Marke 4.0 - Franz-Rudolf Esch - E-Book

Marke 4.0 E-Book

Franz-Rudolf Esch

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Beschreibung

Professor Dr. Franz-Rudolf Esch gilt als „Markenpapst“. Als Gründer von ESCH.The Brand Consultants berät er renommierte Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in Fragen der Markenführung, Strategie und Kommunikation. Franz-Rudolf Esch ist Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung der EBS Business School. Die Digitalisierung verändert das Spielfeld für Manager. Das „Survival of the Fittest“ geht in die digitale Runde. Wer sich mit seiner Marke nicht anpasst, läuft Gefahr, vom Markt zu verschwinden. Wandel braucht allerdings Haltung. Manager müssen wissen, warum es ihre Marke gibt, wofür diese steht und welchen Zielhafen sie damit anstreben. Purpose, Markenidentität und Vision geben die Richtung vor. Manager können die Digitalisierung zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie Interaktions- und Kommunikationsformen für Kunden nutzen. Die Digitalisierung ist dabei Mittel, kein Zweck. Letztendlich geht es immer darum, mit der Marke Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen als Wettbewerber. Dabei sind die digitale und die reale Welt wirksam miteinander zu verknüpfen, um sich als Marke nahtlos in das Leben der Kunden zu integrieren.

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Zum Inhalt:

Die Digitalisierung verändert das Spielfeld für Manager. Das „Survival of the Fittest“ geht in die digitale Runde. Wer sich mit seiner Marke nicht anpasst, läuft Gefahr, vom Markt zu verschwinden. Wandel braucht allerdings Haltung. Manager müssen wissen, warum es ihre Marke gibt, wofür diese steht und welchen Zielhafen sie damit anstreben. Purpose, Markenidentität und Vision geben die Richtung vor. Manager können die Digitalisierung zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie Interaktions- und Kommunikationsformen für Kunden nutzen. Die Digitalisierung ist dabei Mittel, kein Zweck. Letztendlich geht es immer darum, mit der Marke Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen als Wettbewerber. Dabei sind die digitale und die reale Welt wirksam miteinander zu verknüpfen, um sich als Marke nahtlos in das Leben der Kunden zu integrieren.

Zum Autor:

Professor Dr. Franz-Rudolf Esch gilt als „Markenpapst“. Als Gründer von ESCH.The Brand Consultants berät er renommierte Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in Fragen der Markenführung, Strategie und Kommunikation. Franz-Rudolf Esch ist Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung der EBS Business School.

Marke 4.0

Wie Unternehmen zu digitalen Markenchampions werden

von Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch

VFür wen ist das Buch?

Ich habe das Buch für drei Zielgruppen geschrieben:

1. Für die Manager, die der Überzeugung sind, dass sich durch die Digitalisierung alles grundlegend ändert und Marken bedeutungslos werden. Sie sind auf dem Holzweg. Ich werde Ihnen zeigen, warum. Vor allem aber werde ich Ihnen darlegen, wie Sie das Zusammenspiel aus Haltung, Marke und digitalem Wandel für mehr Erfolg nutzen können.

2. Für die Manager, die glauben, dass alles so bleibt, wie es ist. Das ist ebenfalls ein Irrtum. Die Digitalisierung erweitert das Spielfeld – für Kunden und für Marken. Insofern schaffe ich ein Verständnis dafür, wie Sie sich erfolgreich der Digitalisierung nähern und diese für Ihre Marke nutzen können.

3. Für die Manager, die sich unsicher darüber sind, wie sie mit Blick auf Marke und Digitalisierung handeln sollen. Ich kann Ihre zögerliche Haltung gut verstehen. Die Optionen sind vielfältig, man läuft schnell Gefahr, den Überblick zu verlieren. Damit sind Sie nicht alleine. Sie müssen aber nicht jeder Sau, die durchs Dorf getrieben wird, hinterherlaufen. Allerdings benötigen Sie ein Raster, dass Ihnen bei dem Treffen der richtigen Entscheidungen hilft. Sie müssen die wichtigen Schlachtfelder kennen, auf denen Sie kämpfen müssen, um mit Ihrer Marke voranzukommen. Ich stelle Ihnen die Schlachtfelder und Handlungsoptionen vor.

Was können Sie erwarten und was nicht?

Wenn Sie ein Rezeptbuch suchen, sollten Sie ein anderes Buch kaufen. In diesem Buch zeige ich Ihnen nicht, wie Sie in sechs Schritten schlank im Schlaf oder zum digitalen Markenchampion werden. Das würde meiner Meinung nach auch diesem komplexen Thema nicht gerecht werden.

Stattdessen erwartet Sie ein Fakten- und Erfahrungsbuch, in dem ich wissenschaftliche Erkenntnisse und persönliche Erfahrungen aus der Beratung unzähliger Unternehmen unterschiedlichster Größen und Branchen miteinander verbinde. Ich zeige Ihnen die unterschiedlichen Spielfelder auf, denen Sie sich aus strategischer Sicht und bei der Umsetzung einer erfolgreichen Marke 4.0 widmen sollten. Welche Spielfelder für Ihre Marke und Ihr Unternehmen besonders relevant sind, entscheiden Sie selbst. Darüber hinaus erhalten Sie eine Vielzahl VIvon Impulsen, wie Sie die digitale Welt mit der realen Welt erfolgreich verknüpfen. Dabei zeige ich Ihnen konkret entsprechende Maßnahmen auf, die aus meiner Sicht entscheiden, ob Sie als Sieger vom Platz gehen oder nicht. Viele strategische Aspekte ändern sich nicht grundlegend, allerdings müssen Sie diese nochmals mit Blick auf die Digitalisierung kritisch hinterfragen. Sie werden sehen, dass sich die Programme der Konsumenten nicht grundlegend ändern, wohl aber deren Erwartungen an Ihre Marke.

VIIVorwort: Schöne neue Welt

Ich beschäftige mich seit nunmehr 30 Jahren mit Forschung und Beratung in Sachen Marke. In den letzten zwanzig Jahren spüre ich einen Umbruch, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt habe. In dieser Zeit gab es eine ganze Reihe von Meilensteinen der Entwicklung. Zwei davon, die wir alle hautnah erlebt haben, sind der Start der Suchmaschine Google im Jahr 19971 sowie die Einführung des iPhone von Apple im Jahr 2007. Seitdem ist viel passiert.

Viele von uns haben diese Anpassungen, die unser Leben einfacher, leichter und vernetzter gemacht haben, sicherlich beiläufig wahrgenommen. Sie sind in einem schleichenden Prozess Teil unseres Lebens geworden. Hätten wir die Möglichkeit, das Ganze im Zeitraffer Revue passieren zu lassen, wären wir alle von dieser Entwicklung überrascht. Sie ist so groß wie bei der zweiten industriellen Revolution vor 120 Jahren. Damals mussten Unternehmen nicht nur die Elektrifizierung einsetzen, um einen Produktivitätsschub zu erreichen, sondern auch die Herstellungsprozesse komplett neu gestalten. Die Umstellung dauerte 30 Jahre. Sie verlief somit keinesfalls schlagartig oder „disruptiv“, sondern vollzog sich in kleinen Schritten.

Heute sind wir am gleichen Punkt. Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz fordern Manager und Mitarbeiter in Unternehmen gleichermaßen. Veränderung ist in einer Geschwindigkeit notwendig, die wir bislang nicht gewohnt waren. Klassische Unternehmen hinken hier den Digitalunternehmen hinterher. Es herrscht eine digitale Kluft.

Die digitalen Angreifer drohen klassische Branchen zu überrollen: Uber ist das größte Taxi-Unternehmen der Welt ohne eigene Taxis, Alibaba ist der weltweit größte Händler ohne eigene Lagerbestände, Netflix ist der größte Filmhaus ohne eigene Kinos und WhatsApp und WeChat die größten Telekommunikationsanbieter ohne eigene Telekommunikationsinfrastruktur.

Soziale Medien wie Facebook, Instagram, Snapchat, um nur einige zu nennen, sind die neue kommunikative Währung der digitalen Generation, während ältere Generationen nach wie vor fernsehen und die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder den Stern lesen.

VIIIKonsumenten sind längst keine passiven Empfänger von Botschaften mehr. Sie haben sich zu aktiven Akteuren gewandelt. Konsumenten forcieren Themen und können dadurch einen enormen Einfluss auf den Erfolg von Marken und Unternehmen nehmen. Im Netz entscheiden sie mit einem Klick, welche Marken und Unternehmen sie negativ bewerten und abwählen oder aktiv in ihren Netzwerken promoten.

Kein Wunder, dass sich Manager bei der Gestaltung geeigneter Maßnahmen als Antwort auf diese Herausforderungen oft überfordert fühlen. Dies trifft nicht nur auf Manager zu. Auch viele Kunden werden durch diese Beschleunigung förmlich überrollt, weil sie immer noch mit den mentalen Programmen der Steinzeit arbeiten. Sie können die Flut verfügbarer Informationen nicht bewältigen, geschweige denn sich einen Überblick in allen Bereichen bewahren. Gerade ältere Menschen sind oft hoffnungslos überfordert durch die neuen Anforderungen, die die Digitalisierung und Technologiesprünge an sie stellen. Dies gilt übrigens auch für Digital Natives, also die Generation, die mit den neuen Technologien groß geworden ist. Sie sind zwar technologieaffin und technologieerprobt, weil es das ist, mit dem sie groß wurden. Allerdings wirkt sich das ständige „on“ sein negativ auf Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit aus. Daraus ergibt sich der Wunsch nach Vereinfachung, Entlastung und Orientierung. Marken können eine solche Orientierung in der Flut der Informationen und Angebote bieten. Sie sind der Rettungsanker in einer Welt, in der Informations- und Kommunikationsströme über Kunden hinwegbrechen.

Die meisten Manager, mit denen ich spreche, sehen in der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz allerdings auch eine große Chance für Unternehmen und Marken. Sie treiben dabei oft die gleichen Fragen um:

Wie bereit ist mein Unternehmen für den Wandel? Wie sieht es mit der Bereitschaft und den Fähigkeiten aus, den notwendigen Wandel wirksam einzuläuten?Haben wir im Unternehmen die richtige Haltung, aus der wir den Wandel initiieren können oder hemmen unsere Denkmuster und Werte die notwendigen Anpassungen?Wie können wir die Stärke der Marke nutzen, um den Wandel ­voranzutreiben?Wie können wir die Digitalisierung nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln? Trägt unsere Marke solche Entwicklungen oder ist dafür eine neue Marke zu entwickeln? Kannibalisiert das neue Geschäftsmodell möglicherweise unser bisheriges?IXWie schaffen wir es mit unserer Marke, bei der herrschenden Informationsflut auf die Menükarte der Kunden zu kommen?Wie können wir die Kommunikation und Interaktion mit Kunden effektiv und effizient aufstellen, um mit der Marke relevant zu bleiben? Wie können wir die Interaktion mit Kunden verstärken, um Kundenbedürfnisse besser zu erspüren sowie deren Know-how bei der Entwicklung neuer, relevanter Produkte und Services zu nutzen?Wie können wir uns in die Lebens- und Erfahrungswelt der Kunden mit unserer Marke einklinken, um für diese relevant und unverzichtbar zu werden?Wie schaffen wir Bindung und Botschafter für die Marke?Wie nehmen wir die Mitarbeiter mit auf die Reise, damit diese ihre Wertbeiträge für die Marke kennen und sich 100 Prozent für den Erfolg der Marke engagieren?

Sie wissen, dass alte Erfolgsrezepte oft nicht mehr ausreichen, um diese neuen Herausforderungen zu meistern. Insofern ist meist der erste Reflex, alles zu verändern und neue Herausforderer zu kopieren. Das ist mehr als nachvollziehbar, allerdings nicht zielführend. Ohne Frage ist es sinnvoll, sich Impulse von Best Practices aus anderen Branchen zu holen. Allerdings lassen sich solche Ansätze und Konzepte meist nicht 1:1 übertragen, weil dazu die Kulturen und Ausgangssituationen in den Unternehmen zu verschieden sind. Entsprechend bedarf es einer Adjustierung von dem aus anderen Branchen Gelerntem.

Zudem gilt es, an den eigenen Stärken anzusetzen und diese wirksam weiterzuentwickeln. Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz sind hierbei Mittel zum Zweck. Sie sollten aus der Stärke der Marke und mit Blick auf den Kundennutzen genutzt werden, um den künftigen Erfolg zu sichern. Dies bedingt ein genaues Abwägen, welche Wirkungsmechanismen bzw. Mittel und Wege zur Kundenbeeinflussung nach wie vor gelten und welche zu adjustieren sind.

Wie Sie von dem Buch profitieren können

Dieses Buch reflektiert meine Forschungserkenntnisse sowie meine Erfahrungen von mehr als 600 Markenprojekten mit Kunden unterschiedlichster Branchen, vom DAX-Unternehmen zum Hidden Champion und Familienunternehmen, von B2C, B2B bis zu Dienstleistungen, von klassischen Unternehmen der Realwirtschaft bis zu Digitalunternehmen. Zudem sind darin auch viele intelligente Ansätze und Erkenntnisse von anderen Forschern und praktischen Quellen enthalten, die mir Inspiration beim Schreiben waren.

XIch zeige Ihnen im Folgenden wichtige Stationen auf einer erfolgreichen Reise zur Marke 4.0. Unter Marke 4.0 verstehe ich eine zukunftsfähige Marke für das digitale Zeitalter, die die Klaviatur der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz spielt und mit der realen Welt verknüpfen kann. Diese Stationen sind wissenschaftlich fundiert, werden durch viele Studien und Erkenntnisse gestützt und sind vor allem praktisch erprobt. Die Stationen stellen für Sie einen Handlungsrahmen dar, sind aber kein einfaches Rezeptbuch. Dazu ist das Thema zu komplex und vielfältig. Die Ausgangslage in Unternehmen ist zudem meist sehr unterschiedlich.

Insofern lade ich Sie ein, die Inhalte dieses Buches als Anregungen zu sehen und sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Vor allem bitte ich Sie, das Ganze vor dem Hintergrund Ihres eigenen Unternehmens zu reflektieren. Dabei helfen Fragen wie „Wie ist der Stand in unserem Unternehmen, wo können wir uns weiter entwickeln?“, „Was wäre, wenn wir diese Idee auf unser Unternehmen übertragen würden?“, „Wie lässt sich dieser Ansatz in unserem Unternehmen realisieren?“, „Was hindert uns daran, gewisse Erfolgsmuster aufzugreifen?“ usw.

Sie als Manager sind besonders gefordert, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen und diese erfolgreich zu nutzen, um Ihre Marke auch künftig zum Glänzen zu bringen. Dieses Buch kann Ihnen dabei auf dem Weg zur Marke 4.0 helfen. Und denken Sie daran, es lohnt sich, denn:

Am Ende des Tages macht die Marke den Unterschied.

Saarlouis, im August 2019

Franz-Rudolf Esch

1 Die Google Suchmaschine ist 1996 unter anderem Namen gestartet, wurde aber 1997 in Google umbenannt.

XIInhaltsverzeichnis

Für wen ist das Buch?
Vorwort: Schöne neue Welt
Teil B: Der Weg zur Marke 4.0: zehn Erfolgsfaktoren managen
Kapitel VII. Orientierung bieten: Wandel braucht ­Haltung
1. Mit dem Haltungs- und Strategiehaus starten
2. Mission oder Purpose: Warum gibt es uns? Was treibt uns an?
3. Unternehmensgrundsätze: Wofür stehen wir ein?
4. Vision: Welchen Zielhafen strebe ich in 10 bis 15 Jahren an?
5. Markenwerte und Markenpositionierung schärfen: Wer bin ich? Und warum sollen die Kunden meine Marke wählen?
Kapitel VIII. Neue Geschäftsmodelle entwickeln
1. Neues Denken, um das Neue zu denken: Novizen ­gewinnen!
2. Scheuklappen auf: vom Marktversteher zum Kunden­versteher
3. Fokus auf Nutzer und nicht auf Käufer
4. Stellen Sie die Frage nach den „Jobs to be done“
XII5. „Mehr vom Gleichen“ durch „Mehr vom Anderen“ ersetzen
6. Mut zur Kreativität
7. Ein zweites Betriebssystem mit neuer Positionierung ­bedingt eine neue Marke
8. Denken Sie in Ökosystemen, nicht in Produkten
9. Kundenbedürfnisse richtig einschätzen
10. Konsolidieren und Konzepte entwickeln: den Business Model Canvas nutzen
Kapitel IX. Mitarbeiter mitnehmen und sinnstiftend wirken
Kapitel X. Den Funnel neu denken: Barrieren abbauen und Chancen nutzen
Kapitel XI. Signale setzen: aus der Flut herausstechen
Kapitel XII. Content ist King: Content aus der Marke und Content für die Marke
Kapitel XIII. Seamless Experience sicherstellen: die Spur zur Marke legen
Kapitel XIV. Mundpropaganda fördern: Marken­botschafter schaffen
Kapitel XV. Zum Magnet für Kunden werden: ­dauerhaft Bindung schaffen
Kapitel XVI. Kundenengagement für Marken fördern und Kunden integrieren
Teil C: Die Zukunft: ­Digitalisierung ist wie Strom
Kapitel XVII. Digitalisierung als Mittel, nicht als Zweck
Kapitel XVIII. Die wichtigen Fragen bleiben die gleichen
Kapitel XIX. Bleibt alles anders?
Dank
Abbildungsquellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

1Teil A

Willkommen in der digitalen Welt

3Kapitel I. Eine kleine Reise mit der Zeitmaschine

Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie unerreichbar. Für die Verzagten ist sie unbekannt. Für die Kühnen ist sie ideal.

Victor Hugo

Im großen Jahresrückblick der Wochenzeitung „Die Zeit“ für das Jahr 2017 faszinierte mich eine Abbildung, die sinnbildlich für die derzeitige Entwicklung durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz steht. Es ging um die Frage, wer einem zuhause zuhört (Abbildung 1).

Sicherlich kann der ein oder andere von Ihnen nachvollziehen, dass es weniger die eigenen Kinder oder der Ehepartner sind – Ausnahmen gibt es immer! Würden Sie als Hundebesitzer Ihren Hund in der Pole Position sehen, sprächen sicherlich gute Gründe dafür, etwa Leckerlis zur Belohnung. Allerdings waren Hunde und Katzen als Option nicht aufgeführt. Stattdessen führte unangefochten die aufmerksame Alexa von Amazon als interessierte Zuhörerin das Feld an.1

Alexa erfüllt Ihnen jeden Wunsch: Auf Wunsch dimmt sie das Licht, streamt eine Playlist mit Ihrer Wunschmusik, nimmt Bestellungen auf und informiert Sie über Wetter und Uhrzeit. Und dies ohne zu

Abbildung 1: Wer hört Ihnen zuhause zu?

4zögern oder zu murren. Willkommen in der Zukunft. Was früher nur in Science-Fiction-Filmen vorstellbar war, ist heute gelebte Realität.

Hätten wir eine Zeitmaschine, könnten wir uns beliebig zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Veränderung der Welt wie Michael J. Fox in dem Film „Zurück in die Zukunft“ in einer solchen Zeitmaschine erleben. Sie wären sprachlos von der Geschwindigkeit des Wandels in den letzten Jahrzehnten.

Ein Beispiel: Am 21. September 1983 bekam der US-Konzern Motorola die Zulassung für das erste kommerziell vertriebene Mobiltelefon der Welt mit dem Namen DynaTAC 8000x. Dieses Mobiltelefon hatte eine markante „Knochen“-Form und wurde zum Design-Klassiker (Abbildung 2). 1984 hielten die ersten Kunden das DynaTAC 8000x in der Hand. Mit einem Gewicht von knapp 800 Gramm und einer Höhe von 25 Zentimeter – ohne Antenne – war es nicht für die Hosentasche geeignet. Der stolze Preis von 3.995 Dollar schloss eine Verbreitung im Massenmarkt aus. Dafür bekam man rund eine halbe Stunde Gesprächszeit und einen Speicher für 30 Telefonnummern. War der Akku leer, musste er zehn Stunden lang aufgeladen werden. Dennoch war es eine Revolution: Die bisherigen „Mobiltelefone“ waren fest in Autos verbaut oder mussten wie ein Koffer getragen werden.2

Abbildung 2: Zur Erinnerung: das erste „Mobil“telefon

Es war eine Zeit, in der Briefe und Faxe der Standard der Kommunikation waren. Niemanden störte es wirklich, wenn nicht prompt eine 5Antwort zurückkam. Das ist heute undenkbar. Eine Antwort, die nicht am gleichen Tag erfolgt, wird als Indikator für Desinteresse gewertet. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts saß ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlandes an einem Großrechner, um statistische Auswertungen für Studien durchzuführen oder Expertensysteme zu programmieren. Am nächsten Morgen konnte ich im Rechenzentrum der Universität die Ausdrucke mit den Ergebnissen abholen. War ein Befehl falsch eingegeben, konnte man das Prozedere von vorne beginnen und eine weitere Nacht auf das Ergebnis warten. Erzählen Sie dies heute einmal einem jungen Studenten oder Doktoranden. Sie würden auf Unverständnis stoßen. Heute ist das Gleiche auf jedem Notebook innerhalb von Sekunden machbar.

Anpassung ist ein schleichender Prozess. Wir sind uns dessen oft nicht bewusst.

Viele von Ihnen können sich noch an Zeiten erinnern, in denen die Eltern den Kindern im Restaurant Malstifte und ein Blatt Papier in die Hand drückten, um in Ruhe essen zu können. Heute dient das Smartphone mit einem spannenden Kinderfilm als Ersatz – und es wirkt. Wenn Sie heute Kindern ein altes Wähltelefon, einen Kassettenrekorder oder einen Walkman in die Hand drücken, werden Sie auf Unverständnis stoßen: Wer mit Touchscreens und „Wischen“ groß wird, drückt keine Tasten mehr.

Wir können uns heute ein Leben ohne Smartphone kaum noch vorstellen. Und es wäre unvorstellbar, dass es nicht in unsere Hosentasche passt. Das Smartphone ist unser Tor zur Welt, unser mobiler Arbeitsplatz, unsere Unterhaltungsquelle. Es dient dazu, dass wir mit Fotos festhalten, was wir gerade sehen und umgehend mit Freunden teilen.

Auf die Frage „Worauf würden Sie lieber ein Jahr lang verzichten als auf Ihr Mobiltelefon?“ wurden folgende Antworten gegeben: Auf Essen gehen hätten 64 Prozent der Befragten verzichtet, auf das Haustier 51 Prozent, auf Urlaub 50 Prozent und bei der Gretchenfrage „Handy oder Sex“ hätten 38 Prozent der Befragten lieber ein Jahr lang ohne Sex gelebt als ohne Handy (Abbildung 3).3 Willkommen in der digitalen Welt!

Anpassung ist ein schleichender Prozess, im Zeitraffer fallen einem allerdings die Veränderungen wie Schuppen von den Augen.

6

Abbildung 3: Handy oder Sex?

Die Digitalisierung macht in vielen Bereichen das Leben einfacher, leichter, besser und schöner. Für Marken kann die Digitalisierung ein Sprungbrett sein, um Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen. Marken, die es verpassen, sich anzupassen, laufen Gefahr, für Menschen bedeutungslos zu werden. Ein erster, ohne Frage grober Indikator dafür sind Markenwertrankings.

Menschen nutzen das, was ihnen das Leben einfacher, leichter, besser und schöner macht.

Markenwertrankings als Spiegel der Veränderung. Reisen wir in der Zeitmaschine in das Jahr 2000, führte Coca-Cola das Ranking der wertvollsten Marken der Welt an, Nokia lag auf Rang fünf. Die großen Vier Amazon, Facebook, Google und ­Apple steckten entweder noch in den Kinderschuhen, waren wie Facebook noch gar nicht auf der Welt oder rangierten unter „ferner liefen“. Im Jahr 2007 war das Ranking noch sehr ähnlich, die Stabilität der ersten Plätze zeugte von einer klaren Dominanz der dort gelisteten Marken, allen voran mit Coca-Cola und wiederum mit Nokia auf Rang fünf. Sie alle wissen, warum ich ausgerechnet das Jahr 2007 als Referenz nehme: Es ist die Geburtsstunde des ­iPhone. Der Tag, an dem Steve Jobs „another big thing“ ankündigte und auf der Bühne zelebrierte, was dieses kleine Gerät alles konnte. Das iPhone war ein game changer. Das Unternehmen rangierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter den top ten der wertvollsten Marken der Welt.

Im Jahr 2018 zeigt sich die Welt der wertvollsten Marken in anderem Licht. Apple ist die unangefochtene Nummer eins, gefolgt von Google und Amazon, Microsoft und Samsung folgen mit Abstand auf den nächsten Plätzen und Facebook nimmt Rang neun für sich in Anspruch: Tech-Konzerne dominieren das Ranking (Abbildung 4).

7

Abbildung 4: Markenwertranking im Jahr 2000, 2007 und 2018

Von der alten Welt der Konsumgüter ist Coca-Cola die einzige verbliebene Marke, allerdings mit deutlichem Wertverlust. Gerade einmal zwei Automobilhersteller, Toyota und Mercedes-Benz, schaffen es unter die top ten.

Die Digitalisierung hat das Ranking der stärksten Marken der Welt grundlegend verändert. Tech-Companies dominieren.

Diese lösen bei Kunden durch die bessere Befriedigung von Bedürfnissen mittels neuer Technologien positive Gefühle aus, die auf die Marke übertragen werden.

Zwei Beispiele dazu: Das iPhone ist der Prototyp des Smartphones und steht für eine gewisse Denkhaltung und Einstellung, die durch Steve Jobs geprägt wurde. Smartphones sind heute unsere Lebensbegleiter. Wir schauen im Durchschnitt alle 18 Minuten auf unser Handy.4 Ohne Smartphone fühlen sich viele Menschen unwohl. Smartphones verändern unser Straßenbild wie kaum ein anderes Produkt. Es ist für uns heute selbstverständlich, dass Menschen mit ihrem Smartphone in gebückter Haltung durch Straßen laufen und sich in öffentlichen Verkehrsmitteln darin vertiefen und abschotten. Städte reagieren, indem sie Fußgängerampeln möglichst weit unten quasi auf Wadenhöhe platzieren, so dass sie mit gesenktem Kopf wahrnehmbar sind. Heute passieren schon mehr Autounfälle durch Nutzung des Smartphones als durch Trunkenheit am Steuer oder durch Drogenkonsum.

8Wir sind uns dieser Entwicklungen oft nicht bewusst. Erst der Zeitraffer zeigt die Sprünge, die wir in der Entwicklung gemacht haben. Die Inauguration der letzten beiden Päpste verdeutlich dies: Bei der Inauguration von Papst Benedikt XVI im Jahr 2005 war auf dem Peters­platz in Rom von Handys keine Spur zu sehen, bei der Inaugura­tion des Papstes Franziskus im Jahr 2013 war der Petersplatz voll mit Menschen, die dieses Ereignis mit ihrem Handy aufnahmen (Abbildung 5).

Abbildung 5: Inauguration der Päpste 2005 und 2013

Vor 20 Jahren war Google den meisten Menschen kein Begriff. Heute ist ein Tag ohne Google kaum vorstellbar. Im Durchschnitt gibt es 140 Millionen Suchanfragen am Tag in Deutschland.5 Google macht 9uns das Leben leichter, es ist zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens geworden.

Von Nokia lernen: Nokia musste am eigenen Leib erfahren, wie radikal der Wandel durch die Digitalisierung und die daraus resultierenden Chancen und Risiken für Unternehmen sind. Lange Jahre unter den top ten der wertvollsten Marken, wurde das iPhone dem finnischen Handygiganten zum Verhängnis. Das iPhone revolutionierte den Markt für Mobiltelefone, Nokia rutschte in der Gunst der Kunden ab. Dies reflektiert sich auch im Ranking: 2014 schaffte es Nokia gerade noch auf Rang 98, seit 2015 wurde Nokia nicht mehr unter den Top 100 gelistet.

Der Untergang der Marke Nokia verlief schleichend. Hätte Nokia diesen schleichenden Verfall verhindern können? Nun, im Nachhinein ist man immer schlauer, aber ohne Frage wäre dies möglich gewesen. An der Technologie hat es jedenfalls nicht gelegen. Dies war alles bei Nokia verfügbar. Die Marktreife neuer Geräte wäre ein machbarer Schritt gewesen. Es gab einen anderen Grund für diesen Niedergang: Mein Kollege und Change-Guru John P. Kotter spricht in solchen Fällen von dem typischen Muster der Selbstgefälligkeit der Manager.6 Aufgrund langjähriger Erfolge wird man satt und sieht die Zeichen der Zeit nicht, sondern wägt sich in Sicherheit. Dies ist das größte Hemmnis für notwendige Veränderungen in Unternehmen. Dazu mehr in Kapitel 2.

Aus Markensicht stellt sich aber eine andere, wesentliche Frage: Hätte die Marke als Schutzschirm für notwendige Veränderungsprozesse dienen und dem Management den notwendigen Zeitpuffer geben können, um diesen Wandel zu vollziehen? Aus unserer Forschung weiß ich, dass starke Marken als Schutzschirm in Krisen dienen. Kunden verzeihen einer starken Marke mehr als einer schwachen Marke.7 Volkswagen lässt grüßen. Das Unternehmen hat die Dieselkrise nicht zuletzt durch die Reputation der Marke gut überstanden. Je besser das Management dann Unternehmen und Marke durch die Krise navigiert, umso gestärkter geht die Marke aus der Krise hervor.

Die Analyse des Niedergangs von Nokia zeigt, dass es hier ähnlich war. Die Marke hat dem Management aufgrund ihrer Stärke den notwendigen Spielraum und somit den Schutzschirm für konsequentes Eingreifen und Umsteuern gegeben. Wie Abbildung 6 zeigt, sank mit Beginn der Einführung des iPhone die Marktkapitalisierung von Nokia drastisch. 2009 entsprach die Marktkapitalisierung dem Markenwert. 10Dies gilt auch für die Folgejahre. Der Wert des Unternehmens konnte demnach vollständig durch den Wert der Marke erklärt werden. Die Marke hat somit vier Jahre dem Management einen Schutzschirm geboten. Dies ist ein großer Zeitraum, um im Management Fehlentwicklungen zu korrigieren, vor allem, wenn alle technischen Möglichkeiten dazu im Unternehmen vorliegen.

Starke Marken dienen als Schutzschirm beim Wandel.

Die fortlaufende Anpassung der Unternehmen an den digitalen Wandel ist eine notwendige Überlebensstrategie. Doch anders als die vielen digitalen Startups können vorhandene Unternehmen kein weißes Blatt Papier beschreiben. Vielmehr müssen sie den digitalen Wandel in ihren Unternehmen mit Blick auf die gegebenen Rahmenbedingungen treiben. Andererseits haben etablierte Unternehmen allerdings auch wertvolle Assets, die ihnen den Schritt in die digitale Welt und der Zukunftssicherung des Unternehmens erleichtern können. Neben den aufgebauten Branchenkenntnissen sowie technischen Fähigkeiten ist dies vor allem die Kraft der Marke, die für Wachstum in der digitalen Welt genutzt werden kann. Nokia hat diese Chance nicht genutzt.

Und wie steht es um die deutschen Unternehmen und Marken? Unter den 100 wertvollsten Marken der Welt befinden sich nur neun deutsche Marken, davon mit SAP nur ein Softwareunternehmen, der Rest steht für alte Branchen. Fünf der neun deutschen Marken stammen aus der Automobilindustrie. Würde man dies als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Zeitalter der Digitalisierung sehen, müsste man sich berechtigte Sorgen machen.

Abbildung 6: Entwicklung der Marktkapitalisierung und des ­Markenwertes von Nokia von 2000 bis 2014

11Ein Blick auf die deutschen Unternehmen zeigt allerdings, dass die Stärke der Marke ein Asset ist, aus der sich Wachstumsstrategien für die digitale Welt ableiten lassen. Ein Vergleich mag dies verdeutlichen: Die Markenwert-Rankings werden derzeit dominiert von den vier großen (apokalyptischen) Reitern Apple, Google, Amazon und Facebook.8 Deren Marktkapitalisierung liegt im Jahr 2017 bei rund 2.182 Mrd. US Dollar, die kumulierten Markenwerte bei 355 Mrd. US Dollar (Abbildung 7). Vergleicht man dies mit den neun deutschen Unternehmen, die zu den 100 stärksten Marken der Welt zählen, wirkt das

Abbildung 7: Marktkapitalisierung (oben) und Markenwert (unten) der „Big Four“ im Vergleich zu den deutschen Unternehmen unter den Top 100 der weltweit stärksten Marken

12Ergebnis mehr als ernüchternd: SAP, Siemens, Volkswagen, Daimler, BMW, Audi, Porsche, Allianz und Adidas erreichen gerade einmal eine Marktkapitalisierung von 536 Mrd. US Dollar. Die Markenwerte belaufen sich auf 141 Mrd. US Dollar. Es ist ein Vergleich zwischen alter und neuer Welt.

Bei der Marktkapitalisierung und den Markenwerten der großen vier Reiter im Vergleich zu den oben genannten deutschen Unternehmen offenbaren sich interessante Unterschiede: Deutsche Unternehmen haben zwar nur 26 Prozent der Marktkapitalisierung von Google und Co., aber 40 Prozent des Markenwerts. Sie profitieren somit nach wie vor von dem, was sie schon länger im Markt aufgebaut haben: dem Kapital in den Köpfen der Kunden. Darauf lässt sich aufbauen. Dies gilt natürlich nicht nur für solche Unternehmen, die in diesem Ranking von Interbrand oder anderen Agenturen geführt werden, sondern für alle starken Marken in ihren jeweiligen Branchen. Allerdings sollten sich diese Marken auch darüber bewusst sein, dass dieser Vorsprung schrumpft: von 2017 auf 2018 um drei Prozentpunkte. Die Marke hilft somit temporär bei der Transformation als Schutzschild. Sie schafft den notwendigen Spielraum zur Anpassung. Sich auf der Marke auszuruhen reicht allerdings nicht.

Key Take-aways

Die Reise in der Zeitmaschine zeigt, wie schnell sich die Welt durch die Digitalisierung verändert hat. Anpassung ist ein schleichender Prozess. Wir sind uns dessen oft nicht bewusst.

Die Digitalisierung macht Menschen das Leben einfacher und bequemer. Dies wirkt sich auch auf Marken aus. Die Markenwertrankings werden heute dominiert durch digitale Unternehmen. Deutsche Unternehmen hinken hinterher. Allerdings zeigt sich, dass der Abstand bei der Marktkapitalisierung größer ist als beim Markenwert. Hier profitieren deutsche Unternehmen vom Vertrauen der Kunden. Sie haben über lange Zeit ihre Marken gestärkt und das Markenversprechen eingelöst.

Anpassung ist erforderlich. Marken sind in Zeiten der Veränderung ein Schutzschirm und schaffen Spielräume für Manager.

1 Die Zeit, Der Große Jahresrückblick 2017, 4. Dezember 2017, S. 17.

2 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/erstes-geraet-vor-30-jahren-mit-einem-dicken-knochen-ins-handy-zeitalter/8805448.html?ticket=ST-373054-H4ebEZGC03cR931asFZT-ap1

3 Boston Consulting Group, Qualcomm, 2015.

4 Laut „Mental Balance“ Projekt: https://www.sueddeutsche.de/digital/immer-online-digitaler-dauerstress-1.3322626

5 https://orange-services.de/de/artikel/newskategorie/wie-viele-suchanfragen-beantwortet-google

6 Kotter, 2015.

7 Esch, Weyler, 2012.

8 Die Bezeichnung als (apokalyptische) Reiter stammt von meinem Kollegen Scott Galloway (2017), der zu der Auswirkung von Apple, Amazon, ­Google und Facebook das lesenswerte Buch „The Four“ geschrieben hat.

13Kapitel II. Dataismus als neue Religion – Digitalisierung als Hebel

Wir alle kennen das Mooresche Gesetz. Gordon Moore, Chefentwickler von Fairchild Semiconductors, veröffentlichte den legendären Artikel mit seiner These zur Entwicklung der Prozessoren am 19. April 1965 in der Zeitschrift Electronics. Danach ging Moore von einer jährlichen Verdopplung der Rechenleistung von Prozessoren aus. Dies traf auch die nächsten zehn Jahre zu. Moore korrigierte dann seine Prognose, dass sich die Leistung bei gleichbleibenden Kosten alle zwei Jahre verdoppelt. Genau dies trat dann auch ein.

Was diese Entwicklung für die Nutzung von Daten bedeutet, erschließt sich Laien auf Anhieb nicht. Hier hilft ein Bild, das Intel-Vorstand ­Brian Krzanich geprägt hat: Stellen Sie sich das Mooresche Gesetz bei einem VW Käfer von 1971 vor. Dieser hätte dann heute eine Spitzengeschwindigkeit von 430.000 km/h, käme mit einer Tankfüllung 20 Millionen Kilometer weit und würde gerade einmal 2 Cent kosten.9

Ohne das Mooresche Gesetz gäbe es heute keine Big Data. Allerdings leisten nicht nur die Hardware, sondern gerade auch die Entwicklungen der Software dazu einen großen Beitrag. Von stupiden Systemen und Programmen, die Befehle ausführen und dazu entsprechend programmiert werden müssen, geht es in riesigen Schritten zu selbstlernenden Systemen, die problemlos mit großen Datenmengen umgehen und in kürzester Zeit eigene Entscheidungen treffen können.

1996 wurde der Schachweltmeister Kasparov erstmals durch den Computer Big Blue von IBM geschlagen. Big Blue wurde von Experten programmiert und mit allen bislang jemals gemachten Spielen und Spielzügen gefüttert. Im Jahr 2016 wurde ein Großmeister des strategischen Brettspiels Go durch einen Computer geschlagen. Die Unterschiede zu 1996: Zum einen ist Go wesentlich komplexer als Schach, zum anderen wurde der Computer nur mit den Spielregeln des Spieles ausgestattet, Strategien und Spielzüge entwickelte er selbständig.10

Nun handelt es sich beim Schach und bei Go um Spiele, bei denen das rationale Kalkül die zentrale Rolle über Sieg oder Niederlage spielt. Zudem ging es in beiden Fällen um einen begrenzten Wissens- und Anwendungsbereich. Lange sah man die Fähigkeiten der Künstlichen 14Intelligenz auch eher in solchen Gebieten. Der Großcomputer Watson von IBM ist heute bereits dazu in der Lage, die Forschungserkenntnisse aus unterschiedlichen Medizinbereichen mit Patientenprofilen abzugleichen und daraus Therapievorschläge abzuleiten, die denen durchschnittlicher Ärzte überlegen sind. Watson wurde 2016 bereits von fünfzehn der führenden Krebszentren der Welt eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Watson mehr als 12 Millionen Seiten an Fachartikeln, zweihundert Lehrbücher und Millionen Patientengeschichten aufgenommen. Und so geht es weiter. Ein Facharzt müsste im Vergleich pro Tag 21 Stunden lesen, um die Flut neuer Publikationen zu bewältigen.11 Ärzte haben weder die Zeit noch die Möglichkeit, bei der Fülle der neu veröffentlichten Forschungserkenntnisse auf dem aktuellen Stand zu sein. Was für Ärzte gilt, gilt für jeden Lebensbereich. Auch im Marketing werden bei weitem nicht alle vorliegenden Erkenntnisse für das Treffen besserer Entscheidungen genutzt, weil es eben faktisch nicht geht.

Doch schon längst beschränken sich Computer nicht nur auf rationale Felder. Sie erobern auch das Reich der Emotionen und der Kreativität. Im Jahr 1986 habe ich selbst noch mit dem sogenannten Facial Affect Coding System von Ekman und Friesen Gesichtsausdrücke auf Emotionen anhand bestimmter Action Units analysiert, also Muskeln, die man getrennt voneinander bewegen kann.12 Dies war aufwendig und langwierig. Ich kann ein Lied davon singen. Die Analyse der nonverbalen Reaktionen auf Fernsehspots nahm oft Tage in Anspruch. Heute erfolgt am Piccadilly Circus die Gesichtserkennung zur Identifikation der Stimmung der Menschen automatisch. Je nach Stimmung werden unterschiedliche Werbungen auf den überdimensionalen elektronischen Billboards gezeigt (Abbildung 8).

Computer sind durch Künstliche Intelligenz mittlerweile schon dazu in der Lage, Musikkompositionen und Bilder selbst zu erstellen, die von Experten nicht mehr von denen von Komponisten oder Künstlern zu unterscheiden sind.13 Ferrero hat sich dies zunutze gemacht, indem die Verpackungsdesigns von einer Limited Edition-Serie von Nutella-Gläsern durch Künstliche Intelligenz kreiert wurden. Das Ergebnis ist sehenswert und steht dem von Kreativen in nichts nach (Abbildung 9).

Doch es geht noch weiter: Mittlerweile ist Facebook mit nur wenigen Likes besser in der Lage, die Persönlichkeit von Menschen einzuschätzen

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Abbildung 8: Picadilly Circus: Steuerung der Werbung nach ­Stimmung der Passanten

Abbildung 9: Limited Edition von Nutella: 7.000.000 Varianten durch Künstliche Intelligenz erstellt

als deren Arbeitskollegen, Freunde, Verwandte oder Ehepartner. Bei Arbeitskollegen reichen Facebook 10 Likes, um bei der Prognose zu gewinnen, beim Ehepartner 300.14

Sie werden sich nun sicherlich fragen, wann der Mensch und auch Sie als Manager bei einer solchen Entwicklung überflüssig und durch Systeme Künstlicher Intelligenz ersetzt werden.

So schnell ist damit allerdings noch nicht zu rechnen. Unbestritten ist, dass die Künstliche Intelligenz uns dabei hilft, mit großen Datenmengen besser umzugehen. Die Künstliche Intelligenz (KI) wird das Marketing substantiell verbessern. Derzeit befinden wir uns noch in

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Abbildung 10: Wer kennt Sie besser: Facebook oder die Menschen in Ihrer Umgebung?

der Phase sogenannter schwacher KI-Systeme. Hier kann die KI das menschliche Denken nur nachahmen. Es sind lernende Systeme, die mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Solche Systeme können vor allem mit ungeordneten Daten umgehen und darin Muster erkennen. Das alleine reicht allerdings schon aus, um den Kunden besser zu lesen und ihm personalisierte Werbung zukommen zu lassen. Wie wir alle wissen, gelingt dies bei weitem noch nicht immer, aber immer öfter. Paradebeispiel hierfür sind die Anwendungen von Google oder von Amazon.

Von der technologischen Singularität, also dem Zeitpunkt, zu dem die KI dem Menschen ebenbürtig ist, wie es bei starken KI-Systemen zu erwarten ist, sind wir allerdings noch weit entfernt.

Doch wie meinte schon Alan Turing, der Erfinder des Turing-Tests zur Prüfung Künstlicher Intelligenz:

„Those who can imagine anything, can create the impossible.“

Es lohnt sich weiterzudenken und seine Vorstellungskraft zu bemühen, um das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen zum Nutzen von Kunden und Unternehmen frühzeitig zu beleuchten. Die Accenture-Berater und Forscher Paul R. Daugherty und H. James Wilson machen hierzu einen sinnvollen Vorschlag, indem sie differenzieren, was von Menschen und was von Maschinen besser gemacht werden kann und wie man die fehlende Lücke füllen kann, bei der Mensch und Maschine wirksam in Interaktion 17treten können. Dieses Modell lässt sich 1:1 auf Fragen zur erfolgreichen Markenführung im digitalen Zeitalter übertragen (Abbildung 11).

Abbildung 11: Zum Einsatz von Menschen und Maschinen

Es steht außer Frage, dass Führungsaufgaben ebenso wenig an Maschinen delegierbar sind wie Entscheidungen, was zu tun ist und was nicht. Auch Einfühlungsvermögen und Kreativität sind noch vorrangig bei Menschen zu sehen. Ebenso unbestritten ist, dass Aufgaben,

die wiederholbar sind undbei denen es um große Mengen von Daten geht und aus denen Muster zu erkennen sind,

vorrangig von Maschinen zu bewältigen sind. Menschen können dadurch bei ihren Tätigkeiten unterstützt werden. Ein Serviceberater kann mit entsprechenden Hintergrundinformationen von Maschinen zu den Kundenpräferenzen sowie deren Kaufhistorie deren Bedarf sicherlich besser treffen und umfassender erfüllen als ohne. Maschinen wiederum müssen durch Menschen gefüttert und trainiert werden, indem diese ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben. Chat-Bots benötigen entsprechendes Erfahrungswissen von Servicemitarbeitern zum Umgang und zur Interaktion mit anderen Menschen. Es gibt somit viele Schnittmengen in der Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen. Der Fokus der Diskussion liegt allerdings häufig und einseitig auf dem, was Maschinen durch Künstliche Intelligenz leisten können.

18Key Take-aways

Würde das Moore’sche Gesetz auch für den VW Käfer gelten, wäre dieser heute 430.000 km/h schnell, käme mit einer Tankfüllung 20 Millionen Kilometer weit und würde gerade einmal 2 Cent kosten.

Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz umfasst alle Lebensbereiche. Dies reicht von rationalen Bereichen, wie der Prognose und Behandlung von Krankheiten bis zu emotionalen Bereichen, wie der Dekodierung von Emotionen, der Einschätzung der Persönlichkeit von Menschen und der Kunst.

Die Künstliche Intelligenz wird auch das Marketing verändern. Unternehmen müssen sich Gedanken darüber machen, bei welchen Tätigkeiten menschliche oder maschinelle Aktivitäten dominieren und wo ein Zusammenspiel beider Fähigkeiten erforderlich ist.

9 Brian Krzanich zitiert nach Friedman, 2017, S. 50.

10 Harari, 2017.

11 Friedman, 2017, S. 119.

12 Ekman, Friesen, 1993.

13 Harari, 2017.

14 Grundlage für diese Ergebnisse war die Analyse von 68.220 Probanden.

19Kapitel III. Datenmacht für Unternehmen

Daten werden für Unternehmen immer wertvoller. Wer die Macht über die Daten hat, hat die Macht über die Menschen, könnte man meinen. Dataismus ist für viele Manager die neue Religion. Es ist der unbedingte Glaube daran, dass Daten den Unternehmen zu Einsichten über die Kunden und deren Verhalten geben, aus denen sie selbst Wettbewerbsvorteile erzielen können. Zum Beispiel indem sie den Kundenbedarf besser kennen und zielgenauer befriedigen können.

Dies ist auch der Grund dafür, dass viele Unternehmen in Big Data investieren. 2017 hatten 60 Prozent der deutschen Unternehmen Big-Data-Lösungen im Einsatz oder haben bereits mit deren Planung und Realisation begonnen.15 Bei Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz war 2017 der Hauptzweck für den Einsatz von Big Data mit 73 Prozent die Steigerung der Kundenzentrierung.16 27 Prozent der befragten deutschen Unternehmen konnten durch den Einsatz von Big Data ihren Umsatz erhöhen und 19 Prozent konnten zugleich ihre Kosten senken.17 Neben der Optimierung des Kundenerlebnisses sehen Marketingverantwortliche weltweit das größte wirtschaftliche Potenzial in datengetriebenem Marketing mit klarem Fokus auf Einzelpersonen.18

Otto hat beispielsweise das gesamte Onlinesortiment in einen neuen Produktkatalog überführt, der es nun ermöglicht, jedem Kunden eine personalisierte Produktauswahl zu bieten. Dies wird technisch dadurch realisiert, dass die Website bis zu 800 Seitenabrufe pro Sekunde mit insgesamt 10.000 Ereignissen pro Sekunde parallel registriert. Hierzu zählen alle Klicks und die Positionen des Mauszeigers. Diese gesammelten Daten über das jeweilige Einkaufsverhalten ermöglichen es Otto, jedem Kunden eine individuelle Version der Website darzustellen. Letztlich wird so online ein maßgeschneidertes Einkaufs­erlebnis kreiert, welches die höchstmögliche Relevanz beim Konsumenten anstrebt. 19

Es klingt nicht nur verlockend, es wäre sicherlich auch ein dramatischer Fehler, würden Unternehmen diese Möglichkeiten nicht nutzen. 20Doch ist es auch der Schlüssel zum heiligen Gral des Kundenverständnisses?

Wäre dem so, könnten Unternehmen ihre Kunden wie einen gläsernen Konsumenten lesen, diesem quasi die Bedürfnisse von den Lippen ablesen und entsprechende maßgeschneiderte Angebote machen. Schöne neue Welt für die Unternehmen, die die besten Daten und intelligente Datenanalysemöglichkeiten haben, wie Google, Facebook und Amazon. Investitionen in Künstliche Intelligenz könnten somit Investitionen in Marken überflüssig machen. Doch lässt sich nicht aus allen Daten relevantes Wissen ableiten.

„Not everything that can be counted counts, and not everything that counts, can be counted.“(Albert Einstein)

Gibt ein Kunde auf Amazon „Reiseführer Mallorca“ ein, so sind dies zunächst einmal Daten. Daraus kann man die Information ableiten, dass ein Interesse an dieser Insel besteht. Man weiß aber nicht, ob dieses Interesse darin begründet ist, dass der Kunde dieses Buch zum Geburtstag verschenken möchte oder derjenige, der die Eingabe gemacht hat, nach Mallorca reisen möchte. Es wird selbst dann nicht eindeutig, wenn man zusätzlich auf Amazon nach einer Schnorchelausrüstung oder einer Badehose sucht. Legt Amazon dem Kunden nun beim nächsten Besuch der Website einen kulinarischen Führer oder ein Weinbuch zur Insel vor, so kann dies den Kunden erfreuen, muss es aber nicht. Es sind eben Daten, aber noch kein Wissen um den echten Bedarf des Kunden.

Es gilt nach wie vor die alte Weisheit: Daten sind keine Informationen und Informationen sind noch lange kein (relevantes) Wissen.

Erkenntnisse zum Customer Relationship Management haben ebenfalls gezeigt, dass die überzogenen Erwartungen an solche Systeme bislang nicht erfüllt werden konnten.20 Der Einsatz der Software-Tools, mit denen Kundendaten verarbeitet und der Wert des Kunden für das Unternehmen berechnet werden konnten, brachten meist nicht den erwarteten Erfolg. Im Gegenteil: Etwa die Hälfte der umgesetzten Maßnahmen gilt als gescheitert. Einen nachvollziehbaren Grund dafür führt der Unternehmer Robert Thompson auf.21 Behandeln Unternehmen Kunden wie Nummern in den Systemen, so reicht dies nicht aus, um Menschen als Ganzes mit all ihren Bedürfnissen in verschiedenen Lebenssituationen zu erfassen.

Die Analyse vorhandener Daten ist immer ein Blick in den Rückspiegel.

21Der Blick in den Rückspiegel mag bei gewohnheitsmäßigem Verhalten der Kunden funktionieren, wenn Kunden quasi als eingefrorene Entscheidung immer wieder die gleichen Rasierklingen oder das gleiche Waschmittel kaufen. Es mag dann auch noch besser funktionieren, wenn man extensive Entscheidungen trifft, zu denen viele Informationen vorab analysiert werden. Solche Systeme versagen aber regelmäßig bei impulsiven und emotionalen Entscheidungen. Insofern lassen sie auch nur eingeschränkte Perspektiven auf künftiges Verhalten zu.

Trotzdem klingt Big Data vielversprechend für das Marketing. Dahinter stehen zwei Fragestellungen, von denen sich Marketingmanager neue und tiefergehende Erkenntnisse erhoffen:

1. Wer kauft was, wann, wo und zu welchem Preis? und

2. Können wir das, was Kunden hören, lesen, sehen und miteinander austauschen mit ihrem Kaufverhalten und den Kaufentscheidungen verknüpfen?

Es wäre der Schlüssel zum Heiligen Gral des Kundenverständnisses. Würde man diese Fragen klären, wäre die Frage nach den verschwendeten 50 Prozent des Budgets geklärt, die seinerzeit Henry Ford aufgeworfen hat und sich in Marketingkreisen hartnäckig hält. Entsprechend strebt man im Marketing an, die Transaktionen der Kunden besser vorhersagen zu können, indem man ein detailliertes Portrait des Kunden zeichnet, in dem Medienpräferenzen, Einkaufsgewohnheiten, Interessen, Bedürfnisse und Wünsche der Kunden so gut es geht abgebildet werden. Im Ergebnis hätte man ein präzises und hochauflösendes Bild eines jeden Kunden und seiner nächsten Schritte.22