Nathalies Dornröschenhaus - Karina Kaiser - E-Book

Nathalies Dornröschenhaus E-Book

Karina Kaiser

5,0

Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Kurz nach ihrer Trennung von ihrem Ehemann hatte ihre Tochter mitunter noch gefragt: »Wann kommt Papa wieder?« und: »Warum wohnt der nicht mehr bei uns?Anne hatte der damals Fünfjährigen behutsam erklärt, dass der Vater jetzt bei einer anderen Frau und in einer anderen Stadt leben und arbeiten würde. Aber natürlich hätte er sie, seine kleine Nathalie, immer noch lieb und würde oft an sie denken.Jetzt, drei Jahre später, stellte die Kleine diese Fragen nicht mehr und dachte kaum noch an ihn. Dieter Lindau ließ sich ja nur selten bei seiner ehemaligen Familie sehen. Er hatte bald wieder geheiratet und war erneut Vater geworden. Aber er zahlte seine Alimente regelmäßig und vergaß auch nie den Geburtstag seiner Tochter, Weihnachten und Ostern selbstverständlich auch nicht. Dann bekam die Kleine stets ein Paket mit durchaus brauchbaren Anziehsachen, Spielzeug und Süßigkeiten.Ebenso wenig wie die inzwischen achtjährige Nathalie ihren Vater vermisste, sehnte sich Anne Lindau nach ihrem Ex-Mann. Er war für sie ja ohnehin nur die zweite Wahl gewesen. Sie hatte allerdings gehofft, ihn eines Tages wirklich lieben zu können. Das war ein Trugschluss gewesen! Ihre Liebe galt nach wie vor Bernulf Süderhoff, den sie während ihres Studiums an der landwirtschaftlichen Hochschule kennengelernt hatte.Ja, kennengelernt hatte sie ihn und sah ihn auch oft – mehr aber auch nicht, denn der attraktive Sohn des Großunternehmers Robert Süderhoff und seiner Frau Martha hatte die eher unscheinbare und schüchterne Anne Schneider so gut wie gar nicht beachtet. Seine Aufmerksamkeit galt damals vor allem hübschen, temperamentvollen Mäd­chen, schnellen Autos, seinen Freunden und dem Freizeitsport. Sein Studium absolvierte er wie nebenbei. Danach verlor sie ihn ganz aus den Augen, was sie einerseits aufatmen, andererseits jedoch ihre Sehnsucht nicht kleiner werden ließ, auch nicht, als sie den Bauingenieur Dieter Lindau heiratete.Und nun war sie wieder allein, nein, nicht ganz. Sie hatte Nathalie, die ihr eigentlich nur Freude machte und ihrem Leben einen Sinn gab – und ihre Arbeit in der Stadtverwaltung von Heinstedt.

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Mami Bestseller – 9 –

Nathalies Dornröschenhaus

Wie können wir unsere Kleine glücklich machen

Karina Kaiser

Kurz nach ihrer Trennung von ihrem Ehemann hatte ihre Tochter mitunter noch gefragt: »Wann kommt Papa wieder?« und: »Warum wohnt der nicht mehr bei uns?«

Anne hatte der damals Fünfjährigen behutsam erklärt, dass der Vater jetzt bei einer anderen Frau und in einer anderen Stadt leben und arbeiten würde. Aber natürlich hätte er sie, seine kleine Nathalie, immer noch lieb und würde oft an sie denken.

Jetzt, drei Jahre später, stellte die Kleine diese Fragen nicht mehr und dachte kaum noch an ihn. Dieter Lindau ließ sich ja nur selten bei seiner ehemaligen Familie sehen. Er hatte bald wieder geheiratet und war erneut Vater geworden. Aber er zahlte seine Alimente regelmäßig und vergaß auch nie den Geburtstag seiner Tochter, Weihnachten und Ostern selbstverständlich auch nicht. Dann bekam die Kleine stets ein Paket mit durchaus brauchbaren Anziehsachen, Spielzeug und Süßigkeiten.

Ebenso wenig wie die inzwischen achtjährige Nathalie ihren Vater vermisste, sehnte sich Anne Lindau nach ihrem Ex-Mann. Er war für sie ja ohnehin nur die zweite Wahl gewesen. Sie hatte allerdings gehofft, ihn eines Tages wirklich lieben zu können. Das war ein Trugschluss gewesen! Ihre Liebe galt nach wie vor Bernulf Süderhoff, den sie während ihres Studiums an der landwirtschaftlichen Hochschule kennengelernt hatte.

Ja, kennengelernt hatte sie ihn und sah ihn auch oft – mehr aber auch nicht, denn der attraktive Sohn des Großunternehmers Robert Süderhoff und seiner Frau Martha hatte die eher unscheinbare und schüchterne Anne Schneider so gut wie gar nicht beachtet. Seine Aufmerksamkeit galt damals vor allem hübschen, temperamentvollen Mäd­chen, schnellen Autos, seinen Freunden und dem Freizeitsport. Sein Studium absolvierte er wie nebenbei. Danach verlor sie ihn ganz aus den Augen, was sie einerseits aufatmen, andererseits jedoch ihre Sehnsucht nicht kleiner werden ließ, auch nicht, als sie den Bauingenieur Dieter Lindau heiratete.

Und nun war sie wieder allein, nein, nicht ganz. Sie hatte Nathalie, die ihr eigentlich nur Freude machte und ihrem Leben einen Sinn gab – und ihre Arbeit in der Stadtverwaltung von Heinstedt. Ihre Eltern wohnten hier ebenfalls, sodass ihre Tochter ständig Kontakt zu den Großeltern hatte und in den Schulferien dort gut betreut wurde.

Anne war inzwischen dreißig Jahre alt und hatte nicht die Absicht, erneut zu heiraten. Wozu auch? So wie Bernulf Süderhoff war ohnehin kein anderer Mann, zumindest für sie nicht. Und es war gut, dass sie ihn niemals wiedersehen würde.

Aber manchmal fragte sie sich doch, wie es ihm jetzt wohl ging, ob er inzwischen glücklich verheiratet sein und Kinder haben würde.

*

Er war nicht verheiratet, hatte keine Kinder, berufliche und finanzielle Sorgen allerdings auch nicht. Als Juniorchef mehrerer großer Agrarbetriebe und eines ausgedehnten Holzhandels mangelte es ihm nicht an Geld, anspruchsvollen Aufgaben und großen Herausforderungen. Natürlich gab es ab und zu mal Ärger, zurzeit sogar gewaltigen Ärger, weil Lara seinen Eltern nicht ins Konzept passte. Wozu brauchte man denn eine Unternehmensberaterin, auch wenn diese sich im ökonomischen Bereich von Land- und Forstwirtschaft gut auskannte? Und wozu brauchte der einzige Sohn eine so piekfeine Dame, die sich in alles einmischte, alles besser wusste und im Grunde genommen doch nichts auf die Reihe brachte?

So meinten seine Erzeuger, nachdem sie die 31-jährige Lara Paulsen vor mehr als vier Monaten kennengelernt hatten.

»Die tut so, als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte«, stellte Robert Süderhoff an diesem Sonntag beim Frühstück ebenso spöttisch wie grimmig fest. »Die stelzt mit ihren hochhackigen Dingern hier herum und will uns allen klarmachen, wie wir noch schwärzere Zahlen schreiben können und dass wir uns auf unsichere Geschäfte einlassen sollen. Nee, nee, so geht das nicht! Da ist sie bei uns an der falschen Adresse.« Der Großbauer griff wie Halt suchend nach seiner Tasse Kaffee, trank den Inhalt in einem Zug aus und verkündete anschließend: »Mit der werden wir noch unser blaues Wunder erleben. Heirate die bloß nicht, Junge.«

»Wen ich einmal heirate, ist doch wohl meine Sache, Papa«, gab der Angesprochene kühl zurück. »Und warum sollte das nicht Lara sein? Wir passen gut zueinander, mögen uns, und sie wird sich ganz sicher auch in unserem Unternehmen einarbeiten. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind immer von Nutzen.«

»Sicher sind sie das«, gab seine Mutter ihm recht. »Lara ist schon sehr klug, und ihr passt äußerlich sehr gut zusammen. Sie hat nur mal erwähnt, dass sie keine Kinder haben will.«

»Das wird sie sich noch reiflich überlegen.« Bernulf machte eine Handbewegung, als lohnte es sich nicht, über diese Sache noch weiterzusprechen.

Seine Eltern wechselten dann auch das Thema, hofften aber im Stillen, der Sohn würde die Beziehung zu der allzu feschen und zur Überheblichkeit neigenden Lara Paulsen wieder aufgeben.

Er dachte natürlich gar nicht daran. Schließlich kannte er sie schon seit ihrer gemeinsamen Studienzeit. Andererseits war er nicht himmelhochjauchzend in sie verliebt. Sie gefiel ihm nur, war sie doch genau der Typ, den er bevorzugte – mittelgroß, schlank, blond, gut aussehend und gebildet. Als Bäuerin im herkömmlichen Sinne konnte er sie sich allerdings nicht so recht vorstellen, aber die musste sie ja auch nicht sein. Es genügte, wenn sie ihm den Papierkram abnahm und seine Kinder bekam. Sie wollte keine haben! Damit meinte sie sicher, vorläufig nicht. Die mahnende Bemerkung seiner Mutter gab ihm aber doch zu denken sowie einigen Äußerungen von Lara, die kleine Kinder immer nur als Schreihälse und Schmutzfinken bezeichnete. Er hatte ihr Gerede bisher nicht sonderlich ernst genommen. Vielleicht war das falsch gewesen. Und als er kurz darauf, so wie jeden Sonntag, zu seiner Freundin fuhr, nahm er sich vor, sie bei passender Gelegenheit genau danach zu fragen.

Diese Gelegenheit bekam er nur wenig später. Lara empfing ihn nämlich überaus schlecht gelaunt.

»Ist was?«, erkundigte er sich und musterte sie forschend.

»Diese ungezogenen Kinder gehen mir auf die Nerven«, klagte sie und fasste sich an die Stirn. »Seit hier ein Spielplatz angelegt worden ist, kann man nicht mehr in Ruhe auf dem Balkon sitzen. Die Gören kreischen, plappern und weinen und hysterische Mütter schreien dazwischen, dass es nicht zum Aushalten ist. Ich möchte mich von meinem anstrengenden Job erholen, aber das kann ich nicht. Ich bekomme nur Kopfschmerzen.«

»So ganz leise sind die lieben Kleinen nun einmal nicht«, erwiderte er nachsichtig und nahm sie tröstend in die Arme. »Wenn wir jedoch eigene Kinder haben, dann wirst so manches ganz anders sehen.«

Sie löste sich von ihm, schaute ihn entrüstet an und zischte: »Ich will keine Kinder. Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?«

Es gelang ihm, seine Empörung zu verbergen. Er wirkte sogar recht ruhig, als er nun fragte: »Du willst demnach keine feste Verbindung mit mir?«

»Doch, natürlich will ich die haben. Ich kann mir gar keinen anderen Partner vorstellen.«

»Ich möchte aber Kinder«, beharrte er nachdrücklich. »Sie gehören nun einmal dazu, und man weiß dann auch, für wen man arbeitet.«

»Welche Aussichten haben Kinder denn heute noch?«, hielt Lara aufgebracht dagegen, während sie sich in einen Sessel fallen ließ. »Plätze in einer Tagesstätte sind schwer zu bekommen und außerdem teuer, eine ordentliche Schule auch. Und später finden die Ableger keinen Job.«

»Na, na, so schlimm wird es in unserem Fall wohl nicht kommen. Wir haben mehrere Höfe, da können sie arbeiten noch und noch, wenn sie das wollen.«

»Vielleicht hätten unsere Kinder gar kein Interesse an der Landwirtschaft. Da wäre es doch viel besser, rechtzeitig …«

Sie sprach nicht weiter und überließ es ihm, sich ihre Worte richtig zu interpretieren. Bernulf schien sie jedoch nicht zu verstehen, er schaute sie nur fragend an, worauf sie vorsichtig hinzusetzte: »Deine Eltern gehen mittlerweile auf die Rente zu, sie werden bald nicht mehr arbeiten können, für dich allein ist das Arbeitspensum aber viel zu hoch, noch mehr Leute einzustellen, kostet zu viel Geld. Wäre es da nicht angebracht, etwas Neues zu wagen? Wir könnten zum Beispiel ein Immobilienbüro eröffnen. Davon haben wir beide Ahnung. Wir könnten nach Mallorca oder Teneriffa ziehen und uns dort eine schöne Villa kaufen – mit Swimmingpool und einem exotischen Garten.«

»In einem Satz: Ich soll unseren gesamten Besitz verkaufen, damit wir deine Vorstellungen in die Wirklichkeit umsetzen können«, vollendete er nach einigen Sekunden des Nachdenkens.

»Nun ja …, ich habe ja nicht viel. Aber du kannst mir glauben, dass wir dort viel bequemer leben würden. Und deine Eltern wären in einem Altersheim auch gut aufgehoben.«

Er war entsetzt, fassungslos und begriff erst nach einigen Sekunden, was seine schöne Freundin eigentlich meinte. Sie wollte nicht ihn, sondern sein Geld. Sich eisern beherrschend, nickte er scheinbar zustimmend und stellte sich vor, wie sein noch sehr mobiler Vater in einer kleinen Wohnung am Fenster saß, sich tüchtig langweilte und seinen Frust an der Mutter ausließ.

Seine Miene blieb jedoch so undurchdringlich, dass Lara sich insgeheim vorwarf, zu schnell vorgeprescht zu sein. So würde sie ihr Ziel wahrscheinlich nicht erreichen, zumindest vorläufig nicht.

Umso erstaunter war sie, als Bernulf schließlich gleichmütig antwortete: »Ich werde mit meinen Eltern reden.«

Danach wurde über diese Angelegenheit nicht mehr gesprochen. Der Jungbauer lud seine Freundin zum Essen ein und blieb auch bis zum nächsten Morgen bei ihr – so wie immer. Dass er in dieser Nacht nur wenig schlief, bemerkte sie nicht.

*

Robert Süderhoff stieß einige nicht druckreife Äußerungen hervor, nachdem sein Sohn ihm mitgeteilt hatte, wie Freundin Lara sich die gemeinsame Zukunft vorstellte. Danach forderte er seine ebenfalls anwesende Ehefrau auf, ihm einen doppelten Magenbitter zu bringen, trank diesen in einem Zug aus und fragte danach ebenso argwöhnisch wie verächtlich: »Du wirst doch hoffentlich nicht auf die – Wünsche – dieser – dieser völlig überdrehten Dame eingehen?«

»Nein, ganz gewiss nicht. Sie behauptet zwar, mich gernzuhaben, aber ich glaube, sie will mich nur manipulieren, damit ich das mache, was sie will. Sie will sogar, dass wir hier alles verkaufen. Und sie will sich ins gemachte Nest setzen.«

»Vielleicht ist ihr das alles gar nicht so recht bewusst, vielleicht ändert sie sich noch«, wandte seine Mutter beschwichtigend ein.

»Ja, vielleicht ist es so. Vielleicht hat sie noch gar nicht richtig über unsere Zukunft nachgedacht. Deshalb werde ich sie auf die Probe stellen.«

»Wie denn?«, fragten Vater und Mutter wie aus einem Mund.

Bernulf lächelte amüsiert und erklärte dann: »Ich werde ihr sagen, dass ihr mich nach einem gewaltigen Krach rausgeworfen und enterbt habt. Mir bleibt nur noch der Hof von Onkel Justus. Geht sie mit mir nach Barkenow in die Einsamkeit, arbeitet kräftig mit und steht auch in schlechten Zeiten zu mir, dann kann aus uns noch etwas werden. Tut sie es nicht, dann ist es aus zwischen uns, dann kann sie sich einen anderen Mann suchen. Und mit dem kann sie dann nach Mallorca oder sonst wohin auswandern.«

»Keine schlechte Idee. Wann willst du die Sache durchziehen?«

»Gleich nach der Rapsernte, Papa. Danach kannst du mich bestimmt für eine Weile entbehren. Ich muss ja schließlich so tun, als ob ich dort wirklich wohne, werde daher in den nächsten Tagen hinfahren und die nötigen Vorbereitungen treffen.«

»Wunderbar, fahr nur hin, aber entferne bloß nicht alle Spinnweben«, empfahl ihm seine Mutter. »Deine Zukünftige sollte das Haus im Urzustand sehen, damit sie weiß, was sie zu tun hat.«

»Natürlich, wie denn sonst? Meinst du, ich lasse vorher ein Putzkommando kommen?« Bernulf lachte leise und spöttisch.

Die Sache, die er sich in einer langen Nacht ausgedacht hatte, begann, ihm Spaß zu machen. Seinen Eltern übrigens auch. Sie waren der Ansicht, dass die zu sehr von sich eingenommene Lara Paulsen einen gehörigen Dämpfer verdient hatte.

Bereits am nächsten Tag fuhr Bernulf nach Barkenow, einem kleinen Ort an der Ostseeküste.

Und während sein schneller Wagen die zweihundert Kilometer mühelos bewältigte, waren Anne Lindau und ihre kleine Tochter wie schon oft mit den Fahrrädern unterwegs. Nathalie hatte Sommerferien und Anne Urlaub. Für eine Urlaubsreise reichten die Finanzen nicht, für einige Ausflüge in die nähere Umgebung und einem Abstecher in ein nettes Lokal oder eine Eisdiele schon eher.

»Fahren wir auch wieder zum Dornröschenhaus?«, rief Nathalie in diesem Augenblick, während sie die schmale, aber gut befestigte Straße entlangradelten, die nach Barkenow führte.

»Meinetwegen. Dort können wir eine kleine Pause machen.«

»Prima«, freute sich das Kind und fuhr dann so schnell es konnte zu dem Hof, den Justus Radke noch vor vier Jahren zusammen mit einem Ehepaar aus dem Dorf bewirtschaftet hatte. Nach seinem plötzlichen Tod wurde zwar der größte Teil der Äcker und Wiesen von der Agrargenossenschaft bewirtschaftet, das Vieh war jedoch verkauft worden, und das Haus verschlossen. Die Erben des alten Mannes hatten es offenbar so angeordnet.

Mehr wusste Anne nicht, sie kam hier nur gern vorbei, denn das Anwesen lag schließlich nur wenige Kilometer von Heinstedt entfernt und sah mittlerweile wie eine verwunschene Märchenwelt aus. Im Garten gab es nämlich neben zahlreichen Bäumen und Sträuchern Rosen in Hülle und Fülle. Sie blühten in Beeten und Rabatten und kletterten am Wohnhaus sogar bis zum Dach empor. Nathalie fand das alles wunderschön und wäre gar zu gern in das Haus hineingegangen. Vielleicht schlief dort ja wirklich das Dornröschen und wartete auf den Königssohn.

»Es ist wirklich echt schade, dass wir da nicht reingehen können«, meinte sie auch heute bedauernd, nachdem sie sich auf die alte Bank am Rande des Hofes gesetzt und die mitgebrachten Schnitten verzehrt hatten.

»Wahrscheinlich ist in dem Haus gar nichts mehr drin«, entgegnete ihre Mutter. »Die Erben werden alles verkauft haben. Und der Hof steht sicher auch zum Verkauf. Es wollte ihn wohl bloß noch keiner haben.«

»Können wir ihn nicht kaufen?«, schlug die Kleine eifrig vor. »Dann hätten wir viel mehr Platz als jetzt und könnten uns viele Tiere anschaffen – Schafe und Ziegen, Hunde und Katzen, Gänse und Enten und kleine Schweinchen. Die würden wir dann jeden Tag füttern.«

Anne lächelte nachsichtig und erwiderte: »So einfach ist das leider nicht. Für das, was du möchtest, braucht man viel Geld. Und das haben wir nicht. Und wir könnten die meisten Tiere auch nicht immer behalten, wir müssten sie verkaufen, wenn sie groß genug sind. Denk doch an die Gänse, die meist zu Weihnachten geschlachtet werden.«

»Das müsste ich mir ja nicht angucken«, gab die bereits sehr praktisch denkende Nathalie zurück. »Und im Frühjahr gibt es dann neue kleine Gänschen und kleine … Mutti, da ist jemand.«

Das Mädchen wies mit der Hand erschrocken auf den großen schlanken Mann, der eben aus dem Stallgebäude gleich nebenan trat und langsam auf sie zu schlenderte.