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Seit kurzer Zeit träumt Lilly Jacobsen von einem Prinzen, den sie als ihren Traumprinzen bezeichnet, weil er alle Eigenschaften besitzt, die Lilly an einem Mann liebt. Er ist ehrlich, charmant, hilfsbereit und vor allem sehr rücksichtsvoll. Lilly ist eine junge Frau mit Handicap, sie hat das Down-Syndrom in Mosaikform. Dank ihrer blühenden Fantasie wird ihr auch im Erwachsenenalter nicht langweilig. Sie staunt, als sie Torin, die Welt der tausend Träume plötzlich besuchen kann, obwohl sie diese selbst erfunden hat! Neben ihrem Alltag muss Lilly fortan Abenteuer in Torin, der Welt der tausend Träume meistern. Dabei ist sie nicht auf sich allein gestellt, denn ein Waldkobold, eine Feenprinzessin und ein Wichtel begleiten sie auf ihrer neuen Mission Prinz Liam vor einem bösen Magier zu retten!
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Seitenzahl: 351
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Wie schön wäre es, dem ganz normalen Alltag zu entfliehen und in eine andere Welt zu reisen? Diesen Gedanken stellt sich die erwachsene Lilly Jacobsen. Dann erhält sie einen Hilferuf von Liam, der sich als Prinz von Torin, der Welt der tausend Träume, entpuppt. Mit ihren alten Bekannten und dem geheimnisvollen Liam, zu dem sie eine besondere Verbindung aufbaut, meistert sie fortan Abenteuer in der Menschen-, als auch in der Traumwelt. Denn für Liam ist sie eine Auserwählte, von der das Schicksal beider Welten abhängt!
Die Autorin wurde 1988 geboren. Mit ihren Eltern lebt sie heute in Erlangen. „Lust zu schreiben“ hatte sie schon in ihrer Kindheit mit ihrer eigenen Interpretation von der „Schatzinsel“. Es folgten weitere Abenteuergeschichten, die zunächst einem kleineren Leserkreis vorgestellt wurden. Nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung arbeitet sie in der Verwaltung. Um ihren persönlichen Schreibstil zu verbessern, besucht sie einen Schreibkurs der Volkshochschule. Neben ihrer Tätigkeit im Verwaltungsdienst schreibt sie an ihren Buchprojekten. Was sie auszeichnet ist ihr positives Denken, ihr Faible für fantasievolle Geschichten sowie die Tatsache, dass sie in jedem Menschen das Gute sieht. Ihre Hobbys sind Spaziergänge in der Natur, Schwimmen sowie kreatives Arbeiten wie Nähen oder Basteln.
Liebe Leser,
es gibt tatsächlich einen Grund, warum ich manche Dinge etwas anders mache als andere Leute. Ich habe eine angeborene Besonderheit, das Down Syndrom (Trisomie 21) in Mosaikform. Als Grundschülerin hat man mich wegen dieser Besonderheit oft geärgert. Ich war oft alleine und hatte keine Freunde. Ich lebte schon seit früher Kindheit in meiner eigenen Welt. Ich hatte schon zu dieser Zeit eine blühende Fantasie und eine Vorliebe für magische Wesen wie Geister. Mich faszinierten Fantasie- und Abenteuergeschichten. In meiner Jugend habe ich alle sieben Bände einer bekannten Fantasyreihe gelesen, wo es um einen Zauberschüler geht, der allerlei zauberhafte Abenteuer erlebt.
Fernsehfilme haben schon in der Kind- und Jugendzeit meine Fantasie beflügelt, sodass ich die meisten Serien in meinem Kinderzimmer nachgespielt habe... zusammen mit meinen Kuscheltier-Helden. Von 1990 bis 2001 hat mich eine neue Krimiserie inspiriert. Nach dem Vorbild einer Fernsehautorin, die als Detektivin Fälle löst, wollte ich fortan beides werden: Detektivin und Schriftstellerin. So habe ich angefangen, neben der Schule eigene Detektivgeschichten zu schreiben.
Meine Vorliebe für Krimis, Literatur, Natur und natürlich meine Fantasie sind mir bis heute geblieben. Ich wohne bei meinen Eltern, zu denen ich ein gutes Verhältnis habe. Sie lieben mich so wie ich bin.
Für mich ist jeder Tag ein Abenteuer, weil es in der Tat eine Herausforderung ist, jeden Tag mit einer Besonderheit zu leben. Meine Arbeit im Büro erledige ich gründlich und gewissenhaft. Meine Kollegen akzeptieren mich so wie ich bin. Natürlich bin auch ich nicht perfekt. Ich bemerke, dass ich an meinen Klamotten herumzupfe, wenn ich nervös bin. In der Öffentlichkeit muss ich mich beherrschen, nicht mit meinen Fantasiefreunden zu sprechen (für andere Leute sind das Selbstgespräche, weil sie meine Welt nicht kennen) und bin manchmal nicht ganz bei der Sache. Dafür bin ich hilfsbereit, ehrgeizig, kommunikativ und stets bereit Neues zu lernen. Zudem kann ich schnell am PC tippen. Früher war ich ziemlich stur, mittlerweile bin ich sehr flexibel geworden. Ich höre gerne Musik und treibe viel Sport. Zudem habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages eine bekannte Schriftstellerin zu werden. Ich hoffe euch gefällt das Buch Mein Leben ist ein Abenteuer.
Eure Conny Albert
Der Traumprinz
Liam-Aurelian
Geisterfreunde
Cooper, Sam, Erwin, Lars, Caspar, Thomas,
Ronald
Grauländische Freunde
Norris, Carola, Heiko, Rebecca, Johanna,
Martin, Robert, Oliver, Lisa
Dämonen
Lomarin, Aodhan, Bheodar
Die Bösen
Yorick Enduran (dunkler Magier)
Malik-Neelian (Zwillingsbruder von Liam)
Andere Personen aus Torin
Leyla, Greeny, Esperald, Friedberg
(Gefährten von Lilly)
Janina & Josh
(Zwillinge, Puppenkinder von Lilly)
Sonstige reale Personen
Laurenz Jacobsen (Bruder von Lilly)
Nina Herbst (Freundin von Laurenz)
Norbert Buchholz (Onkel von Lilly)
Herr Richard (Chef von Lilly)
Erika Michels (Kollegin von Lilly)
Caroline Weingart (Kollegin von Lilly)
Jana Brecht (Kollegin von Lilly)
Liliane Peters (Kollegin von Lilly)
Dorothea Tann (Chatfreundin von Lilly)
Samantha Schmitt (Lauffreundin von Lilly)
Verena Bückner (Bekannte von Lilly)
Bastian Klopfer (Bekannter von Lilly)
Lanette Ahorn (Sozialpädagogin)
Celina Eichstätt (Sozialpädagogin)
Episode 1
Der Traumprinz
Episode 2
Wer schreibt denn da?
Episode 3
Feuer im Koboldwald
Episode 4
Meditation für das Medium
Episode 5
Wanderfrösche und Waldwichtel
Episode 6
Ein Ostergeschenk zum Verlieben
Episode 7
Im Wald der Täuschung
Episode 8
Fantastische Abenteuer
Episode 9
Die Ruhe vor dem Sturm
Episode 10
Wenn Zwillinge streiten
Episode 11
Gefährliches Wissen
Episode 12
Lilly hat Geburtstag
Episode 13
Lieblingsmenschen
Episode 14
Pizza und Pyzarr
Episode 15
Zwergenstreit am Muttertag
Episode 16
Ein geheimnisvolles Labyrinth
Episode 17
Gut versteckt, doch entdeckt
Episode 18
Das Schwert der Schatten
Episode 19
Maisonne und Kellerkirchweih
Episode 20
In der Unterwelt
Episode 21
Das letzte Gefecht
Episode 22
Wer wird der nächste König?
Episode 23
Im Zeichen der Liebe
Episode 24
Special: Lebensretter für Kyria
Genervt schaltete ich meinen Wecker aus, der mich brutal aus meinen Träumen riss. Das Aufstehen fiel mir an diesem Morgen besonders schwer. Dabei hatte ich am Tag zuvor keinen Hochleistungssport betrieben. Ich war wieder ihm begegnet, meinem Traumprinzen. Ich träumte schon seit einigen Wochen von ihm. Mit ihm zusammen zu sein war ein Paradies auf Erden. Denn er respektierte meine Wünsche, hielt sich entweder auf Abstand oder ganz nah bei mir auf und flüsterte mir einige Worte ins Ohr, die er ernst meinte. Erst kürzlich hatte ich in meinem Schreibkurs an der Volkshochschule ein Gedicht über ihn geschrieben. Es lautete:
Ein Mann
in der Traumwelt
wohnt.
Charmant,
rücksichtsvoll,
von athletischer Figur.
Nicht zu groß,
nicht zu klein,
in der Mitte eben.
Lächelt zu mir
durch den Zauberspiegel
ich lächle zurück.
Es ist wunderschön,
dass dieser Mann
in meinen Träumen wohnt!
Und das war er wirklich, dieser Mann. Mein absoluter Traumprinz. Ich war mir sicher, dass meine Träume etwas bedeuteten. Und dass ich aus diesen Träumen Lektionen fürs Leben lernen konnte. Deswegen träumte ich so gerne.
Allerdings blieb mir nicht viel Zeit für meine Träumereien. Mein Vater rief, ich solle mich beeilen, um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Leider behielt er damit Recht. Es war mein letzter Arbeitstag vor den Osterferien. Außerdem hatte ich an diesem Freitag vor der Arbeit noch einen Französischkurs, den ich nicht versäumen wollte. So packte ich in Windeseile meine Tasche mit allem, was ich für diesen Tag benötigte.
Trotz meiner 34 Jahre wohnte ich noch immer im Haus meiner Eltern, war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. In meiner Jugend hatte ich eine stetig wachsende Fantasie und stets Ideen für neue Abenteuer.
Während ich beim Frühstücken noch eine Weile in Erinnerungen schwelgte, unterhielt ich mich mit meinen Eltern. Ein Blick auf die Küchenuhr verriet mir, dass ich noch fünfzehn Minuten Zeit hatte, bevor der Bus kam. Ich seufzte leise vor mich hin. Eigentlich hasste ich Hektik am Morgen. So eilte ich nur widerwillig nach meinem Morgenmüsli die Treppe zum ersten Stock empor. Dann ging ich zum Zähneputzen ins Badezimmer und kultivierte mich entsprechend. Insgeheim wünschte ich mir eine andere, ruhigere Welt. Eine wie die in meinen Träumen. Aber für solche Fantastereien hatte ich keine Zeit. „Also gut, erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, flüsterte ich vor mich hin. Seufzte noch einmal, stieg dann die Treppenstufen hinab und überprüfte meine Tasche, ob ich auch wirklich alles gepackt hatte.
„Hier Große, dein Tee. Den hättest du beinahe vergessen.“ In diesem Augenblick war ich sehr dankbar dafür, dass ich eine sehr hilfsbereite Mutter hatte. Ich drückte zuerst meine Mutter, murmelte ein Dankeschön, umarmte dann meinen Vater und eilte dann in Richtung Bushaltestelle. Denn ich wollte den Bus nicht versäumen.
Da es an diesem Morgen regnete, brauchte ich zusätzlich einen Regenschirm, den ich glücklicherweise nicht vergessen hatte. Diesen spannte ich nun auf, um nicht nass zu werden.
Ich konnte mir ein herzhaftes Gähnen nicht unterdrücken. Wie gut, dass ich alleine an der Bushaltestelle stand. So bemerkte dies keiner.
Der Bus brachte mich in die Innenstadt von Erlenfels. Das Pendeln war ich mittlerweile gewohnt. Normalerweise fuhr ich viel mit dem Fahrrad, da ich sehr sportlich war. Aber bei so einem Mistwetter wie an diesem Freitag war mir das Busfahren doch lieber. Ich dachte immer noch an meinen Traumprinzen, der mir einfach nicht aus dem Kopf ging, und seufzte ein weiteres Mal. „Ach lieber Gott, wäre die Welt nur so friedlich wie meine Träume.“
Ich warf einen vorsichtigen Blick auf die Bahnhofsuhr, als der Bus dort vorbeifuhr. Es war bereits 08:15 Uhr. Um 08:30 Uhr begann mein Französischkurs, also musste ich mich nun sputen. Wie gut, dass ich nur noch eine Haltestelle vor mir hatte, den Mettenbürgerplatz. Dort stieg ich aus, öffnete meinen Regenschirm und eilte weiter in die Theodor-Rückert-Straße, wo sich die hiesige Volkshochschule befand.
Wie gut, dass ich noch rechtzeitig in meinen Französischkurs kam. Ich war sogar die Erste im Kursraum. Ich entdeckte, dass noch alle Stühle auf den Tischen standen. So hob ich die Stühle herunter und wies jedem Tisch einen Stuhl zu.
Als die anderen Kursteilnehmer eintrafen, begrüßten wir uns mit einem „Bonjour.“ Die Kursleiterin fragte uns wie gewohnt: „Comment allez-vous?“ Ich antwortete mit einem „Bassd scho“, woraufhin die anderen lachen mussten. Nachdem jeder eine Antwort gegeben hatte, konnte der Kurs beginnen.
Allerdings konnte ich mich nicht so recht auf den Französischunterricht konzentrieren, da ich immer noch an meinen Traumprinzen dachte. Er geisterte wie ein unsichtbarer Begleiter durch meinen Kopf. Wir lernten an diesem Freitag das „Imparfait“, eine Form, die im Französischen benutzt wurde, um Situationen und Gewohnheiten in der Vergangenheit zu beschreiben.
Ich schrieb zwar brav alles mit, was unsere Dozentin an die Tafel kritzelte. Allerdings ertappte ich mich dabei, wie ich Herzchen auf meinen Notizblock malte. Ich war hoffnungslos verliebt in einen Mann, den es nur in meinen Träumen gab!
Nach dem Unterricht fiel mir noch etwas Wichtiges ein. Ich kramte in meiner Tasche, fand, wonach ich suchte und überreichte einem der Kursteilnehmer die autobiografische Erzählung „Mein Leben ist anders“, die ich ihm versprochen hatte. Ich war Hobby-Autorin und schrieb in meiner Freizeit an verschiedenen Buchprojekten, was ich in unserer letzten Stunde bereits erzählt hatte.
Die Dozentin verabschiedete uns mit einem „Joyeuses Pâques“, was auf Deutsch „Frohe Ostern“ bedeutete. Ich antwortete darauf mit „Merci beaucoup.“ Dann musste ich auch schon weiter eilen, denn um 10:30 Uhr wollte ich in der Arbeit sein. Ich hatte gerade noch Zeit für eine dringende Erleichterung. Dann musste ich auch schon weiter.
Bevor ich jedoch die Volkshochschule verließ, hörte ich eine Stimme flüstern: „Komm zu mir! Ich warte dort, wo du mich immer findest!“ Ich glaubte, erst zu träumen. Wie gut, dass außer mir sonst niemand mehr vor Ort war. Ich kniff mir einmal kurz in die rechte Wange. Doch die Stimme sprach erneut: „Es ist lieb von dir, dass du so nette Worte über mich erzählst. Ja, du hörst richtig. Mich gibt es wirklich. Ich warte auf dich, in der Welt der tausend Träume.“
Darüber staunte ich sehr. Wie gerne wäre ich sofort zurück nach Hause gerannt. Aber ich wollte keinen Ärger mit meinem Chef und den Kollegen. So eilte ich zur nächsten Bushaltestelle und stieg in den Linienbus, der mich zur VÜBE fuhr. Während des Laufens musste ich den Schirm aufspannen, da es einfach nicht aufhören wollte zu regnen.
An meiner Arbeitsstelle angekommen seufzte ich nochmal leise. „Jetzt verfolgt mich mein Traumprinz schon tagsüber. Das wird ja immer verrückter.“
Ich erledigte meine Arbeit wie immer gründlich und gewissenhaft. In der letzten Zeit hatte sich am Verkehrsüberwachungsbüro einiges geändert. Ältere Kollegen hatten sich in den Ruhestand verabschiedet und neue Kolleginnen kamen zur Verstärkung in unser Team. Mit einer Frau, die ich auf etwa Mitte dreißig schätzte, freundete ich mich an. Ich durfte sie mit Vornamen ansprechen. In meiner Mittagspause bot ich Rika darum ein Stück Apfel an, das sie gerne annahm. Wir unterhielten uns kurz, dann setzte jede von uns ihre Arbeit fort.
Während meiner Arbeit ploppte plötzlich wie durch Zauberhand ein neues Textverarbeitungsdokument auf. Und jemand schrieb mir auf diese Weise: „Du bist sehr fleißig in deinem Job! Mach weiter so, das gefällt mir!“ Ich erschrak darüber so sehr, dass ich beinahe meinen Tee verschüttete. Konnte die Tasse gerade noch rechtzeitig auffangen, somit blieben Tastatur und Bildschirm gerade noch mal verschont.
„Du bist ein Schreibmedium. Keine Sorge, ich verfolge dich nicht, weil es mir Spaß macht. Ich habe den Auftrag von König Mars-Elias, dich zu überwachen. Du bist nämlich eine Auserwählte, die die Welt der tausend Träume vor einem dunklen Magier befreien soll. So steht es in einer alten Legende geschrieben und so wird es sein.“
Über die geschriebenen Worte, die ich eindeutig meinem Traumprinzen zuordnen konnte, staunte ich noch mehr. So tippte ich in das Textverarbeitungsdokument einige Fragen ein. Diese lauteten: „Wieso ausgerechnet ich? Was ist an mir so Besonderes?“
„Warum ausgerechnet du auserwählt wurdest, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass eine junge Frau mit reinem Herzen unsere Welt vor dem Untergang retten wird“, kam es sogleich zur Antwort.
„Außerdem bist du unsere einzige Hoffnung. Bitte nimm diese Aufgabe an. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Viele normal Sterblichen glauben nicht an Traumgestalten. Du schon, oder?“
Dann fiel mir etwas ein. „Naja, ich bin mit einer Besonderheit geboren. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich mir Dinge vorstellen kann, die sonst keiner sieht. Ich glaube nämlich wirklich an Geister“, tippte ich darum ins Dokument.
„Mach erst mal deine reguläre Arbeit. Die Rettung unserer Welt ist nur zweitrangig. Außerdem ist es sehr schwierig, in unsere Welt zu gelangen. Sie liegt gut versteckt vor neugierigen Menschenaugen verborgen. Nur ein besonderer Mensch mit reinem Herzen kann nach Torin reisen“, erschien daraufhin als Text im Dokument.
Wie gut, dass ich ein Büro für mich alleine hatte. So bemerkte keiner außer mir, dass ein Unbekannter auf diese Weise mit mir chattete.
So schloss ich das neue Textverarbeitungsdokument und widmete mich wieder meiner regulären Arbeit. Aktuell durfte ich Dokumente zum Scannen vorbereiten. Personenbezogene Daten konnte ich selbstverständlich für mich behalten. Denn ich wusste, was Datenschutz bedeutete. Dennoch rasten meine Gedanken bei der Vorstellung, ich könnte eine Auserwählte sein, die eine unbekannte Welt retten sollte.
Dann fiel mein Blick auf mein Notizbuch. Als ich darin blätterte, fand ich eine Notiz zu Torin - die Welt der tausend Träume. Im nächsten Moment musste ich stöhnen. „Na klar. Ich hab doch erst neulich angefangen, ein Buch über die Welt zu schreiben, die ich in meiner Jugend erfunden habe. Wie konnte ich das nur vergessen? Dann gibt es Torin - die Welt der tausend Träume also wirklich. Wahnsinn!“, entfuhr es mir. Es war, als würde ein Traum wahr werden!
Ich machte mir kurz einige Notizen, verstaute mein Notizbuch in meiner Tasche und erledigte die letzten vier Vorgänge. Ein Blick auf die Uhr meines Computers verriet mir, dass es bereits 14:25 Uhr war. In fünfzehn Minuten würde mein Bus kommen. So packte ich alles zusammen, goss meine Blumen, fuhr den PC herunter und eilte mit flotten Schritten aus dem Büro.
Da bereits viele Kollegen in ihren Feierabend gegangen waren, verabschiedete ich mich von meinem Chef, der noch in seinem Büro saß, bevor ich das VÜBE mit schnellen Schritten verließ.
Eigentlich hatte ich für diesen Nachmittag geplant am Schal für meine Puppe weiterzuhäkeln, aber da mich die Geschichte mit dem Traumprinzen und der Auserwählten nicht losließ, fuhr ich zuerst mit dem Bus in die Innenstadt von Erlenfels, denn ich wollte in der hiesigen Stadtbücherei ein wenig schmökern.
Nach langem Suchen fand ich ein für mich passendes Buch. Es beschrieb verschiedene Traumwelten. Ich packte mein Notizbuch aus und schrieb eine für mich interessante Passage ab. Ich war so sehr in mein Selbststudium vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie ein zweiter Stift aus meiner Tasche emporstieg. Erst als er mit einem leisen Klacken auf dem hölzernen Schreibtisch landete, zuckte ich zusammen. Der Stift rollte wie durch Zauberhand zu meinem Notizbuch. Ich hob ihn vorsichtig an, dann kritzelte er ohne mein Zutun „Freut mich, dass du dich für Traumwelten interessierst“ in mein Buch.
„Bist du ein magisches Wesen?“, schrieb ich darunter.
„So etwas Ähnliches. Ich bin ein Vermittler zwischen den Welten.“
„Wie bist du auf mich aufmerksam geworden?“
„Durch eine Eigenschaft, die uns beide verbindet. Sie nennt sich Nächstenliebe. Es gibt eine Liebessicht. Mit dieser kann man liebe Menschen aufspüren.“
„Dürfen überhaupt Sterbliche aus unserer Welt in eure Welt reisen?“, brannte mir als nächste Frage auf der Zunge. So kritzelte ich sie in mein Notizbuch.
„Normalerweise nicht. Aber bei dir macht selbst unser König eine Ausnahme.“
Dann deutete ich auf das Büchereibuch über Traumwelten. „Steht eure Welt da auch drin?“, hakte ich neugierig nach.
„Zum Glück nicht. Torin ist sehr versteckt, damit es keiner entdeckt“, schrieb der Traumprinz per Stift in mein Notizbuch.
Im Buch über Traumwelten fand ich noch eine Anleitung zur Hypnose. Ich probierte sie an mir selbst aus. Beim ersten Mal passierte nichts, auch ein zweiter Versuch blieb erfolglos. Erst beim dritten Anlauf überkam mich eine plötzliche Müdigkeit. Ich gähnte herzhaft, klappte das Büchereibuch zu und konnte noch mein Notizbuch mitsamt der Leihgabe über Traumwelten in meine Tasche stecken. Dann gewann die Müdigkeit die Oberhand. Und ich sank in einen wohligen, warmen Schlaf...
Als ich meine Augen öffnete, fand ich mich in einer mir unbekannten Gegend wieder. Rings um mich herum standen viele Bäume. Demzufolge war ich wohl in einem Wald gelandet. Erst nach einigen Sekunden kamen die Erinnerungen an meine Bibliotheksrecherche zurück. Bis hin zu den Kommunikationsmöglichkeiten mit meinem Traumprinzen. Ich bemerkte, dass sich meine Klamotten leicht verändert hatten. Ich trug nun Sandalen statt Sportschuhen, zudem war ich mit einer braunen Leinenhose und einem grünen Leinenhemd statt mit Pullover und Jeans bekleidet. Darüber staunte ich sehr.
Die fremde Stimme sprach nun in meinem Kopf: „Herzlich Willkommen in der Welt der tausend Träume. Du wirst viele Abenteuer erleben und auf deiner Reise nicht alleine sein. Kennst du noch Cooper, den Geist der Stille? Er wird dich durch Torin begleiten. Ich selbst kann nur durch die Liebessicht mit dir in Verbindung treten. Wenn du es genau wissen willst, ich bin ein echter Prinz und in der Festung des Magiers Yorick Enduran gefangen. Wenn du mich befreist, werde ich dir einen Wunsch erfüllen.“
Über die Worte des Prinzen staunte ich. Ich schloss die Augen, um mich besser konzentrieren zu können, dann sendete ich eine Botschaft mit der Kraft meiner Gedanken. „Ich werde dich befreien, mein Prinz. Darf ich fragen, wie du heißt? Damit ich weiß, nach wem ich suchen soll.“
„Ich habe viele Namen“, erwiderte dieser knapp.
„Nun mach es nicht so spannend. Muss ich Eure Hoheit sagen? Seid ihr ein richtiger Prinz? Also mit Schloss, Dienern und Gefolgsleuten? Nun sagt schon!“, bettelte ich.
„Wenn du dein erstes Abenteuer erfolgreich bestehst, sage ich ihn dir“, lockte er mich.
„Ach bitte, sag ihn mir doch gleich. Was ist denn an deinem Namenso besonderes?“
„Er bedeutet tapferer Krieger und Beschützer. Meine Mutter hat mir einen sehr außergewöhnlichen Namen gegeben. Und ja, ich bin ein richtiger Prinz. Na gut, weil du es bist. Mein Name ist....“
Noch bevor mein Traumprinz seinen Namen aussprechen konnte, ertönten Schreie in unmittelbarer Nähe. Ich vernahm mehrere Stimmen. Eine davon rief: „Hilfe, es brennt!“
Wenig später konnte ich in der Ferne eine dicke Rauchsäule ausmachen. Ich war zuvor so sehr mit dem geheimnisvollen Prinzen beschäftigt gewesen, dass mir dies nicht aufgefallen war.
„Da braucht jemand Hilfe“, flüsterte ich nun dem Vermittler der Welten zu.
„Das ist deine Chance, dich zu beweisen, Lilly. Wenn du Erfolg hast, reden wir weiter. Versprochen.“
„Na gut, so machen wir es. Deine Welt, deine Regeln.“
So versuchte ich mir einen Überblick über die Situation zu verschaffen. „Was genau ist passiert?“, rief ich darum in die Richtung, aus der die fremde Stimme gekommen war.
„Sie sind wohl nicht von dieser Welt, junge Dame. Feuerfeen haben unseren Wald angezündet. Der nördliche Teil des Koboldwalds wird von uns Waldkobolden bewohnt. Das wissen die Feuerfeen genau. Sie lieben es, uns Streiche zu spielen. Aber dieses Mal sind sie eindeutig zu weit gegangen!“, erwiderte der Sprechende lautstark.
„Feuerfeen? Waldkobolde? Die gibt es wirklich?“, entfuhr es mir.
„Natürlich. Oder denken Sie, Fräulein, dass wir nicht genauso real sind wie Sie?“
„Mein Name ist Lilly Jacobsen und ich kann Ungerechtigkeiten nicht leiden. Keine Sorge, Herr Kobold. Ich werde das Feuer in Ihrem Wald löschen und den Verursacher zur Rechenschaft ziehen. Das verspreche ich Ihnen!“
Erst jetzt konnte ich erkennen, dass der rechte Fuß des Kobolds unter einer umgefallenen Buche eingeklemmt war. Seinen Gehstock, ein einfacher Holzstock, fand ich auf Anhieb. Ich hob den Buchenstamm ein kleines Stück hoch (mehr schaffte ich nicht, weil er zu schwer war), um den Kobold aus seiner misslichen Lage zu befreien. Dieser bedankte sich sofort für die Rettung. „Menschen werden normalerweise in unserem Teil des Waldes nicht gern gesehen. Aber für Sie, junge Dame, mache ich eine Ausnahme, weil Sie mich gerettet haben“, sprach er weiter. Er stellte sich mir als Rugdar Sugari vor, was in seiner Sprache so viel wie Behüter des Waldes bedeutete. Mehr Zeit zum Plaudern blieb uns nicht, denn ein weiterer Kobold brüllte: „Das Feuer breitet sich immer schneller aus! Wenn niemand etwas unternimmt, bleibt von unserer Heimat nicht mehr viel übrig!“
Ich musste handeln, und zwar schnell. So fragte ich Rugdar, der offenbar der Älteste unter den Kobolden war, ob es einen Fluss in der Nähe gab. Rugdar verwies mich auf den Silberfluss, der durch den Koboldwald floss. Er deutete nach Nordosten, so rannte ich kurzerhand drauf los. Am Fluss angekommen versuchte ich Wasser zu schöpfen, doch mir fehlte ein dazu passendes Gefäß.
„Ich glaube, ich weiß, was du vorhast, Lilly. Du willst helfen, das Feuer zu löschen, stimmt’s? Du wirst endlich die dir zugeteilte Aufgabe der Auserwählten erfüllen. Darum verrate ich dir ein Geheimnis. Rufe mit folgenden Worten den Geist der Stille: „Morca Miphestus Magante Cooper. Glaub mir, es wird funktionieren.“ Ich wiederholte die Worte meines Traumprinzen, der mir per Gedankenkraft Mut für meine erste Aufgabe zusprach. Und fügte hinzu: „Ich rufe den Geist der Stille.“
Zuerst tat sich nichts. So suchte ich fieberhaft nach einem Objekt zum Wasserschöpfen. Die Rauchsäule wurde immer größer und die Kobolde riefen verzweifelt um Hilfe. Erst im buchstäblich letzten Moment wurde das Wasser des Flusses wie durch Zauberhand in die Luft gehoben und schwappte in Form einer Riesenwelle über die brennenden Bäume. Glücklicherweise blieben die Waldkobolde vom Feuer unverletzt. Das Wasser hatte eine belebende Wirkung, was ich wenig später bemerkte. Alle abgebrannten Äste und Blätter erneuerten sich. Die zerstörten Wohnungen der Kobolde bauten sich von selbst wieder auf. Und die umgestürzten Bäume standen plötzlich kerzengerade im Koboldwald, als wäre nichts gewesen. Darüber staunte ich sehr.
„Das ist die Kraft des Zauberwassers aus dem Silberfluss“, sprach eine Stimme, die mir vertraut vorkam. „Du hast mich gerufen, Sterbliche und hier bin ich. Wie immer!“ Ich konnte sie Cooper, dem Geist der Stille zuordnen. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen und uns darum viel zu erzählen.
Doch die Zeit dafür hatten wir nicht. In knappen Sätzen berichtete ich von dem Feuer im Wald und erwähnte nebenbei, dass ich meinem Traumprinzen begegnet war. Zwar nicht persönlich, aber ich durfte mit ihm einige Gedankengänge teilen. Darüber staunte Cooper sehr.
Die Waldkobolde bedankten sich bei mir für die Hilfe, da sie den Geist nicht sehen konnten. Ich erwiderte mit einem Lächeln: „Das habt ihr Cooper, dem Geist der Stille zu verdanken.“
Rugdar bedankte sich trotzdem noch einmal bei mir. „Ohne dein beherztes Eingreifen hätte ich mich nicht hier im Wald materialisieren können“, bemerkte daraufhin Cooper. Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach was, nicht der Rede wert.“
Der Prinz hielt sein Wort. Mit der Kraft seiner Gedanken teilte er mir seinen Namen mit. Er hieß Liam-Aurelian. Ein schöner Name. Ich durfte ihn Liam nennen.
Dann verblassten jedoch der Wald und die mit ihm verbundenen Wesen. Denn irgendetwas rüttelte mich. Erst leicht und dann immer heftiger. Ich hörte, wie eine Stimme meinen Namen rief. Das Letzte, was ich aus weiter Ferne vernahm: „Ich weiß, du wirst zurückkehren, Lilly Lebensretterin Jacobsen und deine Mission erfüllen!“
Als ich meine Augen kurz schloss und dann wieder öffnete, fand ich mich auf einem Stuhl in sitzender Position wieder. Vier Augen sahen mich besorgt an. „Soll ich nicht doch einen Arzt rufen?“, hörte ich eine fremde Stimme sagen. Ich konnte sie einer Frau mittleren Alters zuordnen.
„Sie kommt zu sich“, betonte eine zweite Stimme. Sie gehörte zu Samantha Schmitt, einer Bekannten aus meiner Dienstags-Walkinggruppe. „Wo bin ich? Was ist passiert?“, hakte ich vorsichtig nach.
„Sie sind in der Stadtbücherei, Abteilung Psychologie eingenickt“, informierte mich die fremde Frau. Anhand ihres Namensschildes konnte ich sie als Christel Emmerlein, eine Angestellte der Bücherei, identifizieren. Erst jetzt kamen die Erinnerungen wieder zurück. „Ich habe mich zum Thema Traumwelten informiert“, fiel mir spontan ein.
„Dabei habe ich sehr interessante Dinge herausgefunden. Darf ich mir dieses Buch hier ausleihen?“ Ich kramte in meiner Tasche, fand, wonach ich suchte und deutete auf das Büchereibuch, das ich hochhob.
„Aber selbstverständlich. Wir sind eine offizielle Leihbücherei. Darum ist das kein Problem. Allerdings müssen Sie unten an unserem Schalter das Buch ausleihen“, wandte Frau Emmerlein ein.
„Na klar, das mach ich gern. Wie spät ist es?“ Diese Frage beantwortete Samantha für mich: „14:15 Uhr. Um 15:00 Uhr geht mein Strickkurs los. Den will ich nicht verpassen.“
Ich grübelte kurz vor mich hin. Dann flüsterte ich an meine Bekannte gewandt: „Wenn es dir nichts ausmacht, komme ich mit ins IMH. Ich wollte sowieso am Schal für meine Puppe Janina weiterhäkeln. Und Sie, Frau Emmerlein, müssen sich wirklich keine Sorgen machen. Mir geht es gut. Ich war vorhin nur plötzlich so müde.“
Von dem angewandten Hypnosetrick und meiner Reise in die Welt Torin, mit der Aufgabe den Prinzen vor einem bösen Magier zu retten, erwähnte ich lieber nichts. Nicht, dass mich meine Bekannte und die Bibliotheksangestellte noch für verrückt erklärten. So beließ ich es bei dieser Aussage.
Meinen Eltern sagte ich per SMS Bescheid, dass ich später nach Hause kommen würde. Mein Vater hatte nichts dagegen. Ich erwähnte, dass ich eine Bekannte getroffen hatte und sie ins Institut für Menschen mit Handicap, kurz IMH, begleiten würde.
Immerhin war Samantha es gewesen, die mich erst vor zwei Wochen auf diese soziale Einrichtung aufmerksam gemacht hatte. Ich war bereits einmal mit meiner Mutter dort gewesen, um beim süßen Mittwoch das Tagesangebot (Kaffee und Kuchen für 3,60 Euro) auszuprobieren. Somit war die Sache schnell abgemacht. Ich würde mit Samantha zum IMH gehen!
Wir verabschiedeten uns von Christel Emmerlein. Ich lieh mir noch ordnungsgemäß das Büchereibuch über Traumwelten aus, dann stopfte ich es mir in die Tasche und marschierte in Richtung Hauptbahnhof. Dort wollte ich in den nächsten Bus steigen. Doch Samantha hatte andere Pläne. „Wenn du magst, fahre ich dich mit meinem Auto zum IMH“, schlug sie vor. Dieses verlockende Angebot nahm ich gerne an. Immerhin kam es nicht oft vor, dass mich jemand durch die Gegend kutschierte. So sagte ich ihr zu: „Von mir aus gerne!“
Wir schafften es, innerhalb von 20 Minuten vor Ort zu sein und in der Nähe vom IMH zu parken. Wie gut, dass es im Innenhof Parkplätze für Gäste der Einrichtung gab. So musste Samantha nicht lange nach einem Parkplatz suchen.
Samantha und ich hatten noch Zeit, gemeinsam einen Kaffee zu trinken. Dieses Mal revanchierte ich mich für das Herumkutschieren per Auto und lud sie auf Kaffee und Kuchen ein. Dazu sagte meine Bekannte nicht Nein.
Da ich Samantha nicht anlügen wollte, erzählte ich ihr, dass ich seit kurzer Zeit nachts immer so seltsame Träume hatte. Von Prinzen, Magiern und magischen Geschöpfen. Darum versuchte ich mit Hypnose und Meditieren meine Gedanken besser zu steuern. Was immerhin der Wahrheit entsprach. Dass ich jedoch das Verlangen hatte ganz zu meinem Prinzen in die Traumwelt zu reisen, behielt ich für mich. Denn meine Gefühle für den geheimnisvollen Liam waren absolut privat!
Unser Kaffeeklatsch verging wie im Flug. So mussten wir uns nun doch beeilen, um rechtzeitig in die Kreativgruppe zu gelangen. Tatsächlich saßen schon fünf Damen im Gruppenraum an den vorhandenen Tischen. Wir begrüßten uns und jede von uns nahm einen Sitzplatz ein. Ich lernte Frau Henstett, die Kreativworkshopleiterin, kennen. Wir stellten uns reihum vor und was uns in die Kreativgruppe des IMH gebracht hatte. Dann packte jede der Damen ihre Strickutensilien aus. Zwei von ihnen wunderten sich, als ich meinerseits mein Häkelzeug und meine Puppe aus meiner Tasche kramte.
„Ich häkle zurzeit an einem Schal für meine Puppe Janina. Sie braucht unbedingt einen neuen. Den alten haben die Motten zerfressen“, informierte ich die anderen Workshopteilnehmerinnen. Darüber musste Samantha lächeln.
Während wir uns also in gemütlicher Runde kreativ austobten und dazu je eine Tasse Kaffee tranken (der Bistroleiter spendierte uns eine ganze Kanne Kaffee), unterhielten wir uns. Ich erwähnte, wie ich in der vierten Klasse meine Puppe dabei hatte und diese meinen Klassenkameraden vorstellte. Leider wurde ich von den meisten Jungs ausgelacht. Die Mädels meinten, ich hätte zu viel Fantasie. Darum rannte ich heulend aus dem Klassenzimmer. Der Klassenlehrer lief mir hinterher. Er versuchte mich zu trösten, meinte, ich hätte eine schöne Puppe und fügte hinzu, dass die anderen kein Recht dazu hatten mich auszulachen. Nur widerwillig ging ich mit dem Lehrer ins Klassenzimmer. Er schimpfte mit meinen Mitschülern und ich bekam eine Eins auf die Vorstellung meiner Puppe. Das waren noch Zeiten...
Ich erzählte und erzähle. Dabei bemerkte ich nicht, wie schnell die Zeit verging. Denn um Punkt 17:00 Uhr wollte ich ursprünglich gehen, um noch einen Bus zu erwischen, bevor es draußen dunkel wurde. Leider fiel mir das erst ein, als es schon zu spät war.
Ich konnte durch das Gruppenraumfenster sehen, wie der Bus vorbeifuhr. „So ein Mist“, fluchte ich leise. „Mein Bus ist gerade weggefahren.“
Wieder war es Samantha, die einen rettenden Einfall hatte. „Dann fahre ich dich eben nach Hause. Das ist doch kein Problem. Du wohnst noch bei deinen Eltern, stimmt’s?“
Ich nickte mit dem Kopf und fragte, woher sie das wusste. „Das hast du bei unserem letzten Walken erzählt. Und glaub mir, das ist keine Schande. Eine Freundin von mir hat bis zu ihrem 45. Lebensjahr noch bei ihren Eltern gewohnt.“
Worüber ich lächeln musste. „Dann habe ich ja noch zehn Jahre Zeit, um mich zu entscheiden.“
Tatsächlich fuhr mich Samantha nach unserer kreativen Arbeit mit dem Auto nach Hause, damit ich nicht zu spät heimkam und vor allem, damit sich meine Eltern keine Sorgen um mich machen mussten!
Ich bestand darauf, direkt bei unserer Bushaltestelle Winkelstraße auszusteigen, denn ich wollte noch ein Stück zu Fuß laufen. Ich behielt mit meinem Verdacht Recht, dass es schnell dunkel wurde. So verabschiedete ich mich von Samantha und eilte mit flotten Schritten nach Hause.
Da meine Eltern und ich erst vor kurzer Zeit mit dem Intervallfasten begonnen hatten, war das Abendessen bereits fertig, als ich nach Hause kam. Ich erzählte davon, dass ich beim Schal für meine Puppe weitergehäkelt und in der Kreativgruppe nette Frauen kennengelernt hatte. Da kein einziger Mann in der Gruppe war, konnten wir uns auch über private Themen unterhalten, die man lieber von Frau zu Frau besprach. Was meine Mutter sofort verstand. Meinem Vater gegenüber erwähnte ich, dass diese Frauen ehrlich waren und nichts Böses im Schilde führten.
Nach dem Abendessen half ich meinen Eltern in der Küche, denn ich war fürs Abtrocknen des Geschirrs zuständig. Als ich damit fertig war, eilte ich die Treppe in den ersten Stock empor, kultivierte mich im Bad und schlüpfte in meinen Schlafanzug. Vor dem Schlafengehen entschied ich mich für eine spontane Meditationseinheit. Ich wusste aus vorangegangenen Meditationsübungen, dass diese Art zu Entspannen das Wohlbefinden für Körper, Geist und Seele stärkten. So legte ich eine passende CD mit Entspannungsmusik in den CD-Player, begab mich in eine angenehme Sitzhaltung, schloss die Augen und meditierte.
Im darauffolgenden Trancezustand sah ich Bilder einer großen, bunten Wiese. Ich erkannte die Wiese als Regenbogenwiese, die ich selbst erfunden hatte. Ich hatte bereits in meiner Jugend die Welt Torin erschaffen, mit all ihren liebevollen Details.
Vor einiger Zeit hatte ich angefangen, ein Buch über die Welt der tausend Träume zu schreiben. Allerdings versuchte ich nun, diese Erinnerungen zu verdrängen und mich ganz auf die Regenbogenwiese zu konzentrieren, was mir nach einer Weile gelang.
Auf der Regenbogenwiese sah ich alle meine grauländischen Freunde stehen, wie sie sich mit den Wiesenfeen unterhielten. Ich gesellte mich zu ihnen.
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Lilly Jacobsen. Ich komme in Frieden“, redete ich in ruhigem Tonfall auf die Wiesenfeen ein.
„Dürfen wir hier picknicken, wenn wir versprechen nichts kaputt zu machen?“, hörte ich Norris fragen.
„Wer von euch hat den Wald davor gerettet lichterloh zu brennen?“, ertönte eine piepsige Stimme. Sie gehörte zu einem Feenmädchen, das ich sympathisch fand. Ich hob vorsichtig die Hand.
„Das war ich. Habt ihr die Schuldigen gefunden?“
„Allerdings. Wir haben die Feuerfeen aus unserem heiligen Reich verbannt. Als Strafe für ihren gemeinen Streich“, antwortete das Feenmädchen.
„Ob ihr hier picknicken dürft, das kann ich euch nicht sagen. Da muss ich die Feenkönigin fragen.“
So verschwand das winzige fliegende Geschöpf in Richtung Waldrand.
Heiko lächelte. „Das hab‘ ich mir schon gedacht.
Also, dass unsere Lilly mal wieder geholfen hat.“
„Was soll das wieder heißen?“, entgegnete ich laut.
„Ganz ruhig, Lilly. Das heißt, dass du wie immer bist. Eine gute Problemlöserin!“
„Lebensretterin Lilly“, piepste ein anderes Feenmädchen. „Also von mir aus dürft ihr da drüben picknicken. Das ist sowieso unsere Wiese für Gäste.“ Doch ich wollte erst warten, bis das andere Feenmädchen von der Feenkönigin zurückkam.
Allerdings kamen statt des Feenmädchens drei andere Wesen aus dem Wald zur Regenbogenwiese gerannt. Sie wussten offenbar nicht, dass auf dieser Wiese statt Bienen Feen die Blüten bestäubten. Denn die unliebsamen Gäste rannten so schnell über die Wiese, dass sie dabei einige kostbaren Veilchenblüten niedertrampelten.
„Hey, was soll das? Ihr könnt nicht einfach herkommen und unsere bestäubten Blüten niedertrampeln. So etwas macht man nicht“, piepste das Feenmädchen, das zuvor mit mir gesprochen hatte. Ich durfte es Jessy nennen. Da Heiko Recht behielt, was meinen Gerechtigkeitssinn betraf, wandte ich mich sofort den Ruhestörern zu.
„Jessy hat Recht. Was habt ihr Wichtel hier zu suchen? Gehört ihr nicht in den westlichen Wald?“
„Das geht dich überhaupt nichts an“, zischte der Erste mit der roten Zipfelmütze.
„Genau. Außerdem gehören Menschen gar nicht in diesen Teil der Welt“, bemerkte der Zweite mit der blauen Zipfelmütze.
„Und drittens gehört die Regenbogenwiese nicht nur den Wiesenfeen alleine“, argumentierte der Dritte mit der gelben Zipfelmütze.
Die drei Wichtel, die gerade mal einen Kopf größer als die Wiesenfeen waren, bauten sich nun vor mir auf. Einer von ihnen trat mir auf den rechten Fuß.
„Hey, lass das, du Wichtel! Ihr könnt wie gesagt nicht einfach hierher kommen und Ärger machen.
Wenn ihr noch einmal unartig seid, dann...“
„Dann was? Verpetzt du uns bei dem Wächter des Waldes oder was?“ Der Wichtel mit der roten Zipfelmütze sah mich herausfordernd an.
„Genau das werde ich tun. Oh ja. Und dann werdet ihr aus dem Wald verbannt!“
„Na klar. Und mein Großvater ist ein Borkenkäfer“, erwiderte der Wichtel zornig. Ich wusste sofort, dass er eine sarkastische Bemerkung gemacht hatte.
Da mischte sich plötzlich Martin in das Gespräch mit ein, indem er „Ruhe, alle beide!“ brüllte. „Dieses Problem lässt sich doch sicher friedlich lösen, oder?“
„Sie hat angefangen!“, riefen alle drei Wichtel gleichzeitig und zeigten mit ihren winzigen Fingern anklagend auf mich.
„Gar nicht wahr“, begann ich zu protestieren, als der Wichtel mit der blauen Zipfelmütze mir abermals auf den Fuß trat.
„Gewalt ist keine Lösung“, meldete sich Robert.
„Also ich bin ganz Lillys Meinung. Ihr könnt nicht einfach herkommen und den Frieden der Wiesenbewohner stören. Das gehört sich nicht“, kommentierte Carola.
„Ruhe!“, rief nun eine weitere Stimme. „Ihr stört alle den Frieden der Natur und zwar mit eurem Gezanke. Streiten macht die Sache auch nicht besser. Und das gilt für alle!“ Irgendwie kam mir diese Stimme vertraut vor. Erst nach einigem Grübeln konnte ich sie Thomas Needle, einem Naturgeist zuordnen. Er zauberte einmal kurz, um die von den Wichteln zertrampelten Blüten wieder neu aufblühen zu lassen. „Runter von diesem Teil der Wiese und zwar sofort! Sonst verzaubere ich euch alle in hässliche Unken!“
Ich nahm Thomas‘ Drohung ernst und machte sofort einen Schritt rückwärts. Meine grauländischen Freunde taten es mir gleich. Nur die Wichtel verharrten auf ihren Positionen. Sie machten keine Anstalten die Wiese zu verlassen. Darum wurden sie von dem Naturgeist hinfort gezaubert.
„Wo hast du die frechen Wichtel hingezaubert?“, fragte ich vorsichtig nach.
„In den westlichen Wald, wo sie hingehören. Außerdem wird gerade eine neue Fee geboren. Das ist auch der Grund, warum ihr den südlichen Teil der Wiese nicht betreten sollt. Bitte entschuldigt mein Schimpfen. Ich habe den Wiesenfeen versprochen, ein wenig auf sie aufzupassen, damit niemand ihren Frieden stört“, schloss Thomas seine Rede.
„Wir hatten gar nicht vor zu stören“, flüsterte ich so leise, dass es nur Thomas und die Wiesenfeen hören konnten. Als wir aus dem südlichen Teil der Wiese an den Waldrand getreten waren, hörten wir noch eine Stimme sagen: „Thomas hat Recht. Er beschützt uns vor Feinden und Gefahren aus dem Wald.“ Die Stimme gehörte zu einer Fee mit einer Krone auf dem Kopf. Das musste die Feenkönigin sein, schoss es mir durch den Kopf. Ich deutete darum eine leichte Verbeugung an. Dann zauberte Thomas noch einmal. Ich dachte schon, er würde seine Drohung wahr machen und uns alle in hässliche Unken verwandeln. Stattdessen zauberte er jedem von uns ein Fernglas in die Hand.
„Es geht los. Das Feenkind wird geboren.“
Eine rote Rose leuchtete plötzlich hellrosa auf. So zückten wir unsere Ferngläser, um das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachten zu können.
„Es ist ein Mädchen!“, rief die stolze Mutter in unsere Richtung. Wir klatschten anerkennend in die Hände. Es war das erste Mal, dass ich bei der Geburt einer Fee dabei sein durfte. Das war für mich eine große Ehre. Im Gegensatz zu anderen Menschen hatte ich großen Respekt vor der Natur und ihren Bewohnern. Das teilte ich Thomas mit der Kraft meiner Gedanken mit. Dann fügte ich hinzu: „Ich wollte wirklich nur helfen.“
Da die Fee Felipa Mutter wurde, fragte sie in die Runde, wie sie ihr Mädchen nennen sollte. Als sie von meinen grauländischen Freunden erfuhr, dass ich eine Problemlöserin war, nannte sie ihr gerade geborenes Mädchen Lilly, nach mir. Ich gratulierte Felipa zu ihrer Geburt. Doch nur wenige Sekunden später kam noch ein zweites Feenkind zur Welt. Auch dies konnten wir per Fernglas beobachten. Da die Blume dieses Mal hellblau aufleuchtete, wussten die Feen, dass es ein Junge wurde. Felipa nannte ihn Willy. Er sah genauso aus wie seine Schwester.
„Dann sind es ja Zwillinge. Wie wunderbar“, bemerkte Carola.
Dieses Mal störte keiner den Frieden der jungen Familie. Da jemand aus weiter Ferne meinen Namen rief, wusste ich, dass es an der Zeit war zu gehen.
Ich teilte Thomas noch schnell mit, dass ich auf einer geheimen Mission unterwegs war, um den Prinzen Liam-Aurelian aus seinem Gefängnis zu befreien. Daraufhin funkte er mich mit der Kraft seiner Gedanken an: „Du bist wirklich ein starkes Medium, Lilly. Und weißt du was? Weil du so ein lieber Mensch bist, werde ich dich begleiten. Ich werde die Regenbogenwiese mit einem Schutzzauber belegen, damit niemals wieder jemand den Frieden der Wiesenfeen stören kann. Versprochen.“
„Lilly! Was machst du denn auf dem Teppich? Sag bloß, du hast die ganze Nacht über hier unten geschlafen? Ist es denn in deinem Bett nicht mehr gemütlich oder was hat das zu bedeuten?“, ertönte eine Männerstimme. Sie gehörte eindeutig zu meinem Vater.
So brutal in die Realität gerissen zu werden fand ich äußerst unsensibel. „Geht das denn nicht leiser? Ja, ich habe geschlafen. Aber ich wollte ins Bett gehen. Ich habe vor dem Schlafengehen meditiert. Dabei muss ich eingeschlafen sein. Das ist die Wahrheit!“
Im nächsten Moment legte mir mein Vater einen Arm auf die Schulter. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Er machte sich wegen jeder Kleinigkeit schnell Sorgen um mich und konnte auch manchmal schimpfen.
„Ist schon gut, dein Bär ist dir nicht böse“, sagte er dieses Mal ganz sanft.
„Und dein Tigi wird beim nächsten Mal gleich ins Bett gehen. Versprochen!“ Ich umarmte ihn.
„Du machst dir zu viele Sorgen. Ich bin alt genug, um selbst über mein Leben zu entscheiden. Ich wohne hier, weil es mir bei euch gefällt. Sonst wäre ich ja ganz alleine mit meiner Fantasie!“
„Und das wollen wir nicht. Also, dass du alleine bist.“
Im nächsten Moment war ich richtig froh darüber, einen so lieben Vater zu haben. Er konnte beides sein: hart und gerecht!
Ich grinste über beide Ohren. Auf Nachfrage, was es denn da zu grinsen gab, antwortete ich: „Ich hatte einen sehr schönen Traum. Von einer großen, bunten Wiese und sehr vielen Freunden, die auf meiner Seite stehen!“ Das war nicht mal gelogen!
Vier Tage später, es war an einem Dienstagmorgen, weckte mich meine Watch Up. Dabei handelte es sich um eine Armbanduhr mit integriertem Schrittzähler und vielen anderen tollen Funktionen. Ich hatte die Uhr so eingestellt, dass sie vor meinem Standwecker losging. Denn ich wollte meine Eltern nicht sofort wecken. Ich zog mich rasch um, schlich mich die Treppe hinunter und kochte einen Kaffee. Dann las ich ein Kapitel bei meinem Fantasybuch weiter. Die Abenteuer einer jungen Fee und ihrer Freunde hatten mich so sehr verzaubert, dass ich das Buch noch vor meinem Geburtstag fertig lesen wollte. Wie gut, dass ich erst nach Ostern Geburtstag hatte. Somit blieb mir noch genügend Zeit, um diesen Plan in die Tat umzusetzen.