher war schwer genug gewesen.

Daß die beiden ihre Freude nicht teilten, spürte sie, und sie war traurig darüber. Aber sie mußte einfach mit einem Menschen sprechen, der mit ihr jubelte, mit ihr außer sich geriet.

Liselotte sprang auf und strich das Haar zurück. Um diese Haarfarbe beneidete sie jeder. Nur die Natur konnte eine solche Farbe hervorbringen. Es besaß einen warmen Goldton, hatte die Farbe einer alten Goldmünze, manchmal schimmerte es kastanienfarben, wenn die Sonne es traf.

»Ich muß telefonieren«, erklärte sie hastig. »Ich muß in einer halben Stunde im Theater sein. Zur Probe. Ich kann mir nicht vorstellen,daß ich überhaupt tanzen kann, meine Beine wackeln wie Pudding«, lachte sie übermütig, sie wollte sich die Freude nicht verderben lassen. »Ich muß es unbedingt Hannelore erzählen.«

»Der kleinen Verkäuferin, bei der du wohnst?« spöttelte Rose boshaft. Rose konnte sich einfach nicht beherrschen. Es war gut, daß nur Harro sie hörte, vermutlich hätten die anderen über ihren Neid gelacht.

Liselotte nickte freundlich. »Ja, sie ist Verkäuferin in der Kinderabteilung im Kaufhaus deines Vaters, Rose. Es gefällt ihr dort sehr gut. Ich glaube, man ist auch sehr mit ihr zufrieden. Ich jedenfalls kann mir keine bessere Freundin wünschen.«

Wenn ich hier nicht schnellstens verschwinde, dachte Liselotte in Panik, dann erzähle ich dieser eifersüchtigen Person etwas ganz anderes. Bildet sich ein, tanzen zu können, nur weil sie einen reichen Vater hat. Natürlich wußte Liselotte, wieviel Roses Vater für die Ballettschule tat.

Sie nickte den beiden flüchtig zu und lief aus dem Zimmer. Die Tür fiel laut ins Schloß.

Die plötzliche Stille zerrte an Harros Nerven, er hatte Angst, Rose verärgert zu haben.  Wodurch, das wußte er allerdings nicht. Er drehte sich nervös, versuchte ein Lächeln. Roses Stimme klang wie das Zischen einer zum Biß bereiten Schlange.

»Das ist die hinterlistigste Person, der ich je begegnet bin. So eine falsche, hintertriebene Schlange. Sie kann nicht besser tanzen als ich, und doch wird sie uns ständig als Vorbild vorgehalten. Ich wollte, sie würde sich den Hals brechen«, brach es wütend aus ihr heraus.

*

Liselotte hatte die beiden bereits vergessen, als sie die Treppe der Ballettschule hinunter rannte. Ein Blick zur großen Uhr, die neben der Tänzerin aus Kupfer stand, überzeugte Liselotte davon, daß nicht mehr viel Zeit blieb. Sie konnte nur hoffen, daß Hannelore nicht erst gesucht werden mußte, sondern sofort am Telefon war.

DieVerkehrsampel wechselte von grün auf rot, aber das beachtete Liselotte leider nicht. Sie sah nur das Telefonhäuschen, zum Glück war es leer. Und in Gedanken formte sie schon die Worte, die sie Hannelore sagen mußte. Sie hörte sogar Hannelores Glücksschrei, Hannelore konnte so herrlich ihre Freude zeigen. Hannelore konnte mit ihr lachen und weinen, so eine Freundin gab es nur einmal auf der Welt.

Das mißtönende Quietschen eines Autos holte Liselotte in die Wirklichkeit zurück. Aber da war es schon zu spät. Sie spürte einen Schlag am Arm, stolperte, fiel und landete direkt vor den Rädern eines Autos.

Einen winzigen Moment mußte sie wohl das Bewußtsein verloren haben. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie ein entsetztes, von Angst verzerrtes Männergesicht dicht über sich gebeugt. Er öffnete den Mund, sagte wohl etwas, aber das Dröhnen und Brausen in ihren Ohren war stärker als seine Stimme.

»Alles in Ordnung«,flüsterte sie und war erleichtert, daß ihre Stimme ihr gehorchte. »Entschuldigen Sie bitte, ich bin wohl direkt in Ihr Auto hineingerannt.«

Schweiß stand auf seiner Stirn, Liselotte bemerkte es schuldbewußt. »Entschuldigen Sie bittte«, flüsterte sie noch einmal und versuchte aufzustehen. Aber ein stechender Schmerz, der ihr für den Moment den Atem nahm, fuhr ihr durch ihr Bein, vom Fuß bis zur Hüfte hinauf.

»Darf ich helfen«? fragte der Mann und wartete ihre Antwort gar nicht ab. Er faßte sie mit kräftigem Griff und hob sie hoch, als wäre sie eine Feder. »Haben Sie sich verletzt?«

Erst jetzt sah Liselotte die Neugierigen, die auf dem Bordstein standen und zu ihnen hinüberstarrten. Panik erfaßte sie. Vermutlich holte man schon die Polizei. Nur das nicht.

»Ich bringe Sie zum Arzt«, erklärte Roland Rodermann energisch. Er hatte vergessen, daß er auf dem Weg zu einem wichtigen Termin war. Nur das Mädchen war jetzt wichtig.

»Nein, wirklich nicht nötig«, stammelte sie und verzog den Mund zu einem Lächeln. Das Lächeln schnitt in sein Herz. Er wäre diesem Persönchen gern in einer anderen Situation begegnet.

»Hören Sie, natürlich müssen Sie zum Arzt. Sie haben nicht nur einen Schock, offensichtlich ist auch mit Ihrem Bein etwas nicht in Ordnung.«

Er las das Entsetzen in ihren Augen. Sie schüttelte heftig den Kopf, daß die rotbraunen Locken nur so flogen.

»Es ist alles in Ordnung, glauben Sie es mir bitte.«

»Soll Ihr Wagen hier Wurzeln schlagen?« fuhr ein Autofahrer Rodermann an. »Oder wollen Sie vielleicht die Güte haben weiterzufahren? Ich habe nicht so viel Zeit wie Sie.«

Rodermann zuckte zusammen, verzog nervös sein Gesicht.

»Kann ich wirklich nichts für Sie tun?« fragte er drängend. Sie beachtete ihn nicht einmal. Sie fieberte darauf, allein zu sein. Sie mußte auf dem schnellsten Weg in die Schule zurück.

»Nein. Alles in Ordnung. Fahren Sie doch endlich.« Das fehlte, daß plötzlich die Polizei auftauchte.

»Gut, aber gern lasse ich Sie nicht allein. Hier, nehmen Sie meine Visitenkarte. Sollte etwas sein, dann rufen Sie mich an, Fräulein...«

»Bitte, fahren Sie endlich«, rief sie, schon langsam der Hysterie nahe. Seine Karte steckte sie achtlos in die Tasche ihrer Strickjacke. »Ich bitte noch einmal um Entschuldigung.«

*

Liselotte hätte später nicht zu sagen gewußt, wie sie über die Straße gekommen war, sie schaffte es sogar, die Treppe hinaufzuhumpeln, dabei war der Schmerz in ihrem linken Fuß so stark, daß sie fürchtete, den Verstand zu verlieren.

Harro und Rose saßen noch immer im Aufenthaltsraum. Als Liselotte ins Zimmer wankte, sprang Harro auf, auch sein Gesicht wechselte die Farbe. Er war sehr abergläubisch, und Roses Worte hämmerten plötzlich in seinen Ohren.

»Ich wollte, sie würde sich den Hals brechen.«

Liselotte ließ sich auf die Bank fallen und schloß die Augen.

»Werde um Himmels willen nicht ohnmächtig«, beschwor Harro sie. Er stand schon neben ihr. »Was ist denn passiert, Lilo?«

Sie war kalkweiß, die dunklen Wimpern warfen Halbmonde über ihre Wangen. Sogar jetzt dachte er: wie schön sie ist. Sie braucht gar nicht tanzen. Sie braucht nur auf der Bühne stehen, mit diesem Gesicht, mit ihrer Figur muß sie jedes Publikum erobern.

»Ich bin in ein Auto hineingestolpert.« Liselotte versuchte ein Lachen. Doch es gelang ihr nicht. Das Gesicht war von Schmerzen verzerrt. »Aber ich kann laufen, es ist bestimmt nichts passiert«, flüsterte sie verzweifelt. »Es darf nichts passiert sein. Nicht wahr, Harro, wenn ich etwas gebrochen hätte, könnte ich doch nicht auftreten?«

Längst stand Rose neben ihnen, die Augen erwartungsvoll auf Liselotte gerichtet.

»Welcher Fuß tut denn weh?« wollte sie wissen und versuchte, Mitleid in ihre Stimme zu legen.

»Dieser«, Liselotte schob das Hosenbein hoch.

»Außer Schmutz ist nichts zu sehen«, murmelte Harro, der längst auf dem Boden kniete und das Bein vorsichtig in die Hand nahm. Als er den Fuß berührte, schrie Liselotte auf. »Sehen kann man nichts«, sagte er noch einmal. »Ich hoffe, du hast dir die Adresse von dem Mann geben lassen. In jedem Fall ist es natürlich bestens, man stößt mit einem Mercedes zusammen. Die Fahrer sind meistens gut betucht«, frotzelte er.

»Ich sagte dir doch«, Liselottes Stimme klang erschöpft, »die Schuld habe ich ganz allein. Ich kann ganz froh sein, wenn er mich nicht zur Rechenschaft zieht.«

»Quatsch. Du kannst doch einfach behaupten, daß er zu schnell gefahren oder bei Gelb losgedonnert ist. Das kann niemand beweisen. Hast du dir wenigstens die Automarke gemerkt oder aber zum mindesten die Autonummer?«

»Nein. Hör endlich auf, darin herumzurühren«, rief sie heftig. »Er war so anständig, er hat mir sogar seine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Aber ich glaube, ich habe sie nicht einmal eingesteckt. Ich, ich ganz allein habe Schuld, begreife das doch endlich. Sag mir lieber, was ich mit diesem verdammten Fuß machen soll.«

Rose schob Harro energisch zur Seite. Mit einer Freundlichkeit in der Stimme, die falsch wie sie selbst war, erklärte sie: »Du hast Schmerzen, liebe Lilo, also ist mit dem Fuß etwas nicht in Ordnung. Aber das kann nur ein Arzt feststellen.«

Die Anteilnahme Roses trieben Liselotte die Tränen in die Augen. Soviel Mitgefühl hätte sie ihr gar nicht zugetraut.

»Rose hat recht«, Harro erhob sich und verzog den Mund zu einem tröstlichen Grinsen. »Wir bringen dich zum Arzt. Den Kopf reißt er dir schon nicht ab. Komm.«

                                                  

*

Liselotte war geröngt worden und saß jetzt total erschöpft im Sprechzimmer. Die Geräusche der Station dröhnten in ihren Ohren wie das Rauschen von Wellen. Das Rauschen schwoll an und verebbte.

Sie zuckte zusammen, als eine Tür geöffnet und schwungvoll wieder geschlossen wurde.

Der junge Arzt, der sie in Empfang genommen hatte, kam ins Zimmer, hielt Röntgenaufnahmen in der Hand und lächelte ihr beruhigend zu. »Der Professor kommt sofort.« Er musterte sie bewundernd. Aber diese Blicke registrierte Liselotte gar nicht mehr, die war sie gewohnt. »Ich sehe, eine Schwester hat Ihnen etwas zu trinken gebracht.«

»Sagen Sie mir lieber, was mit meinem Fuß ist«, begehrte Liselotte auf. Er lachte. Daß er ein hübscher junger Mann war, der offensichtlich beeindruckt von ihr war, bemerkte sie nicht einmal.