Mami 1823 – Familienroman - Myra Myrenburg - E-Book

Mami 1823 – Familienroman E-Book

Myra Myrenburg

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe.   Ausnahmsweise war Roberts Geburtstag pünktlich gefeiert worden, nämlich am zwölften Mai, nicht am darauf folgenden Wochenende oder etwa noch später. Ein halbes Dutzend Kinder seiner Wahl hatten die Wohnung gestürmt, den Hof in ein Indianerlager verwandelt und die Katzen verunsichert.   Alle Hausbewohner der oberen Stockwerke waren vorher in Kenntnis gesetzt und nachher mit Baumkuchen versöhnt worden. Dagmar atmete erleichtert auf, weil einer der heikelsten Tage des Jahres wieder einmal zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufen war.

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Mami –1823–

Für einen Anfang ist es nie zu spät

Roman von Myrenburg Myra

  Ausnahmsweise war Roberts Geburtstag pünktlich gefeiert worden, nämlich am zwölften Mai, nicht am darauf folgenden Wochenende oder etwa noch später. Ein halbes Dutzend Kinder seiner Wahl hatten die Wohnung gestürmt, den Hof in ein Indianerlager verwandelt und die Katzen verunsichert.

  Alle Hausbewohner der oberen Stockwerke waren vorher in Kenntnis gesetzt und nachher mit Baumkuchen versöhnt worden. Dagmar atmete erleichtert auf, weil einer der heikelsten Tage des Jahres wieder einmal zur allgemeinen Zufriedenheit verlaufen war. Das Geburtstagskind, nunmehr acht Jahre alt, kam erst abends dazu, seine Geschenke zu sortieren, während in der Küche nebenan seine Mutter Dagmar und seine Großtante Ellinor vor einem gigantischen Abwasch standen.

  »Du könntest eine Spülmaschine gebrauchen«, bemerkte Ellinor, ein Küchentuch in der Hand, ein zweites über die Schulter drapiert.

  »Ach was«, erwiderte Dagmar entschieden, »erstens kommt so ein Mammut-Aufwasch nur selten vor, zweitens gibt es eine Menge Sachen, die bedeutend nötiger wären.«

  »Von wem habe ich das Hundert-Teile-Puzzle gekriegt?« rief Robert durch die geöffnete Flügeltür.

  »Keine Ahnung!« rief Dagmar zurück und ließ geräuschvoll Wasser ins Becken laufen.

  »Das schaffe ich doch nie, nie, nie!«

  »Was?« fragte Dagmar zerstreut.

  »Hör gar nicht hin«, raunte Tante Ellinor, »er will nur diskutieren! Dafür haben wir jetzt keine Zeit, sonst stehen wir noch um zehn Uhr hier! Ich bin schon froh, daß jemand ein Spielzeug für drinnen geschenkt hat, statt all dieser Federbälle und Ping-Pong-Schläger und Bumerangs, die nur draußen zu gebrauchen sind. Als ob wir ein umzäuntes Grundstück hätten und dazu noch im Süden lebten, nicht in Dockendorf, wo man ständig vor Regenschauern flüchten muß.«

  Dagmar hob die Schultern und ließ sie wieder sinken, denn auch sie hatte Robert kein Kasperl-Theater geschenkt und keine schöne große Schiefertafel mit bunten Kreiden, so wie Tante Ellinor, sondern ein Fahrrad, genauer gesagt, sein Wunsch-Fahrrad, quittegelb mit froschgrün lackiertem Drahtkorb, mit Luftpumpe und Lenkradschloß, dazu einen Helm, der ihm das Aussehen eines Marsmenschen verlieh, und ein Regencape, ebenfalls leuchtend gelb.

  »Und der Rucksack? Von wem ist der?« kam Roberts Stimme ratlos aus dem Wohnzimmer.

  »Von Petra«, gab Dagmar unverzüglich zurück, denn diesmal wußte sie ausnahmsweise genau Bescheid. Petra war die Tochter ihrer Freundin Sybille, die vernünftig genug gewesen war, sich vorher mit ihr abzustimmen.

  »Ist das vielleicht ein Mädchen-Rucksack?« rief Robert mißtrauisch.

  »Quatsch! Rucksäcke sind für alle Kinder gleich, so wie Gummistiefel!«

  »Also, ich weiß nicht.«

  »Glaubst du mir etwa nicht?«

  »Doch, doch, aber ich wünschte, ich könnte noch jemanden fragen.«

  Dagmar krauste die Nase und wechselte einen Blick mit ihrer Tante Ellinor.

  Sie wußten beide, was er sagen wollte.

  In letzter Zeit schien Robert das männliche Element in seinem Leben zu vermissen. Seitdem auch die Klassenleitung in der Schule einer Lehrerin übertragen worden war, hatte er nur noch mit Frauen zu tun.

  »Ist ja auch ein bißchen öde«, meinte sogar Tante Ellinor.

  »Na, hör mal«, ereiferte sich Dagmar, »er hat ein halbes Dutzend Freunde, die er täglich sieht!«

  »Aber die sind nicht kompetent! Keine Autoritäten!«

  »Gott sei Dank! Das fehlte mir gerade! Ich brauche keinen, der meinen Sohn beeinflußt, am Ende noch gegen mich! Nein, nein, Tante Ellinor, ich ziehe dieses Kind allein groß! Ich bin vielleicht keine Super-Mutter, aber ich tue, was ich kann. Dafür bin ich auch die einzige Instanz!«

  »Reg dich nicht auf, Dagmar. Ich bin auf deiner Seite, das war ich immer, das weißt du. Aber der Junge wird seine Kreise nun mal erweitern wollen.«

  »Jetzt noch nicht!«

  »Wie du meinst, aber denk trotzdem mal darüber nach.«

  Erst gegen neun Uhr abends war die Parterrewohnung in der Siebertstraße siebzehn soweit aufgeräumt, daß man am nächsten Morgen nicht betäubt die Augen schließen mußte.

  Ellinor hatte sich in ihre eigenen vier Wände begeben, die im dritten Stock lagen, und Robert war inmitten seiner Geschenk-Berge glücklich und zufrieden eingeschlafen. Das Fahrrad lehnte am Kleiderschrank, der gelbe Plastik-Umhang wehte vom Fenstergriff.

  Dagmar schloß die Tür und lief auf leisen Sohlen zum Telefon, das auf der Blumenbank zwischen Küche und Wohnraum schnurrte. Sobald ihr Sohn schlafen ging, stellte sie den Apparat auf die geringste Lautstärke.

  »Tut mir leid, daß ich dir überhaupt nicht zur Hand gehen konnte«, kam Sybilles Stimme gedämpft durch den Draht, »Petra hat erzählt, alle hätten sich großartig amüsiert, und es wäre den ganzen Nachmittag drunter und drüber gegangen.«

  »Stimmt, sie haben getobt wie die Weltmeister, aber Geburtstag ist schließlich Geburtstag, und er findet nur einmal im Jahr statt.«

  »Ein Glück! Öfter könnte man sich so was gar nicht antun«, erwiderte Sybille heiter, »ich denke immer noch an unsere Konfettischlacht im letzten Februar, als Petras Geburtstag auf Rosenmontag fiel! Bis heute finde ich noch kleine bunte Schnitzel in den Ritzen vom Parkett! Also, was ich sagen wollte – du hast nicht zufällig was von Maisbauers gehört?«

  »Nein«, knurrte Dagmar.

  »Ich auch nicht«, versicherte Sybille hastig, »woher denn auch, wo ich gar keinen Kontakt zu ihnen habe! Aber Peter hat ja einen Freund beim Sender, der über vier Ecken mit ihnen verwandt ist. Der hat ihm erzählt, daß Rüdiger kürzlich zu Geld gekommen ist!«

  »Na wenn schon!«

  »Ich dachte, es interessiert dich vielleicht – nicht persönlich, natürlich, nur wegen Robert.«

  »Weder persönlich noch wegen Robert. Bille, was denkst du denn! Der Mann ist mir so fern wie der Mond!«

  »Mag sein, aber er ist der Vater deines Kindes, das steht nun mal fest, und insofern…«

  Sybilles Stimme verklang. Der Satz blieb unvollendet.

  Eine Weile herrschte peinliche Stille in der Leitung.

  »Sonst noch was?« fragte Dagmar knapp.

  »Okay, vergiß es«, murmelte Sybille, »ich kann die Kinder morgen nachmittag von der Turnstunde abholen, falls du es nicht schaffst.«

  »Fein, dann brauche ich Vanderbeekes nicht zu bitten. Täte ich sowieso nur ungern.«

  »Weiß ich doch. Also dann bis morgen. Mach dir einen ruhigen Abend nach dem turbulenten Tag.«

  »Tschüs«, sagte Dagmar, legte den Hörer auf und schüttelte minutenlang mißmutig den Kopf.

  War es zu fassen?

  Wenn schon Sybille Fechter, ihre beste Freundin – bei Licht betrachtet sogar ihre einzige – es nicht lassen konnte, alle Jahre wieder auf Rüdiger Maisbauer zurückzukommen, was sollte man dann von vergleichsweise fernstehenden Leuten erwarten!

  Rüdiger – mein Gott!

  Ein lieber, netter, phantasievoller Mensch, ein bißchen verrückt, einer, der Seifenkisten-Rennen organisierte, auf Stelzen durch die Innenstadt lief, seine Mitmenschen schockte und foppte, nur zum Spaß studierte – was war es doch gleich? Mikrobiologie? Astrophysik?

  Ein Schelm mit blauen Schelmenaugen unter schräg geschnittenem glattem Blondhaar – ach ja.

  Rüdiger Maisbauer, der die Narrenfreiheit gepachtet hatte, der sein Leben als lockeren Balance-Akt betrachtete – was für eine Enttäuschung war er gewesen, was für ein unglaublicher Feigling!

  Mit welch affenartiger Geschwindigkeit hatte er sich abgesetzt, als er von einem Kind erfuhr – ihrem Kind, seinem Kind.

  Dabei waren sie schon ein Jahr lang zusammen gewesen, nicht so, wie andere Paare, nicht so permanent und zukunftsorientiert, aber doch regelmäßig, ohne Abweichungen, in gegenseitigem Vertrauen, auch wenn er kam und ging und wieder kam und wieder ging.

  Erst als er von der Schwangerschaft erfuhr, ging er ganz.

  Und wie schnell! Und wie weit! Wie unauffindbar!

  Acht Jahre und acht Monate war es her.

  Mutterseelenallein hatte sie auf der Entbindungsstation gelegen, besucht nur von Tante Ellinor und Sybille, und dann, als sie nach einer komplizierten Geburt ihren Sohn in den Armen hielt, hatte sie sich geschworen: er sollte es guthaben bei ihr, sollte nichts und niemanden vermissen, denn sie war tüchtig, sie wußte es!

  Ihre Kräfte wuchsen ins Unermeßliche, während sie das winzige Bündel an sich preßte. Niemals seitdem hatte ihre Energie nachgelassen. Ganz im Gegenteil.

  Robert war der Motor ihres Lebens.

  Außer dem schrägen Fall seiner glatten Haare erinnerte nichts in seiner Erscheinung an Rüdiger Maisbauer, nicht einmal die Haarfarbe, die mit den Jahren immer dunkler geworden war, bis sie einen satten Braunton erreicht hatten.

  Meine Farbe, dachte Dagmar.

  Nein, in ihrem Leben hatte Rüdiger nichts zu suchen, und es war auch gar nicht anzunehmen, daß er danach trachtete.

  Was hatte Sybille gesagt?

  Daß er zu Geld gekommen wäre?

  Schon möglich. Damit war immer zu rechnen gewesen. Er hatte oft von einem reichen Onkel gefaselt, der sein Pate war und nichts herausrücken wollte.

  »Erst, wenn ich dreißig bin, läßt er die Dukaten springen!«

  Nun, inzwischen war es soweit. In diesem Jahr hatte Rüdiger das biblische Alter erreicht.

  Als sein Sohn geboren wurde, war er knapp zweiundzwanzig gewesen. Noch sehr jung, gewiß, aber andere in diesem Alter waren erwachsen genug, um Verantwortung zu übernehmen, statt sich Hals über Kopf aus dem Staub zu machen.

  Und ich? dachte Dagmar, mechanisch ihre Pflanzen auf der Blumenbank gießend. »Was hätte ich sagen sollen? Ich war erst einundzwanzig, hatte gerade die Lehre abgeschlossen und den ersten Job ergattert als technische Zeichnerin draußen im Bauhof – toll! Ein Großraum-Büro voller Männer – einer lästiger als der andere. Der Rest spuckte Gift und Galle vor lauter Mißgunst, gönnte mir das schäbige Gehalt nicht und tat alles, um mich zu vergraulen. Wirklich, einen schlechteren Platz hätte sich eine alleinstehende schwangere junge Frau kaum aussuchen können!«

  Aber sie war geblieben, zähneknirschend, der Not gehorchend, sie hatte gelernt, sich zur Wehr zu setzen, sich durchzuboxen, sich Respekt zu verschaffen.

  Und nicht nur das.

  Sie hatte auch bei der Arbeit so manches gelernt, am Reißbrett, in den Berechnungstabellen, sie mußte sich ranhalten, um nicht übertölpelt zu werden. Kaum war ihr Junge geboren, meldete sie sich zur Weiterbildung an, denn dort, wo sie angefangen hatte, wollte sie nicht bleiben, auf keinen Fall.

  Harte Jahre waren das gewesen, und nur mit Tante Ellinors Hilfe hatte sich das ganze Programm verwirklichen lassen, ohne daß Robert etwas abging. Aber unaufhaltsam war es aufwärts gegangen, bis hinauf in die Chef-Etage des Architekturbüros Dr. Edgar Vanderbeeke.

  Und alles lag in Dockendorf, dem hübschen Vorort einer rheinischen Großstadt, nicht gerade um die Ecke, aber leicht erreichbar: die Wohnung in der Siebertstraße siebzehn, die Gottfried-Keller-Schule mit dem großen Verkehrs-Spielplatz, der gläserne Kuppelbau der Vanderbeekes und sogar die kleine Gartenvilla der Familie Peter und Sybille Fechter.

  Dagmar stellte die Gießkanne ab und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein, gewürzt mit einem Schuß Campari.

  Sie hatte es nicht leicht gehabt. Sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Sie hatte gekämpft, und sie hatte ihr bescheidenes Ziel erreicht – aus eigener Kraft.

  In diesem Punkt war sie so mancher Altersgenossin voraus, auch Sybille.

  Wir waren beide noch so unfertig damals, dachte sie, unversehens milde gestimmt. Dagi und Rüdi – zwei große Kinder – er albern und schlaksig – und ich? Wichtigtuerisch, mit wippendem Pferdeschwanz und Ponyfrisur, immer eine Papprolle unterm Arm, damit jeder sehen konnte, daß ich Zeichnungen mit mir herumtrug! Meine Güte, er würde mich garantiert nicht wiedererkennen, wenn er mir heute über den Weg liefe, und ich ihn auch nicht.

*

  Von der Gartenvilla bis in die Siebertstraße konnte man ohne weiteres zu Fuß gehen, und zwar in weniger als einer Viertelstunde. Robert liebte diesen Weg, der an einem ausgedehnten italienischen Eiscafé vorbeiführte, einem Bilderladen mit wunderschönen Kalendern und verstaubten alten Postkarten, einer Eisenwarenhandlung, die im Winter Schlitten und Skier führte und ganzjährig auch Fahrräder, sowie einem Blumengeschäft, das einer Freundin von Tante Ellinor gehörte.

  Aber wie wortreich Robert auch seine Selbständigkeit betonte, Sybille ließ ihn niemals allein nach Hause gehen. Leider, denn wenn er schon den ganzen Vormittag mit Petra in der Schule verbracht hatte und dazu noch die Turnstunde am Nachmittag, war sein Bedarf an ihrer Gesellschaft reichlich gedeckt.

  Sie war ein unermüdliches Kind, das nicht nur sich selbst, sondern auch andere pausenlos beschäftigte.

  Am späten Nachmittag war Robert zu keiner Aktion mehr bereit, weder drinnen noch draußen, weder mit noch ohne Petra. Um diese Zeit rollte er sich gewöhnlich mit seiner Katze Loreley vor dem Fernseher zusammen, knabberte einen Schokoladenkeks, trank ein Glas Milch und gab sich einer Kindersendung hin.

  Keinesfalls wünschte er Gespräche zu führen, Stempel aus Korken zu basteln, Perlen aufzufädeln, Ratespiele zu veranstalten, Papierschiffchen zu kniffen oder per Hüpfball das Zimmer zu durchqueren.

  Er mochte Petra, er war an sie gewöhnt seit er sich erinnern konnte, aber um diese Tageszeit fiel sie ihm schrecklich auf die Nerven mit ihrer ungebrochenen Energie.

  Wahrscheinlich ging es Sybille so ähnlich, denn obwohl sie grundsätzlich keine Fernsehgewohnheit aufkommen lassen wollte, schlug sie doch nach der Turnstunde regelmäßig einen kurzen Märchenfilm vor, den ihre Tochter jedoch entweder ablehnte oder schon nach der Hälfte abdrehte, um Seifenblasen zu machen oder Teig zu kneten oder Wollbällchen herzustellen.

  »Ich möchte so gern nach Hause gehen«, sagte Robert zum dritten Mal, »meine Mami erlaubt es bestimmt! Du brauchst sie nur anzurufen!«

  Seine Stimme klang so flehentlich, daß Sybille ganz betroffen war. Sie schob ihre zappelnde Tochter mitsamt dem dicken Hüpfball beiseite und griff nach dem Telefon.

  Etwas später war Robert auf dem Weg nach Hause. Er trabte vergnügt den Bürgersteig entlang, befühlte den Brustbeutel unter seinem T-Shirt und rechnete, ob seine Barschaft für zwei Eisbällchen ohne Sahne ausreichte.

  Im Gegensatz zu Petra hatte er immer etwas Geld bei sich, sowie eine Telefonkarte und einen Zettel mit der Telefonnummer seiner Mutter und seiner Tante Ellinor.

  Hinter der gläsernen Eistheke stand seine Klassenkameradin Marina und hantierte geschickt mit dem großen Portionslöffel, denn es herrschte so viel Betrieb, daß jede Hand gebraucht wurde.

  Marina war das einzige Kind, das Robert beneidete.

  Sie lächelte ihn unter gesenkten, seidigen Lidern verstohlen an und füllte eine knusprige Tüte mit zweieinhalb Kugeln Vanille-Erdbeer-Eis.

  Er legte das klebrige Kleingeld auf den Zahlteller, murmelte »danke!« und »tschau!« und schlängelte sich durch einen ganzen Schwarm Kinder wieder hinaus.