Ich hole mir mein Kind zurück - Lieselotte Immenhof - E-Book

Ich hole mir mein Kind zurück E-Book

Lieselotte Immenhof

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Rolf Kunath sprang mit einem eleganten Hechtsprung ins Wasser und kraulte mit raschen kräftigen Stößen davon. Dann legte er sich auf den Rücken, prustete ein wenig und wandte sich lachend zu dem schlanken mittelgroßen Mädchen um, das neben dem Sprungturm am Rande des Schwimmbassins stand. »Mir nach, Inge!«, rief er fröhlich und winkte mit der Hand. »Was ist? Bist du wasserscheu?« Inge Mommsen richtete sich ein wenig auf; ihre mädchenhafte Figur in dem knappen, gutsitzenden Bikini wirkte wie eine gespannte Feder. »Ich komme gleich!«, rief sie und hob die Arme, um die langen dunklen Haare nach hinten zu schieben und mit einem Gummibändchen zusammenzuhalten, ehe sie die Badekappe aufsetzte. Rolf Kunath kraulte an den anderen Schwimmern vorbei, stemmte sich mit geübter sportlicher Kraft am Beckenrand hoch und kletterte aus dem Wasser. Mit wenigen Schritten war er bei Inge, trat hinter sie, faßte sie um die Taille und rief übermütig: »Achtung, Mademoiselle! Ertrinken Sie nicht!« Dann warf er sie ins Wasser. Inge stieß einen kleinen spitzen Schrei aus, ehe das Wasser über ihr zusammenspritzte. Als sie wieder auftauchte, prustete sie und spuckte das Wasser aus, das sie geschluckt hatte. »Scheusal!«, rief sie mit übermütiger Empörung. »Nie wieder spreche ich ein Wort mit dir!« Sie legte sich auf die Seite und schwamm davon. »Hoho – das werden wir ja sehen!«

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Leseprobe: Rachwolken über Lündbjorg

Die Hellströms – Das ist eine sympathische schwedische Großfamilie, die wie Pech und Schwefel zusammenhält, wenn es darauf ankommt. Den Hellströms gehört das älteste Brauhaus Schwedens. Sie wohnen auf einem idyllischen Landsitz im Süden des Landes, ein eigener See und das nahe Meer laden zum Baden ein. Für Wenke, die blonde, temperamentvolle Tochter von Frans und Liv Hellström, ist das tägliche Bad ein Muss – natürlich ohne eine störende Textilfaser am Leib! Das Brauhaus ist der Lebensinhalt von Frans Hellström, dem Patriarchen. Er opfert sich auf, um die Marke ständig zu verbessern und noch bekannter zu machen. Erik, sein Sohn, steht ihm zwar zur Seite, doch ist er eher Händler als Brauer. Liv, Frans’ Frau, sorgt sich manchmal ein bisschen um ihren Mann, der sich so in seine Arbeit verbeißt. Da trifft es sich gut, dass Wenke mit dem jungen Braumeister Sören verbandelt ist. Sie rechnet fest mit seinem Heiratsantrag. Doch Greta, ihre welterfahrene Tante, ahnt, möglicherweise großer Liebeskummer auf ihre geliebte Nichte zukommen könnte… Diese spannend und einfühlsam geschriebene Serie der Autorin Laura Vinblatt lädt Leserinnen und Leser ein, die sympathische Großfamilie und ihre Freunde näher kennenzulernen und Anteil zu nehmen an ihren Freuden und Nöten, den Aufregungen und Herzensverstrickungen. Unbedingt lesenswert!

Mami Bestseller – 45 –

Ich hole mir mein Kind zurück

Inge kämpft um ihr Töchterchen und im ihr Lebensglück

Lieselotte Immenhof

Rolf Kunath sprang mit einem eleganten Hechtsprung ins Wasser und kraulte mit raschen kräftigen Stößen davon. Dann legte er sich auf den Rücken, prustete ein wenig und wandte sich lachend zu dem schlanken mittelgroßen Mädchen um, das neben dem Sprungturm am Rande des Schwimmbassins stand.

»Mir nach, Inge!«, rief er fröhlich und winkte mit der Hand. »Was ist? Bist du wasserscheu?«

Inge Mommsen richtete sich ein wenig auf; ihre mädchenhafte Figur in dem knappen, gutsitzenden Bikini wirkte wie eine gespannte Feder. »Ich komme gleich!«, rief sie und hob die Arme, um die langen dunklen Haare nach hinten zu schieben und mit einem Gummibändchen zusammenzuhalten, ehe sie die Badekappe aufsetzte.

Rolf Kunath kraulte an den anderen Schwimmern vorbei, stemmte sich mit geübter sportlicher Kraft am Beckenrand hoch und kletterte aus dem Wasser.

Mit wenigen Schritten war er bei Inge, trat hinter sie, faßte sie um die Taille und rief übermütig: »Achtung, Mademoiselle! Ertrinken Sie nicht!« Dann warf er sie ins Wasser.

Inge stieß einen kleinen spitzen Schrei aus, ehe das Wasser über ihr zusammenspritzte.

Als sie wieder auftauchte, prustete sie und spuckte das Wasser aus, das sie geschluckt hatte. »Scheusal!«, rief sie mit übermütiger Empörung. »Nie wieder spreche ich ein Wort mit dir!« Sie legte sich auf die Seite und schwamm davon.

»Hoho – das werden wir ja sehen!«, erwiderte Rolf Kunath.

Mit einem zweiten Hechtsprung landete er im Wasser, ließ sich wie ein Pfeil weitergleiten, bis er an Inges Seite war.

»Hallo, da wären wir ja wieder!«, meldete er sich. Sein frisches sympathisches Gesicht, das von der Sonne gebräunt war, strahlte. »Kleiner Rettungsdienst gefällig, Mademoiselle?«

Inge gab keine Antwort, sondern legte sich auf die andere Seite und schwamm mit ruhigen, sicheren Stößen weiter.

»Wie ich hörte, wurden Mademoi­selle grausam mißhandelt«, fuhr Rolf unbekümmert fort. »Darf ich mich als Tröster anbieten?«

Inge gab immer noch keine Antwort.

Rolf tauchte unter ihr weg und kam auf der anderen Seite wieder hervor. »Vielleicht haben Mademoiselle vom Schreck über die grausame Mißhandlung die Sprache verloren?« erkundigte er sich mit theatralisch ernster Miene.

Inge mußte wider Willen lachen und verbarg rasch ihr Gesicht im Wasser.

»Oder sprechen Mademoiselle nicht deutsch?«, fragte Rolf und zwinkerte ein wenig. Die hellen blauen Augen blitzten vor Übermut. »Parlez-vous francais, Mademoiselle?«

Er war ihr sehr nahe gekommen; Inge schlug mit der flachen Hand aufs Wasser, das dicht vor seinem Gesicht aufspritzte.

Er kniff die Augen zu, sein Lächeln wurde breit. »Aha, ich sehe, Mademoiselle wünschen Wasserspiele.« Er tauchte unter, drehte sich zweimal um sich selbst, tauchte wieder und schwamm dann dicht über dem Boden des großen Schwimmbeckens, während sie im Schmetterlingsstil weiterschwamm.

Einen Meter vor ihr tauchte er plötzlich wieder auf und breitete beide Arme aus.

Inge sah ihn zu spät, sie konnte ihm nicht mehr ausweichen.

Im Wasser umarmte er sie und hielt sie fest.

Inge biß ihn spielerisch ins Ohrläppchen. »Laß mich los, Seeräuber.«

»Nur unter einer Bedingung.«

»Welcher?«

»Dass du ›ja‹ sagst.«

»Wozu?«

»Mich zu heiraten.«

»So ein Scheusal heirate ich nicht.«

»Dann ersäufe ich dich.«

»Na bitte, versuch’s doch mal!«

»Soll ich?« Seine Augen funkelten.

»Heute nicht. Nächstes Wochenende. Ich muß erst noch mein Testament machen.«

»Nein. Nächste Woche hängt schon unser Aufgebot.«

»Denkste.« Sie gab ihm einen kameradschaftlichen Kuß auf die nasse Wange. »Seeräuber, verrückter. So was kann doch gar nicht heiraten.«

»Hast du eine Ahnung.« Er wurde beinahe wütend.

Sie löste sich von ihm und schwamm zur Leiter, um aus dem Wasser zu steigen.

Er schwamm hinter ihr her und erreichte sie, als sie schon einen Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter gesetzt hatte. Mit beiden Händen umklammerte er ihren Knöchel. »Hiergeblieben. Erst wird geantwortet.«

»Hab’ ich doch schon.«

»Das war keine Antwort. Keine erns­te.«

»So etwas Wichtiges kann man nicht im Schwimmbad zwischen zwei Hechtsprüngen besprechen«, erwiderte Inge Mommsen und setzte sich auf die Leiter. »Heiraten ist eine ernste Sache.«

»Eine herrliche Sache ist es vor allem«, widersprach er begeistert. »Die schönste Sache von der Welt.«

»Das wird sich noch herausstellen.« Sie kniff die Augen zusammen und sah trotzdem immer noch sehr hübsch aus.

Rolf bemerkte es, er holte tief Luft. »Ich liebe dich«, sagte er. »Hast du das vergessen?«

»Nein. Ich lieb’ dich doch auch«, antwortete sie. Zärtlichkeit war in ihrem Blick, die grünen Augen schimmerten verheißungsvoll.

»Also abgemacht. Wir heiraten.«

»Du tust, als wenn das selbstverständlich wäre.«

»Ist es doch. Vielleicht nicht?«

»Wir kennen uns erst ein Jahr.«

»Beinahe ein altes Ehepaar.«

»Ehepaar noch lange nicht.«

»Aber bald!« rief er triumphierend aus. »Du wirst schon sehen! Wenn du nicht willst, wirst du geraubt.«

»Seeräuber, verrückter«, sagte sie noch einmal, diesmal leise und zärtlich, und sie fuhr ihm mit den Fingern durch das nasse Haar, das jetzt fast schwarz aussah.

Er ergriff rasch ihre Hand und küßte die Innenfläche. »Morgen sage ich’s meinen Eltern. Und dann suchen wir uns eine Wohnung.«

»Wohnung – dass ich nicht lache! Bei d e n Preisen! Wer soll denn das bezahlen?«

»Wir beide. Wir verdienen doch. Wenn auch nicht viel – aber immerhin. Und wenn eine Wohnung zu teuer wird, nehmen wir ein möbliertes Zimmer.«

»Das ist bestimmt genauso teuer.«

»Aber wir brauchten keine Möbel zu kaufen.«

»Stimmt.« Sie sah an ihm vorbei.

Natürlich wollte sie ihn heiraten, sie liebte ihn ja. Aber manchmal hatte sie ein wenig Angst. Verheiratetsein war etwas so Ernstes, Bedeutsames. Jedenfalls stellte sie es sich so vor.

»Warum machst du so ein nachdenkliches Gesicht?« fragte Rolf.

»Ich fürchte, wir geben kein würdiges Ehepaar ab«, meinte sie zögernd.

»Wollen wir doch auch gar nicht. Himmel, wir sind beide Anfang zwanzig. Warum sollen wir denn würdig sein?«

»Eheleute sind immer würdig, nicht?«

»Wir beide nicht. Wir verkörpern den neuen, modernen Typ von Eheleuten«, erklärte Rolf mit großer Geste. »Kannst du dir das vorstellen?«

»Ich weiß nicht – vielleicht –«

»Streng deine Phantasie an, Mädchen! Es wird himmlisch werden. Ich versprech’s dir!«

Jemand tippte Inge auf die Schulter. »Sie, Fräulein, wie lange wollen Sie noch auf der Leiter sitzen bleiben? Andere Leute möchten auch mal rein ins Wasser.«

Eine dicke Frau beugte sich über Inge und sah sie mißbilligend an.

»Entschuldigen Sie bitte«, murmelte Inge und kletterte rasch nach oben.

Rolf schwang sich mit einem Stemmbogen über den Beckenrand. Als er neben ihr stand, griff er nach ihrer Hand.

Sie zog die Badekappe ab und schüttelte das zusammengebundene Haar.

Rolf sah sie verliebt an. »Kleine Seeräuberbraut!«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Bald bist du meine Frau.«

Sie sah in seine Augen, und plötzlich wünschte sie es auch.

*

Die Familie Kunath saß schon am Frühstückstisch, als Rolf hereinkam.

Er trat neben den Tisch und sah alle drei der Reihe nach an – den Vater, kaufmännischer Direktor in einer Papierfabrik, groß, kräftig, zur Fülle neigend, stets ein freundlich-joviales Lächeln im vollen Gesicht – die Mutter, schlank, mit schmalem, etwas strengem, aber hübschem Gesicht, umrahmt von dunklem Haar – und Helga, die Schwester, achtzehn Jahre, Abiturientin.

Über Rolfs Gesicht lief ein selbstbewußtes, zufriedenes Lächeln. »Wir werden heiraten«, verkündete er ohne lange Einleitung. »Inge und ich.«

Dem Vater fiel das Messer aus der Hand. Sekundenlang hatte seine Miene einen etwas törichten Ausdruck. »Heiraten?«, wiederholte er fassungslos.

Rolf nickte.

Richard Kunath hatte sich schon wieder beruhigt. Er lachte. »Hübscher Sonntagsmorgen-Scherz.«

»Es ist kein Scherz«, erwiderte Rolf und wurde ernst. »Wir heiraten wirklich.«

»Ach nee!«, machte Richard Kunath. Sein Lächeln war voll mitleidiger Verachtung.

Anneliese Kunath schüttelte ungläubig den Kopf. »Was soll dieser Unsinn, Rolf?«

»Wieso Unsinn?«, fiel Helga heftig ein. Ihre weit auseinanderstehenden Augen funkelten. »Ich find’s dufte. Rolf heiratet. Na, prima.« Sie schlug mit der flachen Hand anerkennend auf den Tisch.

Anneliese Kunath lächelte gequält. »Ich fürchte, Rolf hat gestern Abend zuviel getrunken und ist jetzt immer noch nicht nüchtern.«

»Stocknüchtern bin ich!«, erklärte Rolf und stellte sich breitbeinig neben dem Frühstückstisch auf.

»Setz dich!« bedeutete ihm Richard Kunath kurz. »Dieses Herumstehen macht mich nervös. Besonders bei einem solchen Thema.«

Rolf grinste und nahm den gewohnten Platz am Eßtisch ein. »Hast du etwas gegen das Thema Heirat, Vater?«

»Im allgemeinen nicht. Heiraten ist eine feine Sache.«

»Siehst du. Und darum –«

Richard Kunath ließ den Sohn nicht ausreden. »Aber dazu müssen vor allem erst einmal die Voraussetzungen stimmen –«

»Was heißt das?«, erkundigte sich Rolf mit hochgezogenen Augenbrauen, während er sich Kaffee eingoß und eine Toastschnitte mit Butter bestrich.

»Die Leute, die so etwas vorhaben, müssen erwachsen sein«, erklärte Richard Kunath.

Anneliese Kunath hatte aufgehört zu essen.

»Ich glaube immer noch, daß es nur ein Scherz war«, sagte sie und warf einen unsicheren Blick auf den Sohn.

»Durchaus nicht, Ma«, entgegnete Rolf temperamentvoll. »Inge und ich – wir lieben uns und wollen für immer zusammenbleiben.«

»Wie romantisch«, spottete der Vater.

»Praktisch ist es vor allem«, kommentierte Helga mit der ihr eigenen schnoddrigen Nüchternheit, hinter der sie ihre Sensibilität und die Verletzbarkeit ihrer Gefühle verbarg. »Richtig zusammenleben mit dem Boy, den man gerne hat – das ist das einzig Richtige«, meinte sie. Während sie an den Eltern vorbeiblickte, unterdrückte sie nur mit Mühe einen Seufzer.

»Du hältst den Mund«, bedeutete ihr der Vater ärgerlich. »Du bist ja noch nicht einmal trocken hinter den Ohren mit deinen lächerlichen achtzehn Jahren.«

Helgas Augen bekamen einen harten Ausdruck. »Wenn du dich doch endlich mal daran gewöhnen könntest, daß man mit achtzehn kein Kind mehr ist, Vater«, sagte sie empört.

»Ihr seid beide Kinder«, fiel Anneliese Kunath lächelnd ein und warf dem Sohn und der Tochter einen nachsichtigen Blick zu. »Auch Rolf ist noch ein richtiger Kindskopf.«

»Ganz meine Meinung«, bestätigte Richard Kunath. »Zweiundzwanzig Jahre alt – und will heiraten. Dass ich nicht lache! Wovon willst du denn eine Familie ernähren, he?«

»Wir arbeiten ja beide und verdienen genug, um davon leben zu können.«

»So, glaubst du? Bist du dir darüber im klaren, wie teuer das Leben heutzutage ist?« Richard Kunath kniff die Augen zusammen.

»Weiß ich alles. Meine Güte, Vater, fang doch jetzt nicht mit verstaubten Moralpredigten an. Ich bin ja schließlich nicht von gestern.«

»Aber immerhin warst du bisher nur Sohn im Hause und brauchtest nicht für deinen eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.«

»Ich habe stets zur Haushaltskasse beigesteuert!«, verteidigte sich Rolf.

»Aber das reicht natürlich nicht, wenn du allein davon wirtschaften willst«, sagte die Mutter.

»Inge verdient ja auch.«

»Na, was kriegt sie schon als chemische Laborantin?« Der Vater machte eine wegwerfende Geste. »Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, daß es eine hübsche Stange Geld kostet, einen Hausstand zu gründen und eine Wohnung einzurichten?«

Rolfs Miene verschloß sich. »Man kann ja ganz bescheiden anfangen«, erwiderte er knapp. »Das tun heute viele junge Ehepaare. Luxus brauchen wir nicht.«

»Den könntet ihr euch bei eurem Einkommen auch schwerlich leisten«, bemerkte Richard Kunath ironisch.

Anneliese Kunath berührte flüchtig Rolfs Arm. »Komm, sprechen wir von etwas anderem. Das alles ist doch lächerlich.«

Rolf zog wütend den Arm weg. »Immer, wenn dir ein Thema unbequem ist, weichst du aus, Ma«, sagte er. »Gut, wir brauchen nicht länger darüber zu reden – denn mein Entschluß steht sowieso fest. Ich wollte euch nur informieren.«

»Hör mal!« Jetzt wurde Richard Kunath ungewöhnlich ernst und lehnte sich im Stuhl zurück, während er den Sohn aufmerksam fixierte. »Für gewisse Scherze habe ich ja noch Verständnis. Aber wenn du behauptest, daß es dir ernst ist mit dieser verrückten Idee, möchte ich dich in aller Deutlichkeit darüber aufklären, daß ich mit deinem Plan nicht einverstanden bin.«

»Tut mir leid, Vater. Wir heiraten trotzdem.« Rolf sprach mit unerschütterlicher Ruhe.

»Werdet erst mal erwachsen, ihr beide«, sagte Anneliese Kunath mit Nachdruck. »Ihr seid viel zu jung für eine Ehe. Und ihr wißt ja noch gar nicht, was es heißt, verheiratet zu sein. Ihr habt ja noch nicht einmal einen richtigen Begriff von der Liebe. Vielleicht wird euch in einem Jahr klar, dass ihr genug voneinander habt, daß eure Beziehung nichts anderes war als eine unbekümmerte Jugendliebe. Und dann? Was wollt ihr dann machen?«

»Da kann man sich immer noch scheiden lassen«, fiel Helga sachlich ein.

»Scheidung kommt für uns nicht in Frage«, erklärte Rolf kategorisch. »Wir lieben uns.«

»Deine Worte beweisen, wie unreif du bist«, sagte Richard Kunath. »Du denkst nicht weiter als bis übermorgen. Was nächstes Jahr ist, interessiert dich nicht.«

»Weißt du, was nächstes Jahr ist, Vater? Wir leben in verrückten Zeiten. Keiner kann uns eine Garantie auf ewige Sicherheit geben. Alles im Leben verändert sich.«

»Tu nicht so weise und überlegen«, wies Richard Kunath den Sohn zurecht. »Du kannst überhaupt nicht mitreden, denn du stehst ja gerade erst am Anfang deiner beruflichen Laufbahn. Kaufmännischer Angestellter in untergeordneter Position …«

»Ich werde mich schon hocharbeiten, Vater – darauf kannst du dich verlassen.« Rolfs Augen brannten.

»Das will ich hoffen«, entgegnete der Senior. »Aber du wirst besser vorankommen, wenn du nicht den Ballast einer Familie mit dir herumschleppst.«

»Ballast!« wiederholte Rolf empört. »Betrachtest du uns, deine Familie, etwa auch als Ballast?«

»Nein«, antwortete der Senior hart, »das ist etwas völlig anderes.«

»Warum? Warum ist es bei dir etwas anderes?«

»Ich habe mich nicht kopfüber und blindlings in eine Ehe gestürzt«, erklärte Richard Kunath würdevoll. »Ich habe diesen bedeutsamen Schritt erst unternommen, als ich sicher war, dass ich meiner Frau ein standesgemäßes Leben bieten konnte.«

»Das ist für uns nicht das Wichtigste«, antwortete Rolf kühl.

»Sondern?« Der Blick des alten Herrn hielt Rolf fest.

»Wir wollen zusammensein, alles gemeinsam machen und planen, wir wollen unser Leben miteinander leben.«

»Ziemlich naiv«, sagte Richard Ku­nath mit gerunzelten Brauen. »Du glaubst wohl, ich finanziere eure Torheit? Da hast du dich geirrt, Rolf.«

»Daran habe ich nicht gedacht.«

»Wenn du gegen unseren Willen diesen Schritt tun würdest, bekämest du von mir nicht einen roten Heller«, fuhr Kunath erregt fort. »Dann würdest du nämlich sehr schnell feststellen, daß es mit der großen Liebe nicht weither ist, wenn die Finanzen nicht stimmen.«

Rolf schwieg einen Moment und preßte die Lippen aufeinander. »Wir werden eben sparen«, sagte er dann. »Das ist ganz einfach.«

»Sehr einfach!«, höhnte Richard Kunath.

In Anneliese Kunaths graue Augen war ein unruhiger Ausdruck gekommen. »Rolf, sag mir die Wahrheit: M ü ß t ihr heiraten?«

»Wie meinst du das?«

Sie befeuchtete erregt die Lippen. »Lieber Himmel, ich meine, ob Inge ein Baby erwartet?« Angstvoll sah sie den Sohn an.

Rolf lachte.

»Ach, herrje – d a s war also eure Angst? Nein, ich kann euch beruhigen. Wir müssen nicht heiraten. Inge kriegt kein Kind, und wir haben auch nicht die Absicht, so schnell Kinder in die Welt zu setzen. Wir wollen beide erst mal weiterkommen.«

»Hm –« Richard Kunath rührte in der Kaffeetasse, obwohl er noch keinen Zucker genommen hatte. »Ich bin trotzdem dagegen«, sagte er schließlich. »Es wird n i c h t geheiratet.«

Rolf straffte sich und sah den Vater unerschrocken an. »Und es wird d o c h geheiratet!«, erwiderte er mit einer Bestimmtheit, die die Eltern überraschte.

Richard Kunath beschloß in diesem Moment, den Sohn mit diplomatischem Geschick von den Heiratsplänen abzubringen.

*

Rolf zeigte sich in jenen Tagen als echter Sohn seines Vaters: er blieb unbeirrbar.

»Stur«, sagte Richard Kunath, und Frau Anneliese rang verzweifelt die Hände.

»Das wird niemals gutgehen«, prophezeite sie und traf sich heimlich mit Inge Mommsen, die bei einer Freundin ein winziges, spärlich möbliertes Zimmer bewohnte.

Inge hörte Rolfs Mutter ruhig zu, ohne ihr zu widersprechen. Doch dann sagte sie: »Das Aufgebot hängt schon, Frau Kunath. Wir wollen in vier Wochen heiraten.«

Sekundenlang verschlug es Anneliese Kunath die Sprache. »Das – das ist doch – nicht möglich«, stotterte sie.

»Doch«, antwortete Inge nur und lächelte.

»Um Himmels willen, das ist ja eine Katastrophe.«

»Nein, es wird alles gutgehen«, meinte Inge zuversichtlich, während sie die zukünftige Schwiegermutter mit strahlender Herzlichkeit ansah.

Anneliese Kunath war verwirrt. »Und wie habt ihr euch das alles vorgestellt? Die Zukunft, meine ich?«

»Hat Rolf nicht mit Ihnen darüber gesprochen?«

»Doch, aber je mehr wir auf ihn einreden, um so verstockter wird er.«

»Na, sehen Sie.«

Anneliese Kunath erhob sich steif. »Wir werden diese Hochzeit nicht ausrichten, Inge. Ich hoffe, ihr seid euch darüber im klaren.«

Inge nickte nur. »Das haben wir uns gedacht. Deshalb wollen wir in einer kleinen Dorfkirche draußen auf dem Land heiraten. Dort, wo ich getauft worden bin. Es ist eine schöne alte Kirche mit einer wundervollen Orgel.«

Anneliese Kunath schwieg betreten. »Ihr habt das alles schon organisiert?«

»Natürlich. Vier Wochen vergehen schnell.«

»Und wo wollt ihr wohnen?«

Inge antwortete nicht sofort. »Wir sind noch auf Wohnungssuche«, erwiderte sie knapp.

Anneliese Kunath suchte alle Argumente zusammen, um Inge zu beeinflussen, doch sie spürte bald, daß sie keinen wirklichen Zugang zu Inges Innerem fand.

Dieses Mädchen will ich nicht als Schwiegertochter, dachte sie, ehe sie sich von Inge Mommsen verabschiedete, ohne zu ahnen, daß Inge einen ähnlichen Gedanken hatte.

Inge konnte sich nämlich nicht vorstellen, daß sie zu der schlanken, gepflegt gekleideten Frau, die mit ihren achtundvierzig Jahren noch erstaunlich jung wirkte, in Kürze »Mutter« sagen sollte.

Seit dem frühen Tod ihrer eigenen Mutter hatte Inge sich immer nach mütterlicher Liebe und Wärme gesehnt, doch sie glaubte schon jetzt zu wissen, daß Anneliese Kunath ihr derartige Empfindungen nicht entgegenbringen würde.

*