Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt - Maya Shepherd - E-Book

Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt E-Book

Maya Shepherd

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Beschreibung

Es war einmal … ein Prinz namens Lean, der nach seiner Geburt mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Ein Kuss sollte ihm eines Tages zum Verhängnis werden. Als der Prinz ins heiratsfähige Alter kommt, wählt er nach alter Tradition zwölf Mädchen seines Landes aus, welche die Chance erhalten, sich in Prüfungen einer Königin würdig zu erweisen. Kann es auch nur einer von ihnen gelingen, sein Herz zu erobern? Oder wird das Schicksal seinen Lauf nehmen und sein erster Kuss ihn zu großem Unheil verdammen?

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1 - Lean

Kapitel 2 - Heera

Kapitel 3 - Heera

Kapitel 4 - Lean

Kapitel 5 - Heera

Kapitel 6 - Lean

Kapitel 7 - Heera

Kapitel 8 - Lean

Kapitel 9 - Heera

Kapitel 10 - Lean

Kapitel 11 - Medea

Kapitel 12 - Heera

Kapitel 13 - Lean

Kapitel 14 - Heera

Kapitel 15 - Lean

Kapitel 16 - Heera

Kapitel 17 - Heera

Kapitel 18 - Lean

Kapitel 19 - Heera

Kapitel 20 - Medea

Kapitel 21 - Heera

Kapitel 22 - Heera

Kapitel 23 - Heera

Kapitel 24 - Lean

Kapitel 25 - Heera

Kapitel 26 - Lean

Kapitel 27 - Medea

Kapitel 28 - Heera

Kapitel 29 - Medea

Kapitel 30 - Heera

Kapitel 31 - Heera

Kapitel 32 - Lean

Kapitel 33 - Medea

Kapitel 34 - Heera

Kapitel 35 - Heera

Kapitel 36 - Erina

Kapitel 37 - Heera

Kapitel 38 - Lean

Kapitel 39 - Lean

Kapitel 40 - Medea

Kapitel 41 - Heera

Kapitel 42 - Heera

Kapitel 43 - Daphne

Kapitel 44 - Medea

Kapitel 45 - Heera

Kapitel 46 - Heera

Kapitel 47 - Erina

Kapitel 48 - Heera

Kapitel 49 - Medea

Kapitel 50 - Lean

Kapitel 51 - Lean

Kapitel 52 - Amphion

Kapitel 53 - Lean

Kapitel 54

Epilog

ZUR INSPIRATION GENUTZTE MÄRCHEN

Dank

 

Maya Shepherd

 

 

Märchenhaft erwählt

Band 1

 

 

Fantasy

 

Die Märchenhaft-Trilogie (Band 1): Märchenhaft erwählt

Es war einmal … ein Prinz namens Lean, der nach seiner Geburt mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde. Ein Kuss sollte ihm eines Tages zum Verhängnis werden.

Als er ins heiratsfähige Alter kam, wählte er nach alter Tradition zwölf Mädchen seines Landes aus, welche die Chance erhalten würden, sich in Prüfungen einer Königin würdig zu erweisen. Konnte es auch nur einer von ihnen gelingen, sein Herz zu erobern? Oder würde das Schicksal seinen Lauf nehmen und sein erster Kuss ihn zu großem Unheil verdammen?

 

 

 

 

Die Autorin

Maya Shepherd wurde 1988 in Stuttgart geboren. Zusammen mit Mann, Tochter und Hund lebt sie mittlerweile im Rheinland und träumt von einem eigenen Schreibzimmer mit Wänden voller Bücher.

Seit 2014 lebt sie ihren ganz persönlichen Traum und widmet sich hauptberuflich dem Erfinden von fremden Welten und Charakteren.

Im August 2015 gewann Maya Shepherd mit ihrem Roman ›Märchenhaft erwählt‹ den Lovely Selfie Award 2015 von Blogg dein Buch.

 

 

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, März 2021

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat/Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig

Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-171-0

ISBN (epub): 978-3-03896-192-5

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für meinen Stern

 

******

 

 

Ein Kuss,

aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben,

ihm zur Verdammnis.

Er möge keinen Fuß mehr auf die Erde setzen.

Keinen Tag mehr das Licht der Sonne erblicken.

Keine Nacht mehr die Sterne am Himmel zählen.

 

Ein geschenkter Kuss ihm zur Erlösung.

Der Kuss der wahren Liebe vermag den Fluch zu brechen.

 

Prolog

 

In dem fernen Reich Chóraleio fehlte König Egeas und seiner Gemahlin Niobe nur eines zu ihrem Glück – ein Kind. Sie sehnten sich nach einem Erben, der eines Tages genauso gerecht und gütig herrschen sollte, wie sie es taten.

Je mehr Zeit verging, umso verzweifelter wurde Niobe. Die Adligen tuschelten bereits hinter vorgehaltener Hand und die Berater legten dem König nahe, sich zum Wohle von Chóraleio Gedanken über eine neue Heirat zu machen. Das kam für Egeas jedoch nicht infrage, da er seine Frau sehr liebte.

Die Gerüchte nahmen nicht ab und wendeten sich nun in eine andere Richtung: Wer würde das Reich regieren, wenn die Ehe des Königspaars kinderlos bliebe?

Ferne Verwandte sahen ihre Chance zur Machtergreifung gekommen und scharten sich am Hof mit dem Hintergedanken, dass Egeas einen von ihnen zu seinem Nachfolger ernennen würde. Dabei kam es häufig zu hitzigen Auseinandersetzungen, die nicht nur Egeas, sondern auch das ganze Reich belasteten. Königliche Pflichten wurden vernachlässigt und so erfuhr auch bald das Volk von den Schwierigkeiten ihrer Herrscher.

Das lockte Scharlatane an, die behaupteten, über Wundermittel zu verfügen, die dem Königspaar zu ihrem Kindersegen verhelfen sollten. In ihrer aussichtslosen Lage ließen Egeas und Niobe sich sogar auf ein paar Versuche ein, jedoch ohne einen Erfolg davonzutragen.

Der Druck drohte, die Königin zu zerbrechen, und sie begann an ihrer Liebe zu Egeas zu zweifeln. Vielleicht hatte er wirklich die falsche Braut erwählt und eine andere hätte ihn glücklicher machen können? Sie wusste nicht mehr weiter und zog sich immer mehr von gesellschaftlichen Veranstaltungen zurück, da sie das Getuschel und die mitleidigen Blicke nicht ertrug.

Es war ein lauer Sommerabend, als sie allein durch den Palastgarten spazierte. Vom Ballsaal wehte die Melodie des Streichorchesters zu ihr, welche die Gäste zum Tanzen verleitete. Manchmal konnte sie sogar ihr lautes Lachen hören. Alle schienen vergnügt zu sein, während sie selbst so viel Kummer in ihrem Herzen trug. Früher hatte sie die Festlichkeiten genossen und war eine hervorragende Gastgeberin und Tänzerin gewesen. Sie vermisste diese Unbeschwertheit, aber noch mehr vermisste sie es, Egeas lächeln zu sehen. Auch er war nun oft schwermütig oder leicht reizbar.

Sie ließ sich auf einer Bank an einem kleinen See nieder, über den Glühwürmchen in der Abenddämmerung flogen. Der Anblick ihrer funkelnden Lichter tröstete sie etwas.

Eine Weile saß sie einfach nur da, bis ein Knacken ihre Aufmerksamkeit weckte. Erstaunt drehte sie sich um, da sie geglaubt hatte, im Garten allein zu sein. Unter den tief hängenden Ästen einer Trauerweide trat eine alte Frau hervor. Beschwichtigend hob sie ihre krummen Hände.

»Fürchtet Euch nicht vor mir, Königin«, sprach sie mit rauer Stimme und kam langsam näher. Sie besaß einen krummen Rücken, sodass sie leicht vornübergebeugt gehen musste.

»Wer seid Ihr?«, wollte Niobe wissen. Sie verspürte zwar keine Angst, aber die Fremde war ihr nie zuvor aufgefallen. Das Schloss wurde gut bewacht und Außenstehenden sollte der Zutritt nur nach ausdrücklicher Genehmigung gestattet sein.

Ächzend ließ sich die Alte neben ihr auf der Bank nieder. »Früher war dieser Garten mein Arbeitsplatz. Deshalb auch der krumme Rücken.« Sie lachte glucksend, ehe die Freude aus ihrem Gesicht wich. »Ich war nie eine Schönheit. Bis heute blieb ich unverheiratet und kinderlos. Es gibt niemanden, der sich meiner annehmen könnte, deshalb gestattete mir der alte König als Dank für meinen guten Dienst, in diesem Garten zu leben, bis mein Leben vorbei ist.«

Mitgefühl für die alte, einsame Frau wallte in Niobe auf. Es war traurig, ganz allein auf der Welt zu sein und nur noch auf den Tod zu warten.

»Das tut mir sehr leid«, erwiderte sie höflich. »Gibt es etwas, das ich für Euch tun kann?«

Die Alte schenkte ihr ein zahnloses Grinsen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Grämt Euch nicht meinetwegen, Königin. Unkraut vergeht nicht. Solange ich mit dem Gesang der Vögel erwachen und dem Zirpen der Grillen einschlafen kann, mangelt es mir an nichts.« Sie musterte Niobe mit ihren unergründlichen Augen, die von unzähligen Falten umschlossen waren. »Aber Ihr solltet an solch einem schönen Abend nicht allein an einem Seeufer sitzen, sondern ausgelassen mit Eurem Gemahl auf dem Ball tanzen. Ihr seid jung und schön. Wenn Ihr mal so alt seid wie ich, bleibt Euch noch genug Zeit, um das Leben zu bedauern.«

Wenn es doch nur so einfach wäre, dachte Niobe seufzend.

»Mein Wunsch nach einem Kind bleibt unerfüllt«, klagte sie der ehemaligen Gärtnerin. Bei ihr hatte sie das Gefühl, offen sprechen zu können. Eine Königin, die ihrem König keine Nachkommen schenkte, war nutzlos.

Die Frau beäugte sie skeptisch. »Vielleicht bin ich in der Lage, Euch zu helfen.«

Niobe konnte sich nicht vorstellen, wie die Fremde ihr helfen sollte, horchte aber dennoch auf.

»Einen Tee aus Kräutern?«, mutmaßte sie. Von solchen hatte sie schon unzählige getrunken.

Die Alte lachte schnatternd auf. »Aber nicht doch! Glaubt Ihr etwa an solchen Unsinn?«

»Nicht mehr«, erwiderte Niobe traurig. Früher war sie voller Hoffnung gewesen. Nun fiel es ihr schwer, überhaupt noch an irgendetwas zu glauben. »Was könnt Ihr dann für mich tun?«

»Wie viel ist Euch die Geburt eines Kindes wert?«, hakte die Gärtnerin nach. Ein verschlagener Zug, den Niobe zuvor nicht bemerkt hatte, legte sich nun über das faltige Gesicht.

»Alles«, gestand die Königin unglücklich. »Ich würde alles dafür geben, Egeas einen Sohn zu schenken. Selbst mein eigenes Leben wäre mir nicht zu viel.«

Die Alte streckte ihre runzelige Hand aus und legte sie auf Niobes Bauch. »Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen und du wirst einen Sohn zur Welt bringen. Aber vergiss mich nicht. Wenn wir uns das nächste Mal sehen und ich dich um etwas bitte, ganz gleich, was es auch sein mag, darfst du es mir nicht verwehren. Versprichst du mir das?«

Niobe zögerte nur einen Atemzug lang. Einer Fremden alles zu versprechen, war riskant, aber was konnte eine alte Gärtnerin schon von ihr verlangen? Vorausgesetzt, dass sie überhaupt schwanger werden würde. Mittlerweile fiel es ihr schwer, daran zu glauben. Das Einzige, was ihr noch helfen konnte, war ein Wunder.

»Ich verspreche es«, gab sie der Alten ihr Wort.

Diese nickte zufrieden und löste ihre Hand von dem Bauch der Königin. Eine Weile blieben sie noch wortlos nebeneinander am Seeufer sitzen. Als Niobe sie etwas fragen wollte und sich zu ihr umdrehte, war die Frau verschwunden. Völlig geräuschlos musste sie sich erhoben und aus dem Garten geschlichen haben.

Verwundert stand nun auch Niobe auf und zog sich in ihre Gemächer zurück. Egeas, der ebenfalls des Festes überdrüssig geworden war, erwartete sie dort bereits. Er hatte sich um seine Gemahlin gesorgt und schloss sie erleichtert in seine Arme, als er sie erblickte. Sie liebten sich in dieser Nacht.

Als Niobe ihm im Morgengrauen von ihrer Begegnung mit der ehemaligen Gärtnerin erzählte, zeigte sich Egeas erstaunt, denn es hatte nie eine Gärtnerin im Dienst seines Vaters gegeben. Er ließ nach der Alten suchen, aber niemand wusste von ihr oder konnte sich an jemanden erinnern, auf den ihre Beschreibung gepasst hätte. Sie war wie ein guter Geist, der Niobe in ihrem Kummer beigestanden hatte.

 

Tage und Wochen vergingen, ohne dass Niobe an die Begegnung mit der Fremden zurückgedacht hätte, doch dann wurde aus einer Vermutung eine Gewissheit – sie trug ein Kind unter ihrem Herzen. Was die Alte ihr vorausgesagt hatte, war tatsächlich eingetreten.

Die werdenden Eltern waren überglücklich und ließen das ganze Königreich an ihrer Freude teilhaben. Die Tuscheleien verstummten und die Verwandten, die sich den Thron hatten erschleichen wollen, zogen sich wieder an ihre eigenen Höfe zurück. Ordnung kehrte zurück und ganz Chóraleio fieberte dem Tag der Geburt entgegen.

Es war ein Frühlingstag, als Königin Niobe einen kleinen Prinzen zur Welt brachte, dem sie den Namen Lean gab.

Egeas war außer sich vor Stolz und veranstaltete ein großes Fest, zu dem er nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten einlud, sondern auch die dreizehn weisen Frauen des Königreichs, damit sie dem Kind hold und gewogen wären.

Die Geladenen kamen, und die Feierlichkeiten nahmen ihren Lauf. Es war ein berauschender Ball, der an Pracht kaum zu überbieten war.

Als das Fest den Punkt erreichte, an dem die Gäste dem kleinen Prinzen ihre Geschenke überbringen sollten, löste sich eine dunkle Gestalt aus der Masse und schritt geradewegs auf das Königspaar zu. Ein Raunen ging durch die Menge beim Anblick der ärmlichen Fetzen, die den gebeugten Körper der alten Frau bedeckten. Zuvor war sie niemandem aufgefallen, doch nun richteten sich alle Augen auf sie.

»Königin Niobe«, rief sie laut mit krächzender Stimme, sobald sie den Thron erreichte. »Erinnert Ihr Euch an mich?«

Es war die Fremde, der Niobe im Schlossgarten begegnet war und die ihr die Hand auf den Bauch gelegt hatte. Danach war sie schwanger geworden, wie die Alte es ihr vorausgesagt hatte. Niemals hätte Niobe sie vergessen können.

»Gewiss«, antwortete die Königin und erhob sich von ihrem Thron. Sie schritt die Stufen hinab und küsste die Alte auf die Stirn, ehe sie sich vor ihr verneigte. »Ich werde mich niemals genug dafür bedanken können, was Ihr für mich getan habt.«

Die Fremde hatte sichtlich Gefallen an der Demut, mit der sie von Niobe behandelt wurde. Sie straffte ihren krummen Rücken und bedachte die Königin mit einem mahnenden Blick. »Erinnert Ihr Euch auch noch daran, was Ihr mir versprochen habt?«

»Alles«, hatte Niobe ihr versprochen. Kein Preis war ihr für die Geburt eines Kindes zu hoch erschienen.

»Was kann ich für Euch tun?«, fragte sie gutmütig. Sie würde die Alte im Schloss wohnen lassen, wenn es das war, was sie wollte. Jeden Tag sollte sie ihre Lieblingsspeise serviert bekommen und bei jedem Fest ihr Ehrengast sein. Sie sollte dasselbe Glück erfahren, das Niobe dank ihr gewährt worden war.

Das verschlagene Funkeln kehrte in die dunklen Augen der Greisin zurück. »Ihr gabt mir Euer Wort, dass ich von Euch bekommen würde, wonach ich verlange. Ganz gleich, was es ist.« Sie sprach laut, sodass es jeder im Saal hören sollte. »Ich möchte nicht weniger als Eure Krone!«

»Meine Krone?«, entfuhr es Niobe bestürzt. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Alte richtig verstand. »Möchtet Ihr sie Euch aufsetzen?«

Was könnte eine alte Frau schon mit einer Krone anfangen?

»Ich will das, wofür sie steht«, erwiderte die Fremde. »Ich will über Chóraleio herrschen!«

Zuerst war es still, doch dann fing der König laut zu lachen an, als hätte die Alte einen Scherz gemacht. Auch andere begannen zu lachen, bis der ganze Ballsaal erfüllt von Gelächter war. Sie lachten die Fremde und ihre absurde Forderung aus.

Diese ließ es mit erhobenem Haupt über sich ergehen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Niobe suchte vergeblich in ihren Augen nach der Güte und dem Mitgefühl, die sie damals am See in ihnen zu sehen geglaubt hatte. Sie war die Einzige, die sich nicht amüsierte.

»Lacht nur, König«, spottete die Alte, als sich die Anwesenden wieder etwas beruhigt hatten und nur hier und da noch ein leises Kichern zu hören war. »Lacht nur, solange Ihr noch könnt. Denn schon bald wird Euch das Lachen vergehen, wenn Ihr mir nicht gebt, was Eure Königin mir versprochen hat.«

Egeas rümpfte die Nase. »Wie wäre es mit einem warmen Bad anstatt einem Königreich?«, zog er sie herablassend auf. »Ich bin sicher, davon hätten wir alle am meisten.«

Erneut brachen seine Gäste in Johlen und Glucksen aus, doch die Alte stand darüber.

»Ihr wisst nicht, wen Ihr vor Euch habt«, zischte sie erbost und schlug in die Hände, woraufhin ein lauter Knall zu hören war und sich eine Rauchwolke um ihren gebrechlichen Körper bildete.

Das Lachen verging den Menschen und sie hielten angespannt den Atem an, während Niobe erschrocken zurück an die Seite ihres Gemahls wich und das Neugeborene fest an sich hielt.

Langsam löste sich der Qualm wieder auf, und eine dunkelhaarige Schönheit stand in den Fetzen der Fremden vor ihnen.

»Ich bin die Schwarze Hexe«, rief sie mit dröhnender Stimme. Sie war weder eine Gärtnerin noch eine Bettlerin, sondern eine der dreizehn weisen Frauen, die Egeas selbst zu seinem Fest eingeladen hatte.

Niobe schlug schockiert die Hände vor den Mund und erkannte erst jetzt, welches Unheil sie über ihre Familie und Chóraleio brachte, weil sie in ihrer Verzweiflung unbedacht ein Versprechen gegeben hatte.

»Das ist Eure letzte Chance, König Egeas«, brüllte die Hexe. »Überlasst mir Euren Thron, und Eurer Familie wird kein Leid geschehen.«

Egeas baute sich schützend vor seiner Gattin und dem Sohn auf. Er liebte beide mehr als alles andere auf der Welt, aber er konnte der Hexe nicht geben, wonach sie verlangte – das war er seinem Volk schuldig.

»Niemals!«, rief er fest entschlossen.

Die Dreizehnte lief vor Wut rot an. »Ich verfluche den Prinzen«, schrie sie außer sich. »Ein Kuss, aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben, soll ihm zur Verdammnis werden. Er möge keinen Fuß mehr auf die Erde setzen. Keinen Tag mehr die Sonne erblicken und keine Nacht mehr die Sterne am Himmel zählen.«

Indem sie in die Hände schlug, besiegelte sie ihren Fluch. Mit einem weiteren heftigen Knall löste sie sich in Rauch auf und war verschwunden.

Fassungslos begann Niobe zu schluchzen und wiegte ihren weinenden Sohn in ihren Armen. »Mein armer Liebling«, wisperte sie verzweifelt. »Was habe ich dir nur angetan?«

Aus der aufgeregten Menge traten die anderen weisen Frauen hervor. Sie konnten den Fluch ihrer Schwester nicht aufheben, aber sie wollten ihn mildern. Sie legten einen Zauber über sämtliche Gäste und Bedienstete, sodass sich keiner von ihnen mehr an den Besuch der Schwarzen Hexe erinnerte. Prinz Lean sollte von seinem Volk geliebt und nicht geächtet werden, wie es der Fall gewesen wäre, wenn irgendjemand von dem Fluch erfahren hätte.

Nicht einmal er selbst sollte mit der Last aufwachsen müssen, dass nur ein unbedachter Kuss, den ein Mädchen ihm gab, ihn ins Unglück stürzen könnte. Welch trauriges Leben wäre es, wenn er sich vor der Liebe fürchten müsste? Frei von jeglichen Sorgen und mit Ahnungslosigkeit beseelt, konnte er heranwachsen. Nur seine Eltern würden das schwere Schicksal ihres Kindes niemals vergessen.

Die weisen Frauen beschenkten den Prinzen mit Tugend, Schönheit, Reichtum und allem, was Herrliches auf der Welt ist. Die Zwölfte von ihnen sprach: »Ein Kuss, aus freiem Willen von einem Mädchen gegeben, ihm zur Verdammnis. Ein geschenkter Kuss ihm zur Erlösung. Der Kuss der wahren Liebe vermag den Fluch zu brechen.«

 

 

 

Es war einmal vor langer Zeit, als das Träumen noch erlaubt war, Wünsche noch in Erfüllung gingen und die Menschen an Zauberer, Feen und Drachen glaubten, ein Prinz. – Mutiger als ein Löwe, stärker als ein Bär und schlauer als ein Fuchs.

Kapitel 1 - Lean

 

Zwanzig Jahre später

 

Die Blätter der Bäume färbten sich in den schönsten Farben des Herbstes: brennendes Rot, warmes Orange und sattes Gelb. Auf den Wegen lag bereits Laub, und in der Luft hing am Abend der Duft eines prasselnden Feuers. In den Nächten zog der Frost herauf und legte eine dünne Eisschicht wie eine Decke über das ganze Königreich Chóraleio.

Eines schönen, aber kalten Morgens beschloss Prinz Lean, auf die Vogeljagd zu gehen. Er ließ seine beiden treuen Gefährten Silas und Yanis wecken, um sich von ihnen begleiten zu lassen.

Eine halbe Stunde später trafen sie sich im Hof des Schlosses. Die Hunde bellten aufgeregt und rannten nervös zwischen ihren Füßen auf und ab. Sie sattelten ihre Pferde und ritten aus dem Tor hinaus in die Stadt. Trotz der frühen Morgenstunde herrschte dort bereits reges Treiben. Öfen wurden angeheizt, Tiere gefüttert und Wasser aus dem Brunnen geholt.

Lean wurde von jedem seiner Untertanen, an denen er vorbeikam, freundlich begrüßt. Er war allseits beliebt. Nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern vor allem wegen seines sonnigen Gemüts. Er war stets respektvoll und gerecht im Umgang mit seinen Bürgern. Seine immer näher kommende Hochzeit und die damit verbundene Krönung würden ein großer Festtag für alle werden.

Als die drei Freunde die Stadtmauern hinter sich zurückließen und über das offene Feld dem Wald entgegenritten, knirschten die Hufe der Pferde bei jedem Schritt über den von Reif bedeckten Boden. Ihr Atem bildete kleine Wolken in der Luft, und ihre Nasen waren vor Kälte gerötet. Selbst die letzten Zugvögel würden schon bald das Land verlassen, um sich in wärmere Gegenden zu begeben. Vermutlich würde das ihre letzte Jagd in diesem Jahr sein.

Durch das dichte Blätterdach des Waldes fiel nur spärlich Licht. Aus jeder Richtung raschelte es, denn die Tiere des Waldes schienen nie zu schlafen.

Bald erreichten sie eine Lichtung, die zu einem kleinen See führte. Lean, Yanis und Silas banden ihre Pferde an Bäumen fest und suchten sich einen Platz, von dem aus sie die beste Sicht auf den See und den Himmel hatten. Sie zogen ihre Armbrüste hervor und legten die Bolzen parat. Die Hunde winselten vorfreudig. Sobald Lean ihnen den Befehl zur Jagd gab, stürmten sie wie wild in das hohe Schilf, um dort die Vögel aufzustöbern.

Sekunden später erhoben sich die Enten unter heftigem Geschnatter in den Himmel.

Die drei Männer schossen einen Bolzen nach dem anderen ab, ohne auch nur ein Tier zu treffen.

Schließlich flog nur noch eine letzte Ente über den Himmel. Lean legte die Armbrust an, zielte konzentriert und gab den Schuss im letzten Moment ab, bevor das Tier über den Baumspitzen verschwinden konnte.

Er war selbst erstaunt, als er sah, wie es im Sturzflug zu Boden ging. Er hatte nicht erwartet, dass er es aus dieser Entfernung noch treffen könnte.

Seine beiden Freunde applaudierten ihm begeistert und während diese die Hunde zurückriefen, machte sich Lean auf die Suche nach der erlegten Ente. Der König würde stolz sein, wenn er von dem Geschick seines Sohns erfuhr. Lean trat in den Wald an die Stelle, an der er die Stockente hatte abstürzen sehen.

Die Sonne bahnte sich verhalten einen Weg durch die Blätter und Äste und ließ ihre Strahlen durch den düsteren Wald tanzen. Wie auf dem Präsentierteller lag die tote Ente auf grünem Moos und wurde von der Sonne beschienen.

Lean kniete sich zufrieden nieder, hielt dann aber erstaunt inne. Nicht ein Bolzen hatte die Ente getötet, sondern ein Pfeil. Er war aus einfachem Holz geschnitzt. Weder er selbst noch seine Begleiter hatten mit Pfeilen geschossen.

Verwirrt sah er sich um und entdeckte seinen eigenen Bolzen nur wenige Meter entfernt im Boden stecken.

Wenn nicht er das Tier erschossen hatte, wer war es dann gewesen?

Vorsichtig richtete sich Lean auf und begann sich umzusehen. Wer immer den Vogel erschossen hatte, würde nun gewiss seine Beute auch einfordern wollen. Seit Langem gab es Gerüchte über Räuber und Landstreicher in den Wäldern. Wenn einer von ihnen den Prinzen hier entdecken würde, wäre die Jagdbeute schnell vergessen. Denn ein Königssohn war weit mehr wert als eine Ente. Wenn sie ihn gefangen nehmen und seinen Vater erpressen würden, wären sie reiche Leute.

Lean schloss seine Hand um das Schwert, das zu seiner Rechten um seine Hüfte hing. »Ist da jemand?«, rief er und verlieh dabei seiner Stimme einen festen Klang.

Niemand antwortete ihm, nur das Rascheln der Blätter war zu hören.

Er hob die Ente vom Boden auf und hielt sie in die Luft. »Wenn du deine Beute willst, dann komm und hol sie dir!«

Er drehte sich zu allen Seiten und versuchte jemanden zu entdecken. Niemand schoss auf einen Vogel und ließ diesen dann unbeachtet zurück. Lean war sich sicher, dass der Schütze ihn beobachtete.

»Komm und zeig dich, damit ich dir gratulieren kann!«, rief er herausfordernd. Er hörte ein leises Knacken hinter sich und fuhr herum.

Zwischen den Bäumen stand nun ein schmaler Junge, der einen einfachen Holzbogen fest umklammert hielt. Die Kleidung, die er trug, schien alt und geflickt, zudem für seine winzige Gestalt viel zu groß. Auf dem Kopf trug er eine braune Wollmütze. Sein Gesicht war schmutzig, doch seine großen Augen richteten sich misstrauisch auf den Prinzen.

Lean begann ungläubig zu lachen. »Du hast die Ente vom Himmel geholt? Du?«

In diesem Moment stießen Yanis und Silas mit den Hunden zu ihnen. Sie musterten den fremden Jungen skeptisch. »Wer ist das?«

»Das ist der Entenschütze!«, verkündete Lean amüsiert. Er war erleichtert, dass ihm nur ein harmloser Junge gegenüberstand und keine Räuberbande.

»Er?«, fragte nun auch Silas. »Aber er ist doch noch ein halbes Kind!«

»Und doch besser als wir alle drei zusammen«, sagte Lean ernst und wandte sich dem Schützen erneut zu. »Wie oft musstest du schießen, um die Ente zu treffen?«

Der Junge hob zögerlich die Hand und streckte seinen Daumen in die Höhe. – Nur einmal.

Yanis, Silas und Lean brachen gleichzeitig in Gelächter aus. Unter anderen Umständen hätte Lean dem Jungen kein Wort geglaubt, doch er hielt den Beweis selbst in seinen Händen.

»Von wo aus hast du geschossen?«

Der Fremde deutete auf eine Stelle am See, die noch weiter von der entfernt war, an der der Prinz gestanden hatte.

Unglaublich!

Yanis schüttelte herablassend den Kopf. »Nie im Leben! Er lügt!«

Die Augen des Jungen formten sich zu Schlitzen, aus denen heraus er sie wütend anfunkelte. Er räusperte sich und sprach mit hoher Stimme: »Mein Pfeil steckt in dem Vogel, also gehört er mir!«

Lean hob beschwichtigend die Hand. »Niemand will dir deine Beute streitig machen!« Er streckte ihm die Ente entgegen. Trotzdem lagen noch mehrere Meter zwischen ihnen.

Vorsichtig trat der Knabe näher und schloss hastig seine Finger um das Federtier, doch Lean ließ nicht los.

»Wie hast du das gemacht?«

Der Junge starrte ihn verärgert an. Seine Augen hatten die Farbe des Waldes. Von Nahem wies sein Gesicht beinahe weibliche Züge auf, doch sicher täuschte der Eindruck nur und kam lediglich von der hohen Stimme, die darauf hindeutete, dass er noch nicht im Stimmbruch war.

»Ich habe gezielt und geschossen, mehr nicht«, fauchte er und zog heftig an der Ente, woraufhin Lean losließ.

Der Knabe wollte fliehen, doch der Prinz stellte sich ihm in den Weg. »Keiner der Schützen meines Vaters besitzt dein Talent. Keiner von ihnen hätte einen Vogel aus dieser Entfernung getroffen. Keiner von ihnen kann mir noch etwas beibringen. Aber von dir könnte ich sicher noch viel lernen. Komm mit mir und ich mache dich zum königlichen Schützen!«

Lean schenkte ihm sein warmherzigstes Lächeln. Heute musste der Glückstag des Jungen sein. So ein Angebot bekam man nur einmal im ganzen Leben.

Der Fremde musterte ihn überrascht und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. Doch ehe der Prinz sichs versah, versetzte das Bürschchen ihm einen heftigen Stoß, sodass der Thronfolger mit dem Hintern voran zu Boden fiel.

Der Junge rannte an ihm vorbei und rief schadenfroh: »Bei Euch ist Hopfen und Malz verloren, werter Prinz!«

Yanis und Silas versuchten ihn aufzuhalten, doch er schlüpfte geschickt zwischen ihnen durch.

Lean rappelte sich auf die Beine und nahm die Verfolgung auf. Jetzt war sein Interesse erst recht geweckt. Der Junge war flink wie ein Wiesel und sprang über die Wurzeln am Boden wie ein junger Hirsch. Lean hatte keine Chance, ihn zu Fuß einzuholen, und versuchte es deshalb mit seinem Pferd.

Als er glaubte, den Fremden bereits aus den Augen verloren zu haben, entdeckte er seine kleine Gestalt im Unterholz und jagte seinen Schimmel hinter ihm her.

Yanis und Silas waren ihm dicht auf den Fersen, so wie die bellenden Hunde. Sie hatten vorgeschlagen, diese dem Jungen hinterherzujagen, doch Lean wollte keine Hetzjagd veranstalten.

Erst hatte er geglaubt, der Junge habe Angst vor ihm, doch mittlerweile hatte er das Gefühl, dass er sie zum Narren hielt. Er schien den Wald so gut wie seine Westentasche zu kennen und war ihnen haushoch überlegen. Immer wenn sie aufgeben wollten, zeigte er sich für einen kurzen Moment, nur um dann wieder zwischen den Bäumen zu verschwinden. Er spielte Verstecken mit ihnen und schien auch als Gewinner hervorzugehen, doch so leicht wollte der Prinz nicht aufgeben.

Er meinte es doch nur gut mit dem Knaben. Seine Worte waren ernst gemeint gewesen. Wenn er ihnen nur vertrauen würde, könnten sie ihn mit aufs Schloss nehmen und ihm eine bessere Zukunft ermöglichen. Es würde ihm dort an nichts fehlen. Niemand würde so ein Angebot ablehnen.

Der Fremde rannte in ein dicht bewachsenes Gebiet des Waldes. Kletterpflanzen schlängelten sich über den Boden, Wurzeln erhoben sich kniehoch und Gebüsch erschwerte das Durchkommen.

Lean sprang von seinem Pferd und folgte dem Jungen durch das Dickicht. Seine Füße fanden auf den rutschigen Blättern kaum Halt und er stolperte immer wieder. Blätter verfingen sich in seinem braunen Haar. Dornen streiften sein Gesicht und zerkratzten ihm die Haut.

Er hörte seine Freunde nach ihm rufen, doch er war wie besessen davon, den Jungen zu finden. Er war zu ehrgeizig, um sich eine Niederlage eingestehen zu können.

Plötzlich nahm er vor sich eine Bewegung wahr. Er konnte niemanden erkennen, aber zwischen den Blättern entdeckte er die Wollmütze des Jungen.

Eilig rannte er darauf zu, doch gerade, als er danach greifen wollte, spürte er einen harten Schlag gegen seine Schienbeine und stürzte mit dem Gesicht voran durch ein Gebüsch.

Ein kühler Luftzug schlug ihm entgegen, als er die Augen öffnete, und er blickte geradewegs in einen steilen Abgrund. Tief unter ihm floss ein reißender Fluss. Wenn er nicht gefallen wäre, hätte er den Abhang gewiss nicht bemerkt und wäre hinabgestürzt. Hatte dieses Schicksal womöglich den Fremden ereilt?

Etwas tippte gegen seine Beine.

»Junge, bist du noch bei Trost?«, hörte er die heisere Stimme einer Frau.

Er zog sich vorsichtig zurück und schloss seine Finger um die noch warme Mütze.

Neben ihm stand eine alte Frau. Sie stützte sich auf einen Stock und trug auf dem Rücken einen Stapel Holzscheite. Ihre Finger waren krumm und knöchern.

Sie deutete anklagend auf ihn. »Du wolltest wohl in den Tod springen!«

Der Prinz schüttelte den Kopf. Das Gesicht der Alten war von Falten und Furchen gezeichnet. Ihre Nase stach spitz aus ihrem Gesicht hervor.

»Gute Frau, hast du vor mir einen Jungen hier entlangrennen gesehen?«

»Ich habe nur dich gesehen, der wie ein Wilder durch meinen Wald donnert, meine Tiere aufschreckt und meine Pflanzen aus der Erde reißt.«

Lean drückte sich hoch und baute sich vor der Frau auf. »Das ist der Wald des Königs von Chóraleio und ich bin sein Sohn. Wer bist du, dass du es wagst, dies alles als dein zu bezeichnen?«

»Ich bin die Hexe des Waldes. Mich gab es schon lange vor dir, deinem Vater und deines Vaters Vater. Ich wachse mit jedem Baum und sterbe mit jedem Tier. Mein Leben währt ewig.«

Lean hielt die Alte für wirr, trotzdem trat er einen Schritt zurück. Hexen konnten jede beliebige Gestalt annehmen und nicht alle waren den Menschen wohlgesonnen. »Verzeiht mir, wenn ich Euch oder Euren Wald verletzt habe. Das war nicht meine Absicht. Ich suche einen Knaben, der hier kurz vor mir entlanggekommen sein muss.« Er hielt ihr die Mütze entgegen. »Diese gehört ihm.«

»Wen immer du zu sehen geglaubt hast, er ist nicht mehr da«, sagte die Frau entschieden. »Nun zieh deines Weges, bevor der Wald dich für immer verschluckt. So mancher Wanderer hat sich hier schon verirrt.«

Lean sah sich unsicher um. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, von wo er gekommen war. In welche Richtung er auch blickte, alles sah für ihn gleich aus.

Er wollte die Alte nach dem Weg fragen, doch sie war schon verschwunden. Dort, wo sie zuvor gestanden hatte, lag nun ein kleiner silberner Kompass am Boden. Die Nadel deutete direkt auf ihn. Kaum dass er das Gerät in die Hand nahm, begann sich die Nadel zu drehen und zeigte nach rechts.

Da sich Lean nicht anders zu helfen wusste, beschloss er, dem Hinweis des Geräts zu folgen. Er hatte ohnehin nichts zu verlieren.

Während er über Wurzeln stieg und versuchte, sich einen Weg aus dem Dickicht zu bahnen, drehte er das Gehäuse in der Hand. Wie herum er es auch hielt, es wies immer wieder in dieselbe Richtung, ohne sich an den Himmelsrichtungen zu orientieren. Auf der Rückseite entdeckte er eine Prägung.

Folge dem Weg deines Herzens.

Das Gerät war ihm unheimlich, genau wie die Hexe. Eine Frau ihres Alters konnte unmöglich so schnell aus seiner Sicht verschwinden. Wie zuvor der Junge hatte sie sich praktisch in Luft aufgelöst.

Wohin würde ihn der Kompass führen? Schickte die Hexe ihn womöglich in die Irre?

Noch während er darüber nachdachte, hörte er plötzlich das Bellen von Hunden. Sekunden später kamen die weiß-braunen Jagdhunde des Königs durch das Unterholz auf ihn zugestürmt. Ihnen folgten Silas und Yanis, die erleichtert die Hände zusammenschlugen, als sie ihn sahen.

»Wir fürchteten schon, dich verloren zu haben!«

»Du siehst erbärmlich aus! Was ist passiert? Wurdest du von einem Wildschwein gejagt?«

Lean schüttelte lachend den Kopf und ließ den Kompass in seinen Mantel gleiten, ohne ihn zu erwähnen. Er hatte ihm den rechten Weg gewiesen.

»Ich habe den Burschen aus den Augen verloren. Er kann nicht nur besser schießen als ich, sondern rennt auch noch schneller als die Hunde.«

»Wenn wir nicht bald zurück ins Schloss kommen, wird dein Vater uns Beine machen. Mal sehen, wer dann schneller läuft«, scherzte Silas und reichte Lean die Zügel seines weißen Pferdes.

 

 

 

Ein armer Bauer und seine Frau hatten drei Töchter, die sie alle gleichermaßen liebten.

Die jüngste Tochter hatte eine Haut, so strahlend und rein wie der Glanz einer Perle, deshalb wurde sie Elena Perlenschimmer genannt.

Die mittlere Tochter konnte schöner singen als jeder Vogel, deshalb rief man sie Medea Nachtigall.

Die älteste Tochter hatte weder die Schönheit noch das Talent ihrer beiden Schwestern, dafür ging sie dem Vater zur Hand wie ein Sohn. Sie war fleißig und mutig zugleich. Allseits kannte man sie als Heera Furchtlos.

Kapitel 2 - Heera

 

Heera holte aus und ließ die Axt auf das Holzscheit niedersausen. Dieses spaltete sich krachend in zwei gleich große Stücke. Zufrieden legte das Mädchen sie beiseite und nahm sich den nächsten Klotz vor.

Mittlerweile bereitete ihr die Arbeit keine Schmerzen mehr. Anfangs hatte sie es nicht geschafft, das Holz zu spalten. Die Scheite waren in der Axt stecken geblieben und sie hatte viele Male ausholen müssen, um sie durchzuschlagen.

Am Ende des ersten Tages waren ihre Handinnenflächen voller Blasen gewesen, die am zweiten Tag alle aufgeplatzt waren. Sie hatte den Stiel der Axt kaum halten können, so weh hatte es getan. Trotzdem hatte sie weitergemacht. Tag für Tag.

Während sie am Anfang noch fünf bis zehn Hiebe brauchte, reichten eine Woche später bereits drei bis sieben. Nach zwei Wochen schaffte sie es das erste Mal, ein Holz mit einem Schlag zu teilen. Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus.

Doch sie kämpfte nicht nur so verbissen, um ihrem Vater zu helfen, sondern auch, um ihm und sich selbst etwas zu beweisen. Ihr Vater war nicht mehr der Jüngste und würde bald nicht mehr alle Arbeiten, die auf ihrem kleinen Hof anfielen, allein erledigen können.

Seiner Frau und ihm war kein Sohn gewährt worden, der in die Fußstapfen des Vaters getreten wäre. Aber es gab keine Arbeit, die für Heera zu schwer gewesen wäre. Sie konnte alles tun, wozu vermeintlich nur ein Mann in der Lage war. Ganz gleich, ob es darum ging, Holz zu hacken, ein Schwein zu schlachten oder ein Fass zu schleppen. Sie war sich für nichts zu schade.

Ihre Hände hatten mit der Zeit eine dicke Hornhaut gebildet, die sie nun vor Verletzungen schützte. Zwar waren ihre Finger nun nicht mehr so fein und grazil wie die ihrer jüngeren Schwestern, aber das scherte Heera nicht. Sie war stolz auf sich und ihre Willensstärke.

Heera sammelte gerade die Holzscheite ein, als sie ihre Schwester Medea aufgeregt nach ihr rufen hörte. Sie war mit ihrer Mutter in der Stadt gewesen, um Wolle einzutauschen.

Medea liebte die Stadt, den Markt und sein buntes Treiben. Aber vor allem konnte sie sich an dem prächtigen Schloss nicht sattsehen. Stunden konnte sie damit verbringen, träumend vor den Schlossmauern auf und ab zu gehen und sich auszumalen, wie schön ein Leben im Palast sein musste. Oft sang sie dabei, doch mehr als ein kleines Taschengeld verdiente sie sich nicht. Die Menschen hörten ihr gerne zu, doch waren die meisten arm und hatten nichts zu verschenken.

Vielleicht hatte sie heute mehr Glück gehabt. Heera ging in die Stube, in der bereits die ganze Familie versammelt war.

Sie legte das Holz neben dem Ofen ab und stellte sich neben den Vater an die Wand. Er war genauso ungeduldig wie sie. Es gab viel zu tun und Medea hielt sie nur von der Arbeit ab. Doch die Wangen der Mutter glühten genauso freudig wie die der Tochter.

Die jüngste Schwester Elena sprang aufgeregt von einem Bein aufs andere. Sie hätte gern ihre Schwester und ihre Mutter in die Stadt begleitet, doch diese hatte es ihr verboten. Sie fürchtete um die Sicherheit der Jüngsten, die erst zehn Jahre alt war.

Medea holte tief Luft und verkündete dann strahlend: »Der Prinz wird heiraten.«

Heera verdrehte genervt die Augen. Was interessierte sie der Prinz? Es war ihr völlig gleichgültig, ob er nun eine Prinzessin aus dem Norden oder dem Süden zur Frau nahm. Eine war nur hochnäsiger als die andere.

»Na und? Was haben wir damit zu tun oder hat er etwa um deine Hand angehalten?« Ihre Stimme hatte einen belustigten Tonfall, woraufhin der Vater sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

»Vielleicht«, säuselte Medea jedoch und hob stolz den Kopf.

»Wirklich?«, rief Elena sofort aus und sprang um ihre Schwester herum. »Bist du dann eine Prinzessin?«

»Die Königin«, korrigierte Medea.

»Jetzt aber mal langsam«, sagte die Mutter. »Der Prinz geht auf Brautschau, und jedes Mädchen im heiratsfähigen Alter kann sich bewerben. Ganz gleich, ob adlig oder aus dem Volk.«

»Pff«, machte Heera herablassend. »Das ist doch alles nur Trug!«

Meist war ihr Vater auf ihrer Seite, doch nun schüttelte er den Kopf. »Wir haben einen guten König. Er hat uns nie belogen oder betrogen. Wenn der König sagt, dass jedes Mädchen eine Chance hat, dann ist dies auch so.«

Heera wusste nicht viel von der königlichen Familie. Die Stadtbewohner liebten sie, vor allem den jungen Prinzen Lean. Doch Heera sah nur das prachtvolle Schloss, während sie und viele andere auf dem Land in klapprigen Holzhütten lebten, durch die im Winter der Wind pfiff. Der König war sicher noch nie mit knurrendem Magen zu Bett gegangen.

»Na dann sind wir ja bald alle Sorgen los«, erwiderte Heera sarkastisch. »Medea, wann läuten die Hochzeitsglocken?«

Die Schwester wandte ihr eingeschnappt den Rücken zu. Medea war eine Schönheit, ohne Frage. Sie hatte langes schwarzes Haar, das bei jeder Bewegung seidig glänzte. Ihre Augen waren von dem strahlenden Blau eines Sommerhimmels und ihre Lippen trugen die Farbe süßer Erdbeeren. Dazu konnte sie singen wie keine andere. Mindestens einmal die Woche hielt ein anderer um ihre Hand an.

Doch Medea verschmähte sie alle. Keiner war ihr gut genug, weder ein Schreiner noch ein Kaufmann. Für sie kam seit ihrer Kindheit nur einer infrage: Prinz Lean.

Die Mutter strafte Heera mit einem tadelnden Blick. »In zwei Wochen sind alle jungen Frauen aufgerufen, sich dem Prinzen vorzustellen. Er wird in einer ersten Runde zwölf Mädchen erwählen, um sie näher kennenzulernen. Aber nur drei von ihnen werden in der zweiten Runde die Chance erhalten, sich gegen die Prinzessinnen zu behaupten.«

»Ich sag doch, alles nur Trug! Nie im Leben würde sich der Prinz für ein Bauernmädchen entscheiden, wenn er eine Prinzessin haben kann.«

»Aber Medea ist schöner als jede Prinzessin«, verteidigte Elena ihre Schwester und streckte Heera die Zunge raus. »Wenn der Prinz sie nur einmal singen hört, wird er an keine andere mehr denken können.«

Medea drückte ihre jüngere Schwester lachend an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Wenn ich Königin bin, bist du so etwas wie eine Prinzessin.«

»Heera, dem Prinzen geht es nicht nur um die Herkunft, sondern vor allem um den Charakter eines Mädchens«, behauptete die Mutter aufgebracht. »Er sucht die Frau fürs Leben und möchte sich kein neues Pferd kaufen.«

»Vermutlich ist ihm sein Pferd wichtiger als seine Braut. Wundern würde es mich nicht«, entgegnete Heera amüsiert. Sie ging in Richtung der Tür. »Ich will euch nicht länger im Wege stehen. Ihr müsst sicher noch ein neues Kleid nähen, die Frisur probieren und jedes Wort besprechen, das Medeas Mund verlassen wird.«

Die Mutter trat ihr eilig in den Weg. »Medea wird sich natürlich für den Prinzen bewerben, aber nicht allein. Ich habe zwei Töchter im heiratsfähigen Alter.«

Heeras Augen weiteten sich ungläubig. Sie wusste genau, worauf die Mutter anspielte, versuchte sich dennoch mit einem Scherz herauszureden. »Ist Elena nicht noch etwas jung dafür?«

Die Mutter verstand keinen Spaß und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist meine Älteste und ich erwarte von dir, dass du ebenfalls für den Prinzen vorsprechen wirst.«

Heera begann sie schallend auszulachen. »Ich? Mach dich doch nicht lächerlich! Niemand würde sich für mich entscheiden.«

Zwar war Heera keine Schönheit wie Medea, doch hässlich war sie auch nicht. Allerdings eilte ihr Ruf ihr voraus. Jeder weit und breit wusste von Heeras Stärke. Die Männer, die in ihr eine Herausforderung gesehen hatten und sie zähmen wollten wie eine wilde Stute, hatte Heera längst eines Besseren belehrt und die Schüchternen wagten nicht einmal, sie anzusehen.

Bereits ihr ganzes Leben lang versuchte Heera ihren Eltern zu beweisen, dass sie mehr wert war als jeder Sohn. Sie brauchte keinen Ehemann. Heera würde den kleinen Hof des Vaters übernehmen und für die Eltern im Alter sorgen, während Medea und Elena zu ihren Ehemännern ziehen würden. Wer sollte sich sonst um ihre geliebten Eltern kümmern?

»Du wirst es zumindest versuchen«, befahl die Mutter unnachgiebig.

»Ich habe nicht einmal ein Kleid, geschweige denn kann ich in einem laufen!«

»Du wirst ein Kleid von mir anziehen, und selbst einem Mann würde es keine Probleme bereiten, in einem Kleid zu gehen.«

»Der Prinz wird sich nur einmal meine Hände ansehen und mich für einen Mann halten!« Heera wollte nicht glauben, dass ihre Mutter ernsthaft in Erwägung zog, sie als Braut für den Prinzen vorzuschlagen.

Das war lächerlich!

»Dann wirst du eben Handschuhe tragen«, entgegnete diese unbeirrt. Cynthia konnte genauso stur wie ihre Tochter sein.

»Was soll ich ihm sagen, inwiefern ich eine Bereicherung für sein Leben wäre? Ich kann weder singen noch sticken.«

»Das kannst du lernen!«

»Vielleicht sollte ich ihm anbieten, ihm zur Hochzeit selbst ein Schwein zu schlachten …«

Cynthia fiel ihr wütend ins Wort. »Untersteh dich! Du wirst dir Mühe geben, denn es geht hierbei nicht nur um dich, sondern um die ganze Familie. Wenn er eine von euch zur Frau nehmen würde, wären alle unsere Probleme gelöst. Wir könnten im Schloss leben und müssten nie wieder frieren oder hungern. Die Räuber würden uns nicht nachts überfallen und dein Vater käme in den Genuss, im Alter die Beine hochzulegen. Elena könnte tanzen lernen und später einen Baron, wenn nicht gar einen Prinzen heiraten. Willst du nicht, dass deine Familie glücklich ist?«

»Und was ist mit mir? Habe ich kein Recht auf Glück?«, rief Heera aufgebracht.

Das war so unfair! Ihre Mutter wusste ganz genau, dass Heera nichts wichtiger als ihre Familie war.

Sie hatte angenommen, sie wären glücklich. Es war nicht immer leicht, aber sie hatten einander und das war alles, was zählte.

Oder war es etwa doch nicht genug für sie?

»Lern Prinz Lean erst einmal kennen«, schlug der Vater im Versuch zu vermitteln vor. »Vielleicht magst du ihn.«

»Nie im Leben!«

 

 

 

Die Mädchen waren gekommen, sich zu präsentieren. Ob blond oder brünett, groß oder klein, schmal oder üppig. Sie sangen, tanzten, lachten und drehten die Locken um die Finger. Zwitscherten wie Vögel und plusterten sich auf zur Balz. Der Prinz konnte sich für keine entscheiden, ward zum Blinden im Meer der Schönheit.

Kapitel 3 - Heera

 

Zu Heeras Füßen sammelten sich bereits die Federn der toten Ente. Sie ließ ihre Wut an dem Federvieh aus.

Es war der letzte Abend vor der großen Auswahl und bisher war es ihr nicht gelungen, ihre Eltern davon zu überzeugen, dass es nicht nur sinnlos, sondern sogar erniedrigend war, sie dem Prinzen vorzustellen.

Die Kleider ihrer Mutter mochten vielleicht passen, aber nur, weil man es schaffte, einen Mann in die Kleider einer Frau zu stecken, wurde er deshalb noch lange nicht zur Dame.

Sie sah schon bildlich vor sich, wie die Mädchen um die Aufmerksamkeit des Prinzen buhlten. Sie würden allesamt in Parfum baden, lauter schnattern als die Gänse und sich mit Schmuck behängen wie Elstern. Sie selbst würde zwischen all den Mädchen wie ein Schweinehirte wirken – Kleid hin oder her.

Jeder würde sich über sie lustig machen. Doch sie sorgte sich nicht ihretwegen, sondern um ihre Eltern. Niemand sollte über sie lachen. Der Vater und die Mutter waren ihr Leben lang arm gewesen und hatten es trotzdem geschafft, sie großzuziehen und zu ernähren. Manchen Abend hatten sie gehungert, nur um ihre Kinder satt zu bekommen. Die drei Töchter waren alles, was sie hatten.

Elena wäre in ein paar Jahren eine genauso gute Wahl wie Medea – blonde Locken, strahlend blaue Augen und volle rote Lippen. Aber Heera war eine einzige Blamage. Sie konnte nicht einmal aufrecht gehen, ohne über den Saum ihres Gewands zu stolpern.

Der Himmel färbte sich bereits rosa, wie er es nur an den Winterabenden tat, als der Vater zu seiner Ältesten trat. »Es reicht, wenn du der Ente die Federn ausrupfst. Du brauchst sie nicht auch noch zu häuten.«

Das Tier war blank, doch Heera scheute sich davor, in die Stube zu treten. Geknickt reichte sie dem Vater die Beute, damit er sie der Mutter zum Kochen brachte. Doch dieser setzte sich stattdessen neben sie auf die Holzbank.

»Heera, von all meinen Töchtern bist du mir die treuste.«

Sie sah ihn verzweifelt an. »Warum schickst du mich dann weg? Ich möchte nicht heiraten. Weder einen Prinzen noch sonst irgendjemanden.«

Er lächelte nachsichtig. »Ich muss zugeben, dass ich nicht wüsste, was ein Mann dir noch beibringen sollte. Du bist vermutlich mehr Mann, als der Prinz es jemals sein wird.«

Das brachte Heera zum Grinsen. »Lass mich doch bei dir bleiben! Wenn Mutter und du eines Tages zu alt sein werdet, um den Hof zu bestellen, werdet ihr euch freuen, dass ihr mich bei euch habt.«

»Das weiß ich, Heera«, versicherte er ihr liebevoll. »Aber ein Vater will für seine Kinder immer das Beste. Du sollst dein eigenes Leben haben.«

»Der Prinz interessiert mich nicht«, jammerte das Mädchen dennoch unbeirrt weiter. »Und selbst wenn, ich werde euch blamieren. Die Menschen werden mich auslachen und euch direkt mit.«

»Sollte es auch nur einer wagen, über eine meiner Töchter zu lachen, so erlaube ich dir, dass du ihm die Nase brichst.« Er zwinkerte ihr schelmisch zu, aber Heera konnte sich nicht darüber freuen. Sie war zu verzweifelt.

»Und wenn der Prinz selbst über mich lacht? Darf ich dann auch ihm die Nase brechen?«, konterte sie hoffnungsvoll.