Mami 1826 – Familienroman - Eva-Maria Horn - E-Book

Mami 1826 – Familienroman E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Die zwölf Mädchen der Freiherr-von-Stein-Schule hatten das Abitur bestanden. Alle! Sogar die, die sich schon damit abgefunden hatten, die Oberprima noch einmal zu machen. "Meine Abinote ist mir völlig schnuppe", behauptete Ilse Bauer. "Danach kräht doch kein Hahn." Die zwölf Mädchen standen auf dem Schulhof, sie trugen die festliche Kleidung, die nun einmal dazu gehörte. "Aber für das Studium ist die Note wichtig", gab Klara zu bedenken. Sie wollte Medizin studieren und hatte nur mit einer glatten Zwei abgeschlossen.

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Mami –1826–

Das Mädchen mit den roten Haaren

Roman von Horn Eva-Maria

Die zwölf Mädchen der Freiherr-von-Stein-Schule hatten das Abitur bestanden. Alle! Sogar die, die sich schon damit abgefunden hatten, die Oberprima noch einmal zu machen.

»Meine Abinote ist mir völlig schnuppe«, behauptete Ilse Bauer. »Danach kräht doch kein Hahn.«

Die zwölf Mädchen standen auf dem Schulhof, sie trugen die festliche Kleidung, die nun einmal dazu gehörte.

»Aber für das Studium ist die Note wichtig«, gab Klara zu bedenken. Sie wollte Medizin studieren und hatte nur mit einer glatten Zwei abgeschlossen.

»Wer denkt denn gleich ans Studium?« ereiferte sich Laura lachend. Ilse war sehr vorsichtig in der Wahl ihrer Eltern gewesen. Seit Generationen war die Brauerei Bauer im Familienbesitz. »Ein Jahr werde ich mich mindestens von den Strapazen erholen.«

Fräulein von Bruchhausen trat, von den Mädchen unbemerkt, heran. Sie lächelte fein.

»Ich hatte gar nicht das Gefühl, Fräulein Bauer, daß Sie sich übermäßig angestrengt haben.«

»Da sieht man mal wieder, wie ich verkannt werde«, klagte Ilse. Aber die blauen Augen sprühten vor Übermut. »Mein Bruder behauptete auch immer, ich wäre eine faule Nuß. Ich glaube, es ist ein Risiko, mit diesem Knaben durch die Welt zu gondeln. Aber er hat nun mal das beste Auto.«

Die Mädchen lachten, sie fanden heute alles wunderbar. Aber der Lehrerin blieb nicht verborgen, daß Franziska Winter nur ein wenig die Lippen verzog. Sie hatte sich bis jetzt auch noch nicht an dem Gespräch beteiligt.

Franziska war Fräulein von Bruchhausens ganz besonderer Liebling. Natürlich hatte sie streng darauf geachtet, daß Franziska nicht bevorzugt wurde. Schon in der Sexta war sie Klassensprecherin gewesen. Furchtlos hatte sie ihre Meinung vertreten, war bei allen Lehrern nicht nur beliebt, sondern man nahm sie auch ernst, ja, man bewunderte ihre aufrechte Art, ihren Gerechtigkeitssinn. Es kam natürlich hinzu, daß sie eine sehr gute Schülerin war.

Franziska hatte das Abitur mit der besten Note der Klasse bestanden: Eine glatte Eins.

Warum also stand sie so blaß, ja, teilnahmslos zwischen den Freundinnen? Die Lehrerin musterte das Mädchen aus den Augenwinkeln. Nun, Franziska würde wissen, wie hübsch sie war. Nicht hübsch nach einer Schablone. Es war eine aparte Schönheit, eine Schönheit, die nicht unbedingt ins Auge fiel. Man mußte sie entdecken. Ihr rotblondes Haar war durch die Naturkrause pflegeleicht, mal hatte sie es kurzgeschnitten getragen, mal ließ sie es wachsen und band es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Jetzt trug sie es ein wenig länger. In weichen Wellen fiel es bis zu ihren Schultern hinunter. Als einziges der Mädchen war sie nicht geschminkt. Das hatte sie auch gar nicht nötig, da die Natur sie üppig bedacht hatte. Die Brauen waren dunkel, feingezeichnet, die dunklen Wimpern lang und leicht gebogen. Sie warfen dunkle Schatten über die Wangen.

»Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß ich endlich frei bin.« Vera warf die Arme in die Luft. »Frei. Ich brauche den Kasten nie mehr mit klopfendem Herzen betreten. Keine Arbeiten mehr, keine Hausaufgaben, nichts. Frei. Könnt ihr das kapieren?« Sie sah in die Augen der Mädchen und stöhnte.

»Ich weiß nicht«, gab Helga zögernd zu bedenken. »Eigentlich war die Schule doch gar nicht so schlimm. Wir haben viel Spaß gehabt. Und wir haben wie Pech und Schwefel fest zusammengehalten. Wenn wir zu übermütig waren, hat uns Franziska gebremst und uns die Leviten gelesen. Ich kriege es eigentlich nicht in den Kopf, daß wir jetzt auseinandergehen. Und uns vielleicht nie wiedersehen.«

»O Himmel«, stöhnte Petra und verdrehte die Augen. »Das mußte ja kommen. Du bist immer so entsetzlich rührselig.«

»Eigentlich hat sie recht«, überlegte Ilse zögernd. »Spaß haben wir gehabt. Und unser Gewissen«, sie zeigte augenzwinkernd auf Franziska, »hat schon dafür gesorgt, daß alles im Rahmen blieb. Oft genug haben wir sie beschimpft und sie einen Spielverderber genannt. Aber das war sie nie. Du warst mit allen gut Freund und immer gerecht. O Himmel, jetzt kommen mir gleich die Tränen. Jetzt stellt sich bei mir auch der Abschiedsschmerz ein.«

Fräulein von Bruchhausen lächelte auf ihre sympathische Art. »Nun, wir haben ja jetzt noch unser Abschiedsfest vor uns. Da haben Sie Zeit genug, meine Damen, sich in Tränen aufzulösen. Ich denke, Sie sollten jetzt nach Hause gehen. Ihre Eltern werden schon sehnsüchtig auf Sie warten.«

»Bestimmt«, behaupteten sie alle und schwatzten durcheinander. »Wenn ich mich verspäte, hängt mein Vater die schwarze Fahne ’raus. Er glaubt bestimmt nicht, daß ich durchgekommen bin.«

Sie schüttelten einander die Hände, umarmten sich. Sie stürzten davon, als hätten sie plötzlich keine Minute mehr zu verlieren.

Fräulein von Bruchhausen verstand es geschickt, an Franziskas Seite zu bleiben.

»Gehen wir doch zusammen«, lächelte sie freundlich. »Wir haben ja den gleichen Weg.«

Fräulein von Bruchhausens Eigentumswohnung lag dem Reihenhaus der Winters gegenüber. Ohne es zu wollen, hatte die Lehrerin vieles von dem Familienleben mitbekommen. Franziskas Vater war vor einem halben Jahr gestorben, und offensichtlich hatte sich das Mädchen von diesem Schicksalsschlag noch nicht erholt.

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Um diese Zeit war die Straße des kleinen Städtchens nur wenig belebt. Ein großer Schäferhund beschnüffelte einen Baum. Ein Auto fuhr über das alte Kopfsteinpflaster. Die Fachwerkhäuser träumten hinter den Vorgärten, sie waren es gewohnt, sehr oft von Fremden fotografiert zu werden.

»Mit Ihrem Ergebnis können Sie wirklich zufrieden sein, Franziska.« Fräulein von Bruchhausen hatte sich vorgenommen, dem Mädchen auf den Zahn zu fühlen. Franziska war ja nicht wiederzuerkennen. So lebhaft, immer zu Scherzen aufgelegt, war sie jetzt nur noch ein Schatten ihrer selbst. Fräulein von Bruchhausen hatte bisher gar nicht das Gefühl gehabt, daß der Vater eine besonders große Rolle im Haus Winter spielte. Er war selten zu Hause gewesen. Im Städtchen munkelte man oft über ihn. Das ist der Nachteil eines kleinen Ortes, dachte die Lehrerin ungeduldig. Da hat jeder ein Auge für den anderen, und selten bleibt etwas verborgen. Die Gerüchteküche brodelte, und nicht immer kam die Wahrheit heraus.

»Du willst Medizin studieren, nicht wahr?« Sie sah auf das blasse, abweisende Gesicht. Wahrscheinlich wünscht sie mich ins Pfefferland, dachte Fräulein von Bruchhausen spöttisch.

Sie dachte schon, sie würde keine Antwort bekommen. Sie bogen in die Parkallee ein, Franziska stieß ein Steinchen mit der Fußspitze fort.

»Das wollte ich.«

Fräulein von Bruchhausen blieb stehen und faßte Franziskas Arm. Erstaunt musterte das Mädchen das erregte Gesicht der Lehrerin.

»Hören Sie, Fränzi«, unwillkürlich benutzte sie den Namen, den die Mädchen für sie hatten. »Ich spüre doch, daß etwas nicht in Ordnung ist. Sie sind ja nicht wiederzuerkennen. Fränzi, durch all die Jahre habe ich Sie begleitet, ich habe Sie heranwachsen sehen, ich habe mich gefreut, wie Sie sich entwickelten. Sie… nun, jetzt kann ich es sagen, Sie sind mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Was ist los? Bitte, haben Sie doch Vertrauen zu mir. Ich bin nicht mehr Ihre Lehrerin, wir treffen uns jetzt auf einer ganz anderen Ebene. Wollen wir uns dort auf die Bank setzen? Oder werden Sie zu Hause erwartet? Dann allerdings will ich Sie nicht aufhalten.«

Franziska winkte ab, mit Bestürzung sah Helma von Bruchhausen, daß Tränen in den grünen Augen des Mädchens glänzten.

»Meine Mutter hat diesen Tag kaum zur Kenntnis genommen.«

Sie setzten sich, Franziska glättete den dunklen Rock, streifte ihn über ihre Knie. Aber Helma sah nur die Verzweiflung in ihrem jungen Gesicht.

»Es muß schwer sein, den Partner zu verlieren.« Helma sprach nur zögernd. Franziska unterbrach sie grob.

»Natürlich. Aber das ist etwas Natürliches, nein, ich muß mich besser ausdrücken. Der Tod ist ein großer Kummer, aber irgendwie und irgendwann trifft es jeden.«

Sie wandte den Kopf, Tränen liefen über Fränzis Wangen, aber die Augen sprühten.

»Nur erfahren vermutlich wenige Frauen, daß der Mann statt Vermögen nur Schulden hinterlassen hat. Daß er Freundinnen hatte, haben wir immer gewußt, wenn meine Mutter und ich auch nie darüber gesprochen haben. Mit meiner Mutter kann man nicht über diese Dinge reden. Sie ist so… so weltfremd, so hilflos. Mein Vater hat es immer verstanden, sie abhängig zu machen. Sie ist völlig unselbständig. Jetzt ist sie am Boden zerstört. Natürlich werden wir die Schulden bezahlen müssen.« Die junge Stimme klang hell, leidenschaftlich. »Natürlich werden wir sie bezahlen.«

»Kann man keinen Kredit auf das Haus aufnehmen?« wagte Helma anzuregen.

Franziska schüttelte heftig den Kopf. »Es ist schon belastet. Noch mehr Schulden darauf würden meine Mutter nur nervös machen. Nein, ich habe schon mit den Männern, die mein Vater um Geld anbettelte, gesprochen. Sie wollen warten, sie sind damit einverstanden, wenn ich Ihnen monatlich eine gewisse Summe bringe. Deshalb werde ich nicht studieren. Ich muß arbeiten.«

Sie schabte nervös mit dem Schuh im Sand, häufte den Sand auf, schob ihn zur Seite. Eine Locke ihres Haares lag auf ihrer Stirn.

»Ich muß eine Arbeit finden«, murmelte sie leidenschaftlich, »die gut bezahlt wird. Ich muß. Ich habe meine Mutter damit getröstet. Mutter klammert sich an mich, auf keinen Fall will ich sie enttäuschen.« Bitter setzte sie hinzu: »Es ist schlimm genug, daß mein Vater sie enttäuschte. Sie hat ihn geheiratet, als sie 19 Jahre war. Frisch von der Schulbank weg, Vater war für sie etwas ganz Besonderes. Ich glaube, er kam gleich nach dem lieben Gott«, setzte sie spöttisch hinzu. »Er hat nichts dazu getan, sie selbstbewußt und frei zu machen. Ich glaube, er hat es genossen, daß sie abhängig von ihm war. Von seiner Meinung, seinen Launen, ja auch von seinem Geld. Zu mir war er gönnerhaft, aber er hat sich nie besonders um mich gekümmert. Ja, vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich ein Junge geworden wäre.« Die junge Stimme klang gleichmütig, aber die feinen Ohren Helmas hörten Leid und Kummer daraus. Da hatte sie diesem Mädchen gegenüber gewohnt, da war es ihr besonders ans Herz gewachsen, aber wie wenig hatte sie von ihr gewußt. Fränzi hatte es aber auch geschickt verstanden, alle hinters Licht zu führen. In den Augen aller war sie ein kluges, unbeschwertes Mädchen gewesen.

»Es ist gut, daß du einmal darüber sprichst«, unterbrach Helma behutsam das Schweigen. »Ich dachte immer, du hättest Vertrauen zu mir. Warum bist du nicht zu mir gekommen? Wir können doch zusammen überlegen, was du tun kannst. Es ist jammerschade, daß du nicht studieren kannst«, setzte sie heftig hinzu. »Aus dir würde ganz bestimmt eine verantwortungsvolle Ärztin.«

»Das geht nicht«, war Fränzis knappe Antwort. »Ich war schon einige Male auf dem Arbeitsamt. Sie haben mir auch Stellen vermitteln können. Aber überall wird irgend etwas verlangt. Wir sind in der Penne mit Wissen gefüttert worden, das bei einer Arbeitssuche kaum verlangt wird. Wenn ich wenigstens ein bißchen kaufmännisches Wissen hätte.« Sie schlug gegen ihre Stirn und seufzte.

»Ich muß doch Geld verdienen«, klagte sie verzagt. »Ich kann mich nicht auf eine Ausbildung einlassen. Meine Note im Abi hilft mir leider nichts.«

»Nun wirf mal nicht die Flinte ins Korn. Das paßt überhaupt nicht zu dir.« Fräulein von Bruchhausen richtete sich höher auf und löste den Rücken von der Lehne der Bank. »Wir werden schon einen Weg finden. Gelerntes ist nie verloren, das merke dir, Fränzi.« Sie merkte gar nicht, daß sie das Du wiederfand. Schließlich war ihr Fränzi schon aufgefallen, als sie an der Hand der Mutter die Sexta betrat.

»Wir werden etwas finden«, erklärte sie noch einmal angriffslustig. »Aber dein Studium darfst du nicht aus den Augen verlieren. Wenn du gut verdienst, kannst du vielleicht in ein oder zwei Jahren die Schulden bezahlt haben.«

Verdammter Vater, dachte sie wenig christlich. Dabei sollte man an Tote nur mit Nachsicht denken!

»Aber ich muß erst einmal eine Arbeit finden«, rief Fränzi verzweifelt. »Ich habe mir das nicht so schwer vorgestellt. Ich könnte doch Übersetzungen machen! Aber da verlangen sie, daß man PC-Kenntnisse hat. Sonntag habe ich den Fremdenführer gespielt. Es war eine französische Reisegruppe, die unsere Schloßanlage besichtigen wollte. Es war nervig, und Geld hat es wenig gebracht.«

Fräulein von Bruchhausen nagte an ihrer Unterlippe.

»Es ist ein seltsamer Zufall«, begann sie langsam. »Ja, wirklich seltsam.«

Sie schwieg. Fränzi musterte verwundert, irritiert das vertraute Gesicht.

»Ich muß ein wenig weiter ausholen.« Helma strich mit einer typischen, energischen Bewegung das Haar am Ohr zurück. Wie gut kannte Fränzi diese Geste!

»Katharina und ich waren Nachbarskinder! Wir besuchten die Schule, kamen später zusammen in ein Pensionat. Katharina heiratete noch vor ihrem Abschluß. Wir beneideten sie glühend. Sie bekam das, was wir uns alle erträumten, einen Mann, der nicht nur reich war, sondern auch blendend aussah.

Die Ehe ging nicht gut. Sie wurden geschieden. Näheres will ich nicht erzählen. Ihr Mann bekam ihre Tochter zugesprochen. Sie wurde schuldig geschieden. Ich hörte lange nichts mehr von ihr. Aber seit einem Jahr stehen wir wieder in Verbindung. Sie heiratete Theo Brahmeier. Ich sehe dir an, daß dir der Name etwas sagt.«

»Wer sollte den nicht kennen? Die Textilfabrik?«

»Ja, den Fabrikanten Brahmeier. Die Villa ist wunderbar, ich habe sie einige Male besucht. Wenn man das Haus von außen betrachtet, muß man die Menschen, die darin leben, beneiden. Aber oft täuscht der Eindruck.

Die beiden lieben sich sehr. Sie verstehen sich wunderbar, das spürt man, wenn man mit ihnen zusammen ist. Aber es gibt eben keine Rosen ohne Dornen. Brahmeier ist Witwer. Er hat Zwillinge. Ein Pärchen, das es faustdick hinter den Ohren hat, er hängt sehr an ihnen. Sie machen Katharina das Leben schwer. Aber nicht genug damit. Katharinas geschiedener Mann, der darauf bestanden hatte, die Tochter zu behalten, heiratete wieder, das Mädchen ist seiner neuen Frau im Weg. Also wurde sie zu Katharina abgeschoben.«

»Aber darüber muß sie doch froh sein«, warf Fränzi ein. Die Geschichte lenkte sie für eine Weile von ihrem eigenen Kummer ab.

»Das ist sie auch. Sie hat immer Heimweh nach Laura gehabt. Aber Laura ist total verzogen. Hat außer Sport nichts im Kopf. Ihre schulischen Leistungen sind gleich Null. Sie kennt keine Disziplin, sie ist nicht gewohnt, Rücksicht zu nehmen. Kurzum, es ist schwer für Katharina. Dazu die Zwillinge, die nichts unversucht lassen, ihr zu zeigen, daß sie ein Eindringling ist.

Katharina klagte mir ihr Leid, als sie mich besuchte. Sie fragte mich, ob ich jemanden weiß, der zu ihr ins Haus kommt. Aber es muß schon ein Ausbund an Klugheit sein. Dieser Jemand muß die Zwillinge in Schach halten und ihnen klarmachen, daß sie glücklich sein müssen, eine solche Stiefmutter zu haben. Dieser Jemand muß Laura unterrichten, das Mädchen soll nämlich in ein Pensionat kommen. Aber mit dem mangelnden Wissen blamiert Laura sich nur.

Ich habe gesagt, solch ein Wesen, daß diese Anforderungen unter einen Hut bringt, muß erst noch geboren werden. Katharina versicherte mir, daß ihnen das bekannt ist und sie den doppelten Lohn zahlen würden. Geld haben sie genug. Nur nicht die Nerven.«

Fräulein von Bruchhausen spielte mit dem Verschluß ihrer Aktentasche. Knipste sie auf und zu.

Sie sah Fränzi nicht an. Der dicht belaubte Kastanienbaum, unter dem sie saßen, warf seine Schatten über sie. Die Sonne schien durch die Zweige, Licht und Schatten wechselten auf Helmas Gesicht.

»Seltsam, als Katharina mich um Hilfe bat, dachte ich an dich, Fränzi. Aber den Gedanken habe ich natürlich sofort aus meinem Kopf verscheucht, ich sah dich ja schon als Studentin.«

Schweigen. Der Wind spielte in den Baumkronen, ein Hund lief über den Weg, als hätte er keine Zeit mehr zu verlieren. Vom nahen Teich hörte man das laute Quaken der Frösche, das monotone Geräusch der Wellen, die ans Ufer liefen.