Der Papi aus Amerika - Karina Kaiser - E-Book

Der Papi aus Amerika E-Book

Karina Kaiser

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Liane Reiff schaute sich zufrieden in dem kleinen Zimmer um. Alles war für ein gemütliches Essen zu zweit gerichtet, nur Stefan fehlte noch. Leider war er nie besonders pünktlich. Auch heute, an diesem sonnigen Herbstabend, würde er es nicht sein. Er machte oft Überstunden, um schnell zu Geld und zu einem gewissen Wohlstand zu kommen. Aber er würde sich bestimmt freuen, wenn er den hübsch gedeckten Tisch sah. Sicher, das Geschirr war billig gewesen und die Tischdecke auch, aber der kleine Asternstrauß, den sie auf dem Weg hierher noch gekauft hatte, und die schlichten weißen Kerzen sorgten doch für eine gewisse festliche Nuance. Liane hatte Stefans Lieblingsgericht gekocht – Nudeln mit Hackfleisch und Tomatensoße. Mitunter amüsierte sie sich ein wenig darüber, denn Stefan mochte trotz seiner sechsundzwanzig Jahre am liebsten Kindergerichte – Milchreis mit Kirschen gehörte auch dazu. Für Liane war das kein Problem. Da ihre Mutter schon lange nicht mehr lebte, hatte sie bereits mit zwölf Jahren lernen müssen, den Vater zu versorgen. Daher wußte sie genau, daß Liebe auch durch den Magen ging. Hoffentlich war das bei Stefan auch so. Sie seufzte in sich hinein. Wenn sie nur immer wüßte, woran sie bei Stefan war. Er mußte eine große Enttäuschung hinter sich haben. »Anne«, hatte er schon mehrmals im Schlaf geflüstert. Am liebsten hätte sie ihn nach dieser Frau gefragt. Doch sie wagte es nicht. Stefan konnte mitunter sehr unfreundlich sein. Aber sie liebte ihn, obwohl sie erst seit zwei Monaten zusammen gingen, und obwohl er kein umgänglicher Mann war und sie oft

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Mami – 1916–

Der Papi aus Amerika

Wird Stefan sich zu seinem Sohn bekennen?

Karina Kaiser

Liane Reiff schaute sich zufrieden in dem kleinen Zimmer um. Alles war für ein gemütliches Essen zu zweit gerichtet, nur Stefan fehlte noch. Leider war er nie besonders pünktlich. Auch heute, an diesem sonnigen Herbstabend, würde er es nicht sein. Er machte oft Überstunden, um schnell zu Geld und zu einem gewissen Wohlstand zu kommen.

Aber er würde sich bestimmt freuen, wenn er den hübsch gedeckten Tisch sah. Sicher, das Geschirr war billig gewesen und die Tischdecke auch, aber der kleine Asternstrauß, den sie auf dem Weg hierher noch gekauft hatte, und die schlichten weißen Kerzen sorgten doch für eine gewisse festliche Nuance.

Liane hatte Stefans Lieblingsgericht gekocht – Nudeln mit Hackfleisch und Tomatensoße. Mitunter amüsierte sie sich ein wenig darüber, denn Stefan mochte trotz seiner sechsundzwanzig Jahre am liebsten Kindergerichte – Milchreis mit Kirschen gehörte auch dazu.

Für Liane war das kein Problem. Da ihre Mutter schon lange nicht mehr lebte, hatte sie bereits mit zwölf Jahren lernen müssen, den Vater zu versorgen. Daher wußte sie genau, daß Liebe auch durch den Magen ging. Hoffentlich war das bei Stefan auch so. Sie seufzte in sich hinein. Wenn sie nur immer wüßte, woran sie bei Stefan war.

Er mußte eine große Enttäuschung hinter sich haben.

»Anne«, hatte er schon mehrmals im Schlaf geflüstert. Am liebsten hätte sie ihn nach dieser Frau gefragt. Doch sie wagte es nicht. Stefan konnte mitunter sehr unfreundlich sein. Aber sie liebte ihn, obwohl sie erst seit zwei Monaten zusammen gingen, und obwohl er kein umgänglicher Mann war und sie oft unfreundlich behandelte. Manchmal verstand sie sich selbst nicht mehr. Warum blieb sie bei ihm? Nur die Hoffnung, ihn langsam von seiner unglücklichen Liebe heilen zu können, ließ sie sein rüdes Wesen ertragen. Ja, und manchmal – war er auch sehr nett.

Jetzt endlich hörte sie ihn kommen. Schnell zündete sie die Kerzen an und schaute noch in den Spiegel, der in dem kleinen Korridor von Stefans Wohnung hing. Sie sah sich so, wie sie war: Ein kleines, rundliches Mädchen mit hellblonden Haaren, einer Stupsnase und großen dunkelblauen Augen.

Inzwischen hatte Stefan Albrecht seine kleine Wohnung betreten. Nur flüchtig fiel sein Blick auf den gedeckten Tisch. Er begrüßte auch nur flüchtig das junge Mädchen, das so gern einen liebevollen Kuß bekommen hätte.

Wie sie schon wieder aussieht, dachte er verdrossen. Unmöglich hat sie sich angezogen. Wenn man schon klein und nicht ganz schlank ist, dann sollte man etwas Streckendes tragen. Das sollte ihr mal jemand sagen. Nun, er jedenfalls nicht. Sonst glaubte sie noch, er hätte ein Interesse an ihr – und das hatte er nicht und würde er niemals haben.

Diese Kleine war – ja, was war sie eigentlich für ihn? Stefan runzelte unmutig die Stirn, während er sich zu ihr an den Tisch setzte und sich den Teller füllen ließ. Sie war das Mädchen, das er in einer Diskothek kennengelernt hatte, das ihn mit einem »Hundeblick« angesehen hatte, und das er so schnell nicht losgeworden war. Außerdem war er nicht mehr ganz nüchtern gewesen, als er sie schließlich mit nach Hause genommen hatte.

Na ja, Stefan nahm sich eine zweite Portion Nudeln, mochte sie diese paar Wochen für ihn sorgen – in jeder Hinsicht. Dann war sowieso Schluß. Heute hatte er den Vertrag für eine Anstellung in Baltimore unterschrieben. Fünf Jahre würde er in Amerika arbeiten, dort Erfahrungen sammeln und gut verdienen.

Wenn er wiederkam, dann würde Annes Treuebruch vielleicht nicht mehr schmerzen. Und dieses Mädchen? Das hatte er bis dahin sowieso vergessen.

Liane lächelte ihm schüchtern zu. »Hat es dir geschmeckt?«

»Kochen kannst du gut«, sagte er nüchtern, griff nach der Tageszeitung und vertiefte sich darin. Er half ihr bewußt nicht beim Abwaschen. Er würde doch eine Frau nicht verwöhnen. Das hatte er einmal getan. Und wie hatte sie es ihm gedankt? Sie war mit einem anderen davon gelaufen, einem Doktor, der bereits eine gesicherte Position hatte und dessen Vater Professor war.

Liane stellte das Geschirr in den Schrank und sah betrübt zu Stefan hin, der sich immer noch hinter dem Tageblatt verschanzt hatte. Sie hatte gehofft, er würde sich mit ihr unterhalten oder auch ein wenig zärtlich sein. Aber das konnte er wohl nicht – nachdem ihn eine Frau so verletzt hatte. Er brauchte noch so viel Liebe, um überwinden zu können. Daran glaubte sie fest.

Als sie in der Nacht dicht nebeneinander lagen, streichelte sie behutsam über sein markantes Gesicht, über seine dunklen Haare und legte schließlich ihren Kopf auf seine nackte Brust.

»Ich habe dich lieb, Stefan«, flüsterte sie und hoffte wieder auf ein paar nette Worte von ihm.

Er antwortete ihr nicht, aber er zog sie dichter an sich heran. Sie war nicht der Typ Frau, für den er sich begeistern konnte, und er hätte sie wahrscheinlich schon längst aus seiner Wohnung gewiesen, wenn, ja wenn sie ihm nicht doch ein kleines Gefühl der Geborgenheit vermittelt hätte. Sie war immer für ihn da, fast jeden Tag, obwohl sie tagsüber als Bauzeichnerin arbeitete und nach Feierabend ihrem Vater den Haushalt machte. Offensichtlich bemutterte sie gern andere Leute. Das gefiel ihm, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte. Und er mochte ihren Duft – irgendwie nach Veilchen.

Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals – und sah doch die andere vor sich, die immer noch sein Herz und seine Sinne gefangen hielt.

*

Liane verließ glücklich und unglücklich zugleich die Praxis von Dr. Werner. Sie würde ein Kind haben, hatte er ihr gesagt und damit nur bestätigt, was sie selbst schon seit Wochen ahnte. Was würde Stefan dazu sagen? Nur einmal hatten sie über Kinder gesprochen. Er fühle sich noch nicht reif genug dafür, hatte er ihr damals erklärt, und er würde es ihr überlassen, etwas dagegen zu unternehmen. Und nun war es doch passiert. Ob er nun mit ihr schimpfen würde?

Liane lächelte. Die meisten Männer freuten sich schließlich doch, wenn sie Vater wurden. Vielleicht reagierte Stefan ähnlich. Und doch – das beklemmende Gefühl in der Brust blieb. Sie ging jetzt nicht nach Hause, sondern gleich zu ihm, denn auch er mußte jetzt Dienstschluß haben.

»Gut, daß du kommst«, sagte er nach ihrer liebevollen Begrüßung. Er stand vor zwei geöffneten Koffern und schien zu überlegen, was er einpacken sollte. »Ich wollte sowieso mit dir reden, aber nun muß es schon früher sein, als ich angenommen habe.«

»Du mußt – verreisen?« Ihre Stimme war nur ein Hauch.

Er schüttelte den Kopf. »Verreisen ist nicht der richtige Ausdruck. Ich reise ab, weil ich eine lukrative Stellung in den USA angenommen habe. In den Staaten wollte ich schon lange arbeiten. Nun hat es endlich geklappt. Allerdings muß ich schon übermorgen fliegen.« Stefan sprach so, als würde er über das Wetter reden.

Liane zitterten die Knie. Damit er das nicht bemerkte, setzte sie sich auf einen Stuhl. »Dann kommst du wohl vorläufig nicht wieder?«

»Ich habe mich für mehrere Jahre verpflichtet. Es kann aber sein, daß ich gar nicht mehr wiederkomme. Mal sehen, wie es mir dort gefällt.«

Nun war ihr alles klar. Es gab für sie keinen Platz in seinem Leben. Alles, was sie für ihn getan hatte, und der Kampf um seine Liebe waren umsonst gewesen. Doch sie würde nicht weinen – nicht jetzt.

Mechanisch holte sie seinen Wohnungsschlüssel aus ihrer Handtasche hervor und legte ihn auf den Tisch.

»Du wirst die Wohnung hier sicher schon gekündigt haben«, sagte sie ausdruckslos und ging in das winzige Bad. Dort packte sie ihr Waschzeug in eine Plastiktüte, ging danach zurück in den Wohnschlafraum. Äußerlich ruhig nahm sie die wenigen Kleidungsstücke, die sie hier liegen hatte, aus dem Schrank und legte sie ebenfalls in die Tüte.

Stefan sah ihr wortlos zu. Sie hatte sofort verstanden und machte ihm keine Szene. »Daß es mit uns mal zu Ende sein würde, das hast du sicher gewußt«, sagte er kühl. »Du findest bestimmt bald einen anderen, aber dann solltest du dich etwas vorteilhafter anziehen. Du siehst aus, als wenn du deine Klamotten beim Trödler kaufst. Vielleicht hast du ja wirklich kein Geld für eine Typ-Beratung und für vernünftige Kleidung. Deshalb schenke ich dir das.« Er zog seine Brieftasche hervor, nahm ein Bündel Scheine heraus und drückte ihr dieses in die Hand.

Liane starrte darauf wie auf etwas Grausiges. Sie war doch kein Mädchen, das man – bezahlte. Wut stieg in ihr auf, die sie nicht mehr bezähmen konnte. Sie sah diesen attraktiven Mann vor sich, der sie nur benutzt hatte und sie jetzt auch noch beleidigte. Die Scheine fielen ihr aus der zitternden Hand. Sie merkte es nicht, denn sie trat dicht an Stefan heran. In ihren Augen funkelten Tränen des verletzten Stolzes – und dann schlug sie zu, so hart sie konnte. Sie wartete seine Reaktion nicht ab, sondern riß ihre Sachen an sich und verließ erhobenen Hauptes die Wohnung.

Dieser Mistkerl! Er sollte sie nicht weinen sehen, und er sollte niemals erfahren, daß sie ein Kind von ihm haben würde. Sie würde das Kleine auch ohne seine Hilfe aufziehen.

Stefan hielt sich noch die schmerzende Wange, als er das Klappen der Wohnungstür vernahm. Soviel Temperament hatte er Liane gar nicht zugetraut. Plötzlich hatte er den Wunsch, ihr nachzulaufen und um Verzeihung zu bitten. Er ließ es jedoch. Die Entscheidung war gefallen. Es gab kein Zurück mehr.

*

Wie betäubt kam Liane zu Hause an. Ihr Vater und sie wohnten in einem kleinen Haus am Stadtrand.

Ewald Reiff, ein vitaler und gutaussehender Mittvierziger, hatte eben begonnen, sich ein paar Schnitten zum Abendessen zu machen. Als er die Tochter kommen hörte, wollte er sich gerade laut wundern, denn sie lebte doch schon seit Wochen mehr oder weniger bei diesem Stefan Albrecht, den er nicht einmal kannte.

Das Wort blieb ihm im Hals stecken, als er Lianes verstörtes Gesicht sah, und er ahnte sofort, was geschehen sein mußte.

»Mädelchen«, sagte er behutsam und nahm sie tröstend in seine Arme. »Sag mir, was passiert ist.«

»Er – er – geht – nach Amerika. Ich bedeute ihm nichts. Er hat es mir nicht – einmal gesagt, dabei – weiß – er es schon lange«, schluchzte sie verzweifelt.

Er wiegte sie hin und her und sagte leise: »Du wirst es überwinden und findest eines Tages einen besseren Mann. Wenn man zwanzig Jahre alt ist, fängt das Leben doch erst an. Komm, ich koche dir einen Tee, und dann ißt du ein paar Happen. Glaube mir, alles wird wieder gut.«

Liane sah bedrückt zu ihrem Vater auf. »Ich weiß nicht, ob alles wieder gut wird. Ich bekomme nämlich ein Kind.«

Ewald Reiff war nur einen Augenblick bestürzt. Er faßte sich schnell und meinte dann freudestrahlend: »Aber das ist ja prima. Ich eigne mich gut zum Großvater, und gemeinsam werden wir das Kind schon schaukeln.«

»Du bist nicht böse?«

»Überhaupt nicht. Was sagt denn dieser Stefan dazu?«

»Er weiß es nicht.« Lianes Züge wurden hart. »Ich will jetzt auch nicht mehr, daß er davon erfährt. Auf so einen Vater kann mein Kind verzichten.«

»Du bekommst dann keine Unterhaltszahlungen«, warnte der Vater.

Liane schüttelte bestätigend den Kopf und setzte sich dann auf einen Küchenstuhl. »Nein, das ist wahr. Aber ich schaffe es auch allein. Ich brauche ihn nicht, und mein Kind auch nicht.«

Ewald Reiff seufzte innerlich. Seine Tochter hatte ja keine Ahnung, wie schwer es war, ein Kind allein großzuziehen. Sie würde es mit der Zeit schon merken. Andererseits hatte sie recht. Warum sollte sie etwas erzwingen, was ihr wahrscheinlich nur Ärger einbringen würde? Dieser Stefan hatte sie anscheinend nur ausgenutzt. Vermutlich war er ein eiskalter, skrupelloser Mann, der sich sicher auch vor den Unterhaltszahlungen drücken würde.

Er lächelte ihr beruhigend zu. »Du hast ja mich, und ich halte zu dir. Wir schaffen das schon, Mädchen. Wir haben unseren Beruf und unser Haus. Wir haben somit Geld und Platz für deinen Nachwuchs.« Er strich ihr über das Haar. »Ich freue mich sehr auf das Kleine.«

Liane lächelte unter Tränen. »Ich auch, Papa.«

*

Es schien so, als würde sich das finanzielle Glück Vater und Tochter zuwenden, denn bald nach diesem Tag gewann Ewald Reiff eine größere Summe in der Lotterie. Nun konnte er sich endlich seinen Traum von der Selbstständigkeit mit einem eigenen Architekturbüro erfüllen. Er sprudelte fast über vor Freude und erarbeitete in kürzester Zeit ein Projekt zur Erweiterung des eigenen Hauses für das Büro und für eine Wohnung, in der Liane und das Kind gut leben konnten. Mit seinem Arbeitseifer steckte er seine Tochter an, so daß sie von ihrem Liebeskummer etwas abgelenkt wurde. Gemeinsam berieten und planten sie die Inneneinrichtung für die einzelnen Räume. Mit ganz besonderer Sorgfalt sollte das Kinderzimmer ausgestattet werden. Ganz in Hellblau und Beige gehalten, würde es für Klein-Lukas der ideale Ort zum Spielen und Schlafen sein.

Die Geburt des Kleinen versetzte den werdenden Großvater in tausend Ängste, aber er hielt sich tapfer.

Heute nun durfte er seinen Enkelsohn das erste Mal sehen. Mit einem großen Blumenstrauß und einem Körbchen Obst betrat er die Wochenstation und kurz darauf das Zimmer, in dem Liane zusammen mit drei anderen Wöchnerinnen lag.

Sie lächelte ihm verschmitzt entgegen. »Du siehst aus, als hättest du in dieser Nacht kein Auge zugemacht, Papa.«

»Habe ich auch nicht«, gestand er kläglich und drückte seine Tochter fest an sich. »Ich bin wie ein Tiger im Käfig herumgelaufen. Wenn nicht Hubert Gehring bei mir gewesen wäre, ich glaube, ich wäre vor Angst gestorben. Er wünscht dir und Lukas alles Gute und läßt dich herzlich grüßen. Aber wo ist der Kleine denn nun eigentlich? Ich sehe hier nur ein leeres Bettchen. Er ist doch nicht etwa – krank?«

»Nein, er ist ganz gesund. Das kannst du mir glauben. Und mir geht es auch gut. Also, Papa, nimm dir einen Stuhl und setze dich darauf. Lukas ist vorhin von der Schwester geholt worden. Schließlich muß er nach jeder Mahlzeit gewogen und neu verpackt werden.«

Das leuchtete Ewald Reiff dann auch ein. Er verkürzte sich die Zeit bis zur Besichtigung des neuen Erdenbürgers damit, daß er zuerst den Strauß in eine Vase stellte. Anschließend setzte er sich auf den angebotenen Stuhl und erzählte ihr das Neueste aus dem Büro. Dabei schälte er einen Apfel, zerteilte eine Apfelsine und legte ein paar Weintrauben auf den kleinen Teller, der auf Lianes Nachtschrank stand.

»Wann soll ich denn das alles essen?«

»Das schaffst du schon, du mußt neue Kräfte sammeln, weil…« Er unterbrach sich, denn eben brachte eine Säuglingsschwester die Kinder. Diese lagen in einem kleinen Wagen, auf den der vernarrte Großvater sofort zustürzte.

»Ist wohl Ihr erstes Kind?« meinte die Schwester nachsichtig.

»Mein erstes Enkelkind, gewiß«, berichtigte sie Ewald Reiff wohlwollend und schaute neugierig auf die Babys.

»Zeigen Sie meinem Vater bloß schnell das Kind«, sagte Liane lachend zu der Schwester. »Sonst fällt er vor Aufregung noch in Ohnmacht.«

Auch die anderen Frauen schmunzelten bereits über Ewald Reiff. Den störte das jedoch überhaupt nicht. Er hielt die Arme hin und ließ sich das kleine Bündel hineinlegen. Mit Tränen der Freude trug er den Kleinen zu seiner Mutter. »Du kannst ihn bestimmt besser halten als ich, und ich kann ihn mir so viel besser ansehen«, erklärte er mit belegter Stimme.

Klein-Lukas mußte nun eine gründliche Prüfung über sich ergehen lassen.

»Soll ich ihn noch ausziehen, damit du auch wirklich weißt, ob alles dran ist?« neckte Liane ihren Vater.