Mami 1961 – Familienroman - Eva-Maria Horn - E-Book

Mami 1961 – Familienroman E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Tränen liefen über Corinnas Wangen. Sie beachtete es nicht. "Alle Schulferien habe ich bei Großmutter verbracht. Meine Eltern waren oft wütend, aber ich habe mich immer durchgesetzt. Ich wollte nicht nach Afrika oder auf eine fremde Insel. Mein Ferienparadies war hier, hier auf dem Moorhof. Wenn ich aus dem Zug stieg, stand die Kutsche mit dem alten Johann vor dem Bahnhof. Und dann ging es über die Heide, und ich durfte kutschieren." Sie saß auf der brüchigen Mauer, die Hände spielten in den Pflanzen, die zwischen den Steinen wuchsen. Sie starrte auf das Wasser, das über den Sand rollte und wieder zurückwich. Der Himmel spiegelte sich im Meer, aber das sah sie nicht. Sie war wieder das junge Mädchen, das die Stufen zum Haus hinaufrannte und die Haustür aufstieß. "Großmama, ich bin da." Und immer saß die Großmutter in ihrem Sessel, streckte die Arme aus und strahlte über das ganze, liebe Gesicht. "Corinna, mein Liebling, wie schön, daß du da bist." Corinna spürte sogar die Arme, die sich um sie legten, spürte die Wange der Großmutter an ihrem Gesicht. Die Erinnerung war so stark, daß das gewohnte Glücksgefühl sie überströmte. "Tage, die sich wie Perlen aneinander reihten", flüsterte sie. Hans Deiters war froh, daß von ihm keine Antwort erwartet wurde.

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Leseprobe: Neuanfang

Auf dem kleinen Flugplatz herrschte emsiges Treiben. Viele Hobbypiloten waren gekommen, um das Wochenende und das schöne Wetter für ein paar Flugstunden zu nutzen oder um die Maschinen zu pflegen und durchzuchecken. Soeben wurde ein motorloser Segelflieger von einem Schleppflugzeug in die Höhe gezogen. Wenke Hellström beobachtete fasziniert, wie sich die Fahrwerke der beiden Flugzeuge von der Startpiste lösten und ihren Flug nach oben aufnahmen; der leichte Segler durch ein Schleppseil mit seinem größeren, motorisierten Bruder verbunden. Irgendwann würde er sich von ihm trennen und in ein hinreißendes Wechselspiel aus elegantem Gleitflug und dem Steigen im Aufwind eintauchen. Als begeisterte Seglerin wusste Wenke einen guten Wind zu schätzen und liebte das Spiel mit ihm – allerdings auf dem Wasser und nicht in der Luft. Schon als kleines Kind war das Segelboot ihr zweites Zuhause gewesen. Diese Leidenschaft hatte sie nie verloren, auch wenn man das nach den jüngsten Ereignissen vermuten dürfte. Es waren fast zwei Wochen vergangen, seit sie zusammen mit Lars bei einem schweren Unwetter in Seenot geraten war. Während es ihm gelang, am gekenterten Boot zu bleiben, wurde sie abgetrieben und galt vier endlos lange Tage als vermisst. Seit etwas mehr als einer Woche war Wenke nun zurück. Lars, ihr Lars hatte sie gerettet! Aus den Händen des merkwürdigen Karl Aresson, der Strandgut sammelte und sie nicht von seinem Hof hatte fortlassen wollen. Nein, verständlicherweise hatte Wenke bislang noch keinen großen Drang verspürt, wieder eine Segeltour zu unternehmen. Seit sie wieder in Lündbjorg war, fühlte sie sich wie in einem Kokon eingesponnen, aus dem sie nicht richtig herauskam. Obwohl sie sich bemühte, es niemanden merken zu lassen. Die Ereignisse auf der abgelegenen Landzunge auf dem Hof von Karl Aresson hatte sie tief in sich verschlossen. Etwas in ihr weigerte sich, darüber zu sprechen. Selbst mit Lars konnte sie darüber nicht reden. Ihr Wiedersehen mit ihm war unaussprechlich und innig gewesen.

Mami – 1961 –

Sascha – nie mehr allein

… doch liebt Papi die richtige Frau?

Eva-Maria Horn

Tränen liefen über Corinnas Wangen. Sie beachtete es nicht.

»Alle Schulferien habe ich bei Großmutter verbracht. Meine Eltern waren oft wütend, aber ich habe mich immer durchgesetzt. Ich wollte nicht nach Afrika oder auf eine fremde Insel. Mein Ferienparadies war hier, hier auf dem Moorhof. Wenn ich aus dem Zug stieg, stand die Kutsche mit dem alten Johann vor dem Bahnhof. Und dann ging es über die Heide, und ich durfte kutschieren.«

Sie saß auf der brüchigen Mauer, die Hände spielten in den Pflanzen, die zwischen den Steinen wuchsen. Sie starrte auf das Wasser, das über den Sand rollte und wieder zurückwich. Der Himmel spiegelte sich im Meer, aber das sah sie nicht.

Sie war wieder das junge Mädchen, das die Stufen zum Haus hinaufrannte und die Haustür aufstieß.

»Großmama, ich bin da.«

Und immer saß die Großmutter in ihrem Sessel, streckte die Arme aus und strahlte über das ganze, liebe Gesicht.

»Corinna, mein Liebling, wie schön, daß du da bist.«

Corinna spürte sogar die Arme, die sich um sie legten, spürte die Wange der Großmutter an ihrem Gesicht. Die Erinnerung war so stark, daß das gewohnte Glücksgefühl sie überströmte.

»Tage, die sich wie Perlen aneinander reihten«, flüsterte sie.

Hans Deiters war froh, daß von ihm keine Antwort erwartet wurde.

»Bei Großmutter wurde ich mit Liebe eingehüllt, hier bekam ich das, was ich das ganze Jahr entbehrte. Oh, warum bin ich nur in den letzten Jahren fortgeblieben? Warum war mir meine Ausbildung und alles andere wichtiger? Jetzt ist sie tot, und ich kann ihr nie mehr sagen, wie lieb ich sie hatte.«

Hans räusperte sich. Er saß auf der Mauer, die rechts von dem kleinen Törchen stand, das Törchen hing windschief in den Angeln und quietschte entrüstet, wenn man es öffnete. Hans hatte sich von seiner Überraschung noch lange nicht erholt. Ja, er war geradezu erschlagen. Aber auf wunderbare Weise überrascht.

Er kannte Corinna Bieger jetzt ein halbes Jahr, besonders verliebt war er eigentlich nicht in sie gewesen. Sie sah gut aus, war ein lustiger Kamerad, aber sie war ihm zu prüde, andere Mädchen machten es ihm leichter. Aber ihre spröde Art war es wohl, die ihn reizte.

Als sie vom Tod ihrer Großmutter erfuhr, traf er sie völlig aufgelöst. Voll Mitleid hatte er sie in die Arme geschlossen, und zum ersten Mal hatte er in dem Augenblick Zärtlichkeit für sie empfunden. Sie hatte sich in seine Umarmung hineingeschmiegt, hatte sich trösten lassen.

Aber zur Beerdigung war er nicht mitgefahren. »Das ist nicht mein Ding«, hatte er abgewehrt. »Ich gehe nie auf einen Friedhof.«

Sie war allein gefahren, und er hatte nicht mal ein schlechtes Gewissen gehabt.

Aber gestern abend hatte sie ihn angerufen. Ganz aufgeregt. »Stell dir vor, Hans. Großmutter hat mich als Erbin für ihr Haus eingesetzt. Mich, mich ganz allein. Und einen lieben, lieben Brief hat sie mir dazu geschrieben.«

Das hatte ihn wachgerüttelt. Deswegen hatte er sich heute morgen in aller Frühe in seinen alten, klapprigen Wagen gesetzt und war hierher gefahren.

Nicht, daß er sonderlich Großes erwartet hatte. An eine Kate hatte er gedacht, an ein kleines Häuschen, einem Gartenhäuschen ähnlich.

Nicht im Traum war ihm in den Sinn gekommen, was für ein Besitz der Moorhof war.

Hans lag der Länge nach auf der Mauer, hatte den Kopf in die Hand gestützt und sah durch die verwitterten Bäume zum Haus hinüber. Aus grauem Sandstein war es gebaut, es wirkte auf Hans eindrucksvoll, ja, imponierend. Die Fenster waren schmal, bleiverglast, aber die blauen Fensterläden hoben die Strenge auf. Und das tief herabgezogenen Reetdach vermittelte etwas wunderbar Beschützendes, besser konnte Hans es nicht ausdrücken.

Es war kein Gartenhaus. Es war ein Besitz. Und was für einer. Und als er mit ihr ins Haus ging, ja, ja, dann hatte es ihn förmlich umgehauen.

Von Möbeln verstand er nicht viel. Aber daß diese Möbel, die Teppiche wertvoll waren, das sah sogar er.

Und neben dem Kamin, der mit Delfter Kacheln geschmückt war, hing ein Bild. Ein echter Modersohn. Und so ganz nebenbei, als wäre das überhaupt nichts Besonderes, sagte sie: »Ja, das ist ein echter. Die Mutter von Großmutter ist mit ihr in die Schule gegangen. Sie war mit ihr bis zu ihrem Tod befreundet. In ihrem Schlafzimmer hängen noch zwei Bilder, die nie ausgestellt wurden, vermutlich weiß niemand von ihnen. Großmutter hätte sich nie von ihnen getrennt.«

Es hatte Hans einfach umgehauen. Als sie in die Küche zu der alten Haushälterin ging, hatte er sich zurückgezogen und den Makler angerufen. Natürlich mußte Corinna den Besitz verkaufen. Was wollte sie schließlich damit? Und als er den Preis hörte, den der Mann ihm bot, war ihm einfach die Luft fortgeblieben.

Für Hans war alles klar.

Corinna und er würden heiraten. Sie kauften das Haus am Stadtrand, am Sonntag hatten sie es sich zum Spaß angesehen und sich über die kleinen Zimmer amüsiert. Mit Freunden waren sie dort gewesen, die dringend eine Wohnung suchten. Für die waren die Häuser unerschwinglich.

Aber für ihn, für Hans Deiter, nicht. Selbstgefällig, glücklich schnaufte er. Er warf einen Blick auf sie. Sie war noch immer in ihren Träumen gefangen.

Mit ihren verwaschenen Jeans, die sie bis zum Knie hochgekrempelt trug, der Bluse, die durch das viele Waschen die Farbe eingebüßt hatte, sah sie keineswegs wie eine reiche Erbin aus.

Denn reich war sie. Das war sicher.

Es hatte ihn oft gewundert, wie wenig Wert Corinna auf Kleidung legte. Und trotzdem hatte er immer das Gefühl, daß sie stets passend angezogen war. Corinna war eben Corinna, und man nahm sie so, wie sie war.

Träume umfingen Hans. Er würde sie heiraten… das war ja wohl klar. Wer ließ sich schon so einen goldenen Fisch von der Angel nehmen? Das Haus kostete nur einen Bruchteil dessen, was sie für diesen Besitz bekamen.

Er konnte sich den ersehnten Sportwagen kaufen… er konnte seinem Chef die Arbeit vor die Füße werfen.

Er konnte sich endlich selbständig machen. Ein Traum – nie hatte er zu hoffen gewagt, daß er möglich war – ging in Erfüllung.

Allein die Modersohnbilder brachten ein Vermögen. Ihm wurde ganz schwindelig, wenn er an die Summen dachte.

Sie sprach noch immer, wie in einem Traum gefangen. Er richtete sich auf, rutschte über die von Unkraut überwucherte Mauer bis zum Törchen. Er suchte ihren Blick, aber sie starrte nur auf das Wasser, als sehe sie es zum ersten Mal.

»Du darfst dich nicht in deinen Kummer verrennen, Liebste.« Er legte viel Zärtlichkeit in seine Stimme. »Ihr hattet immer schöne Ferien miteinander. Und natürlich wußte sie, wie lieb du sie hattest. Natürlich wußte sie das. Wir sollten uns jetzt den praktischen Dingen zuwenden. Ich habe mit dem Makler vom Ort Kontakt aufgenommen. Er hat mir vorgeschlagen, daß er am Spätnachmittag zum Moorhof kommt. Er wird dir einen anständigen Preis machen. Sieh mich nicht so verständnislos mit deinen schönen blauen Augen an, Liebste. Natürlich kannst du das Haus nicht behalten, du mußt verkaufen. Du bist nicht in der finanziellen Lage, dir ein Ferienhaus zu leisten, dazu ist der Moorhof auch viel zu groß. Er ist ein Besitz, und wenn man ihn pflegen will, wenn man ihm gerecht werden will, braucht man viel Zeit und auch viel Geld.

Du wirst es verkaufen. Wir werden heiraten, wir werden das Haus kaufen, das Ruth und Walter sich ansahen… und wir werden noch so viel Geld übrig haben, um uns auch noch andere Wünsche zu erfüllen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin.«

Offensichtlich kam sie nur zögernd aus dem Land der Erinnerung zurück. Sie starrte ihn an… sie prustete eine blonde Locke aus der Stirn und kniff die Augen ein wenig zusammen.

»Heiraten? Sagtest du heiraten? Aber Hans, wer will denn heiraten? Ich ganz sicher nicht. Nein, nein, ich will dich doch nicht kränken… aber ich denke nicht im Traum daran, dich oder jemanden sonst zu heiraten. Ich bin doch noch viel zu jung. Und wieso kommst du darauf, daß ich den Moorhof verkaufen will? Ich denke gar nicht daran. Überhaupt nicht. Der Anwalt riet mir auch, nichts zu überstürzen, erst einmal alles zu lassen, wie es ist. Ich bringe es gar nicht über mich, ihn zu verkaufen. Ich könnte es gar nicht.«

»Das ist falsche Sentimentalität«, fiel er ihr wütend ins Wort. Er wollte sich nicht eingestehen, daß seine Glückswolke platzte. Er wollte es einfach nicht. Er sah sich schon in dem tollen Sportwagen, die Brieftasche gespickt mit Geld, über den Ring fahren…

»Möglich. Ich habe es schon mit dem Rechtsanwalt durchgesprochen, Hans.« Sie sah aus wie ein Schulmädchen, wie sie da auf der Mauer hockte, und in ihren Händen hielt sie sein Glück… sprich Geld. Ganz elend wurde ihm.

»Ich werde für ein Jahr kündigen. Ich bin gern Kindergärtnerin, aber es gibt so viele junge Mädchen, die auf diese Chance warten. Diesen Sommer bleibe ich auf dem Moorhof. Ich werde mich immer freuen, wenn du mich besuchst. Aber heiraten, Hans, werde ich dich nicht. Wie man sich bei so einem Heiratsantrag benimmt, weiß ich nicht einmal, vermutlich muß ich mich dafür bedanken. Ich heirate in den nächsten Jahren überhaupt nicht, ich denke gar nicht daran. Ich habe Zeit genug, über das Später nachzudenken. Ich weiß nur eines, ich verkaufe nicht, ich überstürze nichts. Ich könnte es auch einfach nicht. Ich kann mich vom Moorhof nicht trennen, zuviel Erinnerungen hängen daran. Ich verlange nicht, daß du es verstehst, ich habe oft versucht, dir etwas zu erzählen und mußte feststellen, daß du es nicht kapierst. Oft sprechen wir nicht die gleiche Sprache, manchmal habe ich es traurig gefunden.

Es ist schön, dich als Freund zu haben, Hans. Man kann nicht genug Freunde haben. Sei nicht böse, wenn ich es so ausdrücke, aber mehr ist zwischen uns nicht. Ich habe nie in dir meinen zukünftigen Ehemann gesehen, dazu haben wir viel zu wenig Gemeinsames, und das weißt du auch. Bitte, sei mir nicht böse und laß uns Freunde sein. Ich glaube, wir sollten jetzt zum Haus zurückgehen. Wie ich unser Annchen kenne, wird sie uns ein leckeres Essen vorsetzen. Sie ist froh, daß wir da sind und sie jemanden verwöhnen kann.«

Sie sprang von der Mauer herunter und wischte die Hände an der Hose sauber. Ihm war so elend zumute wie selten in seinem Leben. Er befürchtete sogar, daß seine Beine ihm den Dienst versagten, er war durch und durch traurig, er war einfach enttäuscht. Vor seinen Augen hatten rosarote Träume gehangen, er hatte Dinge greifbar vor sich gesehen, die Wirklichkeit werden wollten.

Und jetzt zerrann alles, zerfloß wie Schnee vor der Sonne. Er würde weiterhin der kleine Angestellte bleiben, der in dem klapprigen Auto fuhr, das jeden Augenblick seinen Geist aufgeben konnte. Er würde weiterhin jeden Groschen umdrehen und auf ein Glück hoffen müssen.

Wußte denn Corinna überhaupt, in welchen Glückstopf sie gegriffen hatte? Corinna machte sich nichts aus Kleidung, das wußte er längst. Vermutlich machte sie sich auch nichts aus Geld.

Aber sie hatte es. Sie war eine reiche Erbin! Sie konnte sich jeden Wunsch erfüllen. Sie war reich. Vermutlich hatte sie auch noch Bargeld geerbt. Eine Frau, die einen solchen Besitz so hervorragend bewirtschaftete, mußte einfach über Barvermögen verfügen.

Und das alles gehörte diesem mädchenhaften Wesen, diesem Geschöpf, das einfach sagte: Ich will dich nicht heiraten.

Er schob sich langsam auf den Weg. Es war Flut, und das Rauschen des heranströmenden Wassers dröhnte in ihren Ohren.

Sie mußte schreien, damit er sie verstand.

»Jetzt füllen sich die Priele, und von der Sonne erwärmen sie sich wunderbar. Wenn du Lust hast, können wir heute abend schwimmen, das heißt, wenn du noch Zeit hast und erst morgen früh fahren willst.«

»Ich fahre noch heute.« Er machte dazu ein beleidigtes, trauriges Gesicht. »Du bist sehr verständnislos, Corinna. Ich habe dir einen Heiratsantrag gemacht, ich möchte mit dir mein zukünftiges Leben verbringen. Und du gehst einfach mit einem Satz darüber hinweg. Sagst einfach, ich will dich nicht heiraten.

Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der dich mehr liebt als ich«, schrie er gegen den Wind und faßte besitzergreifend ihren Arm. »Du bist noch sehr jung und brauchst männlichen Schutz. Schon allein aus dem Grund, um dir die Mitgiftjäger vom Hals zu halten.«

Sie lachte glockenhell und warf den Kopf zurück. Der Wind faßte ihre blonden Haare und wirbelte sie um ihren Kopf. Ihre Antwort konnte er nicht verstehen, er starrte sie wütend an.

»Paß auf«, schrie sie erschrocken, »auf diesen schmalen Klippen ist es nicht ratsam, sich zu zanken. Beinahe wärst du den Abhang hinunter gerutscht. Hinter der Biegung wird der Weg breiter. Wir hätten durch den Garten gehen sollen. Den Garten mußt du dir unbedingt ansehen, Hans. Alle Beete sind liebevoll mit Buchsbaum eingefaßt. Großmutter hat jede Pflanze allein gesetzt, ich habe ihr oft zugesehen.«

Er hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Ein wildes, verzweifeltes Verlangen erfaßte ihn. Er mußte doch etwas tun. Er mußte doch wenigstens versuchen, sie umzustimmen.

Aber tief in seinem Innern wußte Hans, daß es zwecklos war. Corinna konnte man nicht betören, nicht umschmeicheln, Corinna ging ihren Weg. Corinna war eben Corinna.

Der Weg wurde breiter, und sie konnten nebeneinander gehen. Sollte er wagen, sie zu küssen, sie einfach in seine Arme zu reißen, sie zu drücken, daß ihr Hören und Sehen verging?

Er faßte wie zufällig ihre Hand, aber nicht einmal die ließ sie ihm.

»Von diesem Weg aus sieht das Haus richtig majestätisch aus, findest du nicht auch? Darum nehme ich diesen Weg so gern. Es steht auf seinem Platz wie festgewachsen, unerschütterlich. Klar rappeln beim Sturm die Fensterläden, und das Holz im Haus stöhnt und ächzt, als habe es Schmerzen, aber die Menschen, die unter dem Dach wohnen, wissen, daß sie geschützt sind, daß ihnen kein Sturm, kein Wetter etwas anhaben kann. So viele Generationen haben schon hier gelebt, sind gekommen, gestorben, ein ewiger Kreislauf.«

Sie war stehengeblieben, legte ihre Hand auf den Kopf eines verwitterten steinernen Knaben, der ein wenig verloren mitten auf dem Rasen stand.

»Ich habe mir schon als Kind gewünscht, hier zu leben wie Großmama.«

Ihm war, als spreche sie zu sich selbst, als habe sie vergessen, daß er, Hans Deiter, neben ihr ging.

»Ich freue mich. Ich bin glücklich, obwohl ich gleichzeitig sehr traurig bin. Ich weiß, du mußt mich für überdreht halten«, lachte sie reuevoll. »Ich sagte dir ja schon, wir sprechen nicht die gleiche Sprache.«