Meditationen - Marc Aurel - E-Book

Meditationen E-Book

Marc Aurel

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Beschreibung

Meditationen (Selbstbetrachtung) des römischen Kaisers Mark Aurel sind die letzte bedeutende Hinterlassenschaft aus der philosophischen Schule der jüngeren Stoa. Sie werden zur Weltliteratur gezählt. Entstanden sind sie am Ende von Mark Aurels Herrschaft in Feldlagern an der Nordgrenze des Römischen Reiches. In einer Vielzahl persönlicher Beobachtungen aphoristischen Zuschnitts entfaltet der Kaiser dabei sein Weltbild im Selbstdialog. Maßgebliche Richtschnur für das eigene Denken und Handeln waren ihm die Einordnung in und die Übereinstimmung mit der "Allnatur". Vernunftleitung und Gemeinwohlorientierung gehören zu den in zahlreichen Wendungen variierten Konstanten der Selbstbetrachtungen, zu denen Mark Aurel auch die Rückwirkungen seines Amtes auf die eigene Person antrieben: "Verkaisere nicht!" Seit dem Erscheinen einer ersten gedruckten Ausgabe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts haben Mark Aurel und sein Werk hohe Wertschätzung und Vorbildcharakter erlangt.

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Seitenzahl: 159

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Mark Aurel

Meditationen

Meditationen

Illustrierte Ausgabe

Mark Aurel

Impressum

Texte: © Copyright by Mark Aurel

Umschlag:© Copyright by Walter Brendel

Illustrationen: © Copyright by Walter Brendel

Übersetzer: © Copyright by F. C. Schneider

Verlag:Das historische Buch, 2022

Mail: [email protected]

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Sechstes Buch

Siebentes Buch

Achtes Buch

Neuntes Buch

Zehntes Buch

Elftes Buch

Zwölftes Buch

Erstes Buch

1. Von meinem Grossvater Verus weiss ich, was edle Sitten sind und was es heisst: frei sein von Zorn.

2. Der Ruf und das Andenken, in welchem mein Vater steht, predigen mir Schamhaftigkeit und männliches Wesen.

3. Der Mutter Werk ist es, wenn ich gottesfürchtig und mittheilsam bin; wenn ich nicht nur schlechte Handlungen, sondern auch schlechte Gedanken fliehe; auch dass ich einfach lebe und überhaupt nicht wie reiche Leute.

4. Mein Urgrossvater litt nicht, dass ich die öffentlichen Disputirübungen besuchte, sorgte aber dafür, dass ich zu Hause von tüchtigen Lehrern unterrichtet wurde, und überzeugte mich, dass man zu solchem Zweck schon Etwas aufgehen lassen müsse.

5. Mein Erzieher gab nicht zu, dass ich mich an den Wettfahrten betheiligte, weder in Grün noch in Blau, auch nicht, dass ich Ring- und Fechterkünste trieb. Er lehrte mich Mühen ertragen, Wenig bedürfen, selbstthätig sein, mich wenig kümmern um anderer Leute Angelegenheiten und einen Widerwillen haben gegen alles Aufschieben.

6. Diognet bewahrte mich vor allen unnützen Beschäftigungen; vor dem Glauben an das, was Wunderthäter und Gaukler von Zauberformeln, vom Geisterbannen u.s.w. lehrten; davor, dass ich Wachteln hielt, und vor andern solchen Passionen. Er lehrte mich ein freies Wort vertragen; gewöhnte mich an philosophische Studien, schickte mich zuerst zu Bacchius, dann zu Tandasis und Marcian, liess mich schon als Knabe Dialoge verfassen und machte mir Lust zu den Ruhebetten und Pelzdecken, wie sie bei den Lehrern der griechischen Schule Mode sind.

7. Dem Rusticus verdanke ich, dass es mir einfiel, in sittlicher Hinsicht für mich zu sorgen und an meiner Veredlung zu arbeiten; dass ich frei blieb von dem Ehrgeiz der Sophisten; dass ich nicht Abhandlungen schrieb über abstrakte Dinge, noch Reden hielt zum Zweck der Erbauung, noch prunkend mich als einen streng und wohlgesinnten jungen Mann darstellte, und dass ich von rhetorischen, poetischen und stilistischen Studien abstand; dass ich zu Hause nicht im Staatskleid einherging oder sonst so Etwas that, und dass die Briefe, die ich schrieb, einfach waren, so einfach und schmucklos wie der seinige an meine Mutter von Sinuessa aus. Ihm habe ich's auch zu danken, wenn ich mit denen, die mich gekränkt oder sonst sich gegen mich vergangen haben, leicht zu versöhnen bin, sobald sie nur selbst schnell bereit sind, wiederzukommen. Auch lehrte er mich, was ich las, genau lesen und mich nicht mit einer oberflächlichen Kenntniss begnügen, auch nicht gleich beistimmen dem, was oberflächliche Beurtheiler sagen. Endlich war er's auch, der mich mit den Schriften Epiktets bekannt machte, die er mir aus freien Stücken mittheilte.

8. Appollonius zeigte mir, was Freiheit sei und eine Festigkeit, die dem Spiel des Zufalls Nichts einräumt; dass man auf Nichts ohne Ausnahme so achten müsse, als auf die Gebote der Vernunft. Auch was Gleichmuth sei bei heftigen Schmerzen, bei Verlust eines Kindes, in langen Krankheiten, habe ich von ihm lernen können. – Er zeigte mir handgreiflich an einem lebendigen Beispiele, dass man der ungestümste und gelassenste Mensch zugleich sein kann, und dass man beim Studium philosophischer Werke die gute Laune nicht zu verlieren brauche. Er liess mich einen Menschen sehen, der es offenbar für die geringste seiner guten Eigenschaften hielt, dass er Uebung und Gewandtheit besass, die Grundgesetze der Wissenschaft zu lehren; und bewies mir, wie man von Freunden sogenannte Gunstbezeugungen aufnehmen müsse, ohne dadurch in Abhängigkeit von ihnen zu gerathen, aber auch ohne gefühllos darüber hinzugehen.

9. An Sextus könnt' ich lernen, was Herzensgüte sei. Sein Haus bot das Muster eines väterlichen Regimentes dar, und er gab mir den Begriff eines Lebens, das der Natur entspricht. Er besass eine ungekünstelte Würde und war stets bemüht, die Wünsche seiner Freunde zu errathen. Duldsam gegen Unwissende hatte er doch keinen Blick für die, die an blossen Vorurtheilen kleben. Sonst wusste er sich mit Allen gut zu stellen, so dass er denselben Menschen, die ihm wegen seines gütigen und milden Wesens nicht schmeicheln konnten, zu gleicher Zeit die grösste Ehrfurcht einflösste. Seine Anleitung, die zum Leben nothwendigen Grundsätze aufzufinden und näher zu gestalten, war eine durchaus verständliche. Niemals zeigte er eine Spur von Zorn oder einer andern Leidenschaft, sondern er war der leidenschaftsloseste und der liebendste Mensch zugleich. Er suchte Lob, aber ein geräuschloses; er war hochgelehrt, aber ohne jede Ostentation.

10. Von Alexander dem Grammatiker lernte ich, wie man sich jeglicher Scheltworte enthalten und es ohne Vorwurf hinnehmen kann, was Einem auf fehlerhafte, rohe oder plumpe Manier vorgebracht wird; ebenso aber auch, wie man sich geschickt nur über das, was zu sagen Noth thut, auszulassen habe, sei's in Form einer Antwort oder der Bestätigung oder der gemeinschaftlichen Ueberlegung über die Sache selbst, nicht über den Ausdruck, oder durch eine treffende anderweite Bemerkung.

11. Durch Phronto gewann ich die Ueberzeugung, dass der Despotismus Missgunst, Unredlichkeit und Heuchelei in hohem Maasse zu erzeugen pflege, und dass der sogenannte Adel im Allgemeinen ziemlich unedel sei.

12. Alexander der Platoniker brachte mir bei, wie ich nur selten und nie ohne Noth zu Jemand mündlich oder schriftlich äussern dürfe: ich hätte keine Zeit; und dass ich nicht so, unter dem Vorwande dringender Geschäfte, mich beständig weigern sollte, die Pflichten zu erfüllen, die uns die Beziehungen zu denen, mit denen wir leben, auferlegen.

13. Catulus rieth mir, dass ich's nicht unberücksichtigt lassen sollte, wenn sich ein Freund bei mir über Etwas beklagte, selbst wenn er keinen Grund dazu hätte, sondern dass ich's versuchen müsste, die Sache in's Reine zu bringen. Wie man von seinen Lehrern heftig eingenommen sein kann, sah ich an ihm; ebenso aber auch, wie lieb man seine Kinder haben müsse.

14. An Severus hatte ich häuslichen Sinn, Wahrheits-und Gerechtigkeitsliebe zu bewundern. Er machte mich mit Thraseas, Helvidius, Cato, Dio und Brutus bekannt und führte mich zu dem Begriff eines Staates, in welchem alle Bürger gleich sind vor dem Gesetz, und einer Regierung, die Nichts so hoch hält als die bürgerliche Freiheit. Ausserdem blieb er, um Anderes zu übergehen, in der Achtung vor der Philosophie sich immer gleich; war wohlthätig, ja in hohem Grade freigebig; hoffte immer das Beste und zweifelte nie an der Liebe seiner Freunde. Hatte er Etwas gegen Jemand, so hielt er damit nicht zurück, und seine Freunde hatten niemals nöthig, ihn erst auszuforschen, was er wollte oder nicht wollte, weil es offen am Tage lag.

15. Von Maximus konnte ich lernen, mich selbst beherrschen, nicht hin- und herschwanken, guten Muthes sein in misslichen Verhältnissen oder in Krankheiten, auch wie man in seinem Benehmen Weisheit mit Würde verbinden muss, und an ein Werk, das rasch auszuführen ist, doch nicht unbesonnen gehen darf. Von ihm waren Alle überzeugt, dass er gerade so dachte wie er sprach, und was er that, in guter Absicht that. Etwas zu bewundern oder sich verblüffen zu lassen, zu eilen oder zu zögern, rathlos zu sein und niedergeschlagen oder ausgelassen in Freude oder Zorn oder argwöhnisch – das Alles war seine Sache nicht. Aber wohlthätig zu sein und versöhnlich, hielt er für seine Pflicht. Er hasste jede Unwahrheit und machte so mehr den Eindruck eines geraden als eines feinen Mannes. Niemals hat sich Einer von ihm verachtet geglaubt; aber ebensowenig wagte es Jemand, sich für besser zu halten als er war. Auch wusste er auf anmuthige Weise zu scherzen.

16. Mein Vater hatte in seinem Wesen etwas Sanftes, aber zugleich auch eine unerschütterliche Festigkeit in dem, was er gründlich erwogen hatte. Er war ohne Ehrgeiz hinsichtlich dessen, was man gewöhnlich Ehre nennt. Er arbeitete gern und unermüdlich. Wer mit Dingen kam, die das gemeine Wohl zu fördern versprachen, den hörte er an und versäumte es nie, einem Jeden die Anerkennung zu zollen, die ihm gebührte. Wo vorwärts zu gehen und wo einzuhalten sei, wusste er. Er war herablassend gegen Jedermann; erliess den Freunden die Pflicht, immer mit ihm zu speisen oder, wenn er reiste, mit ihm zu gehen; und stets blieb er sich gleich auch gegen die, die er nothgedrungen zu Hause liess. Seine Erörterungen in den Rathsversammlungen waren stets von grosser Genauigkeit, und er hielt aus und begnügte sich nicht mit Ideen, die auf der flachen Hand liegen, blos um die Versammlung für geschlossen zu erklären. Er war sorgsam bemüht, sich seine Freunde zu erhalten, wurde ihrer niemals überdrüssig, verlangte aber auch nicht heftig nach ihnen. Er war sich selbst genug in allen Stücken und immer heiter. Er hatte einen scharfen Blick für das, was kommen würde, und traf für die kleinsten Dinge Vorbereitungen ohne Aufhebens zu machen, so wie er sich denn überhaupt jedes Beifall rufen und alle Schmeicheleien verbat. Was seiner Regierung nothwendig war, darüber wachte er stets, ging mit den öffentlichen Geldern haushälterisch um, und liess es sich ruhig gefallen, wenn man ihm darüber Vorwürfe machte. – Den Göttern gegenüber war er frei von Aberglauben, und was sein Verhältniss zu den Menschen betrifft, so fiel es ihm nicht ein um die Volksgunst zu buhlen, dem grossen Haufen sich gefällig zu erzeigen und sich bei ihm einzuschmeicheln, sondern er war in allen Stücken nüchtern, besonnen, taktvoll und ohne Sucht nach Neuerungen. Von den Dingen, die zur Annehmlichkeit des Lebens beitragen – und deren bot ihm das Glück eine Menge dar – machte er ohne zu prunken, aber auch ohne sich zu entschuldigen Gebrauch, so dass er, was da war, einfach nahm, was nicht da war, auch nicht entbehrte. Niemand konnte sagen, dass er ein Krittler, oder dass er ein gewöhnlicher Mensch oder ein Pedant sei, sondern man musste ihn einen reifen, vollendeten, über jede Schmeichelei erhabenen Mann nennen, der wohl im Stande sei, sich und Andern vorzustehen. Ausserdem: die ächten Philosophen schätzte er sehr, liess aber auch die Andern unangetastet, obschon er ihnen keinen Einfluss auf sich verstattete. In seinem Umgange ferner war er höchst liebenswürdig und witzig, ohne darin zu übertreiben. In der Sorge für seinen Leib wusste er das rechte Mass zu halten, nicht wie ein Lebenssüchtiger oder wie Einer, der sich schniegelt oder sich vernachlässigt; sondern er brachte es durch die eigene Aufmerksamkeit nur dahin, dass er den Arzt fast gar nicht brauchte und weder innere noch äussere Mittel nöthig hatte. – Vor Allem aber war ihm eigen, denen, die wirklich Etwas leisteten, sei's in der Beredtsamkeit oder in der Gesetzeskunde oder in der Sittenlehre oder in irgend einer anderen Disciplin, ohne Neid den Vorrang einzuräumen und sie wo er konnte zu unterstützen, damit ein Jeder in seinem Fache auch die nöthige Anerkennung fände. Wie seine Vorfahren regiert, so regierte er auch, ohne jedoch die Meinung hervorrufen zu wollen, als wache er über dem Althergebrachten. Er war nicht leicht zu bewegen oder von Etwas abzubringen, sondern wo er gerade war und wobei, da pflegte er auch gern zu bleiben. Nach den heftigsten Kopfschmerzen sah man ihn frisch und kräftig zu den gewohnten Geschäften eilen. Geheimnisse pflegte er nur äusserst wenige und nur in seltenen Fällen zu haben und nur um des gemeinen Wohles willen. Verständig und mässig im Anordnen von Schauspielen, von Bauten, von Spenden an das Volk und dergl. mehr, zeigte er sich als ein Mann, der nur auf seine Pflicht sieht, um den Ruhm aber sich nicht kümmert, den seine Handlungen ihm verschaffen können. – Er badete nur zur gewöhnlichen Stunde, liebte das Bauen nicht, legte auf das Essen keinen Werth, auch nicht auf Kleider und deren Stoffe und Farben, noch auf schöne Sklaven. Seine Kleider liess er sich meist aus Lorium, dem unteren Landgute, oder aus Lanubium kommen und bediente sich dazu des Generalpächters in Tusculum, der ihn um diesen Dienst gebeten hatte. – In seiner ganzen Art zu sein war nichts Unschickliches oder gar Schamloses oder auch nur Gewaltsames oder was man sagt: »bis zur Hitze«, sondern Alles war bei ihm wohl überdacht, ruhig, gelassen, wohl geordnet, fest und mit sich selbst im Einklang. Man könnte auf ihn anwenden, was man vom Sokrates gesagt hat, dass er sowohl sich solcher Dinge zu enthalten im Stande war, deren sich Viele aus Schwachheit nicht enthalten können, als auch dass er geniessen durfte, was Viele darum nicht dürfen, weil sie sich gehen lassen. Das Eine gründlich vertragen, und in dem Andern nüchtern sein, das aber ist die Sache eines Mannes von starkem, unbesieglichem Geiste, wie er ihn z.B. auch in der Krankheit des Maximus an den Tag gelegt hat. –

17. Den Göttern habe ich's zu danken, dass ich treffliche Vorfahren, treffliche Eltern, eine treffliche Schwester, treffliche Lehrer, treffliche Diener und fast lauter treffliche Verwandte und Freunde habe, und dass ich gegen keinen von ihnen fehlte, obgleich ich bei meiner Natur leicht hatte dahin kommen können. Es ist eine Wohlthat der Götter, dass die Umstände nicht so zusammentrafen, dass ich mir Schande auflud. Sie fügten es so, dass ich nicht länger von der Maitresse meines Grossvaters erzogen wurde; dass ich meine Jugendfrische mir erhielt und dass ich meinen fürstlichen Vater unterthan war, der mir allen Dünkel austreiben und mich überzeugen wollte, man könne bei Hofe leben ohne Leibwache, ohne kostbare Kleider, ohne Fackeln, ohne gewisse Bildsäulen und ähnlichen Pomp, und dass es sehr wohl anginge, sich soviel als möglich bürgerlich einzurichten, wenn man dabei nur nicht zu demüthig und zu sorglos würde in Erfüllung der Pflichten, die der Regent gegen das Ganze hat. – Die Götter haben mir einen Bruder gegeben, dessen sittlicher Wandel mich antrieb, auf mich selber Acht zu haben, und dessen Achtung und Liebe gegen mich mich glücklich machten. – Sie haben mir Kinder gegeben, die nicht ohne geistige Anlagen sind und von gesundem Körper. – Den Göttern verdanke ich's, dass ich nicht weiter kam in der Redekunst und in der Dichtkunst und in den übrigen Studien, welche mich völlig in Beschlag genommen haben würden, wenn ich gemerkt hätte, dass ich gute Fortschritte machte. Ebenso dass ich meine Erzieher frühzeitig schon so in Ehren hielt, wie sie's zu verlangen schienen, und ihnen nicht blos Hoffnung machte, ich würde das später thun, indem sie zu der Zeit ja noch so jung seien. Ferner, dass ich Appollonius, Rusticus und Maximus kennen lernte; dass ich das Bild eines naturgemässen Lebens so klar und so oft vor der Seele hatte, dass es nicht an den Göttern und an den Gaben, Hilfen und Winken, die ich von dorther empfing, liegen kann, wenn ich an einem solchen Leben gehindert worden bin; sondern wenn ich's bisher nicht geführt habe, muss es meine Schuld sein, indem ich die Erinnerungen der Götter, ich möchte sagen, ihre ausdrücklichen Belehrungen, nicht beherzigte. Den Göttern verdanke ich's, dass mein Körper ein solches Leben so lange ausgehalten hat; – dass ich weder die Benedicta noch den Theodot berührt habe, und dass ich später überhaupt von dieser Leidenschaft genas; dass ich in meinem heftigen Unwillen, den ich so oft gegen Rusticus empfand, Nichts weiter that, was ich hätte bereuen müssen; und dass meine Mutter, der ein früher Tod beschieden war, doch noch ihre letzten Jahre bei mir leben konnte. Auch fügten sie's, dass ich, so oft ich einen Armen oder sonst Bedürftigen unterstützen wollte, nie hören durfte, es fehle mir an den hierzu erforderlichen Mitteln, und dass ich selbst nie in die Nothwendigkeit versetzt wurde, bei einem Andern zu borgen; dann dass ich ein solches Weib besitze: so folgsam, zärtlich und in ihren Sitten so einfach, und dass ich – meinen Kindern tüchtige Erzieher geben konnte. Die Götter gaben mir durch Träume Hilfsmittel an die Hand gegen allerlei Krankheiten, so gegen Blutauswurf und Schwindel. Auch verhüteten sie, als ich das Studium der Philosophie anfing, dass ich einem Sophisten in die Hände fiel oder mit einem solchen Schriftsteller meine Zeit verdarb, oder mit der Lösung ihrer Syllogismen mich einliess, oder mit der Himmelskunde mich beschäftigte. Denn zu allen diesen Dingen bedarf es der helfenden Götter und des Glückes.

8. Man muss sich bei Zeiten sagen: ich werde einem vorwitzigen, einem undankbaren, einem schmähsüchtigen, einem verschlagenen oder neidischen oder unverträglichen Menschen begegnen. Denn solche Eigenschaften liegen Jedem nahe, der die wahren Güter und die wahren Uebel nicht kennt. Habe ich aber eingesehen, einmal, dass nur die Tugend ein Gut und nur das Laster ein Uebel, und dann, dass der, der Böses thut, mir verwandt ist, nicht sowohl nach Blut und Abstammung, als in der Gesinnung und in dem, was der Mensch von den Göttern hat, so kann ich weder von Jemand unter ihnen Schaden leiden – denn ich lasse mich nicht verführen – noch kann ich dem, der mir verwandt ist, zürnen oder mich feindlich von ihm abwenden, da wir ja dazu geboren sind, uns gegenseitig zu unterstützen, wie die Füsse, die Hände, die Augenlider, die Reihen der oberen und unteren Zähne einander dienen. Also ist es gegen die Natur, einander zuwider zu leben. Und das thun die doch, die auf einander zürnen oder sich von einander abwenden.

19. Was ich bin, ist ein Dreifaches: Fleisch und Seele und was das Ganze beherrscht. – Lege bei Seite, was Dich zerstreut, die Bücher und Alles, was hier zu Nichts führt; sondern einmal: des Fleischlichen achte gering wie ein Sterbender! Es ist Blut und Knochen und ein Geflecht aus Nerven, Adern und Gefässen gewebt. Dann betrachte Deine Seele, und was sie ist: ein Hauch; nicht immer dasselbe, sondern fortwährend ausgegeben und wieder eingesogen. Drittens also das, was die Herrschaft führt! Da sei doch kein Thor, Du bist nicht mehr jung: so lass auch nicht länger geschehen, dass es diene; dass es hingenommen werde von einem Zuge, der Dich dem Menschlichen entfremdet; dass es dem Verhängniss oder dem gegenwärtigen Augenblicke grolle oder ausweiche dem, was kommen soll!

20. Das Göttliche ist vorsehungsvoll, das Zufällige nach Art, Zusammenhang und Verflechtung nicht zu trennen von dem durch die Vorsehung Geordneten. Alles fliesst von hier aus. Daneben das Nothwendige und was dem ganzen Universum, dessen Theil Du bist, zuträglich ist. Jedem Theile der Natur- aber ist das gut, was seinen Halt an der Natur des Ganzen hat und wovon diese wiederum getragen wird. Die Welt aber wird getragen wie von den Verwandlungen der Grundstoffe so auch von denen der zusammengesetzten Dinge. – Das muss Dir genügen und fest stehen für immer. Nach der Weisheit, wie sie in Büchern zu finden ist, strebe nicht, sondern halte sie Dir fern, damit Du ohne Seufzer, mit wahrer Seelenruhe und den Göttern von Herzen dankbar sterben kannst. –

Zweites Buch

1. Erinnere Dich, seit wann Du das nun schon aufschiebst, und wie oft Dir die Götter Zeit und Stunde dazu gegeben haben, ohne dass Du sie nutztest. Endlich solltest Du doch einmal einsehen, was das für eine Welt ist, der Du angehörst, und wie der die Welt regiert, dessen Ausfluss Du bist; und dass Dir die Zeit zugemessen ist, die, wenn Du sie nicht brauchst Dich abzuklären, hin sein wird, wie Du selbst, und die nicht wiederkommt.