Die Kinder aus dem Nachbarhaus - Karina Kaiser - E-Book

Die Kinder aus dem Nachbarhaus E-Book

Karina Kaiser

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Ja, die Liebe hat bunte Flügel«, trällerte Ingrid Salomon gutgelaunt vor sich hin, während sie sich prüfend in dem großen Spiegel besah, der in ihrem Schlafzimmer hing. Das neue Frühjahrskostüm aus hellgrauer Wildseide stand ihr ausgezeichnet. Hinzu kamen eine zartrosa Bluse, eine schmale goldene Kette und dazu passende Ohrstecker. Das graumelierte Haar hatte sie erst am Vormittag zu einer schicken Kurzhaarfrisur schneiden lassen. O ja, sie konnte sich schon noch sehen lassen. Man sah ihr ihre siebenundfünfzig Jahre wahrhaftig nicht an, sie war sozusagen wohlgepflegt und gut erhalten.Sie drehte ihre zierliche Gestalt hin und her und lächelte ihrem Spiegelbild zu.»Oma, du siehst aber hübsch aus.« Dieses fachmännische Urteil kam von Tobias, ihrem fünfjährigen Enkelsohn, der sich leise ins Zimmer geschlichen hatte und nun hinter ihr stand.Die Frau drehte sich um, lachte und zauste dem Kleinen das blonde Haar. »Da bin ich aber sehr froh, daß ich dir gefalle. Aber wolltest du nicht mit Elisa spielen?Der Junge machte eine lässige Handbewegung. »Die spielt auch allein. Ist mir sowieso viel zu langweilig mit ihr. Dauernd soll ich einen Turm bauen, den sie doch nur kaputt macht.»Sie kann noch nichts anderes, weil sie noch so klein ist«, mahnte die Großmutter nachsichtig. »Als du zwei Jahre alt warst, hast du so etwas auch sehr gern getan.Tobias antwortete nicht, grinste nur und griff schmeichelnd nach Ingrids Hand. »Oma, kann ich noch einen Mohrenkopf haben?

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Mami – 1931–

Die Kinder aus dem Nachbarhaus

… geben Maria einen neuen Lebenssinn

Karina Kaiser

»Ja, die Liebe hat bunte Flügel«, trällerte Ingrid Salomon gutgelaunt vor sich hin, während sie sich prüfend in dem großen Spiegel besah, der in ihrem Schlafzimmer hing. Das neue Frühjahrskostüm aus hellgrauer Wildseide stand ihr ausgezeichnet. Hinzu kamen eine zartrosa Bluse, eine schmale goldene Kette und dazu passende Ohrstecker. Das graumelierte Haar hatte sie erst am Vormittag zu einer schicken Kurzhaarfrisur schneiden lassen. O ja, sie konnte sich schon noch sehen lassen. Man sah ihr ihre siebenundfünfzig Jahre wahrhaftig nicht an, sie war sozusagen wohlgepflegt und gut erhalten.

Sie drehte ihre zierliche Gestalt hin und her und lächelte ihrem Spiegelbild zu.

»Oma, du siehst aber hübsch aus.« Dieses fachmännische Urteil kam von Tobias, ihrem fünfjährigen Enkelsohn, der sich leise ins Zimmer geschlichen hatte und nun hinter ihr stand.

Die Frau drehte sich um, lachte und zauste dem Kleinen das blonde Haar. »Da bin ich aber sehr froh, daß ich dir gefalle. Aber wolltest du nicht mit Elisa spielen?«

Der Junge machte eine lässige Handbewegung. »Die spielt auch allein. Ist mir sowieso viel zu langweilig mit ihr. Dauernd soll ich einen Turm bauen, den sie doch nur kaputt macht.«

»Sie kann noch nichts anderes, weil sie noch so klein ist«, mahnte die Großmutter nachsichtig. »Als du zwei Jahre alt warst, hast du so etwas auch sehr gern getan.«

Tobias antwortete nicht, grinste nur und griff schmeichelnd nach Ingrids Hand. »Oma, kann ich noch einen Mohrenkopf haben?«

»Natürlich, aber iß ihn in der Küche. Sonst will Lisi auch noch einen haben, aber sie hat für heute schon genug genascht.«

Beide verließen nun das Schlafzimmer. Tobias holte sich sein »Leckerli«, während Ingrid Salomon zum Zimmer ihrer Enkeltochter ging. Das kleine Mädchen quietschte freudig, als es die Großmutter sah. Es lief der Frau entgegen, die es lachend auf den Arm nahm und ihm ein Küßchen auf die Wange gab.

»Na, du kleine Trine?«

Elisas Antwort war ziemlich unverständlich, doch das störte die Großmutter nicht. Sie drückte das Kind noch ein wenig an sich und setzte es dann wieder auf den bunten Teppich zurück, wo es sofort wieder mit seinen Holzbausteinen zu spielen begann. In diesem Augenblick kam auch Tobias zurück und ließ sich nun nach der Stärkung gnädig herab, noch bis zum Abendessen mit seiner Schwester zu spielen.

Ingrid sah auf die Uhr. Hoffentlich kam Daniel heute so pünktlich, wie er es ihr versprochen hatte. Sie ging zum Küchenfenster, von dem sie die Straße und die Einfahrt zum Grundstück überblicken konnte. Es dauerte nicht lange, da standen die Kinder neben ihr. Sie nahm das kleine Mädchen auf den Arm, damit es hinaussehen konnte. Der Junge stand inzwischen auf einem Stuhl.

»Papi kommt!« schrie er nach kurzer Zeit und vollführte so eine Art Indianertanz. Er hüpfte wild umher, wobei er mit den Armen herumfuchtelte.

»Papi, Papi«, wisperte auch die kleine Elisa und zappelte so aufgeregt, daß Ingrid sie schnell von ihrem Arm gleiten ließ, ihr so die Möglichkeit gebend, genau wie ihr Bruder, dem Vater entgegenzulaufen.

Kurz darauf betrat Daniel Salomon die Küche. Er begrüßte die Kinder liebevoll und wollte auch seiner Mutter ein Küßchen auf die Wange drücken, hielt jedoch verblüfft inne.

»Mama!« rief er staunend. »Du hast dich aber flott gemacht. Du warst doch nicht nur beim Friseur? Hast du dich etwa liften lassen?«

»So etwas ist zwischen elf und Mittag wohl kaum zu schaffen. Außerdem gebe ich für diesen Unsinn meine Rente gewiß nicht aus. Aber ich war noch zur Kosmetik und habe mir anschließend dieses schicke Ensemble gekauft.« Ingrid zeigte sich von allen Seiten, damit ihr Sohn sie genau betrachten konnte.

»Und uns hat Oma Mohrenköpfe mitgebracht«, erklärte Tobias und verzog seinen Mund genießerisch.

»Soso«, machte Daniel nur und legte seine Jacke ab.

»Du bist doch heute abend zu Hause?« vergewisserte sich seine Mutter und schaute heimlich auf ihre Uhr.

»Hm, aber warum fragst du? Willst du denn heute noch weg?«

»Ja«, Ingrid lächelte verschmitzt. »Ich habe noch eine Verabredung, ich bin jedoch…«

… so gegen zweiundzwanzig Uhr wieder hier, wollte sie noch sagen, doch ihr Sohn unterbrach sie gutmütig spottend: »Du hast also eine Verabredung? Nun sage mir nur noch, daß du auch noch einen Freund hast, dann kann mich nach diesem anstrengenden Tag nichts mehr erschüttern.«

»Genauso ist es, mein Sohn, ich habe einen Freund, seit vier Monaten schon.«

Nach diesem Geständnis machte Daniel ein regelrechtes Schafsgesicht. »Du – hast – einen – Freund?«

»Gewiß.« Die Mutter lächelte amüsiert. »Und ich sage dir auch, wer es ist, nämlich Werner Lietzmann, den du sicher flüchtig kennst.«

»Dachdeckermeister Lietzmann?«

»Richtig.«

»Mit dem mußt du dich auch einlassen, mit diesem unverbesserlichen Nörgler und Querulanten. Wenn ich den als Nachunternehmer hatte, dann bin ich ständig in Bauverzug geraten.« Daniel übertrieb gewaltig, wie immer, wenn ihm etwas nicht paßte.

Seine Mutter nahm seine Äußerungen gelassen hin. »Eure beruflichen Querelen interessieren mich nicht. Ich finde, daß Werner ein umgänglicher und fürsorglicher Mann ist. Wir mögen uns und wollen es uns die verbleibenden Jahre noch recht schön machen, wir wollen reisen…«

»Er hat einen silbergrauen Mercedes, S-Klasse«, warf Tobias mit wichtiger Miene ein.

»Woher weißt denn du das?« fragten Mutter und Sohn wie aus einem Mund.

»Weil das Auto gestern abend hier war und vorgestern auch. Oma hat gedacht, ich schlafe schon, aber ich habe genau gesehen, daß sie bei dem Opa gestanden und mit ihm erzählt hat.«

»Und warum erzählst du mir das nicht?« Daniel grinste seinen Sohn zwar an, wußte aber nicht, wie er mit der Tatsache, daß seine seit langem verwitwete Mutter einen festen Freund hatte, umgehen sollte.

»Du kommst ja meist erst so spät nach Hause«, beschwerte sich Tobias. »Da schlafe ich doch schon.«

»Ist auch wahr«, brummte Daniel und setzte nachdenklich hinzu: »Oma hat also einen Freund.«

Seine Mutter stand indessen wieder am Fenster. Sie hatte Elisa auf das Fensterbrett gestellt und hielt sie fürsorglich fest.

»Da, Auto«, zwitscherte die Kleine und wies mit dem Fingerchen auf den Mercedes, der soeben in der Nähe der Einfahrt anhielt.

»Werner ist da!« rief Ingrid fröhlich und stellte das kleine Mädchen auf den Fußboden. Zu ihrem Sohn gewandt, sagte sie: »Ich habe euch das Abendbrot vorbereitet, steht alles im Kühlschrank, und einen Kakao für die Kinder wirst du doch wohl allein fertig kriegen.«

»Wann kommst du wieder, Oma?«

»Bald, Tobias. Ich will nur…«

»… mit dem alten Lietzmann zu einem feinen Restaurant fahren«, vollendete Daniel ihren Satz mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck.

Die Mutter lachte. »Das hat eine arme Witwe, wie ich es bin, sich ja auch mal verdient.«

Während dieser Worte hatte sie sich einen leichten Mantel übergeworfen und verließ dann mit einem »Tschüß, Kinder«, das Haus.

Daniel sah noch, wie sie den noch recht ansehnlichen Dachdeckermeister freundlich begrüßte und dann zu ihm ins Auto stieg.

Mama hat einen Freund, dachte er abermals. Fassungslos fuhr er sich durch die hellbraunen Haare und goß sich dann einen Cognac ein. Den brauchte er jetzt. Wenn er auch meist die Übersicht und seine Gelassenheit behielt, in diesem Fall jedoch war der Bauleiter Daniel Salomon ziemlich ratlos. Er konnte nur hoffen, daß seine Mutter und dieser Mann nicht heiraten wollten. Denn dann würden sie sicher zusammenziehen wollen. Und wer kümmerte sich dann um Tobias und Elisa?

Daniel goß sich einen zweiten Schnaps ein und ging damit ins Wohnzimmer, wo seine Kinder inzwischen vor dem Fernsehapparat saßen. Er trank auch dieses Glas in einem Zug aus. Wer sollte nur seine Kinder betreuen, wenn seine Mutter noch einmal heiraten sollte?

Warum nur mußte seine Frau so früh sterben?

Daniel überlegte, wie er seine Mutter überzeugen konnte, daß sie vorläufig bei ihm blieb. Es fiel ihm jedoch nichts ein. Deshalb verschob er das Suchen nach geeigneten Argumenten auf einen späteren Zeitpunkt. Vieles wurde ja auch nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Seufzend setzte er sich auf die Couch, um vor dem Abendessen noch die Tageszeitung zu lesen.

*

Maria Wilke drückte in einem Moment des Alleinseins stöhnend den Kopf in beide Hände. Eigentlich hatte sie ihre Arbeit immer gern gemacht, aber was seit Wochen hier in der Redaktion der beliebten Familienzeitschrift »Die Frau von heute« abging, konnte auch handfestere Menschen nervlich an das Ende der psychischen und physischen Belastbarkeit bringen.

Angefangen hatte alles, als sie während einer Dienstreise die Annäherungsversuche ihres Chefs rigoros abgewiesen hatte. Das hatte er ihr sehr übel genommen. Das war ihr mittlerweile klar geworden. Einem Mann wie Axel Böhmke gab man doch keinen Korb! Vier Wochen später hatte er Tina Römer eingestellt.

Maria hatte die neue Kollegin anfangs sogar sehr nett gefunden, so wie alle anderen auch. Die hübsche Tina, die so gern lachte, paßte anscheinend so richtig in dieses Arbeitsteam, und der Chef war so nach und nach begeistert von ihr gewesen. Von ihren beruflichen Fähigkeiten oder von ihrer kurvenreichen Figur blieb allerdings offen. Darüber sprach niemand. Tatsache aber blieb, daß er sie lancierte. Das wußten alle, man sah jedoch auch darüber stillschweigend hinweg. Alle Mitarbeiter kannten das unberechenbare Temperament von Axel Böhmke zur Genüge. Vermutlich würde er sehr schnell einen Grund finden, um jemanden, der sich unbeliebt gemacht hatte, in eine andere Abteilung zu versetzen. Und wenn sich wirklich kein Grund fand, dann gab es ja noch andere Mittel, um jemanden sogar die Kündigung nahezulegen. Mittel, gegen die man nichts machen konnte, weil sie so verschwommen und hinterhältig waren, daß man sie nicht beweisen konnte.

Maria spürte das schon sehr lange, und sie vermutete, daß Tina Römer eine wesentlich besser bezahlte Stellung haben wollte, ihre zum Beispiel. Mittlerweile hatte sie es wohl geschafft, den Chef davon zu überzeugen, daß sie selbst für diesen Posten besser geeignet sei.

Was sollte sie nur dagegen tun?

Ihre Arbeit so gut wie möglich machen und sich nichts anmerken lassen. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Maria seufzte leise und begann den Artikel über das britische Königshaus ins Deutsche zu übersetzen.

Während der Mittagspause war sie früher oft mit Maren Fechow und Anja Brunk zum nahegelegenen Bistro gegangen, um dort eine Kleinigkeit zu essen. Jetzt hatten die Damen entweder keinen Hunger, oder gingen mit Tina Römer in ein besseres Lokal. Meist kam auch der Chef mit.

Auch heute war es nicht anders.

Maria war froh, als es endlich Feierabend war. Aber auch auf diesen konnte sie sich nicht mehr freuen. Irgend etwas war anders als früher, ebenfalls seit Wochen. Oder schon länger?

Hatte sie sich verändert, oder war Simon ein anderer geworden? Die Zeit, wo sie ein verliebtes Paar gewesen waren, schien in weite Ferne gerückt zu sein. Nichts erinnerte mehr an das gute Einvernehmen, das jahrelang zwischen ihnen geherrscht hatte. Jetzt gab es nur noch ein belangloses Nebeneinander. Und Simon war so oft fort, Dienstreisen, Tagungen, und dann war sein Vater krank geworden, nicht lebensgefährlich, aber offenbar so, daß Simon ihn sehr oft besuchen mußte.

Maria kannte den zwar sehr klugen, aber im täglichen Leben reichlich unselbständigen alten Herrn gut und hatte sich angeboten, Urlaub zu nehmen, damit sie sich um Prof. Bruckner kümmern konnte. Simon hatte ihren Vorschlag schnell abgelehnt, viel zu schnell.

Dafür mußte er seine Gründe haben, aber welche?

Diese Gedanken ließen sich nicht verbannen. Wie lästige Vögel hockten sie in Marias Kopf und behinderten ihr logisches Denkvermögen und machten sie unaufmerksam.

Mein Gott, jetzt wäre sie doch beinahe bei »Rot« über die Kreuzung gefahren. Mit quietschenden Bremsen kam der Kleinwagen zum Stehen. Maria ärgerte sich über sich selbst. Mit äußerster Konzentration fuhr sie weiter bis zum Supermarkt, kaufte dort das Nötigste ein und fuhr schließlich nach Hause – zu der hübschen Dreizimmerwohnung, die sie seit sechs Jahren mit dem Zahnarzt Dr. Simon Bruckner bewohnte.

Er war schon da, saß mit gefurchter Stirn in einem der beigefarbenen Sessel, die sie sich im vorigen Jahr gemeinsam gekauft hatten.

Maria stellte die Einkauftstüte in der Küche ab, ging zu ihm hin und küßte ihn flüchtig auf die Wange. »Du siehst besorgt aus. Geht es deinem Vater schlechter?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, Papa befindet sich auf dem Wege der Besserung. Er kann bald wieder seine Vorträge halten.«

Maria zog indessen ihren Mantel aus und hing ihn an die Flurgarderobe. Von dort fragte sie: »Hattest du Ärger in der Praxis?«

»Nein.«

Das klang so kurz angebunden, daß Maria es nicht mehr wagte, noch weitere Fragen zu stellen. Sie senkte resigniert den Kopf und ging in die Küche, um das Abendbrot vorzubereiten. Nach einer kleinen Weile kam Simon ihr nach.

»Wir müssen miteinander reden«, sagte er mit heiserer Stimme und setzte sich auf einen Küchenstuhl.

»Das will ich schon seit Wochen, aber deiner Meinung nach habe ich bisher immer nur Gespenster gesehen.« Maria legte das Tomatenmesser beiseite und sah ihren Freund ernst an.

»Ja, das habe ich gesagt, bewußt gesagt, weil ich hoffte – weil ich glaubte…« Simon verschränkte die Hände ineinander und öffnete sie wieder. Maria sah ihm seine Ratlosigkeit an, und sie ahnte, was nun kommen würde.

»Was hast du erhofft?«

»Daß ich… ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Ich habe es nicht gewollt – jedenfalls anfangs nicht – aber nun ist es passiert…«

Durch Marias Körper lief ein Zittern. »Du hast eine andere.« Das war keine Frage mehr, sondern eine Feststellung.

»Ja.«

»Wie lange schon?«

»Ein halbes Jahr. Sie heißt Anne Müller und studiert Psychologie. Sie hat eine Zeitlang Papa den Haushalt geführt, weil ihn seine Wirtschafterin plötzlich verlassen hatte.«

»So war das also.« Maria war so, als stände sie neben sich. »Und diese Anne hat offensichtlich nicht nur deinen Vater – betreut?«

»So mußt du nicht denken«, sagte er nachdrücklich. »Anne hat das auch nicht gewollt, sie hatte auch einen Freund, den sie um meinetwillen verlassen hat.«

Simon stand auf und wollte Maria in die Arme nehmen. »Es tut mir alles so leid«, würgte er hervor.

Maria wehrte sich nicht gegen seine Umarmung, aber sie erwiderte sie nicht. Starr und steif stand sie da. »Was hast du nun vor?«

Simon ließ sie los und ging nervös hin und her. Schließlich blieb er vor ihr stehen.

»Anne und ich werden heiraten«, entgegnete er fest. »Ich liebe diese Frau, und sie erwartet – ein Kind – von mir.«

Diese Mitteilung empfand Maria wie einen Schlag ins Gesicht. Sie taumelte und sank auf einen Stuhl. Die andere Frau bekam – ein Kind!