Mami 1829 – Familienroman - Annette Mansdorf - E-Book

Mami 1829 – Familienroman E-Book

Annette Mansdorf

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. "Und was wirst du tun? Ich meine, man wird ja nicht jeden Tag dreißig…" "Das mußt du mir noch ordentlich unter die Nase halten, was? Ich habe keine Ahnung, mir ist einfach nicht nach feiern." "Gerade deshalb solltest du es tun. Zeig allen, daß du nicht unterzukriegen bist." "Ha, ha. Wie soll ich das zeigen, wenn ich bereits untergekriegt bin?" Christine lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sie fand nicht, daß sie übertrieb. Wenn sie ihr Leben so betrachtete, verlief es ganz schön lau.

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Mami –1829–

Daniel probt den Aufstand

Roman von Annette Mansdorf

»Und was wirst du tun? Ich meine, man wird ja nicht jeden Tag dreißig…«

»Das mußt du mir noch ordentlich unter die Nase halten, was? Ich habe keine Ahnung, mir ist einfach nicht nach feiern.«

»Gerade deshalb solltest du es tun. Zeig allen, daß du nicht unterzukriegen bist.«

»Ha, ha. Wie soll ich das zeigen, wenn ich bereits untergekriegt bin?«

Christine lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sie fand nicht, daß sie übertrieb. Wenn sie ihr Leben so betrachtete, verlief es ganz schön lau.

Natürlich sollte sie dankbar sein, daß sie einen Beruf hatte, der sie ernährte, sie und Daniel, ihren Sohn, der gesund und munter war und ihr wenig Sorgen bereitete. Das wußte sie selbst, es war nicht nötig, daß es ihre Mutter dauernd betonte. Zumal deren Meinung nach eine Scheidung ja gar nicht nötig gewesen war. Frank war doch so ein netter Mann…

Ja, das war er auch, solange man nicht mit ihm leben mußte. Dann sah es schon anders aus. Er hatte sich benommen, als wohne er in einem Hotel, von dem er erwartete, daß alles zu seiner Zufriedenheit erledigt wurde, ohne daß man ihn damit belästigte. Eine Zeitlang hatte Christine seine Wünsche entsprechend erfüllt, sie war es von zu Haus so gewöhnt gewesen.

Doch allmählich war ihr der Verdacht gekommen, daß sie nur deshalb so erschöpft war und nie Zeit für persönliche Dinge hatte, weil sie irgend etwas falsch machte.

Wie schafften es die anderen Frauen trotz eines oder mehrerer Kinder, noch Hobbys nachzugehen oder einfach einmal auf dem Sofa zu liegen und zu lesen?

Mit der Erkenntnis, daß sie ihren Liebsten keineswegs von vorn und hinten bedienen mußte, war es dann schwierig geworden. Frank hatte überhaupt nicht einsehen wollen, daß eine halbtags arbeitende Notarin, Mutter und Ehefrau, auch Zeit für sich brauchte. Weiterhin war er am Wochenende zum Sport gegangen, ohne Daniel mitzunehmen und sie wenigstens auf diese Weise zu entlasten. Weiterhin hatte er seine Zeit abends in Fortbildung und das Treffen mit Freunden gesteckt, wobei schon weitere drei Abende verloren waren. Irgendwann hatte Christine einen Rappel bekommen und war in Streik getreten. Da war was los gewesen! Wenn sie daran dachte, mußte sie jetzt noch lachen. Frank hatte natürlich nicht geglaubt, daß es ihr ernst war. Sie hatte nur noch eingekauft und gewaschen, was dringend nötig war, damit Daniel nicht darunter litt. Ansonsten hatte sie einfach alles stehen- und liegenlassen. Frank hatte kein Hemd und keine Unterwäsche mehr sauber im Schrank vorgefunden, kein Abendessen bekommen, wenn er dann mal endlich erschien, und vor allem keine bereitwillige Ehefrau gehabt, die sich zärtlich in seinen Armen rekelte. Das hatte ihn allerdings nicht so getroffen wie alles andere.

Zwei Wochen hatte sie durchgehalten. Frank hatte kein Wort mehr mit ihr gewechselt, sondern war zu seiner Mutter gegangen und hatte sich dort beschwert. Christines Schwiegermutter war vorbeigekommen und hatte »ein ernstes Wort« mit ihr gewechselt, ohne Erfolg, auch Christines Mutter hatte dergleichen versucht. Beide Frauen verstanden nicht, worum es Christine gegangen war.

»Frank muß hart arbeiten und möchte noch viel erreichen. Das tut er doch für dich und Daniel, Kind.«

»Nein, das tut er für sich. Sein und mein Einkommen reichen gut und wir hätten viel Zeit für uns, wenn wir es dabei beließen, solange Daniel noch so klein ist. Frank denkt nur an sich, und meine Berufstätigkeit scheint nur eine Art Hobby für ihn zu sein.«

»Eine Frau muß eben zurückstecken. Zumal, wenn sie Kinder hat. Das ist doch eine schöne, lohnende Aufgabe.«

»Wenn wir uns mal scheiden ließen, würde ich kein Einkommen haben. Was ist dann noch lohnend? Das wäre dämlich.«

»Scheidung?«

Auf dieses Wort hatten beide Mütter mit atemlosen Entsetzen reagiert.

Nun war es aber ausgesprochen gewesen, und Christine hatte immer öfter darüber nachgedacht, was sie verlöre, wenn sie in die Tat umsetzte, was zuerst nur so dahingesagt gewesen war.

Schließlich war es ihr selbst albern vorgekommen, weiterhin die Hausarbeit in dieser Form zu verweigern. Sie fühlte sich nicht mehr wohl in der Wohnung. Frank hatte natürlich geglaubt, daß ihr Widerstand endlich gebrochen und sie wieder zur Vernunft gekommen war. Um ihm diese Illusion zu nehmen, hatte sie ihn nach einem besonders guten Essen um eine Unterredung gebeten und ihm klipp und klar gesagt, daß es so nicht mehr weiterginge. Daraufhin war er dann damit herausgerückt, daß eine Kollegin von ihm Christine auch überhaupt nicht verstehen könne. Sie würde alles für Frank tun, denn so sei es von der Natur nun einmal vorgesehen. Die Männer gingen arbeiten, und die Frauen sorgten für ein gemütliches Heim.

Christine war für Sekunden fassungslos gewesen. Gab es das noch? Oder hatte diese Kollegin es so nötig, daß sie glaubte, die Zeit der Jäger und Sammler sei noch immer nicht vorbei und einer hätte in der Höhle das Feuer zu hüten. Jedenfalls hatte Frank das Gegenteil erreicht mit dem Loblied auf seine Kollegin.

»Wenn sie dir mit dieser Einstellung so gut gefällt, dann weiß ich überhaupt nicht, warum wir noch zusammen sind. Du wirst nie erreichen, daß ich für dich alles aufgebe und nur noch am Herd stehe. Überleg es dir. Wenn sich hier nicht einiges ändert, möchte ich mich scheiden lassen.«

Weder Frank noch sie vermißten die sexlose Zeit sonderlich, die sich immer länger hinzog. Für Christine war das ein eindeutiges Zeichen, daß ihre Ehe sowieso schon nicht mehr war, was sie hätte sein sollen. Und Frank war zu keiner Einsicht bereit. Die Fronten verhärteten sich immer mehr, bis er eines Nachts nicht mehr nach Hause kam und Christine wußte, daß er bei der Kollegin schlief.

Irgendwann wäre es sowieso so gekommen. Sie hatte nicht viele Tränen vergossen und sich weder von ihrer Mutter noch von anderen ein schlechtes Gewissen machen lassen. Mit Daniel kam sie gut zurecht, und er vermißte seinen Vater nicht sehr, weil der ja schon vorher nicht viel Zeit mit ihm verbracht hatte. So war im Grunde allen gedient. Franks Selbstbewußtsein hatte allerdings einen solchen Knacks bekommen, daß er ziemlich übel über Christine sprach. Gemeinsame Freunde hatten sich nach und nach für sie oder Frank entschieden, und allmählich war die Informationsquelle über das, was Frank sagte oder tat, versiegt. Christine wußte nur, daß er inzwischen schon wieder die nächste Freundin hatte.

»Also, wenn dir nichts einfällt, dann organisiere ich etwas für dich. Dann gebe ich dir eine Party.«

»Hier bei mir in der Wohnung?«

»Nein, bei mir. Da ist sowieso mehr Platz. Daniel kann bei deiner Mutter schlafen. Das wird sie ja wohl machen.«

»Ja, wenn ich mir wieder anhöre, daß das alles ja eigentlich gar nicht nötig sei.«

»Das bist du doch schon gewöhnt«, gab ihre Freundin Suse gnadenlos zurück.

»Stimmt auch wieder. Aber dann übernehme ich die Kosten.«

»Okay, sind wir uns einig. Am nächsten Samstag wird also gefeiert. Ich werde mal sehen, daß ich ein paar schnuckelige Singles zusammenkriege. Oder möchtest du einen Stripper?«

»Nur, wenn er putzt. Hast du das schon mal gelesen? Sie kommen, ziehen sich splitterfasernackt aus und putzen Fenster und was man so geputzt haben möchte. Und die Damen sitzen zusammen, trinken Sekt und kichern sich halb tot.«

»Das wäre doch das passende Geschenk für deine Mutter und ihr Kaffeekränzchen. Stell dir mal vor, es klingelt bei ihr und…«

Beide prusteten los. Es gab wohl kaum jemanden, der so hanseatisch steif war wie Christines Mutter.

»O Gott, ich muß nach Hause. Immer wenn ich bei dir bin, rast die Zeit so dahin. Also, Chris, halte die Ohren steif. Für die Midlifecrisis ist es sowieso noch zu früh. Die darfst du frühestens mit Ende dreißig haben. Deshalb heißt sie ja Mitte des Lebens-Krise. Und da Frauen fast achtzig werden…«

»Stell dir vor, noch fünfzig Jahre…«, rechnete Christine und riß die Augen auf bei dieser Vorstellung.

»Na also, kein Grund für Selbstmitleid. Das ganze Leben liegt noch vor dir.«

Nachdem Suse gegangen war, dachte Christine noch einmal über ihre Worte nach. Sie hatte recht. Suse war zwar eine gnadenlose Optimistin und schien damit immer richtig zu liegen, jedenfalls was ihr eigenes Leben anbetraf, aber in diesem Fall hatte sie nicht übertrieben. Wenn Christine daran dachte, wie schlecht es anderen ging, dann sollte sie wirklich dankbar sein und den ganzen Tag frohlocken. Langeweile konnte man sicher sehr viel besser aushalten als Sorgen.

Daniel kam am nächsten Tag mit einer Einladung zum Elternabend aus der Schule zurück. Er ging erst seit einem halben Jahr zur Schule, und Christine war gespannt, wie sie und er mit dieser neuen Erfahrung zurechtkommen würden. Noch liebte er alles, was er dort erlebte und war ziemlich unkritisch. Aber wenn Christine an ihre eigene Schulzeit dachte, dann wußte sie, daß sich das bald ändern würde. Sie würde vielleicht schon die ersten Probleme zu Gehör bekommen, wenn sie den Elternabend besuchte. Ihre Mutter hatte diese Zusammenkünfte jedenfalls immer verabscheut, weil der Lehrer sich jedesmal über ihre aufmüpfige Tochter beschweren mußte, was Andrea Helmut ihrer Christine besonders übelnahm, weil er es vor allen Eltern verkündete. Wenn man nach der Maxime »Nur nicht auffallen« lebte, war das schon ziemlich hart.

Sie mußte Daniel einen unterschriebenen Zettel mitgeben, daß sie die Einladung bekommen habe und erscheinen würde. Stolz legte er ihn in seine Mappe zurück und verriet ihr, daß sie seinen Platz sofort erkennen würde, wenn sie in zwei Tagen die Klasse besuchte. Christine hoffte nur, daß er seinen Namen nicht in das Pult geschnitzt hatte. Das war nämlich damals ihre Idee gewesen, um sich unsterblich zu machen in der Schule.

*

Daniel hatte ein schönes Namensschild gemalt. Seine bunten Blumen und der riesige Schmetterling entlockten Christine ein stolzes Lächeln, als sie sich hinsetzte und um sich schaute. Die anderen Kinder hatten ähnliche Schilder angefertigt, so daß man gleich wußte, welches Kind zu welchen Eltern gehörte. Bei manchen war das nicht schwer zu erkennen.

Warum die kleine Rosalie so dick war, sah man an ihren Eltern. Und die schmale scharfe Nase von Tobias trug auch sein Vater im Gesicht. Viele Kinder aus der Klasse kannte Christine allerdings nicht.

Sie merkte, daß sie genauso neugierig gemustert wurde, und versuchte, nicht den Blick zu senken, sondern weiter offen und interessiert zu wirken. Vielleicht hätte sie doch nicht in Jeans und Tweedblazer kommen sollen. Dagegen war eigentlich nichts zu sagen, nur stand der Tweedblazer in ziemlichem Gegensatz zu der Spitzenbluse, die sie dazu ausgesucht hatte. Sie kleidete sich gern modisch, aber hier fiel sie auf.

Der Lehrer war groß und schlank und noch ziemlich jung. Er wirkte ein bißchen schüchtern, sicher lag es daran, daß er die Eltern nun zum ersten Mal alle auf einmal vor sich hatte und vermutlich ahnte, daß man sehr kritisch ihm gegenüber war.

»Guten Abend, liebe Eltern…«

Offenbar fiel ihm ein, daß nur wenige Elternpaare vollständig erschienen waren. Er wurde rot und überlegte schnell, ob er noch etwas hinzufügen mußte, damit sich auch die Geschiedenen oder Alleinstehenden angesprochen fühlten. Christine lächelte ihm zu. Er schien dankbar und fuhr fort.

»Ich freue mich, daß Sie so zahlreich erschienen sind. Heute wollen wir uns ein bißchen kennenlernen. Sie können mir im Anschluß an das, was ich Ihnen sagen möchte, Fragen stellen. Das nächste Mal schicke ich Ihnen zur Einladung eine Auflistung der Themen, die ich ansprechen möchte, und Sie können sie nach Belieben ergänzen. Aber für heute wollte ich nicht so förmlich sein. Also…«

Er faßte zusammen, was er bis jetzt mit den Kindern gemacht hatte und wie wunderbar und eifrig sie alle seien. Die Väter und Mütter wurden alle ein Stück größer, auch Christine.

Natürlich war es ziemlich geschickt von ihm, alle so zu loben, denn nun blieben die kritischen Fragen, die sich wohl mancher vorgenommen hatte, ungesagt. Nur ein Vater bemängelte, daß man nicht schnell genug voran ging mit dem Lehrplan. Das Leben sei schließlich hart und der Erfolg der Schule ausschlaggebend für die späteren Chancen. Christine grummelte mit einigen anderen, um ihren Unmut zu zeigen und Herrn Wolf zu unterstützen, doch wie sich zeigte, brauchte der das gar nicht.

»Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ich denke, die Kinder werden im Laufe der Jahre noch von selbst begreifen, daß sie mehr für sich als für die Schule lernen. Wir sollten ihren Eifer und Spaß nutzen, um einen Grundstein zu legen für die Erkenntnis, daß Lernen auch Spaß machen kann. Ich lehne jeden Drill ab und denke, daß die meisten von Ihnen meiner Meinung sind.«

»Aber ganz bestimmt sogar«, sagte Christine laut und wurde nun selbst rot, denn alle wandten ihr die Köpfe zu. Mancher hatte das gedacht und genickt oder gemurmelt, aber sie war richtig laut geworden.

»Wunderbar. Vielen Dank. Wenn das jetzt alles ist, würde ich sagen, wir beenden den Abend nun. Wenn Sie sonst noch einmal Fragen an mich haben, können Sie mich auch gern jederzeit anrufen. Die Telefonnummer haben die Kinder.«

Einige Eltern hatten mit Herrn Wolf offenbar gleich noch das eine oder andere zu besprechen. Christine verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken und ging hinaus. Sie fand den ersten Elternabend sehr gelungen, für alle Seiten. Daniel war kein schwieriges Kind und es war schön, daß der Lehrer das genauso sah.

»Ach, Frau… Baerwald…, einen Moment bitte noch…«

Herr Wolf winkte ihr zu. Christine wußte nicht, was sie davon halten sollte, und blieb zögernd stehen.

»Ich… wollte mich gern noch einmal mit Ihnen unterhalten. Daniel ist schon ziemlich weit und manchmal langweilt er sich ein bißchen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich ihn dann mit Lehrstoff beschäftige, der eigentlich nicht unbedingt zum Unterricht gehört? Er stört die anderen Kinder sonst zu leicht, indem er den Kasper spielt…«

»Den Kasper? Wie meinen Sie das?«