Mein Leben mit Anna von IKEA - Thomas Kowa - E-Book

Mein Leben mit Anna von IKEA E-Book

Thomas Kowa

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Beschreibung

Alter Schwede! Für alle Fans von Tommy Jaud

Matthias Käfer, Vollzeit-Single, Bankangestellter auf Bewährung und Besitzer eines inkontinenten Geschirrspülers, hat sich in Anna verliebt, die nette Kundenberaterin von Ikea. Doch Matthias hat ein Problem: Sieht er eine hübsche Frau, bekommt er den Mund nicht mehr auf.
Also kontaktiert er Anna online. Durch ein Missverständnis gerät er jedoch an die virtuelle Kundenberaterin Anna von Ikea und glaubt am Ende, sie habe sich mit ihm verabredet! Als dann auch noch sein Spickzettel für das Date mit Anna in die Unterlagen einer Bankkundin gerät, die ohnehin schon ein Auge auf Matthias geworfen hat, ist das Chaos komplett ...

Erste Leserstimmen
„Unglaublich witzig beschreibt der Autor das Leben von Matthias Käfer, der von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert.“
„Ein richtiges Gute-Laune-Buch!“
„Wenn einem vor Lachen die Tränen kommen, hat der Autor alles Richtig gemacht.“
„Wer gut unterhalten werden möchte, ist hier genau richtig.“
„Der Beweis, dass Thomas Kowa nicht nur Thriller kann, sondern auch humorvolle Geschichten mit Herz!“

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Über den Autor
Thomas Kowa ist Autor, Poetry-Slammer, Musikproduzent und manchmal Weltreisender. Während in seinen Thrillern fleißig gestorben werden darf, ist es ihm in seinen absurd-komischen Romanen trotz mehrfacher Versuche noch nicht gelungen, jemanden umzubringen.
In seiner erfolgreichen Thriller-Trilogie SChlafe tief, Erwache nie und Erhebe dich ermittelt der charismatische Kommissar Erik Lindberg in drei packenden, für sich stehenden, aber doch miteinander verwobenen Fällen. Seine humorvolle Romanreihe Mein Leben mit Anna von IKEA zeigt, dass er nicht nur für Gänsehaut, sondern auch für viele Lacher sorgen kann.

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Seitenzahl: 335

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Über dieses E-Book

Matthias Käfer, Vollzeit-Single, Bankangestellter auf Bewährung und Besitzer eines inkontinenten Geschirrspülers, hat sich in Anna verliebt, die nette Kundenberaterin von Ikea. Doch Matthias hat ein Problem: Sieht er eine hübsche Frau, bekommt er den Mund nicht mehr auf. Also kontaktiert er Anna online. Durch ein Missverständnis gerät er jedoch an die virtuelle Kundenberaterin Anna von Ikea und glaubt am Ende, sie habe sich mit ihm verabredet! Als dann auch noch sein Spickzettel für das Date mit Anna in die Unterlagen einer Bankkundin gerät, die ohnehin schon ein Auge auf Matthias geworfen hat, ist das Chaos komplett ...

Impressum

Erstausgabe Mai 2017

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96087-159-0 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96087-521-5 Hörbuch-ISBN: 978-3-96817-236-1

Covergestaltung: ARTC.ore Design unter Verwendung von Motiven von: shutterstock.com: © oksanika, © Alex_Murphy pixabay.com: © OpenClipart-Vectors Lektorat: Daniela Höhne

E-Book-Version 08.03.2023, 09:12:11.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Mein Leben mit Anna von IKEA

Jetzt auch als Hörbuch verfügbar!

Mein Leben mit Anna von IKEA (4 in 1 Bundle)
Thomas Kowa
ISBN: 978-3-96817-683-3

Alter Schwede! So etwas hat man ja noch nie gehört …Vier humorvolle Geschichten über einen Mann, der sich in Anna von IKEA verliebt

Das Hörbuch wird gesprochen von Sebastian Fuchs.
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Vorwort

Dieses Buch wurde zu einer Zeit geschrieben, als man noch nicht bei Siri einen Billigflug für zwei Personen von Frankfurt nach Havanna bestellen konnte und kurz darauf eine Bacon-Flute mit einem Paar Würstchen (immerhin original Frankfurter) und einen Cuba Libre geliefert bekam.

Trotzdem geht es in der Geschichte um künstliche Intelligenz. Vor allem darum, was passiert, wenn man sie für echt hält.

Wie man an dem Beispiel mit Siri sieht, beißen sich die Entwickler der KI an der menschlichen Intelligenz immer noch die Zähne aus. Okay, das mag auch an der menschlichen Intelligenz liegen, denn welcher Computer würde Donald Trump … na ja, lassen wir das.

Auf alle Fälle ist die künstliche Intelligenz (KI) nach wie vor ziemlich limitiert, aber sie kann das inzwischen besser verstecken.

Schon als Teenager in den 80ern haben mich die Chats mit dem psychologischen Chatprogramm Eliza begeistert, und damals wusste ich noch gar nicht, dass Eliza schon in den 60er-Jahren programmiert worden war.

2006 – als ich dieses Buch geschrieben habe – war Anna von IKEA mit Abstand das Intelligenteste und Charmanteste, was ein Computer von sich geben konnte. Anna von IKEA war eine virtuelle Alleswisserin mit nettem Lächeln, der man jede Frage zu IKEA, Gott und der Welt stellen konnte. Und Anna hat die Frage beantwortet. Nicht immer sinnvoll, aber das ist im echten Leben ja auch so.

Man denke dabei nur an Politiker oder Bankvorstände, im Grunde geben die ja auch keine Antworten auf die Fragen, welche die Gesellschaft ihnen stellt, sie formulieren ihre Ausweichmanöver nur besser.

Dann also lieber gleich Anna von IKEA. Sie hat wenigstens stets zugegeben, wenn sie etwas nicht verstanden hat.

Alle Antworten, welche die virtuelle Anna in diesem Buch gibt, stammen tatsächlich original von ihr und ich habe diesen kleinen Roman darum gebaut.

Leider hat IKEA – im Bestreben, gleicher wie alle anderen zu sein – die famose Anna wegrationalisiert. Arbeitslosigkeit gibt es also auch bei Computerprogrammen. Man kann unter diesem Link aber nachschauen, wie Anna so drauf war: www.anna-von-ikea.de.

Nun also Vorhang auf für eine Geschichte aus der Zeit, als das Internet noch laufen lernte …

PS: Wer glaubt, diese Geschichte sei völlig an den Haaren herbeigezogen, der sei an die zahllosen Männer in diversen Online-Singlebörsen erinnert, die sich ausgiebig mit Chatbots unterhalten, ohne es zu merken. Und sie zahlen einen stattlichen Mitgliedsbeitrag, um das weiterhin tun zu dürfen.

So musste im Jahr 2015 die größte amerikanische Seitensprung-Agentur Ashley Madison nach einem Diebstahl ihrer Kundendatei zugeben, dass von 5,5 Millionen weiblichen Profilen nur 12.000 echt waren. Der Rest bestand aus Chatbots, also Computerprogrammen, die so taten, als seien sie Menschen. Über 25 Millionen männliche User der Plattform haben nichts bemerkt. Das zeigt einmal mehr, was passiert, wenn beim Mann das Hirn aussteigt und andere Organe das Regiment übernehmen.

Fast wie in dieser Geschichte.

So, jetzt aber wirklich genug der Vorworte und viel Spaß mit Anna von IKEA.

Thomas Kowa

01

Ich soll reden? Wörter und so? Was glaubst du, wofür man Blumen erfunden hat?George Clooney als Danny Ocean in Ocean’s Twelve

»George Clooney ist tot!« Hilde Redlich steht vor ihrem Reihenhaus und schaut mich aus verheulten Augen an. So verzweifelt habe ich meine Nachbarin das letzte Mal gesehen, als der falsche Sänger bei Deutschland sucht immer noch den Superstar gewonnen hat. Das war vor zwei Jahren und ich bezweifle, dass sich heute noch irgendjemand an den Namen dieser singenden Plastikverpackung erinnert. Oder dass man den Superstar jemals findet, den man so verzweifelt in ganz Deutschland sucht. Echte Superstars werden nun mal nicht im deutschen Fernsehen geboren. Sondern in London, New York oder in Hollywood. So wie George Clooney. Und der ist tot? Nun kommt auch Siegfried Redlich aus dem Haus. Er lehnt sich an seine Frau Hilde wie ein Häufchen Elend, das einen beschissenen Tag hatte.

Ich kenne dieses Gefühl zur Genüge und das nicht nur wegen der Sommerschweinegrippe, die mich letzte Woche flachgelegt hat. Die fühlte sich an wie ein Krieg in meinem Körper: Medikamente gegen Viren, und ich war die unschuldige Zivilbevölkerung. Vor einer Stunde haben die Medikamente mitten in meinem Kopf die Siegesflagge gehisst. Jedenfalls war das so in meinem Fiebertraum.

Und jetzt stehe ich auf Wackelpuddingbeinen vor meinem Reihenhaus, schniefe trötend ins Taschentuch und reibe mir die immer noch ziemlich matschige Birne. George Clooney ist tot?

Phantasiere ich immer noch?

Habe ich vor drei Tagen nicht geträumt, Osama bin Laden wäre Friedensnobelpreisträger, Daniela Katzenberger Bundeskanzlerin und ich müsste ein Büfett bewachen und wäre der Zwillingsbruder von Reiner Calmund?

Ich blicke an mir herab. Ich bin nicht klein, nicht groß, nicht dick, nicht dünn, und meine Haare wachsen noch dort, wo sie hingehören. Soweit alles in Ordnung. Weiteres wichtiges Indiz meiner Normalität: Ich trage nicht mehr meinen Schlafanzug, sondern Jeans, T-Shirt, Sneakers; wie man heute als fünfunddreißigjähriger Hobbyjugendlicher im Hochsommer eben so herumläuft. Um bezüglich meines geistigen Zustands auf Nummer sicher zu gehen, zwicke ich mich in den Arm.

Aua!

Hilde Redlich schaut mich irritiert an. Sie wischt sich eine Träne aus ihren aufgequollenen Augen. »Mit seiner Verdauung war halt nicht mehr alles so in Ordnung.«

Ist sie im Nebenberuf Gastroenterologin? Oder nur begeisterte Leserin der Aktuellen?

»Aber immer nur dieses Gras …« Siegfried Redlich schüttelt den Kopf. »Das kann ja nicht gut gehen.«

Ich versuche mich zu erinnern, ob George Clooney für den Verzehr weicher oder gar harter Drogen bekannt ist. Bei diesen Hollywoodschauspielern kann man ja nie wissen.

»Erst war er richtig aktiv«, sagt Siegfried. »Doch dann ist einfach sein Magen geplatzt und George lag tot da, den Kopf zwischen den Gitterstäben.«

»Gitterstäbe?«, wiederhole ich. In meiner Erinnerung ist George Clooney ein ehrlicher und aufrichtiger Amerikaner. Einer, der sogar weiß, wo Europa liegt. Was macht der im Gefängnis?

Ich würde das ja gerne verstehen, aber all die Informationen prallen an meiner Hirnwand ab wie an einer Gummizelle. Wahrscheinlich liegt das an dem Medikamentencocktail, den ich die letzten Tage in mich reingeschüttet habe. Acht verschiedene Tabletten, teilweise mit unerforschten Wechselwirkungen, das hätte selbst Lance Armstrong Respekt eingeflößt.

Ich schniefe noch mal ins Taschentuch und fasse mir dann an die Stirn. Ganz schön heiß. Irgendwas arbeitet da drin auf Hochtouren. Mein Gehirn kann es nicht sein, von dem hab ich schon Tage nichts mehr gehört.

»Siegfried hat das Loch für sein Grab schon ausgehoben«, erklärt nun Hilde Redlich und klopft ihrem Mann auf die Schulter.

»Wo wird er denn begraben?«, frage ich, nachdem ich mich schnell noch mal gezwickt habe und vor Schmerzen zusammengezuckt bin.

»Na, bei uns im Garten!« Siegfried zieht die Augenbrauen zusammen. »Wo denn sonst?«

»In eurem Garten?«, frage ich. »Also der Garten direkt neben meinem Garten?«

Ich muss an Horden wild gewordener Mittvierziger denken, die den Garten der Redlichs stürmen werden. Sie werden George ihre immerwährende Liebe gestehen, jedenfalls bis zum Ableben des nächsten Superstars und das Grab mit Buketten, Blumen und Bikinis bombardieren. Sind meine Nachbarn sich darüber im Klaren, was sie sich da aufbürden?

Zudem liebe ich die Abgeschiedenheit meines 15-Quadratmeter-Reihenhausgärtchens. Sofern man davon überhaupt reden kann, denn im Sommer, in dem das ganze Viertel mit tiefergelegten Coupés vollgeparkt ist und nach gegrillten Schweinehälften riecht, passt nicht einmal mehr eine Maus zwischen mich, meine Nachbarn und die Breitmaulautos auf der Straße.

Plötzlich kommt mir eine Idee. Ich spüre sofort, es ist eine dieser genialen Millionen-Euro-Ideen, die mein Gehirn von Zeit zu Zeit bevölkern.

02

Man stirbt nur einmal – und für so lange!Molière

Meine Idee ist so einfach wie genial: Ich könnte einen Proseccostand in meinem Garten aufstellen! Zufällig ist auf meinem Konto noch reichlich Platz.

Jedenfalls nach oben.

Nach unten ist mein Konto hingegen etwas angespannt. Man könnte auch sagen, es befindet sich im freien Fall. Seit ich einige geplatzte Subprimekredite zu verantworten habe, bin ich kurz davor, selbst zu einem zu werden. Okay, ich übertreibe ein wenig. Schließlich habe ich einen Job bei der Bank.

Noch.

Denn erst wurde die Buchhaltung, in der ich im Backoffice gearbeitet habe, nach Indien outgesourct und dann musste ich an die Front. Also an den Bankschalter. Ständig soll ich den Kunden dort unsere neuesten Angebote aufschwatzen, doch dafür bin ich einfach nicht gemacht. Wenn ich hätte Verkäufer werden wollen, hätte ich das schließlich gelernt.

Mein Job schwebt also in akuter Lebensgefahr. Herr Huber, unser Filialleiter, den ich wegen seiner unzähligen Wutausbrüche nur noch Osram-Huber nenne, hat mich vor zwei Wochen darüber aufgeklärt, dass ich nur noch auf Bewährung arbeite. Selbst ein abgebrochener Bleistift sei in meiner Lage genug, um das randvolle Fass zum Überlaufen zu bringen und ihm den Boden auszuschlagen. Oder so ähnlich.

Also bin ich letzte Woche trotz Sommerschweinegrippe und Medikamentencocktail arbeiten gegangen. Denn mein Chef akzeptiert eine Krankschreibung nur dann, wenn sie von mindestens zwei Chefärzten der Intensivstation unterschrieben ist. Oder rückwirkend bis zu drei Tage vor Eintritt des Todes. Und das auch nur, wenn ein Wochenende dazwischen liegt.

Leider hat meine Leistung geringfügig unter meiner Sommerschweinegrippe gelitten, oder wie sonst kann man den Umstand erklären, dass ich im Fieberwahn jedem weiblichen Kunden eine Benjamin-Blümchen-Sparbüchse geschenkt habe? Und das vier Monate vor dem Weltspartag!

Zum Glück hat Osram-Huber das noch nicht bemerkt.

Denn das wäre der letzte Nagel für mein Fass, beziehungsweise meinen Sarg.

Aber jetzt kommt sie, meine Chance! Das Grab von George Clooney sorgt für den konjunkturellen Umschwung in Ludwigshafen-Oggersheim!

Ludwigshafen ist übrigens eine der bemerkenswertesten Städte Deutschlands: Auf der einen Seite das größte Chemiewerk der Welt, auf der anderen die städtische Müllverbrennung und dazwischen gentechnische Versuchsanlagen. Kein Wunder kommen Helmut Kohl und Daniela Katzenberger aus Ludwigshafen.

Oder noch genauer: aus dem Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim.

Die bekannteste Sehenswürdigkeit von Ludwigshafen ist übrigens Styropor, denn das wurde da erfunden. Und im Grunde ist Daniela Katzenberger ja auch nichts anderes als Styropor und Silikon, das man irgendwie zum Sprechen gebracht hat.

Wobei, wahrscheinlich ist sie nur wie alle Oggersheimer total unterschätzt. Das liegt möglicherweise am pfälzischen Dialekt, der bundesweit mit einem ähnlichen IQ assoziiert wird wie ostfriesisch oder Bushido-Deutsch.

Doch statt meine Welteroberungspläne – oder wenigstens die von Ludwigshafen-Oggersheim – detailliert auszuarbeiten, schweife ich schon wieder ab.

Also, vielleicht kann ich mein Reihenhaus untervermieten? Schließlich steht das Gästezimmer schon seit zwei Jahren, drei Monaten und vier Tagen leer.

Der Tag meines Einzugs. Auch das Kinderzimmer könnte ich problemlos zur Verfügung stellen. Ursprünglich sollte es von oben bis unten mit kommenden Fußballnationalspielern gefüllt sein, aber jetzt lagern dort nur Umzugskartons.

»Wann ist denn die Beerdigung?«, frage ich die Redlichs. Meine Anzüge sind nämlich in der Reinigung. Alle beide!

Das verdanke ich Osram-Huber. Ich wäre nicht adäquat gekleidet für diesen Job. Er sollte sich mal die Kunden anschauen, die im Hochsommer mit Flip-Flops, Hotpants und bauchfreien Tops in die Filiale kommen.

Und das sind nur die Männer!

Ich steh denen dann bei gefühlten vierzig Grad in Anzug, Krawatte und langärmeligem Hemd gegenüber und versuche, mich mit autogenem Training vom Schwitzen abzuhalten.

Als Buchhalter ist das einfacher gewesen, da hat niemanden interessiert, was man trägt, solange die Zahlen gestimmt haben. Und das haben sie bei mir immer.

Ich schaue auf meine Armbanduhr, so eine digitale mit integriertem Taschenrechner. Der letzte Schrei. Jedenfalls damals, als ich sie gekauft habe.

In den 80ern.

Aber sie funktioniert noch, weswegen sollte ich mir also eine neue kaufen?

Neben dem Datum steht SO. SO? Ach so, Sonntag.

Klar, sonst wäre ich ja auch auf der Arbeit und würde nicht mit meinen Nachbarn über Gott, die Welt und George Clooney reden.

Auch ohne einen Blick in meine Bar zu werfen, weiß ich, dass sie für einen Proseccostand momentan eher kümmerlich ausgestattet ist. Ich muss dringend einkaufen. Und zur Reinigung.

Hätte George nicht an einem Montag den Löffel über die Wupper werfen können? Nein, er muss natürlich an einem Sonntag abnibbeln, dem Tag, an dem selbst der Bestattungsunternehmer in Frieden ruht. Oder auf irgendwelchen Friedhöfen abhängt.

Immer wenn ich mich über Geschäftsöffnungszeiten aufrege, meinen die ganz Schlauen, als Bankangestellter solle ich besser mal ganz, ganz leise sein. Denen sage ich dann immer: Seid froh, dass wir schon um halb vier schließen. Hätten wir rund um die Uhr gearbeitet, wäre die Finanzkrise noch viel größer ausgefallen!

Siegfried Redlich schaut jetzt auch auf die Uhr. »Die Beerdigung ist in dreißig Minuten. Wir warten noch auf Julia. Wir haben sie vorhin informiert.« Er verdrückt eine Träne und lehnt sich wieder an Hilde. »Unsere Tochter ist total fertig.«

»Julia? Sie kannte ihn auch?«, frage ich. Plötzlich wird mir klar, warum Julia meinen Heiratsantrag abgelehnt hat.

Damals mit sieben. Und dann noch mal mit neun. Obwohl ich noch jahrelang in sie verliebt war, hatte ich mich danach nicht mehr getraut, sie zu fragen. Und wer hat unsere Liebe zerstört? Dieser elendige Junkie George Clooney! Gut, dass er tot ist!

»Natürlich, George war Julias Ein und Alles«, erklärt Siegfried Redlich mit einem Unterton, der deutlich macht, dass momentan nicht nur ich an meiner geistigen Kapazität zweifle.

Aber jetzt, da George Clooney tot ist, wäre ja vielleicht Platz in Julias Herz für … »Was, in dreißig Minuten?!«, schreie ich. »Ich muss mich sofort umziehen!«

03

Die Grippe ist keine Krankheit, sie ist ein Zustand.Kurt Tucholsky

Auf dem Weg in mein Reihenhaus springt mein Gehirn für einen kurzen Moment an. Sofort fällt mir auf, wie absurd die ganze Situation ist. Ich drehe mich um und blicke die Redlichs mit meinem strengen den-Kredit-kann-ich-Ihnen-leider-nicht-geben-Blick an. »Ist es nicht verboten, jemanden im eigenen Garten zu beerdigen?«

Siegfried Redlich winkt mich zu sich und legt seinen Arm um meine Schulter. »Muss ja keiner wissen«, flüstert er.    Natürlich, er hat recht. Wenn alle dichthalten, bekommt das niemand mit. »Aber habt ihr überhaupt genügend Platz im Garten?«, frage ich.

»Das braucht nicht mehr als bei einer Urnenbestattung.« Er runzelt die Stirn. »Außerdem machen wir das im privaten Rahmen.«

Im privaten Rahmen? Und was wird dann aus meinem Proseccostand?

Soll ich einen kleinen Tipp an die Bild-Zeitung weiterreichen? Diese Leichenfledderer sind sich dafür doch bestimmt nicht zu schade.

Nein, das kommt nicht infrage. Natürlich nicht. Wie konnte ich nur daran denken!

Ich schäme mich.

Abgrundtief.

Die Bild-Zeitung!

Ich muss es viel größer aufziehen! RTL, SAT 1 und ZDF-neo. Mindestens!

›George Clooney begraben in Ludwigshafen-Oggersheim!‹ Das ist doch mal eine Schlagzeile.

»Frag ihn doch, ob er auch an der Beerdigung teilnehmen will«, reißt mich Hilde aus meinen Allmachtsfantasien. »Er hat immerhin früher auf ihn aufgepasst.«

Was? Ich bin eingeladen? Wollen die Redlichs sich meine Verschwiegenheit erkaufen? Da ich mir sicher bin, dass ich nie auf George Clooney aufgepasst habe, muss es umgekehrt gewesen sein. Er ist ja auch viel älter als ich. Matthias Käfer, knackige fünfunddreißig, George Clooney runzelige fünfzig. Mindestens. Demnach hat der gute George in meiner Kindheit Babysitter für mich gespielt!

Ich versuche, mich an meine Nannys zu erinnern, doch außer Raider-Reiner und Melitta-Frida fallen mir keine ein. Melitta-Frida scheidet schon aufgrund ihres Kaffeegeschmacks aus, denn immerhin hat George ja mal Werbung … Doch ich schweife schon wieder ab. Und die Zeit läuft.

»Ich zieh mich schnell noch um«, rufe ich, stürze in mein Reihenhaus und springe ins Bad. Dort stapelt sich die Wäsche so hoch, dass ich kurzzeitig überlege, bei Wetten, dass? aufzutreten. »Wetten, dass Herr Käfer es nicht schafft, einen Turm aus ungewaschener Wäsche auf zwei Meter fünfzig aufzutürmen?«

Pah, Kleinigkeit!

Normalerweise bin ich nicht so unordentlich, aber während der Sommerschweinegrippe ist einiges liegen geblieben. Also eigentlich alles, schließlich musste ich mich von Grippe und Arbeit erholen.

Ich krame im Wäscheturm nach einer schwarzen Hose und ziehe sie so gekonnt aus ihrem Versteck, dass der Turm fast nicht einstürzt.

Nachdem ich mich aus dem Wäschetsunami wieder befreit habe, suche ich nach einem passenden Oberteil. Was ziemlich schwer ist, zwischen den ganzen Milli-Vanilli-Shorts und David-Hasselhoff-Shirts.

Ich hasse diese singenden Geisterbahnpuppen. Ihr Erfolg in den 80ern lässt sich für mich nur damit erklären, dass sie eine demonstrative Abschreckungsmaßnahme des Westens in Zeiten des Kalten Krieges waren. Ihr habt die SS-20? Pah, wir haben David Hasselhoff und Milli Vanilli! Zieht euch schon mal warm an!

Na gut, vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber Fakt ist nun mal, dass, kaum waren diese Gestalten aufgetaucht, auch schon die Mauer gefallen ist.

Das wäre natürlich noch lange kein Grund, solche T-Shirts zu tragen, aber dummerweise befand sich in dem 80er-Jahre-Überraschungspaket, das ich meinem Schulfreund Video-Paule abgekauft habe, nur solch auserlesener Schrott.

Eigentlich steh ich auf die 80er, denn in dem Jahrzehnt musste ein Popstar noch nicht gut aussehen, um erfolgreich zu sein. Und er musste auch nicht tanzen können, sondern einfach nur gute Musik machen. Und wenn jemand ein Superstar war, dann hatte er eine lange Karriere hinter sich. Aber trotz meiner Vorliebe für die 80er habe ich im Grunde das Paket nur gekauft, damit Video-Paule die nächste Rate für seinen Kredit zahlen konnte, den er bei mir abgeschlossen hatte.

Weil einen weiteren geplatzten Kredit kann ich mir eben nicht leisten.

Endlich entdecke ich in meinem Wäschesee ein weißes Hemd und zerre es glatt. Dabei löst sich zwar ein halber Knopf, aber darum kann ich mich jetzt nicht auch noch kümmern. Ich schlüpfe kopfüber in das weiße Hemd und schnappe mir ein dunkles Jackett. Dann schaue ich in den Spiegel. Perfekt! Fehlt nur noch die Krawatte.

04

Wenn ich neben gut aussehen auch noch kochen könnte, dann wäre ich ja eine Traumfrau.Daniela Katzenberger

Fünf Minuten und drei versehentliche Selbststrangulierungen später hängt die Krawatte endlich um meinen Hals. Wann werde ich das jemals lernen? Jahrelang bin ich mit diesen Ansteckkrawatten super gefahren, aber Filialleiter Huber meinte ja plötzlich, das ginge so nicht weiter. Na ja, und da ich auf Bewährung bin …

Ich schaue wieder auf meine Uhr. Mir bleiben noch zehn Minuten, bevor die Trauergäste kommen. Wer wird den weiten Weg nach Ludwigshafen-Oggersheim machen? Angelina Jolie? Halle Berry? Cindy aus Marzahn? Egal, ich habe nur Augen für Julia. Was, wenn sie in meine Wohnung kommt?

Ich muss dringend aufräumen!

Panisch stürze ich in meine Küche. Gemäß meiner verschwommenen Erinnerung sieht es dort am schlimmsten aus. Als ich das schmutzige Geschirr vom Küchentisch in die Geschirrspülmaschine räumen will, entdecke ich, dass ich dies letzte Woche schon einmal getan habe.

Warum zermartert sich die Wissenschaft den Kopf darüber, wie das Leben auf der Erde entstanden ist?

Ein Blick in meine Geschirrspülmaschine und alle Rätsel wären gelöst!

Zwischen den Tassen, Tellern und Teelöffeln kreucht und fleucht ein nettes Biotop, das sich anschickt, die Weltherrschaft zu übernehmen. In ihrem Fall also die Herrschaft über den Geschirrspüler.

Plötzlich springt ein Gedanke aus meiner hintersten Hirnecke nach vorn. Hat der Geschirrspüler das letzte Mal nicht geklungen, als stünde er kurz vor dem Selbstmord?

Ach, das hab ich bestimmt auch nur im Fieberwahn geträumt. Die Maschine hat nicht mal zwanzig Jahre auf dem Buckel, also kein Alter für ein Qualitätsprodukt Made in Germany!

Ich drücke auf den Startknopf des Geschirrspülers und er springt an. Na, geht doch!

Da das Geschirr auf dem Küchentisch nun aber immer noch außerhalb der Geschirrspülmaschine steht, räume ich es kurzerhand in den Hängeschrank. Wenn ich wieder geistig voll auf der Höhe bin, werde ich ganz sicher an das Geschirr denken.

Mein Blick fällt auf die tennisballgroßen Staubbälle, die mein Wohnzimmer bevölkern und gerade den Einmarsch ins unschuldige Schlafzimmer planen. Doch sie haben die Rechnung ohne mich gemacht! Wie eine Mischung aus Boris Becker und Air Jordan pese ich durch das Wohnzimmer, fange die Dinger ein und werfe sie in meinen Basketballmülleimer. Perfekt ist zwar anders, aber das ist nun mal ein Single-Haushalt.

Leider.

Verdammt, jetzt muss ich auch noch an meine Verlobte Claudia denken. Und an den Tag, an dem sie mich verlassen hat. Vor einem Jahr, acht Monaten und siebenundzwanzig Tagen. Sie war nach Julia meine zweite und letzte große Liebe. Ja, sie war meine Traumfrau.

Und meine Albtraumfrau. Schließlich hat sie mich sitzen lassen. Für einen fünfzigjährigen Motorrad-, Ferrari- und Rennbootfahrer.

Er ist reich. Verdammt reich. Wahrscheinlich ist sein Portemonnaie so prall gefüllt wie der Hodensack des Papstes. Aber als ich sie gefragt habe, ob er auch über sich selbst lachen kann, hat Claudia nur betroffen geschwiegen.

Ebenso auf die Frage, ob er überhaupt lachen kann.

Und so ein Typ betreibt eine Spaßkneipenkette mit dem unerträglichen Namen Happyhappydeppi! Schon allein dafür gehört er einen Monat lang ununterbrochen mit DJ Ötzi, Wolfgang Petry und den Wildecker Herzbuben beschallt. Und zwar simultan.

Doch selbst meine Eltern waren voller Verständnis für Claudia gewesen. ›Wer würde nicht einen jung gebliebenen Geschäftsführer eines Gastronomieimperiums einem Buchhalter vorziehen?‹, sagte meine Mutter, während mein Vater nur darum bettelte, mal mit dem Rennboot fahren zu dürfen.

Tja, Eltern kann man sich eben nicht aussuchen.

Anscheinend warten sie immer noch auf den Anruf des Krankenhauses, ich sei vertauscht worden. Dabei war ich ein unkompliziertes Kind. Keine Drogen, keine Gefängnisaufenthalte und keine Nacktfotos. Da wären manche Eltern glücklich darüber.

Die Hiltons zum Beispiel.

Nicht mal eine Doktorarbeit habe ich gefälscht! Gut, ich hab auch keine geschrieben. Aber ist es nicht ehrlicher, das sein zu lassen, wenn man es nicht kann?

Ich schaue noch mal in den Spiegel, rücke meine Krawatte zurecht und springe aus der Wohnung.

Schon nach zwei Metern bleibe ich wie vom Blitz getroffen stehen. Da ist sie! Julia, meine Traumfrau! Meine große Liebe! Für immer und ewig!

Allein schon, wie sie aus diesem knallgelben Z4 steigt. Ihr blondes Haar weht so galant im Wind, das kenne ich sonst nur aus der Werbung für Drei Wetter Taft: Rom, Sonne, 24 Grad; London, Regen, 12 Grad; Ludwigshafen, Rauchschwaden, Chemieunfall, 485 Grad.

Angesichts des traurigen Anlasses trägt Julia einen recht kurzen Rock. Dazu rote High Heels, eine geblümte Bluse und einen gelben Blazer.

Wahrscheinlich hatte sie keine Zeit sich umzuziehen. Immerhin ist ihr Minirock schwarz und in ihrem Haar steckt eine Sonnenbrille. Bestimmt damit man ihre Tränen nicht sehen kann. Trotz ihrer Trauer sieht sie umwerfend aus!

Im Gegensatz zu mir. Wie ich so an mir herunterschaue, fällt mir auf, dass meine Hose verknittert ist wie ein Stück Alufolie, in das man ein Pausenbrot zwanzigmal ein- und wieder ausgepackt hat. Doch das ist nicht das Schlimmste. Der halbe Hemdknopf hat sich inzwischen vollständig gelöst, allerdings nicht am Kragen, wo es hätte lässig aussehen können, sondern direkt über meinem Bauch. Dort wächst zwar kein Bierfriedhof, aber auch kein Sixpack. Mein Bauch ist in sexueller Hinsicht eine entmilitarisierte Zone. Obwohl ich nicht viel Ahnung von Frauen habe, weiß ich, solche Zonen sollte man vor ihnen besser verstecken.

Aber für was trägt ein Mann von Welt Krawatten? Hastig schiebe ich das Ding vor meinen Bauch und justiere die Krawattennadel so, dass der Schlips den Hemdspalt bedeckt. Perfekt!

Jetzt läuft Julia direkt auf mich zu, bleibt dann stehen und mustert mich mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Matthias? Matthias Käfer?«

Sie hat mich erkannt! Mein Herz spielt Flipper.

Tschäng! Bumm! Freispiel!

Sie liebt mich!

»Ich hab ganz vergessen, dass du hier wohnst.« Sie lächelt und gibt mir die Hand.

Ihre Worte treffen mich wie eine Abrissbirne mitten ins Gesicht. Vergessen? Wie konnte sie mich vergessen?

»Meine Eltern kennen deine ja noch von früher«, sage ich. »Als deine Eltern umgezogen sind, haben sie mir das Reihenhäuschen nebenan vermittelt.«

»Und jetzt wohnst du hier mit deiner Familie?« Sie schaut mich erwartungsfroh an.

»Nein, allein«, antworte ich so leise, dass ich nicht sicher bin, ob ich es überhaupt gesagt habe. »Es tut mir so leid«, schluchze ich plötzlich und umarme sie.

Geniale Idee, denke ich die nächsten eineinhalb Sekunden, also solange, bis Julia mich sanft von sich wegdrückt.

»Was tut dir leid?«

»Na das mit George Clooney«, antworte ich. Wie immer, wenn ich in der Nähe einer Frau bin, die mir gefällt, droht sich mein Blick zu verselbstständigen. Weil es unhöflich ist, will ich Julia auf keinen Fall auf die Brüste starren. Stattdessen starre ich auf ihre Schuhe. Wahrscheinlich entsteht so Schuh-Fetischismus, denn natürlich würde ich Julia viel lieber auf die Brüste starren, statt auf ihre High Heels.

Aber die Zeiten, in denen Männer einfach machen konnten, was sie wollten, sind ein für alle mal vorbei. Wahrscheinlich ist das auch besser so.

Wie auch immer, kaum sehe ich eine attraktive Frau, schalten meine kognitiven Fähigkeiten sofort in den Notbetrieb.

Wahrscheinlich liegt das an meiner momentanen Zwangsenthaltsamkeit. Wie wäre das erst, wenn ich im Zölibat leben müsste?

Vielleicht hätte ich dann auch so abgefahrene Ideen von Schlangen, die reden können und Äpfel mit Hirndopingextrakt verschenken? Oder von diesem Typ namens Heiliger Geist, von dem ich bis heute noch nicht weiß, für was der gut ist. Vater und Sohn sind nun mal die Allmächtigen, also kann er nur das dritte Rad am Himmelswagen sein. Er hängt bestimmt den ganzen Tag in den Wolken rum und darf zur Abwechslung alle zweitausend Jahre mal eine Jungfrau begatten. Aber bitteschön unbefleckt, könnte ja sonst Spaß machen.

Ich hebe meinen Blick und sehe, wie Julia mit den Schultern zuckt. »Ach so, George«, sagt sie. »Es geht halt alles mal zu Ende, oder?«

Überrascht von ihrer Bemerkung mustere ich ihr perfekt geschminktes Gesicht. Nicht eine Träne ist zu sehen. Das ist ja eine hammerharte Frau! Da stirbt der Sexiest Man Alive in den besten Jahren seines Lebens und alles was sie dazu sagt ist: Es geht halt alles mal zu Ende. Sie hat mit dem Kerl wahrscheinlich zusammengelebt. Vielleicht hat sie sogar Kinder von ihm. Oder wenigstens welche adoptiert.

»Und was machst du jetzt so?«, wechselt Julia das Thema und streicht sich durch ihr blondes Haar. Sie sieht aus wie eine Fee mit High Heels und Minirock.

»Ich bin jetzt bei der Sparkasse«, antwortete ich. »Auf Bewährung.«

»Auf Bewährung?« Sie tritt einen Schritt zurück.

»Äh … also nein«, stammle ich. »Ich meine natürlich am Bankschalter.«

»Da sind wir ja quasi Kollegen.« Sie kramt ihr Handy heraus, schaut gelangweilt auf das Display und steckt es wieder weg. »Ich arbeite nämlich bei der Deutschen im Key Account Management.«

Wumms! Wieder haut sie mich mit ihren Worten zu Boden. Doch diesmal mit einem Doppelschlag. Sie verdient ihr Geld bei der Deutschen Bank, also bei der Bank, deren Mitarbeiter die Sparkassenangestellten dieser Welt eben nicht als ›Kollegen‹ sehen, sondern als Lebensform von einem unterprivilegierten Planeten. Und sie arbeitet im Key Account Management, betreut große Kunden, während ich hinter dem Bankschalter stehe und die Überweisungen von Mister Minit entgegennehme.

Und das auch nur in Vertretung.

»So, ich muss jetzt mal zu meinen Eltern.« Julia lächelt mich geschäftig an und schüttelt meine Hand.

Ich entgegne ihr Lächeln. »Ich komme mit.«

Julia schaut mich an, als hätte ich nicht Ich komme mit, gesagt, sondern Ich greif dir in den Schritt.

»Du kommst mit?«, fragt sie. »Weswegen denn?«

»Na, wegen der Beerdigung.« Es muss sie schwer erwischt haben, wenn sie jetzt schon die Realität leugnet. Deswegen ist sie doch aus dem noblen Frankfurt nach Ludwigshafen-Oggersheim gekommen.

»Ach so.« Sie zuckt wieder mit den Schultern und trippelt auf ihren High Heels in Richtung Elternhaus. »Habt ihr zusammen gespielt?«

Zum Glück läuft sie vor mir und kann nicht sehen, wie ich mir über ihren letzten Satz den Kopf zerbreche. Zusammen gespielt? Was denn? Poker, Fußball, Mensch ärgere Dich nicht?

Dann fällt es mir ein! Julia denkt sicher an den phänomenalen Auftritt unserer Schultheatergruppe, bei dem ich auf einem Einrad balanciert bin. Ganz großes Tennis! Dummerweise bin ich bei dem Auftritt dreimal von der Bühne gefallen und lag das nächste halbe Jahr mit gebrochenem Steißbein und gequetschten Rippen im Krankenhaus.

Woraufhin ich sämtliche Prüfungen verpasste und die Klasse wiederholen musste. Und so war es vorbei mit dem gemeinsamen Schulbankdrücken von Julia und mir. Das war der Anfang vom Ende!

Die Schauspielerei ist ein grausamer Beruf.

Doch Julia erinnert sich daran! Ja, sie glaubt sicher, ich hätte das damals alles nur aus stillem Protest gegen die Schule inszeniert! Muss sie ja, wenn sie davon ausgeht, dass ich mit George Clooney auf einer Bühne gestanden habe.

Plötzlich bleibe ich stehen. Das ist doch alles total abwegig! Das kann nur einer dieser Fieberträume sein. Vorgestern Nacht habe ich zum Beispiel geträumt, in Terminator V würde Karl Dall die Hauptrolle spielen. Und das auch noch überzeugend. Ich zwicke mich erneut.

Aua!

Zur Sicherheit reibe ich mir die Augen. An der Haustür steht Julia. In einem Minirock.

Nein, ich hab das alles nicht geträumt!

Die Haustürklingel bimmelt. Sofort springt Hilde Redlich aus dem Haus, als wohne sie in einer Kuckucksuhr. Siegfried steht hinter ihr, immer noch völlig aufgelöst.

Die Redlichs begrüßen sich und laufen in die Wohnung. Ich trotte hinterher, durch den Flur, das Wohnzimmer, über die Terrasse in den Garten.

Dann erst sehe ich es.

05

Mir geht’s prächtig Kate, die Sonne scheint mir aus dem Arsch!George Clooney als Seth Gecko in From Dusk Till Dawn

Völlig geschockt bleibe ich im Garten stehen. Was um alles in der Welt ist hier geschehen?

Das Loch im Rasen der Redlichs ist gerade mal so groß wie ein Fußball!

Ich will schon alle Anwesenden für verrückt erklären, als es mir wie Schuppen aus den Haaren fällt.

Hat Siegfried nicht etwas von Urnenbestattung gesagt? Klar, es soll ja geheim bleiben.

Aber wie wollen sie das bitteschön anstellen? Haben die Redlichs in ihrem Reihenhaus etwa ein Krematorium untergebracht? Ich schaue mich dezent um.

Warum steht dieser Gasgrill in der Ecke und qualmt?

Mit Blicken suche ich den Grill nach verräterischen Spuren ab, aber er sieht aus wie immer. Ich beschließe trotzdem, die Grillabende der Redlichs in Zukunft ausfallen zu lassen. Man kann ja nie wissen!

Die Trauergemeinde versammelt sich vor dem Loch im Gartenrasen. Ich blicke in die schweigende Runde, alle haben ihre Hände gefaltet. Ich mustere die Trauergäste ganz genau.

Nach drei Sekunden bin ich fertig und fange von vorn an. Nein, ich habe mich nicht getäuscht, außer Hilde, Siegfried und Julia ist niemand gekommen.

Der arme George! Es muss am Ende schlimm um ihn gestanden haben, wenn seine Hollywoodfreunde ihn in dieser bitteren Stunde im Stich lassen. Ich hebe gerade an, um mein Bedauern darüber ausdrücken, da fällt mir auf, dass es sich bei dem Schweigen der Redlichs um eine Gedenkminute handelt.

Also rufe ich mir zum Gedenken die schönsten Filmszenen von George Clooney aus Die Rückkehr der Killertomaten in Erinnerung. Ein toller Schauspieler! Wenn nur das mit den Drogen nicht gewesen wäre.

Plötzlich fällt mir noch ein zweiter Grund ein, weshalb das Loch so klein sein könnte. Man mag es kaum glauben, aber er ist trillionenfach plausibler als der erste. War ich gedanklich auf dem falschen Sonnendeck? Kann es sein, dass George Clooney gar nicht der ist, von dem ich dachte, er sei es? Oder denke ich nur, ich bin geistig wiederhergestellt und stecke in Wirklichkeit immer noch im Pharmarausch?

Wie auch immer, jetzt wo ich schon mal hier bin, kann ich das Ganze auch ordentlich zu Ende bringen.

Siegfried Redlich löst als Erster seine gefalteten Hände, räuspert sich und geht zum Gartentisch. Er nimmt einen Schuhkarton unter den Arm und tätschelt ihn mit einer solchen Ergriffenheit, dass ich endgültig beschließe, nichts mehr vom Gasgrill der Redlichs zu essen. Sie bewahren den Beizusetzenden doch tatsächlich in einem Schuhkarton von Tod’s auf! Finden die das etwa lustig?

»Die trägt Leonardo auch immer«, erklärt Julia und zeigt auf den Karton.

Leonardo? Welcher Leonardo? Etwa Leonardo DiCaprio?

Der arme George. Von einer herzlosen Familie gegen einen Milchbubi ausgetauscht und in einen Schuhkarton abgeschoben.

Oder auch nicht. Werde ich sicher gleich erfahren.

Siegfried Redlich bekreuzigt sich und lässt den Karton an zwei Bindfäden hinab in das Loch. Leise fange ich an zu schluchzen. Es ist meine erste Beerdigung, aber trotzdem, so viel Sentimentalität kenne ich überhaupt nicht von mir.

Schließlich kann ich die Tränen nicht mehr halten, krame ein Taschentuch aus der Hose und flenne wie eine alte Oma bei einer Hochzeit.

Moment? Hochzeit?

Ich schaue Julia an. Sie hat ihre Sonnenbrille aufgesetzt. Bestimmt weint sie darunter. Es ist ein hochemotionaler Moment, den wir hier teilen. Sie braucht dringend Trost. Und Ablenkung. Wenn ich es jetzt nicht tue, kommt mir bestimmt Leonardo zuvor.

Außerdem rät man Männern doch immer, sie sollten zu ihren Emotionen stehen.

Kurzentschlossen stürme ich auf Julia zu, gehe vor ihr in die Knie und nehme ihre Hand. »Julia!«, rufe ich mit immer noch tränenerstickter Stimme. »Willst du meine Frau werden?«

Ich schließe meine Augen, um den Moment zu genießen.

Nichts tut sich.

Die Sekunden verrinnen.

Als Nächstes höre ich Julia nach Luft schnappen.

Erste Zweifel regen sich in mir. Hätte ich vorher besser einen Ring besorgen sollen?

Vorsichtig linse ich in Julias Richtung. Ich kann nicht viel erkennen, außer, dass sie rot anläuft.

Vor Aufregung?

Ich öffne meine Augen ein wenig weiter.

»Du Idiot!«, bellt sie mich an. »Bist du immer noch sieben, oder was?« Ihr Blick ist giftig wie ein ausgelaufenes Atommüll-Endlager. »Du machst mir auf einer Beerdigung einen Heiratsantrag?«

»Es gab mal diesen Film«, rechtfertige ich mich. »Der war doch total romantisch. Vier Hochzeiten und ein Todesfall.«

»Hau ab!«

»Heißt das nein?«, frage ich. Dass Frauen aber auch nie direkt auf Fragen antworten können.

Julia dreht sich mit verschränkten Armen von mir weg. »Lieber leg ich mich neben George ins Grab!«

Ich will Julia gerade entgegenhalten, dass es in dem kleinen Loch ein wenig eng werden könnte, als sich Hilde einmischt. »Kinder!«, ruft sie. »Wir wollen uns doch jetzt nicht streiten!«

Wir schweigen, ich allerdings weniger wegen Hildes Worten, sondern wegen dem, was sie gerade in der Hand hält.

Einen Hamstercracker! Sie geht auf das Grab zu und wirft ihn hinein. »Den hast du ja so gerne gehabt!« Sie seufzt, schippt ein wenig Erde darüber und stellt sich neben mich.

Also doch! Jetzt ist mir alles klar!

Also wirklich, wirklich klar.

Ich stehe wieder auf und zwicke mich.

Komisch, es tut nicht weh. Aber warum schreit Hilde plötzlich »Aua!«? Ist das doch ein Fiebertraum?

Ich brauche endlich Gewissheit!

Ich stürze mich auf das Grab, reiße den Schuhkarton auf und blicke mit großen Augen hinein.

Tatsächlich, dort liegt George Clooney!

Der kleine, braune und ziemlich tote Hamster meiner Nachbarn!

06

Investiere in nichts, das frisst!Indische Weisheit

Irgendwie schaffe ich es, die Redlichs stehen zu lassen und in mein Reihenhaus zu flüchten. Wie kann man nur einen Hamster George Clooney nennen? Früher wurden Hamster Rudi, Karl oder Longislandicetea genannt. Heutzutage macht es anscheinend keiner mehr unter einem Superstar. Oder wenigstens einem Model. Jeden Tag sterben mindestens zwanzig Tyra Banks, vierzig Britney Spears und ein Waldemar Hartmann. Und Michael Jackson ist heute bestimmt schon tausendmal über den Jordan gemoonwalked. Der ist wenigstens schon tot, wenngleich strittig ist, ob nicht der Großteil seines Körpers schon vorher abgenibbelt ist.

Wieder in meiner Küche angekommen, stelle ich fest, dass sich noch andere Dinge den ›King of Pop‹ zum Vorbild nehmen und sich gerade davonmachen.

Zum Beispiel das Wasser aus meinem Geschirrspüler. Deswegen klang das Ding so selbstmordgefährdet!

Jetzt allerdings scheint es putzmunter und pumpt eifrig Spülwasser in meine Küche. Bakterienkulturen, Brotkrumen und Joghurtdeckel schwimmen darin, als sei meine Küche ein Freizeitbad. Ich stürze zu meinem Geschirrspüler und drücke den Aus-Knopf, der dank der Idee irgendeines minderbemittelten Kostendrückers gleichzeitig der Startknopf ist. Ich drücke und drücke, doch nichts tut sich.

Wenn mit Ruhe und Sanftmut nichts zu erreichen ist, kann nur noch eines helfen: rohe Gewalt!

Ich hämmere wie wild auf den Ausschaltknopf, springe hoch wie Bruce Lee und trete an das Bedienpanel. Der Geschirrspüler scheint das als Anfeuerung zu interpretieren und gibt jetzt richtig Gas. Es rumort in ihm, als habe jemand aus Versehen einen Schleudergang eingebaut. Mir bleiben nur zwei Möglichkeiten: Erstens, den Strom abstellen. Oder zweitens, den Hauptwasserhahn zudrehen. Oder mich in den Fluten ertränken, aber das ist schon Möglichkeit Nummer drei und deswegen sehe ich davon ab.

Ich stürze in die Diele und reiße den Sicherungskasten auf. Mindestens zehn verschiedene Sicherungen strahlen mich an. Als kürzlich ein Mixer von mir durchgedreht ist, hab ich mir vorgenommen, sie zu beschriften. Doch dann haben auf meiner internen Prioritätenliste andere Dinge mehr Aufmerksamkeit genossen: Den Highscore in Lemmings knacken oder die verlorenen DVDs von Lost wiederzufinden.

Das Wasser steigt indessen so schnell wie eine Aktie am neuen Markt. Vor dem Platzen der Dotcom-Blase. Es reicht schon bis an meine Knöchel. Ich muss dringend etwas tun! Ich zwicke mich zur Sicherheit noch mal, schreie auf und schreite zur Tat. Jetzt ist nicht die Zeit für Trial-and-Error und so schnippe ich alle zehn Sicherungen nach unten.

Plötzlich ist meine Wohnung von einer unglaublichen Ruhe erfüllt. Man könnte sie fast schon Stille nennen, wenn da nicht dieses klägliche Wimmern wäre.

Mein Wimmern.

Wie konnte ich ihn vergessen?

An meinen Knöcheln spüre ich, dass das Wasser immer noch steigt. Ich muss Prioritäten setzen. Genau wie ein Topmanager. Nur müssen die ihre Entscheidungen später nicht ausbaden und wenn doch, dann wartet schon ein goldener Fallschirm auf sie. Ich hingegen muss für jeden Fehler selbst geradestehen.

Kurzentschlossen rolle ich meine Hose über die Knie und wate zu meinem Geschirrspüler. Davor schwimmen mehrere Exemplare einer mir unbekannten Lebensform, die es sich auf einem Stück Toastbrot bequem gemacht haben. Ihre pelzigen Vertreter winken mir zu. Oder sie bedrohen mich. So genau ist das nicht zu erkennen, denn sie sind ziemlich klein. Wie auch immer, ich hab jetzt keine Zeit, mich um sie zu kümmern. Ob es Gott manchmal genauso geht?

Ich glaube schon, jedenfalls wenn er eine Einbauküche besitzt. Oder einen Geschirrspüler. Das Ding ist jetzt zwar ausgeschaltet, aber das Wasser hat davon anscheinend nichts mitbekommen und strömt einfach weiter.

Da kann nur noch der Hauptwasserhahn im Keller helfen!

Auf dem Weg dorthin muss ich durchs Wohnzimmer, öffne die Verbindungstür und das Wasser fließt hinein. Sofort will sich meine Vinylsammlung todesmutig in die Fluten stürzen. Ganz vornweg die Single Rivers of Babylon. Ich muss daran denken, wie viele Taschen voller Taschengeld ich als Teenager geopfert habe, um sie zu kaufen. Während andere an ihrem Moped oder der Nachbarstochter herumschraubten, trug ich mein Geld zu eBay und ersteigerte Single um Single von Boney M.

Leider ist das mal wieder eine extrem peinliche Band, aber eine unglaubliche Wertanlage. Hat mir zumindest mein damaliger Anlageberater erzählt, der selbst über eine stattliche Sammlung verfügte, die er mir dann verkaufte.

Ich schnappe mir die Platten und stelle sie in der Küche auf den Kühlschrank. Dort sind sie erst mal sicher.

Jetzt aber nichts wie ab in den Keller. Ich haste die Treppe hinunter und öffne den Hobbyraum. Wenn ich mich recht erinnere, befindet sich dort der Hauptwasserhahn. Was immer der im Hobbyraum zu suchen hat.

An der Stelle, wo ich den Hahn vermute, steht ein ausrangierter Kleiderschrank aus massiver Eiche. Obwohl ich kein Schwächling bin, gelingt es mir nicht, den Schrank von der Wand wegzuschieben. Das hat man davon, wenn man keine Wegwerfmöbel kauft. Vielleicht stammt das Gewicht des Schranks aber auch von den schätzungsweise tausend Lustigen Taschenbüchern