Gegen alle Widerstände … - Yvonne Bolten - E-Book

Gegen alle Widerstände … E-Book

Yvonne Bolten

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Claudia stürmte ins Zimmer ihrer kleinen Schwester. »Krikri, hast du Muschi gesehen?« rief sie. »Nein, vielleicht ist Muschi bei ihrem Freund, dem Kater von Buschmanns«, mutmaßte Krikri. Ihr Taufname war Isolde. Niemand außer dem Klassenlehrer und den diversen Kinderfrauen, die sie in ihrem achtjährigen Leben gehabt hatte, nannte sie so. Für ihre Familie und ihre Freunde war sie Krikri. »Muschi soll es bloß nicht wagen, mir unter die Augen zu kommen.« Claudia war böse. »Was hat Muschi dir denn getan?« erkundigte sich Krikri. »Mir nichts, aber Flasch«, stieß Claudia hervor. »Deinem Goldfisch Flasch? Den Udo dir geschenkt hat?« fragte Krikri. »Das Katzenvieh hat Flasch gefressen. Er ist auf jeden Fall nicht mehr im Aquarium.« »Vielleicht hat Flasch sich hinter einer Pflanze versteckt«

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Leseprobe: Am Ende siegt die Liebe

»Wartet doch mal«, schrie Vicky und sprang von ihrem Fahrrad. Aufgeregt schwenkte sie den rechten Arm durch die Luft. »Immer diese Mädchen«, maulte Nick, der große dunkelhaarige Junge, der die kleine Kolonne anführte. »Ständig wollen sie Rast machen. Da kommt man doch überhaupt nicht voran. Was ist denn jetzt schon wieder? Wenn das so weitergeht, erreichen wir heute die Burg nicht mehr.« Der hübsche Junge mit den ausdrucksvollen dunklen Augen wendete sein Rad, rollte langsam den Weg zurück. Fabian, Henrik, Irmela und Angelika, die hinter ihm fuhren, hielten ebenfalls an, drehten sich um. »Was gibt’s?« fragte Nick, der sich verantwortungsbewußt stets um die Jüngeren kümmerte. Er selbst besuchte bereits die Oberstufe des Gymnasiums, war groß und schlank. »Schau mal, da ist etwas. Vielleicht ein Tier.« Vicky Langenbach, das jüngste Mädchen der Gruppe, deutete aufgeregt zu einem Apfelbaum, der abseits der Straße stand. Die Äste des Baumes bogen sich unter der Last der Früchte, die allerdings noch nicht reif waren. »Warum schaust du denn nicht nach?« kritisierte Fabian Schöller, der nun ebenfalls näher kam.

Mami Classic – 22 –

Gegen alle Widerstände …

Yvonne Bolten

Claudia stürmte ins Zimmer ihrer kleinen Schwester. »Krikri, hast du Muschi gesehen?« rief sie.

»Nein, vielleicht ist Muschi bei ihrem Freund, dem Kater von Buschmanns«, mutmaßte Krikri.

Ihr Taufname war Isolde. Niemand außer dem Klassenlehrer und den diversen Kinderfrauen, die sie in ihrem achtjährigen Leben gehabt hatte, nannte sie so. Für ihre Familie und ihre Freunde war sie Krikri.

»Muschi soll es bloß nicht wagen, mir unter die Augen zu kommen.« Claudia war böse.

»Was hat Muschi dir denn getan?« erkundigte sich Krikri.

»Mir nichts, aber Flasch«, stieß Claudia hervor.

»Deinem Goldfisch Flasch? Den Udo dir geschenkt hat?« fragte Krikri.

»Das Katzenvieh hat Flasch gefressen. Er ist auf jeden Fall nicht mehr im Aquarium.«

»Vielleicht hat Flasch sich hinter einer Pflanze versteckt«, meinte Krikri.

»In dem Aquarium ist keine Pflanze.«

»Aber vielleicht war es gar nicht Muschi, die ihn gefressen hat.«

»Außer diesem haarigen Rollmops ißt hier niemand Goldfische.«

»Muschi ist kein haariger Rollmops! Muschi ist ein süßes schönes Kätzchen.« Krikri war empört.

»Es ist wirklich sehr süß, meinen Goldfisch aufzufressen. Diese Katze hat nicht die geringste Moral. Sie ist von den Barthaaren bis zum Schwanz absolut demoralisiert. Ich frage mich bloß, wie ich Udo die Sache mit Flasch erklären soll.«

Von der Diele her war das dreimalige Schlagen einer Uhr zu hören. »Es ist schon drei. Papa kommt bald nach Hause. Er hat mir nämlich versprochen, daß wir zu dem Pferd gehen, das rechnen kann«, sagte Krikri.

»Ein rechnendes Pferd? Wo gibt es denn so etwas?«

»Im Schloßpark. Es kann bis hundert rechnen«, erzählte Krikri begeistert.

»Bis hundert. Das kann ich ja noch nicht einmal«, lachte Claudia. Sie stand ein Jahr vor dem Abitur und war sehr gut in der Schule. In Mathematik hatte sie allerdings große Schwierigkeiten. Mit Zahlen wußte Claudia genauso wenig anzufangen wie ihre Schwestern Marleen und Krikri.

Die zweiundzwanzigjährige Marleen studierte Pädagogik und wäre wegen Mathematik fast durch das Abitur gefallen. Bei Krikri, die in die zweite Klasse ging, zeichnete sich jetzt schon eine ähnliche Entwicklung ab.

»Willst du mitkommen zu dem Pferd, das Zahlen zusammenzählen kann? Papa hat mir versprochen, daß wir danach zum Eisessen gehen.«

»Ich überlege es mir noch mal. Wo ist Papa eigentlich?« fragte Claudia.

»Papa bringt Clara Heart zu ihrem Cousin.«

»Dann kommt er heute bestimmt nicht mehr nach Hause«, prophezeite Claudia.

»Doch, Papa hat es mir versprochen.«

»Du weißt doch, was von Papas Versprechungen zu halten ist. Wann begreifst du endlich, daß auf Papa kein Verlaß ist? Ich weiß nicht mehr, wie oft er schon gesagt hat, daß er nach Hause kommt und dann doch weggeblieben ist«, fuhr Claudia fort.

»In der letzten Zeit hat Papa immer gehalten, wenn er uns etwas versprochen hat.«

In diesem Augenblick donnerte es. Ein Blitz zuckte auf. Sekunden später läutete im Erdgeschoß der Villa das Telefon.

»Das ist Udo«, rief Claudia und stürmte die Treppe hinunter.

Krikri lehnte sich über das Treppengeländer. Claudia stand genau unter ihr. »Udo«, sagte Claudia, »stell dir vor, unsere Katze hat Flasch gefressen. Der arme Goldfisch! Es tut mir so leid um ihn. Er sah so hübsch aus, wenn er durch das Wasser schwamm.«

Krikri ging in ihr Zimmer zurück.Hoffentlich hört das Gewitter bald auf. Ich möchte doch so gern mit Papa zu dem Pferd gehen, das rechnen kann, dachte sie.

Sie preßte die Nase gegen die Fensterscheibe und blickte in den Garten, der die elterliche Villa umgab. Es hatte angefangen zu regnen. Dicke Tropfen prasselten gegen die Fensterscheibe. Alle paar Minuten grollte ein Donner. Es hörte sich an, als würden am Himmel alle Wolken auf einmal zusammenstoßen. Ein Blitz folgte auf den anderen.

Auf einmal fiel Krikri ein, wie sehr sich das Kätzchen Muschi vor Gewittern fürchtete. Bestimmt war Muschi schon ganz naß von dem Regen.

Im Garten war das Kätzchen nicht zu sehen. Vielleicht sitzt Muschi vor der Haustür und wartet darauf, daß ihr jemand aufmacht, dachte Krikri. Sie lief aus dem Zimmer und stürmte die Treppe hinunter.

Mathilde Bauer, die Zugehfrau bei den von Waldens, stand mitten in der großen Diele. Sie hatte eine kleine schwarze Handtasche fest an den Bauch gepreßt und starrte Krikri mit weitgeöffneten Augen entsetzt an. Ihr rundes liebes Gesicht war wachsbleich.

»Hörst du, wie es blitzt und donnert, Krikri?« fragte sie mit tonloser Stimme

»Ja, das ist das Gewitter« antwortete Krikri. Sie lief zur

Tür.

»Laß die Tür zu, Krikri« , rief Mathilde Bauer.

»Ich will nur sehen, ob Muschi da ist«, sagte Krikri und öffnete die Tür. Von Muschi war nichts zu sehen.

»Muschi ist nicht da.«

»Sie wird schon noch kommen, Krikri. Mach dir keine Gedanken um das Kätzchen. Gewitter ist nichts Schlimmes. Wirklich nicht. Da mußt du keine Angst haben«, meinte Mathilde Bauer versichern zu müssen.

Krikri sah mit großen Augen zu ihr auf. »Du zitterst ja, Tante Bauer«, sagte sie. Sie war die einzige der drei von Walden-Töchter, die die Zugehfrau duzte und ›Tante Bauer‹ nannte.

Mathilde Bauer preßte ihre Handtasche noch fester an sich. Sie war die Tochter eines Landwirts und hatte als Kind erlebt, wie eine Kuh durch einen Blitz getötet worden war. Seit der Zeit stand sie bei Gewitter tausend Ängste aus.

Krikri lief zu ihr und umarmte sie. »Tante Bauer, ich bin ja bei dir«, tröstete sie mit zärtlicher Stimme.

Die Zugehfrau legte beide Arme um Krikri. »Ja, das ist gut, meine kleine Krikri«, sagte sie.

Tatsächlich verlor sich etwas von ihrer Angst. Sie betrachtete Krikri mit Zärtlichkeit.

Was wäre aus Krikri geworden, wenn sie nicht so mutig und tapfer wäre, ging es Mathilde durch den Kopf. Wahrscheinlich, setzte sie in Gedanken hinzu, wäre sie an den Familienverhältnissen zerbrochen.

Die Mutter Regina von Walden war wenige Tage nach Krikris Geburt gestorben. Krikri hatte nie mütterliche Liebe und Zärtlichkeit erfahren.

Sie war unter der Aufsicht von Kindermädchen und Erzieherinnen aufgewachsen. Ihre älteren Schwestern gingen zwar meistens liebevoll und rücksichtsvoll mit Krikri um, aber sowohl Marleen wie Claudia waren zu jung und auch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um an dem kleinen Mädchen Mutterstelle vertreten zu können.

Krikris Vater, der berühmte Komponist und Star-Dirigent Nikolai von Walden, verbrachte nur wenige Wochen des Jahres bei den drei Töchtern in der Villa in Kronberg am Taunus. Es war nicht selten vorgekommen, daß er sein Kommen angekündigt hatte und im letzten Moment dann doch verhindert gewesen war.

Marleen, die älteste Tochter, hatte sich aus dem Grunde mehr oder weniger vom Vater abgewandt. Claudia war auf dem besten Wege, es ihr gleichzutun.

Nur Krikri, die jüngste von Walden-Tochter, ließ nichts auf ihren über alles geliebten Papa kommen. Alle Enttäuschungen hatten ihrer Liebe nichts anhaben können.

Die Zugehfrau schloß ihre Überlegungen mit einem tiefen Seufzer. Sie strich Krikri dabei über das Haar, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Die Stirn bedeckte zur Hälfte ein stark gelockter Pony.

»Siehst du, Tante Bauer, jetzt donnert es schon nicht mehr schlimm. Und es blitzt auch nicht mehr.« Krikri sah mit strahlenden Augen zu der Zugehfrau auf.

»Da bin ich aber froh, Krikri.«

In diesem Augenblick war ein klagendes Miauen zu hören. »Das ist Muschi«, rief Krikri. Sie rannte zur Tür. Vor ihr stand ihr weißes Kätzchen. Das Wasser troff nur aus seinem Fell.

Krikri hob es auf die Arme. »Muschi, meine liebe süße Muschi. Du bist ja klitschenaß. Ich trockne dir das Fell, und dann bekommst du einen Katzenkeks«, versprach sie und lief an Mathilde vorbei die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf.

Auf dem obersten Absatz kam ihr Claudia entgegen. »Da ist es ja, das Katzentier, das meinen Goldfisch gefressen hat.« Claudia betrachtete das Kätzchen strafend.

»Muschi hat Flasch nicht gefressen. Nicht wahr, Muschi, das hast du nicht getan?«

Muschi drehte den schönen Kopf gelangweilt von Claudia weg und miaute dann. »Jetzt hast du es selbst gehört. Muschi hat Flasch nicht gefressen«, sagte Krikri.

Bevor Claudia eine Antwort geben konnte, lief Krikri mit Muschi auf dem Arm an der Schwester vorbei. Sie trat in das Badezimmer, das sie mit Claudia teilte.

Dort rubbelte sie Muschi mit einem flauschigen gelben Handtuch ab. Danach bekam Muschi ein paar Kekse. Als sie die gefressen hatte, legte sie sich mitten auf Krikris Bett, schnurrte zufrieden, warf Krikri einen Verschwörerblick zu, schloß die Schlitzaugen und schlief ein.

*

Der Komponist und Star-Dirigent Nikolai von Walden war eine jener Berühmtheiten, die von den Reportern der Welt förmlich verfolgt wurden. Wo immer er auftauchte, waren auch bald ein Fotograf und ein Journalist zur Stelle.

Doch nicht nur die Vertreter der Medien blieben dem Musiker auf der Spur. Es gab auch viele Frauen, die Nikolai von Walden keine Ruhe ließen.

Das lag zum einen an dem blendenden Aussehen des Musikers, zum anderen daran, daß es ihm schwerfiel, nein zu sagen. Er war ein Mensch, der selbst am meisten darunter litt, wenn er einem anderen weh tat. Manche Frauen rückten ihm auch deshalb sehr nahe, weil er berühmt war und sie sich in seinem Schatten sonnen wollten.

Obwohl es über viele Jahre in seinem Leben keine Frau gegeben hatte, der Nikolai von Walden mehr als Freundschaft entgegenbrachte, haftete ihm der Ruf eines Verführers an.

Geliebt hatte er nur Regina, die Mutter seiner Kinder. Nikolai war erst zweiundzwanzig, Regina zwanzig gewesen, als sie geheiratet hatten.

Ein Jahr später war die älteste Tochter Marleen auf die Welt gekommen, fünf Jahre darauf Claudia. Wieder zehn Jahre später war der Nachkömmling Krikri geboren worden.

Nach dem Tod seiner Frau war Nikolai von Walden jahrelang ruhelos um die Welt gereist. Arbeit war für ihn wie eine Droge gewesen, die ihm geholfen hatte, ohne Regina weiterzuleben.

Machmal hatte er mit dem Gedanken gespielt, wieder zu heiraten. Nicht aus Liebe, sondern um seinen Kindern eine Mutter zu geben. Es war jedoch nicht dazu gekommen. Es schien keine Frau zu geben, die seinen Kindern die Mutter ersetzen konnte.

In der Zwischenzeit waren Marleen und Claudia in einem Alter, in dem sie ohne mütterliche Hilfe auskamen. Krikri war jedoch erst acht. Sie brauchte die Liebe und Zärtlichkeit einer Mutter.

Acht Jahre nach Reginas Tod war Nikolai von Walden während eines Gastspiels in Kalifornien Clara Heart begegnet. Sie war die erste Frau, von der er sich vorstellen konnte, mehr als Freundschaft für sie zu empfinden.

Die vierundvierzigjährige ehemalige Opern-Sängerin war die Witwe eines reichen amerikanischen Unternehmers und stammte aus Kronberg am Taunus.

Claras ausgeglichenes und zugleich fröhliches Wesen sowie ihre mütterliche Art hatten Nikolai vom ersten Augenblick an sofort angezogen. Aus gegenseitiger Sympathie war ein tiefes gegenseitiges Verstehen entstanden.

Von Liebe wagten weder Nikolai noch Clara zu sprechen. Sie wollten sich Zeit lassen und nichts überstürzen. In Kalifornien hatten sie nur kurze Zeit miteinander verbracht. Zu Beginn des Sommers war Nikolai nach Deutschland geflogen, um die großen Ferien mit seinen Töchtern zu verbringen.

Wenige Tage später hatte Clara ebenfalls ihre Koffer gepackt und war nachgekommen. Die Begegnung mit Nikolai hatte in ihr ein großes Heimweh geweckt. Sie wollte die Landschaft wiedersehen, in der sie aufgewachsen war.

Clara wohnte nicht weit von Kronberg entfernt bei einem Cousin, dem einzigen Familienangehörigen, den sie noch in Deutschland hatte.

Nikolai und Clara sahen sich fast jeden Tag für ein paar Stunden. Sie hatten wunderbare Gespräche und machten Spaziergänge durch den großen Schloßpark von Kronberg und durch den Taunus. Der einzige Wehmutstropfen in ihrer Beziehung war das Verhalten von Nikolais Töchtern.

Marleen zeigte Clara die kalte Schulter. Für sie war Clara nur eine der vielen Frauen, die ihrem Vater nachliefen. Claudia nahm Clara kaum wahr. Sie hatte nur ihren Freund Udo im Kopf. Krikri war schlichtweg eifersüchtig, und sie hielt damit auch nicht hinter dem Berg.

Ihr Papa gehörte ihr, weder Clara noch sonst jemandem. Wenn er schon mal da war, wollte sie ihn auch ganz für sich haben und mit keinem Menschen teilen.

Krikri war auch dagegen gewesen, daß Clara mit zu einem Pferd kam, das ›rechnen‹ konnte. Sie hatte so lange gedrängelt, bis Nikolai ihr versprochen hatte, allein mit ihr zu dem Wunderpferd zu gehen.

Um Clara an jenem Tag wenigstens für eine Weile zu sehen und mit ihr zu sprechen, war Nikolai nach dem Mittagessen zu ihr gefahren. Sie hatten einen Spaziergang an den Hängen des Taunus entlang gemacht und sich unterhalten.

Als sie an einem Kornfeld vorbeikamen, begann es plötzlich zu donnern und blitzen. Als das Gewitter vorbei war, setzte der Regen ein. Nikolai und Clara flüchteten unter eine Eiche.

Nikolai zog seine helle Leinenjacke aus und hängte sie Clara über die Schultern. »Ist es besser so?« erkundigte er sich lächelnd.

»Ja, sehr viel besser. Aber ist es dir denn jetzt nicht zu kalt?« sorgte sie sich.

Nikolai schüttelte den Kopf.

Sie sahen sich in die Augen. Regentropfen fielen ihnen auf die Köpfe. Sie waren fast in einem Alter, fünfundvierzig. Beide hatten braunes, leicht gewelltes Haar. Bei Clara zeigten sich an den Schläfen bereits einige silberne Strähnchen. Nikolai war kräftig und schlank, Clara war ebenfalls schlank und hatte eine sehr gute Figur.