Max & Fine 3 - Marco Mehring - E-Book

Max & Fine 3 E-Book

Marco Mehring

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Beschreibung

„Wenn ihr alle, die ihr hier euer ach so friedliches Leben lebt, wüsstet, was hinter den Kulissen so abgeht, dann hättet ihr keine ruhige Minute mehr!“ Fine und ihre Freunde stehen vor dem entscheidendsten Wendepunkt ihres bisherigen Lebens. Zwei Jahre nach den Ereignissen um die kriminellen Machenschaften des Eierkönigs Hohlmann wird ihre Existenz in ihren Grundfesten erschüttert. Unversehens treffen sie auf unerbittliche Gegner, die das Spiel im Schatten perfektioniert haben: Die Agrarindustrie und der mächtigste Schweinebaron Deutschlands. Die Sommerferien sind vorüber und der erste Schultag beginnt hochexplosiv. Auf dem Schulweg findet Fine in einem verunglückten Schweinetransporter ein Mädchen aus Syrien, das daraufhin spurlos verschwindet. Als sie wenig später durch Zufall Zeugin einer Verschwörung wird, deren Kopf ein rätselhafter Schlüsselanhängermann ist, der „alles zerstören will“, schrillen bei ihr die Alarmglocken. Und überhaupt: Wer ist eigentlich dieser Herr Armin, der vorgibt, ihr neuer Lehrer zu sein? Und was will er? Welches Spiel spielt dieser Pferdeschwanzmensch, der an allen Ecken und Enden gleichzeitig auftaucht und Fines Leben bedroht? Und wie können sie die vielen Schweine retten, die in den Ställen gefangen gehalten werden? Um den Schlüsselanhängermann und seine Handlanger zu stoppen, kämpfen unsere Freunde gegen Korruption, treten Feuersbrünsten entgegen, liefern sich Verfolgungsjagden und gehen bedenklich nah an ihre Grenzen. Spannung trifft Aufklärung: „Max & Fine 3 | Die Schweineverschwörung“ ist der dritte Teil von Marco Mehrings erfolgreicher Buchreihe „Max & Fine“ und beschreibt die Machenschaften der Schweineindustrie. Eine Kriminalgeschichte über Menschen- und Tierrechte, den unbändigen Willen, Dinge verändern zu wollen, den gemeinsamen Kampf für eine bessere, gerechtere Welt und ein Plädoyer für das Leben. Und Schweine. Viele Schweine.

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Seitenzahl: 262

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Marco Mehring, Dipl.-Schauspieler, Sprecher und Autor, engagiert sich in seiner Theater- und drehfreien Zeit in Tierschutzprojekten im In- und Ausland. Seine größte Leidenschaft gilt den Orcas.

www.marcomehring.de

Kerstin Falkenstein, Illustratorin, arbeitet hauptberuflich als Pädagogin und engagiert sich im Tierschutz und in Bildungsprojekten für Vorschulkinder in Osnabrück.

Marco Mehring

Max & Fine 3

Die Schweineverschwörung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

"Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie: detail"lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Marco Mehring

Max & Fine 3 | Die Schweineverschwörung

© 2017 Marco Mehring

Umschlag, Illustration: Kerstin Falkenstein

Lektorat, Korrektorat: Katharina Grabowski

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

978-3-7439-7307-7 (Paperback)

978-3-7439-7309-1 (e-Book)

1. Auflage 2017

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

„Zweifle niemals daran, dass eine kleine Gruppe von Menschen mit ausgeprägtem Gewissen die Welt ändern kann. Wie die Vergangenheit zeigt, sind nämlich genau sie es schon immer gewesen, die das als einzige erreicht haben.“

Margaret Mead

Fine, die jüngste Tierbefreierin der Welt. Ungerechtigkeit macht sie fuchsteufelswild. Begibt sich deswegen immer wieder in Gefahr. Kann mit Tieren sprechen. Rüttelt mit ihrem Aktivismus jeden wach.

Adeeba, kommt ursprünglich aus Syrien. Hat in ihrem Alter schon mehr durchgemacht, als so manch Erwachsener. Sagt immer, was sie denkt, was manchmal zu Problemen führt.

Johanna, unglaublich wissbegierig. Kann fast alles reparieren. Mit ihrem Mut bringt sie sich oft in brenzlige Situationen. Sieht den Zustand der Welt sehr kritisch.

Paul, Fines bester Freund. Hat mit ihr schon den Eierkönig Hohlmann hochgehen lassen. Liebt es, draußen zu sein, statt stumpf vor dem Computer zu hängen.

Luna, Rohkostjunkie. Großes Herz für die Tiere. Würde am liebsten auf einen Lebenshof ziehen und dort in einer Scheune leben. Rettet unseren Freunden mit ihren Ideen oft den Hintern.

Alle Tiere sind jemand… Jemand mit einem Eigenleben. Hinter den Augen ist eine Geschichte, die Geschichte ihres Lebens in ihrer Welt, so wie sie es erleben.

- Tom Regan

Kapitel 1: Schwein gehabt

„Wir müssen hier weg, bevor uns etwas geschieht!“, schreie ich und gestikuliere wild mit den Armen.

Mit einer Mischung aus Panik und Faszination starre ich in das brüllende Feuer, das mit rasender Geschwindigkeit durch den Stall fegt und sich nun mit einem dumpfen Zischen in das Dach frisst, das schnell lichterloh in Flammen steht.

„Luna, wo bist du?“, rufe ich so laut ich kann.

„Sind alle in Sicherheit?“

Ich zucke zusammen. Luna, die sich keuchend aus dem dichten Rauch herausschält, packt mich an der Schulter.

„Bist du in Ordnung, Luna?“

Sie nickt.

Mit einem ohrenbetäubenden Knirschen und Krachen stürzen die ersten Dachbalken in sich zusammen. Die Luft füllt sich mit unzähligen Funken, die aus dem Feuer herausplatzen und wie tollwütig auf uns zufliegen.

„Ja, Luna. Bestimmt sind alle in Sicherheit! Komm! Lass uns verschwinden. Wir müssen in den Wald.“

Ich ziehe sie hinter mir her, während die nächste Rauchlawine heranrollt.

Wir werden im Nu von ihr verschluckt, verlieren kurzzeitig die Orientierung, während sie uns mit teuflischem Spaß Tränen in die Augen treibt und uns voran stolpern lässt. Erst durch einen aufkommenden, heftigen Windstoß muss sie von uns ablassen.

Von weitem höre ich Sirenen.

„Luna! Die Feuerwehr kommt! Wir müssen uns beeilen! Los, komm, schneller!“

Wir erreichen die ersten Baumreihen, als ich plötzlich durch das Krachen und Knistern des Feuers ein Quieken höre, das mir durch Mark und Bein geht.

Ruckartig bleibe ich stehen, drehe mich um und blicke zu den Gebäuden hinüber, die schon halb in Schutt und Asche liegen.

Wurde jemand übersehen?, schießt es mir durch den Kopf.

„Luna! Ich muss noch mal zurück. Lauf schon mal zu den anderen. Wir treffen uns wie geplant auf der Wetterspitze!“

Sie zerrt an mir und will mich zurückhalten.

„Nein, bleib hier. Das schaffst du nicht!“

Doch ich höre nicht auf sie, mache mich los und laufe keuchend in den dichten Rauch zurück.

Die Gluthitze, die mir entgegenschlägt, raubt mir den Atem. Mit einem Unterarm schütze ich mein Gesicht und taste mich voran, während die Funken um mich herumtanzen, als ob sie etwas zu feiern hätten.

Wieder dieses jämmerliche Quieken.

Wie konnte es denn aus dem Transporter entkommen? Oder war es noch im Stall und wurde übersehen?

Die nächste Funkenarmee rollt heran. Suchend drehe ich mich um meine eigene Achse.

„Quieeeek!”

Das kam von rechts. Also taste ich mich weiter, und als der Wind sich abermals dreht und den Qualm wie einen Vorhang in höhere Luftschichten trägt, sehe ich es.

Ein Schwein.

Es liegt auf dem Boden und kann sich nicht rühren. Auf seinen Hinterläufen liegt ein dickes Brett.

Als ich mich nähere, blickt es mich aus ängstlichen Augen an.

„Keine Angst!“, flüstere ich beruhigend und streichele seinen Rüssel. Dann nehme ich das Brett und wuchte es zur Seite. Wieder ein Krachen und Funkenflug.

„Na, komm, ich bringe dich in Sicherheit!“

Ich bücke mich und hebe es ächzend hoch. „Boah, du bist aber ganz schön schwer!“

Es quiekt ängstlich. Sein Körper fühlt sich heiß an, als es sich an mich drückt.

Ich torkele wieder in Richtung Wald. Kurz bevor ich in seinen schützenden Schatten eintauche, sehe ich am Ende des Schotterwegs schon die Feuerwehr, die dem Flammeninferno entgegenjagt. Wie Lichtschwerter brechen sich die Blaulichter an den Bäumen. Ich selbst habe mich hinter einem dicken Stamm versteckt und muss erst einmal durchschnaufen.

Ich beobachte, wie zwei riesige Feuerwehrautos wenige Meter von mir entfernt mit quietschenden Reifen zum Stehen kommen, wie die Türen aufgerissen und die Schläuche aus den Autos gezogen werden. Die Flammen werden durch den Wind immer wieder angefacht und erschweren die Arbeit der Feuerwehrleute enorm. Es fängt wieder an zu regnen.

Plötzlich wird mir eiskalt und ich beginne zu zittern. Vorsichtig, damit mich keiner der Feuerwehleute zu Gesicht bekommt, schleiche ich schlotternd tiefer in den Wald hinein. Mehrmals muss ich anhalten, um mich auszuruhen, weil ich durch das Gewicht des Schweins kaum noch meine Arme spüre. Es atmet ruhig und hat seine Augen geschlossen.

Von den brennenden Gebäuden ist nichts mehr zu sehen. Vereinzelt höre ich noch die Rufe der Feuerwehrleute, die durch den Wald schallen. Doch bald sind auch diese verstummt.

Ich marschiere weiter, bis ich die Bergkuppe der Wetterspitze vor mir sehe. Sechs Silhouetten, die sich schwarz vor dem aufreißenden Abendhimmel abheben, kommen mir eilig entgegengelaufen.

Vorsichtig setze ich das Schwein auf den Boden und lasse mich völlig entkräftet ins feuchte Gras fallen.

„Da bist du ja endlich. Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“, ruft Johanna.

„Konntet ihr ihn abhängen?“, erkundige ich mich matt.

„Ja! Wir haben zwar nicht gesehen, wer hinter uns her gewetzt ist, aber irgendwann war er weg!“, erklärt Halim, zieht seine Jacke aus und hängt sie mir um die Schultern.

„Du hast noch ein Schwein gefunden? Das ist ja Wahnsinn!“ Paul macht große Augen.

„Und bei euch?“, frage ich.

„Alles Roger, keine Probleme!“ Paul grinst.

„Wir haben es geschafft, was?“ Ich grinse zurück.

„Puh, das war knapp! Ich dachte, du kommst gar nicht mehr!“ sagt Luna leise, umarmt mich und streichelt das Schwein. Es schnuppert neugierig an ihrer Hand, zum Glück scheint es nicht ernsthaft verletzt zu sein.

Mein Blick wandert zum Himmel, der immer weiter aufklart. Die ersten Sterne sind zu sehen. Der Sturm scheint vorüber gezogen zu sein, nur am Horizont zucken noch Blitze wie wild umher. Kaum zu glauben, dass wir es überstanden haben.

„Freut euch nicht zu früh. Das nimmt kein gutes Ende für euch!“

Erschrocken blicken wir in ein höhnisch grinsendes Gesicht…

Aber, halt! Stopp!

Fangen wir lieber ganz von vorne an.

Wer ich bin? Ihr kennt mich:

Mein Name ist Fine und das ist die Schweineverschwörung.

Kapitel 2: Mysteriös

„Kikerikiii! Kikerikiii! Kikerikiii!“

Ich liege im Bett, öffne meine Augen und die Sommerferien sind vorbei. Im Garten kräht Henri sich die Lunge aus dem Hals. Ich muss lächeln.

Ich höre meine Eltern geschäftig im Haus herumwerkeln. Während mein Vater nach irgendetwas sucht, das er verlegt hat, versucht meine Mutter meinen kleinen Bruder Felix zu überzeugen, seine Regenjacke mit in die Kita zu nehmen, obwohl es heute über dreißig Grad werden sollen.

Ich seufze.

„Miau! – Fine! Aufstehen! Heute geht es wieder in die Schule! Dritte Klasse!“

Am Fußende meines Bettes sitzt Mietze, die mich aus ihren grünen Augen anfunkelt.

„Fine! Aufstehen!“, höre ich meine Mutter rufen.

„Ich bin schon wach!“, antworte ich.

„Dein Frühstück steht auf dem Tisch. Wir müssen jetzt los. Wir sind spät dran. Bis heute Mittag!“

„Ist in Ordnung!“, entgegne ich.

„Und trödel nicht so rum, sonst kommst du zu spät zur Schule.“

Ich verdrehe die Augen. Immer das Gleiche.

„Na, Mietze, schauen wir doch mal, was draußen so los ist!“

Mit Schwung werfe ich die Bettdecke von mir, komme auf die Beine, ziehe die Vorhänge auf und öffne die Fenster.

Jeden Morgen fällt mein erster Blick auf die Weide hinter unserem Haus, auf der sich die Rinder, die Herr Karl auf seinem Lebenshof aufgenommen hat, sonnen, grasen und einfach das Leben genießen.

„Tschüss, Fine!“, kräht Felix und wirft sich übermütig auf mein altes, geliebtes rotes Fahrrad, das ich ihm in diesem Sommer geschenkt habe, da es mir zu klein geworden ist.

Ich winke ihm zu, beobachte, wie er jauchzend in die Pedale tritt und mit wehenden Haaren in Richtung Kita saust. Der Fahrradkorb, der am Lenker hin und her baumelt, ist bis oben hin gefüllt mit Rüben, Karotten, Kartoffeln, Obst und altem Brot. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was er damit anstellen will.

Mietze, die behände aus meinem beinahe ebenerdigen Zimmerfenster direkt in den Garten gesprungen ist, biegt geschmeidig auf den schmalen Pfad ein, der von unserem Haus in den Wald führt. Nach wenigen Metern wird sie auf die große Blumenwiese kommen, auf der auch Luise und Max wohnen. Nach wie vor besuche ich meine Freunde mehrmals täglich und kümmere mich so gut um sie, wie ich kann. Allerdings hängen sie auch oft bei den anderen Rindern vom Lebenshof ab oder ziehen mit Henri um die Weiden, Wälder und Seen.

Ich bin noch ganz in Gedanken, als ich plötzlich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehme. Ich drehe meinen Kopf ein wenig und bekomme Stielaugen.

Ein grauhaariger Mann mit einem Hut, der mir auf eine seltsame Art und Weise sehr bekannt vorkommt, und wie aus dem Nichts aufgetaucht ist, humpelt über die Kuhweide. Er schiebt ein blaues Fahrrad neben sich her.

Er bleibt stehen und kratzt sich am Kopf. Dann blickt er unvermittelt zu mir, lächelt, hebt seine Hand und grüßt mich.

Ein wenig verdattert grüße ich zurück und sehe dabei zu, wie er seinen Drahtesel auf den Acker fallen lässt, sich danebensetzt, eine Banane aus der Tasche holt, sie schält und genüsslich hineinbeißt.

Florian, der früher als Praktikant und Fotograf in meiner Kita gearbeitet hat, und der maßgeblich an Henris Befreiung aus der Brüterei beteiligt war, und nun bei Herrn Karl auf dem Lebenshof arbeitet, kommt über die Weide geschlendert. Sein Fotoapparat baumelt vor seiner Brust.

Der grauhaarige Mann winkt ihm zu, steht auf, verstaut die Bananenschale in einem Rucksack, nimmt sein Fahrrad und läuft Florian entgegen. Beide umarmen sich.

„Schön, dass du hergefunden hast. Wir haben den Eindruck, es geht nach zwei Jahren schon wieder los!“, sagt Florian.

„Ja, es sieht nicht gut aus!“, antwortet der Mann. Dann verschwinden sie aus meinem Blickfeld.

Wahrscheinlich der Tierarzt, der bei den Rindern nach dem Rechten schaut. Aber, Moment mal: Ich flitze zu meinem Bücherregal und lasse meinen Blick über die Buchrücken fliegen. Nach ein paar Sekunden finde ich, was ich gesucht habe. Ich ziehe das Fotoalbum von Henris Befreiung heraus und blättere darin.

„Bingo!“, sage ich laut, tippe mit dem Zeigefinger langsam auf ein Foto und bemerke, wie sich meine Nackenhaare aufstellen. Völlig in Gedanken versunken stehe ich da, bis mein Blick auf die Uhr an der Wand fällt. Mist! Ich habe mal wieder die Zeit vertrödelt.

Ich sause ins Bad, putze meine Zähne, eile in die Küche, beiße beherzt in eine Stulle und bin gerade dabei, in meine Klamotten zu schlüpfen, als ein grelles Quietschen ertönt, gefolgt von einem dumpfen Knall. Ich stürze zum Küchenfenster, um nachzuschauen, was passiert ist, doch ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Also flitze ich zur Haustür und eile auf die Straße, auf der Luise und Max auf mich zu getrottet kommen.

„Habt ihr das auch gehört?“, rufe ich.

Max, vor gar nicht allzu langer Zeit noch ein kleiner Bulle, überragt seine Mutter Luise nun um einen ganzen Kopf. Seine Lieblingsbeschäftigung ist neben seiner unglaublichen Neugier, das Essen, und auch jetzt kaut er wieder auf irgendetwas Grünem herum. Luise streckt mir ihren Hals entgegen und begrüßt mich freudig.

„Los, lasst uns mal nachsehen, was passiert ist!“, schlage ich vor.

Der Zusammenstoß, der den Knall verursacht hat, ereignete sich nur einen Steinwurf von unserem Haus entfernt.

„Wenn du mit deinem Fahrrad aus dem Dorf kommst und die enge Schotterstraße runterdonnerst, musst du in der letzten Kurve vor unserem Haus besonders gut achtgeben. Sie ist ziemlich unübersichtlich und man kann leicht die Kontrolle verlieren“, schießt mir die Warnung meines Vaters durch den Kopf, die ich mir immer wieder anhören durfte.

Wir sehen einen Tiertransporter, der quer zur Straße steht. Das Führerhaus ist einen kleinen Abhang heruntergerutscht und hängt zwischen zwei Bäumen fest. Der Fahrer des Transporters sitzt verloren auf der Straße und hält sich seinen Kopf. Den kenne ich! Es ist Herr Kallfass, der Vater meiner Klassenkameradin Melanie. So wie es aussieht, ist er glimpflich davongekommen.

Hinter dem Fahrzeug taucht Herr Karl auf, der außer Atem und mit besorgter Miene zu dem Fahrer eilt und auf ihn einredet. Dann zückt unser Nachbar sein Telefon und spricht hastig hinein.

„Papa! Papa!“

Plötzlich saust Melanie zwischen uns hindurch, springt von ihrem Fahrrad und umarmt ihren Vater, der irritiert lächelt und wirr vor sich hin brabbelt. Wahrscheinlich steht er noch unter Schock.

Der Traktor erblickt uns: „Was macht ihr denn hier?“

„Wir haben den Knall gehört und sind schnell hierher geeilt. Geht es dem Fahrer gut?“, will ich wissen.

Herr Karl nickt. „Er hatte Glück im Unglück!“, schnauft er erleichtert, blickt aber trotzdem finster und besorgt zum Transporter.

„Hör zu, Fine!“, flüstert er dann. „Das Fahrzeug ist nicht leer. Das sind Tiere drin!“

„Was denn für Tiere?“ Ich schlucke trocken und blicke zu den Luftschlitzen hinüber, die an den Seiten des Transporters eingelassen sind.

„Schweine. Eigentlich ist es dem Fahrer nicht gestattet, hier entlangzufahren. Ich würde nur zu gerne wissen, warum er es trotzdem gemacht hat!“, brummelt Herr Karl in seinen Bart.

In dem Moment, in dem er es erwähnt, fällt mir auch das Schild auf, das am unteren Teil des Transporters angebracht ist. Darauf ist ein lachendes Schwein zu sehen. „Achtung! Lebende Tiere!“, steht darauf geschrieben.

Ein lachendes Schwein? Als ob die Schweine sich in einem stickigen Transporter wohlfühlen, denke ich.

„Komm, Fine. Wir müssen die Laderampe öffnen und herausfinden, ob den Schweinen etwas geschehen ist. Ich höre aus dem Inneren keinen Mucks, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist!“ Mit sorgenvoller Miene macht er sich am Transporter zu schaffen.

„Das war ja klar. Da wo Viecher sind, ist auch die Fine nicht weit. Und ihre Rinder hat sie auch gleich mitgebracht!“, keift mir Melanies Stimme ins Ohr, die sich mit krebsrotem Kopf zu uns gesellt. Ihre Augen sind zu Schlitzen verengt.

„Wo zum Teufel ist denn dieser Typ hin? Verstehe ich nicht. Abgehauen? He, was macht ihr da?“ Melanies Vater stiefelt auf uns zu.

„Na, nach was sieht es denn aus? Ich öffne die Laderampe!“, entgegnet Herr Karl spitz.

„Lassen Sie das! Das dürfen Sie nicht!“, schreit Kallfass und hält Herrn Karl am Arm fest, der sich nun bedrohlich vor dem Transportunternehmer aufbaut.

„Lassen Sie mich los, sonst wird es ungemütlich für Sie. Das verspreche ich Ihnen!“

Widerwillig lässt der Transportunternehmer von ihm ab. Ich lächele in mich hinein. Der Traktor könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, aber vor seiner Größe und Breite haben die Menschen ziemlichen Respekt.

„Wo bleibt eigentlich die Polizei?“, grummelt der Traktor und öffnet mit einem Schwung die Türen, die nach rechts und links auffliegen.

Auch Luise und Max sind äußerst neugierig geworden und blicken gespannt auf das Geschehen. Finster werden sie von Melanie gemustert.

Herr Karl ist gerade im Begriff, auf die Ladefläche zu springen, als er erschrocken zurückweicht.

„Wa-was ist da-das de-den-denn?“, stottert er erschrocken.

Auf das Schlimmste gefasst, linse ich in den Transporter. Meine Kinnlade klappt herunter.

„Was ist denn los?“, schreit Melanies Vater aufgeregt, doch niemand achtet auf ihn.

Aus dem Halbdunkel des Transporters starrt uns ein Augenpaar entgegen. Ein Mädchen kauert auf dem Boden und hat eine große Wasserflasche in der Hand. Um sie herum sitzen zwanzig Schweine, die gierig, eines nach dem anderen, aus der Flasche trinken.

Herr Karl wirft mir einen fassungslosen Blick zu, stapft dann zu Kallfass und schiebt ihn zur Laderampe. Gelbe Zähne kommen zum Vorschein, als auch seine Kinnlade herunterfällt.

„Wer ist das?“

„Das wollte ich eigentlich von Ihnen wissen!“, knurrt Herr Karl.

„Ich habe keinen blassen Schimmer. Ich habe dieses Mädchen noch nie gesehen!“, versichert Kallfass.

Das Mädchen, das noch immer regungslos dasitzt, hat lange, schwarze Locken und ist ein wenig älter als ich. Auch mir ist sie völlig unbekannt.

„Mmh!“, macht Herr Karl und starrt wieder in den Transporter. „Geht es dir gut? Wie bist du denn da rein gekommen? Wo kommst du denn her?“, will er von dem Mädchen wissen, doch das gibt keine Antwort.

Neugierig laufen die Schweine an die Laderampe und strecken ihre Rüssel in die Sonne, die warm durch die Bäume scheint.

„Den Schweinen ist anscheinend auch nichts passiert. Sie sehen ziemlich munter aus“, sagt Herr Karl.

Ich sehe dem Traktor an der Nasenspitze an, dass er sie am liebsten alle einpacken und mitnehmen würde. Stattdessen schnauft er tief aus und fixiert Melanies Vater.

„Es ist eine Schande, was Sie mit diesen lieben Tieren machen. Eine riesengroße Schande! Ihren Hund behandeln Sie doch auch nicht so!“

„Das ist doch etwas völlig anderes!“, protestiert Melanie.

„Ach ja? Warum ist das denn etwas anderes? Wo ist denn der Unterschied zwischen einem Hund und einem Schwein? Alle wollen leben und glücklich sein, oder nicht?“, will ich von ihr wissen. Doch ich bekomme, wie so oft, wenn es um dieses Thema geht, keine Antwort von ihr.

„Pfft!“, macht Melanie nur.

„Nun, es freut mich, dass Ihnen nichts Schlimmeres passiert ist, Herr Kallfass!“, brummt der Traktor und blickt wieder in den Transporter und zu dem Mädchen, das immer noch schweigend auf dem Boden sitzt.

„Möchtest du denn gar nicht rauskommen?“, redet er ihr gut zu.

Keine Antwort.

„Da kommt die Polizei!“, ruft Melanie.

Alle, außer mir, laufen dem Streifenwagen entgegen, der sich mit eingeschaltetem Blaulicht vorsichtig nähert.

„Du verrätst mich doch nicht, oder?“

Wie von der Tarantel gestochen drehe ich mich um. Leise ist das Mädchen an die Laderampe gerutscht und linst nun nervös zu den Polizisten hinüber.

„Verraten?“

„Ja, sag einfach, ich wäre verschwunden, ohne dass du es bemerkt hast, okay?“

Sie grinst, springt von der Ladefläche und rennt leichtfüßig in den Wald, der an die Schotterstraße angrenzt. Einen Augenblick später ist sie im Unterholz verschwunden.

„Hallo, Fine. Ich habe gehört, im Laderaum soll ein Mädchen sein?“, grüßt mich einer der beiden Polizisten, der sich nun zu Luise, Max und mir gesellt, während sein Kollege das Fahrerhaus untersucht. Inzwischen ist auch ein Krankenwagen eingetroffen und kümmert sich um Melanies Vater. Als der Polizist den Innenraum des Transporters aufmerksam mustert, nähert sich ihm eines der Schweine und fängt an, an seinem Jackenärmel zu kauen.

„Ein Mädchen? Ja, da war ein Mädchen, aber jetzt ist es wohl weg!“ Ich lächele mein süßestes Lächeln.

„Und du weißt nicht, wo sie hin ist?“ Skeptisch blickt er sich um.

„Nö, keine Ahnung“, schwindele ich.

„Seltsam, seltsam, seltsam!“, sagt er und versucht vergebens, das Schwein abzuschütteln.

Melanie rauscht mit ihrem Fahrrad an mir vorbei. „Wir sehen uns gleich in der Schule, Fine, aber du wirst es mal wieder nicht pünktlich schaffen, haha!“

Ich schaue auf meine Uhr. Mist! Ich verabschiede ich mich eilig von Luise und Max und winke zum Abschied auch noch Herrn Karl zu. Dann tue ich es dem unbekannten Mädchen gleich und schlage mich in den Wald.

Kapitel 3: Die großen Unbekannten

Ich hüpfe über eine niedrige, moosbewachsene Mauer, lande im Hinterhof eines Hauses, balanciere vorsichtig durch ein Gemüsebeet, ducke mich unter frisch gewaschener Wäsche hindurch und husche eilig durch die Einfahrt hinaus auf die Straße.

Plötzlich fällt mir siedendheiß ein, dass ich meinen Schulranzen zu Hause vergessen habe.

Egal. Erster Schultag, da macht das nichts. Ich wische den sorgenvollen Gedanken beiseite, renne weiter die Hauptstraße hinunter und biege auf den Marktplatz ab, auf dem ein buntes Durcheinander herrscht: Es ist Wochenmarkt.

Die Markisen der Gemüsestände flattern leicht im Septemberwind, die Händler preisen lautstark ihre Waren an, Erwachsene rennen kreuz und quer, Kinder lachen, Hunde bellen, Tauben flattern und ich laufe im Eiltempo zwischen ihnen hindurch.

„Hey, Fine. Du hast es aber eilig. Hier, fang auf!“

In hohem Bogen wirft mir Frau Kampmann, eine Freundin meiner Mutter, bei der wir immer unser Obst und Gemüse kaufen, einen Apfel zu, den ich gerade noch zu fassen bekomme und in meine Hosentasche stecke.

Kleine, enge Gassen laufen sternförmig auf den Marktplatz zu. In einem der Häuser, die sich hier eng aneinanderschmiegen, wohnt mein Freund Paul.

Die Wohnung, in der er lebt, liegt im zweiten Stock, direkt gegenüber dem Rathaus, in dem unser Bürgermeister, Herr Tolsdorf, arbeitet.

„Ich habe sogar schon einmal gesehen, wie er in der Nase popelt, Fine!“, erzählte er mir vor ein paar Tagen grinsend.

Und aus eben diesem Rathaus, dessen Fenster sperrangelweit aufstehen, vernehme ich plötzlich lautes Geschrei.

„So beruhigen Sie sich doch. Wir haben doch alles geregelt!“

„Ja, geregelt! Ich habe es mir aber anders überlegt, Tolsdorf. Ich will, dass es rückgängig gemacht wird, hören Sie? Ich kann das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren!“

„Tja, da hätten Sie ihr Gewissen mal vorher fragen sollen, Kowalski!“, erwidert der Bürgermeister.

„Was soll denn das Theater jetzt, Kowalski? Du hast doch schon längst unterschrieben. Willst du mehr Geld, oder was?“, schaltet sich nun eine mir unbekannte, dunkle Stimme ein.

„Sie wollen alles zerstören. So habe ich mir das nicht vorgestellt!“, ruft dieser Kowalski kleinlaut.

„Tja! Hättest du mal das Kleingedruckte gelesen. Mitgehangen, mitgefangen, wie man so schön sagt.“ Die dunkle Stimme lacht hämisch. „Also, kann ich mich auf dich verlassen, Kowalski? Falls nicht, weißt du ja, was passiert …“

„Wollen Sie mir drohen?“, schreit Kowalski.

„Nein! Ich will dich warnen. Bleib ganz locker. Übermorgen ist das Ding gelaufen und du bist ein gemachter Mann! Und jetzt Schluss damit! Auf Wiedersehen!“ Unwirsch beendet die dunkle Stimme die Unterhaltung.

Ich beschließe, mich gegenüber des Rathauses in einer niedrigen Toreinfahrt zu verstecken, die in einen verwinkelten Hinterhof führt. Von hier aus habe ich den Eingang des Rathauses im Blick.

Vorsichtig linse ich um die Ecke und sehe drei Männer und eine Frau, die auf die Gasse hinaustreten und sich nun gegenüberstehen.

Auf der einen Seite steht der Bürgermeister Tolsdorf. Neben ihm Herr Kowalski, der Vater meiner Klassenkameradin Stefanie. Auf der anderen Seite die Frau und der dritte Mann. Beide sind mir völlig unbekannt. Der Mann ist mir vom ersten Augenblick an irgendwie unheimlich. Er hat ein feistes Gesicht, ziemlich hohe Geheimratsecken, eine schwarze Brille und grinst die ganze Zeit vor sich hin. Mit seiner rechten Hand spielt er mit einem seltsamen Schlüsselanhänger in Form zweier Schweine. Die Schwänze der Schweine haben sich zu einem Herzen verschlungen. Geräuschvoll lässt er ihn durch die Finger gleiten.

Die Frau ist klein und zierlich und hat einen grauen Pferdeschwanz, den sie streng zurückgebunden hat und der unter einer dünnen Wollmütze hervorlugt. Ihre Hände hat sie lässig in die Hosentaschen gesteckt. Leider kann ich ihr Gesicht nicht sehen, da sie mit dem Rücken zu mir steht.

„Dann sind wir uns also einig?“, sagt der Schlüsselanhängermann und streckt dem Bürgermeister die rechte Hand hin. Der schlägt ein. Dann hält er auch Kowalski die Hand entgegen, der zögert erst, schlägt dann aber ebenso ein.

„Wunderbar. Dann wünsche ich noch einen schönen Tag!“ Er wirft den Schlüsselanhänger in hohem Bogen der Frau zu. Dann wenden sich die beiden zum Gehen.

Ich drücke mich tiefer in die Einfahrt hinein, sodass sie mich nicht entdecken können. Gut einen Meter von mir entfernt bleiben sie plötzlich abrupt stehen. Gespannt halte ich die Luft an. Ich höre die Stimme des Mannes, der die Frau anknurrt. „Was sollte das mit dem Transporter? Der hat auf dieser Straße doch nichts zu suchen! Rede ich eigentlich Chinesisch? Ich habe dir gesagt, du sollst nicht so ein Aufsehen erregen! Ich hoffe, ich habe mich jetzt klar und deutlich ausgedrückt!“

„Ja, Boss!“, antwortet sie mit einer für eine Frau ungewöhnlich hohen Stimme. Dann höre ich, wie sie weiterlaufen.

Ich wage mich aus meinem Versteck und blicke ihnen hinterher.

Was geht hier vor sich?

Kapitel 4: Der neue Lehrer

Ich höre die Kirchturmuhr zur vollen Stunde schlagen. Oh, nein. Schulbeginn.

Als ich gerade auf die gegenüberliegende Straßenseite springen will, kommt ein Fahrradfahrer angefahren. Es ist der grauhaarige Mann, den ich auf der Kuhweide gesehen habe.

Er lupft seinen Hut, betätigt seine Klingel und ruft: „Was für ein wunderbarer Tag, Fine, nicht wahr?“ Mit offenem Mund starre ich ihm hinterher.

Verwirrt spurte ich weiter, lasse die Gasse hinter mir, biege mal rechts, mal links ab und schon bin ich auf dem Schulhof, der wie ausgestorben vor mir liegt. Alle sind schon in ihren Klassenräumen.

Ich reiße die Tür des Schulgebäudes auf und renne durch den Korridor. Vor dem offenen Klassenzimmer empfängt mich Georg, der Sohn des Bürgermeisters und selbst ernannter Klassenkasper.

„Guten Morgen, Fine. Na, wieder zu spät?“ Er verzieht sein Gesicht, so, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

„Ist denn kein Unterricht?“, will ich wissen.

„Nö, bis jetzt ist kein Lehrer aufgetaucht! Ich steh hier Schmiere und pass auf.“

Er reckt den Daumen in die Höhe und ich darf passieren.

„Na, das hat aber gedauert. Bist du unterwegs eingeschlafen?“ Wieder einmal schneidet Melanie eine doofe Grimasse in meine Richtung.

„Ach, was. Fine musste wahrscheinlich mal wieder ihren Rindern das Frühstück zubereiten, haha!“ Beifall heischend schaut sich Stefanie Kowalski um und blickt mich herausfordernd an.

„Uaaaaaah!“, gähne ich gelangweilt und umarme meine Banknachbarin Luna, die mich schon freudig begrüßt. „Ach, lass die doch ihren Blödsinn quatschen, Fine!“ Sie grinst.

Wie ich, liebt Luna Rinder über alles und treibt sich am liebsten auf Herrn Karls Lebenshof herum, um ihm beim Ausmisten der Ställe und Füttern der Tiere zu helfen.

Von hinten tippt mir Johanna auf die Schulter. Neben Luna ist sie meine beste Freundin und das klügste Köpfchen weit und breit. In den Mathearbeiten steckt sie mir immer die richtigen Lösungen zu. Auch sie verbringt die meiste Zeit auf dem Lebenshof. Besonders Henri, der Hahn, hat es ihr angetan.

„Was war denn los, Fine? Melanie hat hier herumtrompetet, dass es einen Unfall auf der Schotterstraße gegeben und dass im verunglückten Tiertransporter ein fremdes Mädchen inmitten der Schweine gesessen hat, stimmt das?“

„Ja, das war ganz schön merkwürdig. Sie saß mit einer Wasserflasche in der Hand einfach in diesem Transporter und hat den Tieren etwas zu trinken gegeben. Als dann die Polizei gekommen ist, ist sie aus dem Transporter gesprungen und im Wald verschwunden.“

Luna hibbelt aufgeregt auf ihrem Stuhl herum. „Das ist ja aufregend. Hast du sie vorher schon einmal hier gesehen?“

Ich linse zu Melanie und Stefanie, die tuschelnd zu uns herüber glotzen.

„Nein, noch nie!“, versichere ich.

„Achtung, Fine, ducken!“, warnt mich Johanna.

Haarscharf fliegt der Tafelschwamm über meinen Kopf hinweg und hinterlässt Flecken auf meinen Klamotten.

„Haha, fast getroffen!“ Stefanie wirft mir spöttische Blicke zu.

Georg steckt plötzlich seinen Kopf durch die Tür und zischt aufgeregt: „Lehreralarm!“

Wie der Blitz rasen alle auf ihre Plätze.

Frau Nass, die Direktorin unserer Schule, betritt entschlossen das Klassenzimmer, blickt sich skeptisch um, bückt sich seufzend nach einem Kreidestück, das vor ihren Füßen liegt, hebt es auf und schreibt mit großen Buchstaben „Herr Armin“ auf die Tafel.

„Herzlich willkommen in der dritten Klasse. Ich hoffe, ihr hattet tolle Sommerferien. Ihr wisst, eure alte Klassenlehrerin ist vor den Ferien in den Ruhestand gegangen. Ich darf euch heute also euren neuen Klassenlehrer vorstellen, Herrn Armin. Und nicht nur das: Ihr seid ab jetzt auch eine Willkommensklasse für geflüchtete Menschen. Und deswegen bekommt ihr heute auch eine neue Klassenkameradin aus Syrien. Ich möchte, dass ihr höflich und nett zu beiden seid.“

Ich blicke gespannt auf. Als ich die beiden Personen sehe, die gerade das Klassenzimmer betreten, fällt mir zum zweiten Mal für heute die Kinnlade herunter.

„Das darf doch nicht wahr sein!“, entfährt es mir lauter als gedacht, sodass Frau Nass mich erstaunt ansieht. „Was darf nicht wahr sein, Fine?“

„Ach, nix!“

„Adeeba ist neu im Dorf und kommt ursprünglich aus Syrien, spricht aber schon richtig gut Deutsch. Nicht wahr, Adeeba?“

Das dunkelgelockte Mädchen aus dem Transporter grinst: „Darauf können Sie wetten, Frau Direktorin!“

Alle müssen lachen.

„Ruhe, bitte!“ Frau Nass klopft energisch auf das Lehrerpult.

„Boah, die gefällt mir!“ Johanna klatscht begeistert in die Hände.

„Das ist das Mädchen aus dem Transporter“, flüstere ich meinen Freundinnen zu.

„Waaaaas?“ Luna kippelt vor Aufregung so sehr mit ihrem Stuhl, dass sie beinahe nach hinten fällt.

„Du kannst dir einen Platz aussuchen. Nur nicht zu schüchtern!“, ermutigt Frau Nass Adeeba, die suchend umherblickt. Als sie den leeren Stuhl neben Johanna entdeckt, kommt sie zielstrebig auf uns zu. „Ist da noch frei?“

„Ja, klar. Setz dich gerne neben mich!“, ruft Johanna.

Adeeba setzt sich und zwinkert mir verschwörerisch zu. „So schnell trifft man sich wieder!“

„Allerdings!“ Ich lächele zurück.

Frau Nass verabschiedet sich eilig von uns und rauscht aus dem Klassenzimmer.

Herr Armin, der still unser Treiben beobachtet hat, räuspert sich:

„Also, ich bin der Herr Armin, und wie Frau Nass euch ja auch schon mitgeteilt hat, der neue Klassenlehrer.“

„Sind Sie neu hier?“, will Georg wissen.

„Ja, ich bin erst letzte Woche hierhergezogen.“

„Dann kennen Sie sicherlich schon meinen Vater. Er ist der Bürgermeister hier.“

„Boah, der Wichtigtuer!“, ätzt Johanna.

„Ja, in gewisser Weise kenne ich deinen Vater sogar ziemlich gut!“, lächelt Herr Armin, verschränkt die Arme hinter seinem Rücken und geht leicht humpelnd auf die große Fensterfront unseres Klassenzimmers zu, murmelt irgendetwas und lässt seinen Blick über den wolkenlosen Himmel und den Wald schweifen, der direkt hinter unserem Klassenzimmer beginnt.

„Also…“, beginnt er, bricht aber ab und holt noch einmal tief Luft.

„Also, ich habe zwei Vorschläge: Entweder, wir machen ganz normalen Sachkundeunterricht …“

„Oder?“, ruft Luna laut.

„Oder wir machen bei diesem wunderschönen Wetter einen kleinen Ausflug!“

„Ausflug! Ausflug! Ausflug!“, grölen wir lauthals.

„Dann würde ich vorschlagen, dass wir einen Ausflug machen. Wir treffen uns in fünf Minuten auf dem Schulhof. Nehmt eure Schulsachen mit, wir bleiben den ganzen Tag draußen!“

Ich grinse Luna, Johanna und Adeeba an.

„Wisst ihr was, Leute? Ich glaube, ich weiß, wo Herr Armin mit uns hin will.“

Kapitel 5: Dunkle Vorzeichen

Für unsere sonst so chaotischen Klassenverhältnisse eiern wir ziemlich gesittet hinter Herrn Armin her.

„Woher weißt du, was er vorhat?“, fragt mich Johanna, die gerade im Laufen ihr Pausenvesper auspackt.

Ich schildere ihr meine morgendliche Begegnung mit Herrn Armin.

„Was wollte er denn so früh morgens auf der Kuhweide?“, mischt sich Luna ein.

„Er hat sich mit Florian getroffen und deshalb denke ich, wir statten dem Hof vom Traktor einen Besuch ab.“

Adeeba blickt uns fragend an. „Traktor? Warum besuchen wir denn einen Traktor? Ist das nicht ein Auto?“