Man muss sich nur trauen - Renate Bergmann - E-Book

Man muss sich nur trauen E-Book

Renate Bergmann

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Beschreibung

Jetzt wird endlich ja gesagt! »Ich dachte ja immer, das nächste Mal, dass ich mit meiner besten Freundin Gertrud in der Kirche sein würde, wäre auf einer unserer Beerdigungen. Aber jetzt gibt es einen viel schöneren Anlass: Sie heiratet nämlich! Was da alles zu organisieren ist!  Wissen Se, Gertrud ist 82 wie ich. Da bin ich Brautjungfer und Ersatzbrautmutter in einem. Ich führe sie auch morgen zum Altar. Ja, auf Renate Bergmann ist Verlass!  Der Frau Schlode, die mit ihrem Kinderchor jeden Zeitplan bei Festen durcheinanderbringt, habe ich eine falsche Kirche und ein falsches Datum gesagt, hihi! Die Hochzeitssuite ist reserviert, an die Heizdecke habe ich die Hausdame erinnert und das Büffet ist bestellt. Es sollte eigentlich alles klappen … aber wann klappt schon alles?  Hoffentlich versucht Gunter nicht, Gertrud über die Schwelle zu heben. Wissen Se, sie hat ein paar Polster auf den Hüften, und Gunter hat die Bandscheiben frisch zusammengetackert. Da geht man besser kein Risiko ein.« Renate packt die Taschentücher und den Reis ein und bringt ihre beste Freundin Gertrud unter die Haube. Freuen Sie sich auf jede Menge Hochzeitsspaß!

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Man muss sich nur trauen

Die Autorin

RENATE BERGMANN, geb. Strelemann, 82, lebt in Berlin-Spandau. Sie war Trümmerfrau, Reichsbahnerin und hat vier Ehemänner überlebt. Renate Bergmann ist Haushalts-Profi und Online-Omi. Ihre riesige Fangemeinde freut sich täglich über ihre Tweets und Lebensweisheiten im »Interweb« – und über jedes neue Buch.TORSTEN ROHDE, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann entwickelte sich zum Internet-Phänomen. Es folgten mehrere Bestseller unter dem Pseudonym Renate Bergmann und neuerdings auch unter Günter Habicht.

Renate Bergmann

Man muss sich nur trauen

Die Online-Omi trägt die Schleppe

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

ISBN 978-3-8437-2692-4© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Rudi HurzlmeierE-Book-Konvertierung powered by pepyrus

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Guten Tag, hier schreibt ...

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Guten Tag, hier schreibt ...

Guten Tag, hier schreibt ...

Wissen Se, ich komme mir ja ein bisschen blöde vor. Es steht doch draußen auf dem Buchdeckel drauf, wer hier schreibt! Groß und deutlich. Sie müssen ja denken, ich halte Sie für schwer von Begriff, wenn ich nun tippe, dass ich Renate Bergmann heiße, 82 Jahre alt bin und in Berlin-Spandau wohne.

Oder schlimmer noch, Sie könnten auch denken: »Na, nun geht es los, und wird sie lülle im Kopp!«

Aber es gebietet doch die Höflichkeit, dass man sich kurz vorstellt, und ich finde, ich habe das jetzt halbwegs geschickt gemacht und Ihnen meine Vorstellung sozusagen untergejubelt. Wenn Sie nun ein paar Tage mit dem Büchlein im Sessel oder im Bett verbringen, müssen Se schließlich wissen, mit wem Sie es zu tun haben, nich wahr?

Wissen Se, je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Man hat das Gefühl, dass sie einem durch die Finger rinnt wie feiner Sand. Das ist natürlich gar nicht möglich, der olle Einstein hat das schon untersucht, aber man hat das Gefühl, dass so ein Jahr immer zügiger rum ist, denn man weiß ja, dass man selbst nicht mehr so viele Jahre vor sich hat, und deshalb vergehen die Stunden wie im Flug.

Eben stöhnt man noch über die Sommerhitze, da fallen auch schon die Kastanien von den Bäumen, und kaum hat man das Laub vom Gehsteig geharkt, backt man schon wieder Plätzchen und singt unterm Tannenbaum.

Sobald Weihnachten rum ist, habe ich dann aber genug von Besinnung und Gemütlichkeit. Es gibt ja Leute, die lassen den Weihnachtsbaum bis sonst wann stehen, aber bei mir ist gleich nach Neujahr Schluss damit. Am besten hat man die Krücke aus der Stube, bevor sie anfängt zu nadeln. Es ist so schon genug Sauerei. Ach, es gibt doch kein schöneres Gefühl, als wenn die Wintersonne durch die frisch geputzten Wohnzimmerfenster strahlt und man im Gegensatz zu so manch anderen Leuten nicht erschrickt, weil Schlieren an den Scheiben sind oder weil man die Staubflusen im Lichtschein tanzen sieht.

So ging ich mit Tatendrang und frischer Kraft in das neue Jahr. Wissen Se, meine Wohnung war bald reine gemacht. Eine gute Hausfrau hält ihr Heim in Ordnung, da blitzt und strahlt alles schnell wieder, selbst wenn man über die Feiertage die Bude voll Besuch hatte. Nur mit dem Räuchergeruch habe ich immer meine Probleme, wissen Se, meine Tochter ist leicht erotisch angehaucht und verqualmt mir die Wohnung, wenn ich nicht aufpasse.

Esoterisch, herrje.

Jetzt habe ich mich vertippt.

Kirsten macht immer so Übungen in Turnsachen im Schneidersitz mit richtig atmen und »Ommm« und so. Dabei zündet sie sich lange Stäbchen an, »um den Raum zu energetisieren« und ihn »spirituell zu reinigen«. Als sie das gesagt hat, war ich böse, wissen Se, bei mir muss niemand, der zu Gast ist, was reinigen! Es war aber alles ganz anders gemeint, und es ist jetzt auch nicht wichtig für die Geschichte, deshalb sage ich da gar nichts weiter dazu. Nur so viel: Das Reinigen blieb an mir hängen, denn die Stäbchen, die den Stress meiner Tochter mithilfe von verglimmendem Lavendel abbauen sollten, rußten ganz fürchterlich. Die Einzige, die was zu reinigen hatte, war ich, denn die Dinger machten mir einen schlimmen schwarzen Film auf die Lampe im Gästezimmer.

Das ist aber keine große Hürde für eine Renate Bergmann. Stefan, was mein Neffe ist, schimpft immer, dass ich nicht mehr auf die Leiter steigen soll in meinem Alter, aber wissen Se, eine Leiter ist was, was man an die Wand lehnt. Mein kleiner Tritt mit gerade mal sieben Stufen ist höchstens eine Steighilfe, keine Leiter. Und ich gehe auch nicht höher als auf die vierte Stufe, da kann gar nichts passieren.

Ich hatte sogar Glück, und wir hatten Schneefall, während ich die Stube putzte! Das hieß, dass ich meinen Teppich auf dem Wäscheplatz auf links gedreht tüchtig ausklopfen konnte. Was meinen Se, wie das das Muster wieder zum Leuchten bringt. Herrlich! Es war wirklich ein seltener Glücksfall. Die Winter in Berlin sind normalerweise grauenvoll. Wenn es schneit – was selten vorkommt –, hat man für vielleicht zehn Minuten eine weiße Schneedecke, die alles Hässliche verhüllt. Aber in Windeseile legen sich der Staub und der Ruß der Autos und der Schornsteine über das Weiß des eben noch jungfräulichen Schnees, und alles ist nur noch graue schmierige Pampe. Grau wie die Couch von Lotte Lautenschläger, die mit Rosshaar gepolstert ist und auf der Generationen von Lautenklopfern schon mit Marmelade gekleckert haben. Hinzu kommt, dass in Berlin kaum einer den Schnee wegschiebt. Weil er eben nur so selten fällt, ist hier keiner darauf vorbereitet, und die Leute wissen gar nicht, wie man sich da verhält und was man tut. Statt ihn wegzuschieben, trampeln ihn alle fest, und obenauf schmeißen sie feinen Splitt, damit man nicht rutscht. Schneit es öfter, lagern sich da mehrere Schichten von festgetrampeltem Schnee und Streu ab.

Es war der Winter vor sechs Jahren … nein.

Nein, ich belüge Sie, es war nicht vor sechs Jahren, es war vor sieben Jahren. Es war das Jahr, als Ilse und Kurt die neue Tiefkühltruhe gekauft haben, ich weiß es genau. Vor sieben Jahren! Da hat es über Wochen jede Nacht geschneit, alle stapften auf den Gehwegen den Schnee fest, und später kam die Stadtreinigung und streute Splitt. Man lief gegen Ende Januar bald zwanzig Zentimeter höher auf dem Trottoir, und ich konnte ohne Mühe endlich bei Hedi Schlickenroth in die Fenster gucken. Ja.

Es schneit wirklich viel zu selten!

Aber ich komme schon wieder vom Thema ab. Sehen Se, darauf müssen Se bei mir gefasst sein, ich rede und schreibe, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Das kennen Se bestimmt aber auch von Ihrer Oma und sind mir nicht böse?

Jedenfalls war ich mit Tatendrang in das neue Jahr gestartet, und nachdem alles blitzte und reine gemacht war, wurde es nun Zeit, die Dinge anzugehen, die im Zwischenmenschlichen zu klären waren.

Nicht bei mir, nicht, dass Sie nun denken, nachdem ich vier Ehemänner begraben habe, würde es mich nun noch mal vor den Altar locken. Da sei Gott vor, das Kapitel »Männer« ist für mich abgeschlossen, aber nicht für meine Freundin Gertrud.

Gertrud ist 82 wie ich, aber nur einfach verwitwet, nicht vierfach. Ihr Gustav war zeitlebens eine Stütze und Schulter zum Anlehnen, aber Männer sind eben nicht so widerstandsfähig wie wir Frauen: Sie gehen meist früher. Und so schlägt sich Gertrud, die ich schon von Kindesbeinen an kenne und die mir immer eine gute Freundin war, nun seit zehn Jahren allein als Witwe durchs Leben.

Na ja, allein ist nicht das richtige Wort. Sie hat einen Hund. Und sie hat auch nie auf Gesellschaft verzichtet, gerade nicht auf den Umgang mit Männern.

Gertrud ist noch nie eine gewesen, der die Ehe besonders viel bedeutet hat. Weder war das für sie ein heiliger Bund, noch hat sie sich darum geschert, ob sie von der Witwenrente her versorgt war. Sie lebte eben so langhin und poussierte mal mit diesem Herrn und mal mit jenem. Gertrud war, wie ich, nie eine von den Emanzen, die in Latzhosen Mohrrüben gemümmelt und die Männer mit Grünkernsuppe in die Flucht geschlagen haben. Nee, bei uns gab es Aufschnitt und Ausschnitt, hihi. Wir waren ganz brave Ehefrauen, haben unsere Kinder anständig erzogen, gingen aber trotzdem arbeiten und haben auf diese Weise eine gewisse Unabhängigkeit erreicht. Uns hat nie ein Mann das Haushaltsbüdschee zugeteilt, sondern immer wir den Kerlen das Taschengeld, so sieht das aus! Und wir haben nie geheiratet, weil wir mussten, sondern immer nur, weil wir wollten. Nicht wie diese ganzen operierten Nackedeis heutzutage, die sich einen reichen Fußballspieler angeln, weil es mit der Schule nicht so geklappt hat. Nee, wir haben stets bescheiden gelebt und uns unsere kleinen Freuden im Leben – ein Kännchen Kaffee und ein Stückchen Kuchen dazu – selbst spendiert. Das sind wir uns wert! Aber Gertrud hat sich immer nur bei einem Mann untergehakt oder sich zum Conjäckchen einladen lassen, wenn er ihr gefiel, nie, weil sie ihm gefiel. Das ist ein Unterschied, und zwar ein ganz gewaltiger!

Seit nun über zwei Jahren ist sie jedoch fest verbandelt, und zwar mit Gunter Herbst. Gunter ist eine Seele von Mensch. Ein sehr einfacher Herr schlichten Gemüts, aber er steht wie ein Fels an ihrer Seite und gibt ihr Halt. Er ist nicht das, was man einen Parkettlöwen nennen würde. Gunter ist 84, hört schwer und sagt nicht viel. Aber er kann Auto fahren und schnarcht nicht. Wissen Se, genau genommen weiß ich gar nicht, was ich sonst groß über Gunter sagen kann. Er ist still und unauffällig. Er ist immer da, aber er spricht nicht groß. Es hat schon Rentnerfeiern gegeben, da ist mir erst abends, zu Hause im Fernsehsessel, gewahr geworden, dass Gunter auch dabei war.

Letztes Jahr hatten wir dann den Fall, dass der Herbst fiel.

Also, der Gunter.

Und zwar von der Leiter.

Im Garten, wo er ein paar Tage nach dem Sturz dann so schlimm Bandscheibe kriegte, dass er schnurstracks vom Beet ins Bett gebracht werden musste, und zwar mit Tatütata auf dem Krankenauto. Er wurde operiert, und Gertrud entdeckte auf einmal, wie ernst es ihr mit Gunter war. Bis dahin war sie immer am Rumpoussieren mit anderen Männern und nicht zu stoppen, wenn sie der Hafer stach, aber plötzlich leuchteten die Augen, sobald sie an Gunter dachte oder jemand seinen Namen erwähnte. Gertrud pflegte ihn mit Schwesternhäubchen auf dem Kopp und kämpfte wie eine Löwin bei den Behörden, dass seine Kur und Reha und der ganze Kram genehmigt wurden. Ich staunte nicht schlecht, sie meinte es offenbar wirklich ernst. Als Gunter dann entlassen wurde und ohne Stock durch seinen Garten spazierte, den Gertrud und ich über den Sommer in Schuss gebracht hatten, staunte auch er nicht schlecht, und es war sogar ein ganz klein bisschen romantisch, als er ihr einen Verlobungsring an den Finger steckte und fragte, ob sie seine Frau werden wollte.

Hach, richtig schön war das! Es hätte nur noch gefehlt, dass der Kai Pflaume weiße Tauben aufsteigen lässt in dem Moment. Mir war warm ums Herz, und es fühlte sich sehr richtig an für Gertrud. Wissen Se, als beste Freundin spürt man so was. Ich stand schon manches Mal hinter der Gardine, sah sie mit Herren losdackeln mit ihrem Rollator und dachte: »Nee, Trudchen. Der ist es nicht. Den lässt du sitzen.« Das ist bei Gertrud nicht nur so eine Redensart. Wenn sie genug hat, steht sie im Café einfach auf und geht und lässt den Kerl mit der offenen Rechnung sitzen. Sie ist im Vorteil, denn auch, wenn sie bei schwülem Wetter und bei Ostwind manchmal dicke Füße kriegt, ist sie besser zu Fuß als die allermeisten Männer in unserem Alter. Bis die vom Tisch hoch sind, ist Gertrud schon zur Tür raus.

So auch damals, als wir …

Ich muss gerade ein bisschen schmunzeln, weil mir eine Geschichte einfällt, wie Gertrud damals … ach, einen Moment haben Se doch Zeit? Ich erzähle sie Ihnen rasch. Es geht auch ganz schnell!

Wir waren spazieren und sind hinterher eingekehrt im »Mokkastübchen«, ein sehr gediegenes Café, in dem auch Damen und Herren der besseren Gesellschaft verkehren. Na, wir hatten kaum die Mäntel abgelegt und uns gesetzt – die Hüte ließen wir auf, wissen Se, die Frisur leidet doch sehr, wenn man die Kopfbedeckung immerzu ab- und wieder aufsetzt, und es zog auch ein bisschen in unserer Ecke –, da kam ein rüstiger Herr auf uns zu. Er schlurfte ein bisschen, aber in seinem Alter – ich schätzte ihn auf knapp 90 – war das in Ordnung. Er deutete einen leichten Diener an und fragte, ob wir gestatten würden, dass er sich vorstellte, was er, ohne Antwort abzuwarten, alsdann auch tat. Ich habe mir die Namen nicht gemerkt, er ratterte bald eine halbe Minute Vornamen runter, dass man hätte denken können, er zählt seine ganzen alten Klassenkameraden auf. Ganz zum Schluss, als ihm die Luft schon ausging, sagte er »Freiherr von Wallerbusch«. Na, da hätten Se Gertruds Augen mal sehen sollen! Sie fingen an zu glänzen wie die einer Tigerin, die eine Rindskeule vorgeworfen bekommt. Sie reichte dem Wallerbuschprinzen ihre Hand – an der der Verlobungsring von Gunter steckte, überlegen Se sich das mal! – zum Kuss, und nachdem der olle Knöter formvollendet einen Handkuss angedeutet hatte, murmelte sie: »Gertrud Potter von Pommern zu Herbst, es ist mir eine Freude!«

Dem Altadligen erstarrte kurz der Blick, aber Gertrud – die eine verwitwete Potter ist, bald verheiratete Herbst, und die ihren Mädchennamen Gans schnell zu Pommern aufgehübscht hatte, um hier zu glänzen – , guckte ihn herausfordernd an. Man darf gar nicht darüber nachdenken! Ich kam auch gar nicht dazu, denn sie deutete auf mich und sprach: »Darf ich Ihnen meine Freundin Renate von Mohrskötter vorstellen?«

Da hatte se hingegen nur ein bisschen geschummelt, denn »von Mohrskötter« war der Name von Wilhelm, meinem zweiten Mann und Vater meiner Tochter Kirsten. So hieß ich wirklich mal! Aber immer, wenn die Herren verblichen waren, habe ich mit den Männern bei der nächsten Hochzeit auch den Namen abgelegt. Nach vier Ehen würde man ja doch sonst zu viel Ballast mit sich rumschleppen. Überlegen Se mal: Geboren bin ich eine Strelemann, dann habe ich Otto Winkler geheiratet, von dem ja der Stefan, was mein Neffe ist, seinen Namen hat, und dann den Wilhelm. Wilhelm von Mohrskötter. Später dann Franz Hilbert. Und zu guter Letzt Walter Bergmann. Ich habe bei jeder Heirat den Namen des Mannes angenommen. Man muss sich von altem Kram trennen, schließlich räumt man auch den Kleiderschrank alle paar Jahre mal durch. Und ich brauche auch meinen Mädchennamen nicht, um meine Identität zu wahren, wie die ganzen Knödelmädchen. Ich weiß genau, wer ich bin und was ich will, ganz egal, wie ich heiße. Es ist nur leichter für Leute, die man von früher kennt, wenn man dazu sagt, was man für eine Geborene ist. Da hat so ein Doppelname seine Vorteile, weil es da gleich mit dabei steht. Allerdings denke ich mir immer: Wem ich wirklich was bedeute, der erkennt mich auch, wenn er nicht meinen Namen von früher weiß, und vielleicht will ich auch gar nicht von allen gefunden werden beim Fäßbock? Nichts ist doch schlimmer, als wenn man eine Freundesanfrage bekommt und sich denkt: »Ach du je, nee, die Person will ich gar nicht wiedersehen.« Da bin ich ja im Vorteil, weil ich schon ein bisschen alt bin, kann ich mich rausreden mit: »Das habe ich gar nicht gesehen, dass du da was geschickt hast«, oder »Ach weißte, ich bin da nur ganz selten im Onlein«.

Gertrud kriegte Opa Wallerbusch mit ein paar geschickt platzierten Gickerlachern dazu, unseren Kaffee zu bezahlen. Er ließ den Ober sogar noch drei Likörchen bringen, aber dann machten wir uns wieder auf den Weg. Er half uns in die Mäntel und küsste Gertrud noch mal den Verlobungsring. Ich hatte mich wohl nicht richtig im Griff und rollte ein bisschen mit den Augen, was der Wallerprinz sah. Deshalb bekam ich keinen Handkuss. Das war mir sehr recht, wissen Se, ich kann das Geschlabber nicht leiden, weder bei Verehrern noch bei Hunden. Ich hätte mir sonst nur noch mal die Hände waschen wollen.

Auf dem Rückweg hakte ich bei Gertrud nach, was denn nun eigentlich mit Gunter und der Hochzeit wäre. Der Likör lockerte die Zunge, wissen Se, da spricht es sich leichter. Das Thema musste nun auch dringend mal aufs Tapet, schließlich ging der Winter auf seine Zielgerade, und eine Hochzeit braucht eine gewisse Vorbereitungszeit.

Es war zwar noch kein ganzes halbes Jahr rum seit dem Antrag, aber heutzutage guckt ja keiner mehr so genau hin, ob die Verlobungszeit im sittlichen Rahmen liegt. Und wenn man dazu rechnete, dass es bis zum Jawort eh noch einige Zeit dauern würde, konnte, nein!, musste man das Thema nun angehen, wenn es Gertrud und Gunter denn wirklich ernst war.

Gunter war nach der Operation und seiner Reha zu Gertrud gezogen, wo sie ihn liebevoll umsorgte. Sie wusch und kochte für ihn, und auch, wenn das jetzt vielleicht ein bisschen indiskret ist, ich weiß, dass er sogar bei ihr im Ehebett schlief und nicht auf der Couch.

Überlegen Se sich das mal!

Ich gucke nämlich »Aktenstapel XY« mit dem Rittberger-Rudi ungern allein. Wenn Verbrecherfahndung über den Bildschirm flimmert, gehe ich nach Möglichkeit zu Gertrud. Im November, als es so unwirtlich nasskalt und dunkel war und die Sendung ganz besonders gruselig – sie hatten den Überfall auf eine alte Dame gezeigt, denken Se nur! – , traute ich mich nicht mehr nach Hause, und da hat Gertrud mir die Couch in der Wohnstube ausgeklappt und das Bettzeug hergerichtet. Gunter schlurfte wie selbstverständlich mit seinen Pantoffeln zu ihr in die Schlafstube. Ich weiß das also aus eigener Beobachtung und setze keine Gerüchte in die Welt – die beiden schliefen im selben Bett!

Na ja.

Eine kirchliche Trauung war sowieso nicht geplant.

»Nun sprich mal ganz offen mit mir, Gertrud. Wird das was, oder eiert ihr nur rum?«, fragte ich ganz direkt.

»Was soll schon werden. Es ist doch alles ganz prima, wie es ist. Wir fühlen uns wohl, und Gunter hat auch nie wieder was von Heiraten gesagt.«

»Aber ihr wolltet doch?«

»Ja. Irgendwie schon. Aber, ach, ich weiß auch nicht. Was würde sich denn ändern?«

Gertrud fing schon an zu diskutieren wie eine von diesen jungschen Dingern, die nicht wissen, was sie wollen. Diese Knödelmädchen.

Ich glaube, ich habe vorhin schon mal davon geschrieben, Ihnen aber nicht erklärt, was ich meine. Passen Se auf!

Ich meine diese modernen jungen Frauen, die ein Tempo an den Tag legen, dass man da kaum noch mitkommt. Die düsen mit dem Fahrrad durch die Stadt und reden so schnell, dass sie sich dabei überschlagen und gar nicht den Satz beenden, den sie eigentlich angefangen haben, sondern einen ganz anderen. So überdreht wie nach zwei Tassen Mokka. Die haben einfach keine Ruhe und vermitteln einem ständig das Gefühl von Gehetztsein. Ich will denen am liebsten immer sagen, dass sie mal durchpusten sollen und »Ommm« machen. Das sind meist kluge Frauen, die was Wichtiges studieren oder damit sogar schon fertig sind und nun sehr gut in ihrem Beruf ihre Frau stehen. Aber irgendwie sind die so schmalspurschlau. Verstehen Se, was ich meine? Die sind bestimmt prima in dem, was sie studiert haben, aber meist sind die lebensdoof und eiern in wichtigen Fragen unbeholfen durchs Leben. Mit den wirklich wichtigen Dingen kennen sie sich ü-ber-haupt nicht aus, sie wissen nicht, was sie wollen, können keine Entscheidung treffen, ohne siebzehn Telefonate mit Lillian, Pernilla und wie die heute alle heißen zu führen, und scheitern an den einfachsten Dingen. Die können keine Mehlschwitze kochen, kein Huhn ausnehmen und wissen nicht mal, wie man Hefekuchen backt. Sie müssen stundenlang mit Freundinnen spazieren gehen, um die einfachsten Dinge zu entscheiden. Wenn die zum Beispiel beim Bäcker ein Stückchen Kuchen … nee.

Nee, das ist ein falsches Beispiel, denn Kuchen essen die meist nicht. Wegen Gluten und sowieso wegen der Figur. Emanzipiert sind sie bis zur Halskrause, aber wegen der Figur machen sie sich trotzdem Sorgen und wollen den Männern gefallen, aber nur, um ihnen dann das Leben schwer zu machen.

Sagen wir also, sie wollen in der Mittagspause ein belegtes Eiweißbrot mit Chinasamen. Dann muss immer eine vom ähnlichen Schlag mit zum Aussuchen, und dann stehen die bestimmt eine Viertelstunde vor der Auslage beim Bäcker und beratschlagen. Sie diskutieren über Größe, Gewicht, ob da Fleisch dran ist, was die Vivien neulich hatte, und ob es wohl Gluten hat. Meist winkt die Verkäuferin immer schon sechs bis acht andere Kunden vor und nimmt die dran, bis die Damen mit Ally, Penny und Lucy telefoniert haben und erst mal zur Entscheidungsfindung einen weißen Tee bestellen, aber ohne Koffein und mit Hafermilch. Fettreduzierte Hafermilch bitte. Dann geht die Meditation vor den belegten Brötchen weiter, und kurz bevor die Mittagspause rum ist, nehmen sie einfach eine Stulle mit Ei.

Man erkennt diese Frauen daran, dass sie zumeist ihre langen Haare zu einem sehr lose und für meine Begriffe ein bisschen zu leger gebundenem Witwe-Bolte-Knoten auf dem Kopf tragen. Da sie aber so schluderig sind, ist das eher ein Knödel als ein Knoten. Ich nenne sie deshalb immer »Knödelmädchen«. Das ist nicht abfällig gemeint, aber es gibt mittlerweile so viele davon, dass mir scheint, der Knödel ist das Markenzeichen einer ganzen Generation. Hätten die ein Familienwappen, wäre da ein Haarknödel drin, genauso wie bei mir vielleicht ein Bohnerbesen. Hihi.

Die Knödelmädchen gibt es in den Varianten »ledig« und »Mutti«. Wenn sie noch ledig sind, tragen se meist verwaschene Nietenhosen, die bis hoch über den Bauch gezogen werden, und fahren mit Herrenrennrädern. Sie studieren was ganz furchtbar Wichtiges, meist kommt im Namen des Faches »Medien« vor und »sozial«. Das Studium ist aber ganz arg anstrengend, und sie sind mit dem Besorgen von weganem Pamps in einer »Bowl« eigentlich auch den Tag über ausgelastet.

Wissen Sie, was eine »Bowl« ist? Ich musste da auch erst fragen. Man sollte aber ständig dazulernen, sonst wird man alt im Oberstübchen und verpasst den Anschluss im Leben! Eine »Bowl« ist nichts anderes als eine Schüssel. Aber wenn Se einem was andrehen wollen, müssen Se sich immer neue, modernere Begriffe einfallen lassen. Für eine Schüssel Salat können Se bestenfalls 4,50 € aufrufen, nennen Se es jedoch »Vegane Indian Summer Bowl«, können Se ohne mit der Wimper zu zucken 12,90 € dafür nehmen. Tragen Se dabei schwarze Gummihandschuhe, noch mal zwei Euro mehr. Und da die Knödelmädchen, wie ich schon sagte, vom wirklichen Leben keine Ahnung haben, bezahlen sie das. Die wissen gar nicht, dass das Beutelschneiderei ist. Zahlen tun sie mit Karte, natürlich, oder noch besser mit dem Telefon. Und noch mal zwei Euro obendrauf, wenn es wiederverwendbare Bowls sind.

DAZU HABEN WIR FRÜHER TUPPERSCHÜSSEL GESAGT!

Wissen Se, ich will ja nicht ungerecht sein. Ich bemühe mich immer zu verstehen, was Menschen bewegt, etwas zu tun, und bevor ich den Mund aufmache und was sage, überlege ich lange. Man muss sich stets alle Beweggründe anhören, bevor man sich ein Urteil bildet. Das ist ganz oft ein Fehler bei alten Leuten. Die glauben ab einem bestimmten Alter, dass sie alles wissen, und beharren stur darauf, dass sie recht haben. So was darf man nicht machen, man muss immer neugierig dem Leben gegenüber bleiben und offen sein, auch Neues zu probieren. Aber wenn man sich ein Bild gemacht hat, muss man auch sagen dürfen, was es ist. Und ich sage im Fall der Knödelmächen: lebensdoof.

Jetzt haben Se hoffentlich nicht gedacht: »Die alte Bergmann schießt sich auf die jungen Frauen ein.« Nee! Es gibt das Knödelkind auch in männlich. Die haben nur selten so einen Knoten auf dem Kopp, obwohl ich das in klein auch bei Männern schon gesehen habe. Aber innerlich, so vom Herzen und vom Verstand her, sind die vom gleichen Typ. Stefan, was mein Neffe ist und mit dem ich darüber gesprochen habe, sagt, das liegt an der Generation. Sie wären alles »Millenjels«, also Leute, die so um den Jahrtausendwechsel rum – auf ein Jahr mehr oder weniger kommt es da nicht an, es geht ums Prinzip – geboren wurden. Selbst er, der er jetzt ein bisschen über dreißig ist, versteht die schon nicht mehr.

Der Herr Alex, der oben in unserem Mietshaus so ein bisschen rumwohnt und angeblich irgendwas studiert, ist auch so einer. Er ist ein sehr bewusster Mensch, der achtsam mit seiner Umwelt und seinen Mitmenschen umgeht und immer das Gute im Sinn hat. Der hält sich an die Hausordnung und wischt das Treppenhaus gründlicher und zuverlässiger als die Damen Berber und Meiser, mit Essigreiniger aus Glasflaschen, damit der Ozean nicht verdreckt, er hat Jutebeutel und eine Aktentasche aus weganem Leder, und er trägt mir die Einkaufstasche hoch. Herr Alex war gerade ganz neu in dieses WG eingezogen, als meine Freunde Ilse und Kurt mich besuchten. Ich hatte wohl erwähnt, dass nun ein netter junger Mann im Haus wohnte, aber es hatte noch keine Chance gegeben, sie einander vorzustellen. Nun wollte es der Zufall, dass Herr Alex gerade von der Verlesung an seiner Universität nach Hause kam, als die Gläsers vor der Haustür standen. Ja, fragen Se mich nicht, was die da ständig verlesen an dieser Universität, aber es muss wichtig sein, denn Herr Alex fährt fast jeden Tag mit seinem Fahrrad hin. Zuvorkommend, wie er ist, griff er nach Ilses Beutel. Sie hatte mir nämlich frische Eier mitgebracht. Kurt hielt Herrn Alex, der ziemlich hektisch angehetzt kam, für einen Taschendieb, und fast wäre es zu einer Tätlichkeit gekommen. Kurt hatte zum Glück keinen Gehstock dabei, und so ist nur der Henkel von Ilses Tasche abgerissen, weil die sich zur Wehr setzte. Den konnte man aber wieder annähen, das war kein Problem. Und die Gläsers mögen Herrn Alex nach diesem etwas holprigen ersten Kennenlernen nun auch. Er nimmt auch gern Eier ab, denn er ist sehr für regional und bio.