Meine Jugend in der DDR - Jürgen Brand - E-Book

Meine Jugend in der DDR E-Book

Jürgen Brand

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Beschreibung

Ab dem 14.Lebensjahr lernte ich bei der Deutschen Reichsbahn. Wir Zelteten am See und am Fluss.Erste Begegnungen mit Mädchen.Treffpunkte in Magdeburg.Anfangs eine schöne Zeit. Wegen einer Lappalie musste ich für 1 Jahr ins Gefängnis. Als ich später einen Ausreiseantrag stellte, wurde alles noch viel schlimmer, weil Spitzel,Stasi und erneute Verhaftungen mein Leben fast zerstörten.

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Druck und Verlag: epubli GmbH Berlin,www.epubli.de

Copyright© 2013 Jürgen Brand

ISBN 978-3-7375-0470-6

Jürgen Brand

Meine Jugend in der DDR

Autobiografische Erinnerungen

Epubli-Verlag

Meine Jugend in der DDR

1966 wurde ich als 14-jähriger bei der Deutschen Reichsbahn (DR) angestellt und hatte eine zweijährige Lehre vor mir.

Ich hatte zum Glück oft auf dem Bahnhof in Biederitz Dienst. Das war mein Lieblingsbahnhof.

Obwohl die Lehre erst im September angefangen hatte, bekamen wir Mitte Oktober schon zwei Wochen Herbstferien bzw. Ernteferien. Die Eisenbahn setzte uns Lehrlinge als Erntehelfer ein. Wir mussten Kartoffeln sammeln. Aber wir hatten das Glück, dass diese Arbeit zusätzlich bezahlt wurde. Auf einer sog. LPG (Landeswirtschaftliche Produktionsgenossenschaft; Zusammenschluss zur agrarwirtschaftlichen Produktion in sozialistischen Staaten) arbeiteten wir eine Woche lang von 8-14 Uhr. Wer wollte, konnte noch einmal eine Woche dranhängen. Das hätte mir allerdings zu sehr nach Schleimen ausgesehen. Doch ohnehin war ich von der ganzen ungewohnten Arbeit im Bücken geschafft.

So weit ich mich erinnern kann, bekam ich für die Woche über 100 Mark ausgezahlt. Das war schon was, denn das Lehrlingsgeld betrug im Monat nur 80 Mark. Wir Erntehelfer sahen aber auch dreckig aus, denn der aufgeweichte Ackerboden klebte an unseren Schuhen. Oft wurden wir vom Regen durchnässt und kämpften mit uns und den Kartoffeln, um die Ernte einzubringen.

Natürlich gab es auch Kartoffelerntemaschinen, aber deren Anzahl war sehr begrenzt und sie waren mitunter reparaturbedürftig. Außerdem gab es doch uns, und wir waren viele. Denn auch andere Klassen von Eisenbahnehrlingen und Auszubildende verschiedener Berufe aus anderen Betrieben halfen ebenso wie wir immer mit bei der Ernte. Sonst wäre man auch nie rechtzeitig fertig geworden und der DDR-Plan wäre nicht erfüllt worden.

Gut versorgt wurden wir auf alle Fälle mit Speis und Trank. Akkordarbeit war es auch nicht. Kurz gesagt: Den Arsch aufreißen musste man sich nicht beim Kartoffelsammeln. Jeder volle Korb wurde gezählt, wofür wir dann eine Marke bekamen. Wer am meisten Marken hatte, kriegte auch mehr Geld.

Es war Ende Oktober 1966, als ich kurzfristig nach Alte-Neustadt in ein Schrankenwärterhäuschen versetzt wurde. Anfangs schaute ich beim Dienst zu. Bevor ein Zug die Schranke passierte, wurde dort vom Stellwerk angerufen, um darüber zu informieren, dass in zwei Minuten ein Zug vorbeifahren würde. Dann wurden schnell per Hand die Schranken herunter gekurbelt. Anschließend musste ich oder der Schrankenwärter sich davon überzeugen, dass alles korrekt abgelaufen war und kein Fußgänger mehr die Gleise überquerte. Anschließend wurde wieder bei der vorgesetzten Stelle angerufen und mitgeteilt, dass die Schranke ordnungsgemäß unten war. Erst dann bekam der herannahende Zug grünes Licht angezeigt.

Schrankenwärter gab es bei der Eisenbahn damals noch viele. Elektrische Schranken gab es zwar auch, aber oft funktionierten die nicht so, wie man sich das wünschte. Ganz in der Nähe des Schrankenwärterhäuschens in Alte-Neustadt waren die Kaffeerösterei und einige andere Geschäfte. Wenn ich Pause hatte, ging ich dort öfter mal was kaufen. Einige Mädchen, die in der Nähe wohnten und vielleicht 13-15 Jahre alt waren, flirteten mit mir. Sie hatten mir auch schon beim Vorübergehen an der Schranke zugelächelt. Ich hoffte, dass sie mich nicht nur wegen der Uniform anlächelten.

Im Schrankenwärterdienst gefiel es mir. Ein Traumjob, um dort mal nach der Lehre zu arbeiten, war es allerdings vom Verdienst her nicht. Etwa 400 Mark im Monat, das war doch wenig.

Der Ofen im Schrankenwärterhäuschen wurde mit Kohle beheizt und dafür war ich auch zuständig. Im Winter durfte er nie ausgehen, weil es die Kollegen auch warm haben wollten. Die Schranke war in drei Schichten besetzt. Ich machte aber nur Früh- und Spätdienst, denn mit 14 Jahren konnte ich noch keine Nachtschicht machen.

Als es dann bald Winter war, musste ich den Schrankenüberweg streuen oder den Schnee vom Fußgängerweg beseitigen. Außerhalb des Häuschens war ein Kohlekeller und von dort holte ich pro Schicht etwa 4 Eimer Kohle zum Heizen des Ofens.

Noch war es für mich ungewohnt, immer die Eisenbahnuniform zu tragen. Die Arbeit machte mir aber Spaß. Weil der Bahnhof etwas abseits lag, fuhr ich meistens mit der Straßenbahn zum Dienst.

In Biederitz hatte ich ein paar Mädchen getroffen, die mir gefielen. Deshalb ärgerte ich mich, dass ich nicht mehr dort, sondern in Magdeburg Alte-Neustadt war.

„Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, sagte mir ein anderer Lehrling aus unserer Lehrlingsklasse wegen der Umbesetzung. Einmal in der Woche hatten wir aber in Biederitz bei unserem Lehrmeister praktischen Unterricht.

Nach einigen Stunden Unterricht in Biederitz lief die ganze Klasse von dort zu Fuß nach Magdeburg-Herrenkrug. Der Grund war unter anderem, dass unser Lehrmeister uns besser kennenlernen wollte. Wir nahmen eine Abkürzung durch den Wald und waren bald beim Herrenkrug. Nach etwa zwei Stunden hatten wir die 5 km geschafft. Wir waren gemütlich gegangen in unserer schmucken Reichsbahnuniform und mit unseren Schultaschen.

Als wir an der Straßenbahnendstelle Herrenkrug in der Bahn saßen und auf die Abfahrt warteten, gab es plötzlich einen Ruck und die Straßenbahn bewegte sich etwas. Was war passiert? Ein Lehrling von uns, Klaus-Dieter G., hatte einfach beim Fahrer die Bremse gelöst und wollte mal zeigen, dass er Straßenbahn fahren kann. Unser Lehrmeister war sauer und es war ihm peinlich, dass ein Lehrling die Frechheit besaß, so etwas zu tun, während wir auf die Abfahrt warteten. Klaus-Dieter redete sich heraus und sagte, dass der Fahrer es ihm erlaubt hätte und er sich damit auskennen würde.

Uns war das alles nicht begreifbar. Etwa 20 Eisenbahner-Lehrlinge in Uniform sitzen in der Straßenbahn und einer von uns erlaubt sich die Frechheit, ins Führerhaus des Straßenbahnfahrers zu steigen, um die Bahn in Gang zu kriegen. Wegen dieser Sache bekam Klaus-Dieter später einen strengen Verweis.

Als ich die Story zu Hause erzählte, schüttelte man mit dem Kopf. „Ihr saßt als Fahrgäste in der Bahn und der Typ fährt einfach ein paar Meter mit der Straßenbahn los? Und warum?“

„Das weiß ich doch nicht“, meinte ich dazu.

Einmal in der Woche mussten wir auch zur Betriebsberufsschule nach Magdeburg-Salbke. Dort hatten wir die ganzen theoretischen Schulfächer und weitere, die mit der Eisenbahnausbildung zu tun hatten.

Mittlerweile war ich Mitglied bei der FDJ (Freie Deutsche Jugend), dem FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) und der DSF (Deutsch-Sowjetische-Freundschaft).

Die jüngsten Auszubildenden waren wie ich 14 Jahre alt und die ältesten 19 Jahre. In der Pause standen die Älteren vor der Schule und rauchten in der Raucherecke. Einige aus unserer Klasse gesellten sich dazu und qualmten auch. Das gab dann Ärger, denn wir waren erst 14-15 Jahre alt. Daher war es uns verboten. Weil sich aber so mancher schon erwachsen genug fand, um selbst zu entscheiden, was er durfte und was nicht, richteten sich ein paar von uns nicht danach, was unser Klassenlehrer sich verbat.

„Wenn ihr in der Pause das Schulgelände verlasst, dann eine qualmt und anschließend wieder in die Klasse kommt, will ich nichts dagegen sagen“, meinte der Direktor. So war ein Kompromiss gefunden. Ich selbst rauchte auch seit dem 14.Lebensjahr. Jubilar, eine DDR-Zigarette ohne Filter. Die 10er-Packung kostete 1 Mark.

Sport hatten wir auf der Berufsschule auch. Unser Sportlehrer war ein harter Hund. „Bewegt euch, ihr Flaschen“, schrie er uns manchmal an. „Ihr braucht Disziplin und Kondition für euren späteren Beruf“, meinte er öfters.

Der ein oder andere von uns war steif und unsportlich, aber viel änderte sich auch nicht daran, wenn der Sportlehrer einen so runterputzte.

Des Öfteren wurde aus der Schulstunde eine Besichtigung bei verschiedenen Stellwerken oder anderen Bahnhofsdienststellen. Der Lehrer ging dann voran und wir als Hühnerhaufen hinterher. Mal fuhren wir mit der Straßenbahn oder mit der Eisenbahn dorthin und sahen uns die Anlagen um Magdeburg herum an. Über die Eindrücke, die wir dort gesammelt hatten, mussten wir immer in der darauffolgenden Woche einen Aufsatz schreiben.

Kurz vor Silvester versuchte ich, in Uniform Knallkörper zu kaufen. Es klappte nicht, denn die Verkäufer verlangten trotzdem einen Ausweis. Und da ich noch keine 18 Jahre alt war, bekam ich auch keine Knaller. Die Leute, die das mitbekamen, grinsten sich einen aus Schadenfreude. Das war mir peinlich.

Als Eisenbahner konnte ich nicht mehr so wie früher auf der Straße herumstrolchen, denn durch meine zweijährige Lehre hatte ich nun Verpflichtungen. Abwechslungsreich war es bei der DR aber allemal. Da ich selbst nicht mal die achte Klasse beendet hatte, war ich in einer Klasse gelandet, wo einige geistig etwas zurückgebliebene waren.

Meine Schwester Ramona, die inzwischen 5 Jahre alt war, würde nächstes Jahr in die Schule kommen. Sie freute sich schon darauf.

Meine Mutter arbeitete seit 1964 auch bei der Eisenbahn und so waren meine Mutter und ich Kollegen. Aber wir waren in ganz unterschiedlichen Bereichen beschäftigt.

Wenn auch manche der anderen Kollegen aus meiner Ausbildungsklasse die Uniform nicht so gerne trugen, mir gefiel es.

Manchmal, wenn ich selbst auf den Zug zur Arbeit wartete, wurde ich allerdings gefragt: „Wann kommt denn endlich der Zug? Immer das Gleiche mit der Unpünktlichkeit der Deutschen Reichsbahn! Warum kommt der Zug nicht? Wer zahlt mir das, wenn ich wieder zu spät zur Arbeit komme?“ Anfangs sagte ich dem ein oder anderen Reisenden: „Ich bin weder der Lokführer, der Bahnhofsvorsteher, Zugführer oder sonst ein Verantwortlicher. Ich bin nur Lehrling.“ Damit ich den Frust der Leute nicht immer abbekam, sagte ich: „Gehen Sie dort zur Aufsicht, der kennt sich aus.“ Oder ich stellte mich erst gar nicht so sichtbar hin, dass man mich ansprechen konnte. Ich ärgerte mich auch über die Verspätung der Züge, genau wie die anderen Fahrgäste. Ich konnte doch nichts dafür, aber wenn man einen uniformierten Eisenbahner sah, dann ließ man anscheinend seinen Frust an ihm ab.

Das war in meinen Augen genauso, als würde man im Geschäft die Verkäuferin dafür verantwortlich machen, dass der Laden viele Dinge nicht im Angebot hat.

In der Vorweihnachtszeit ging ich mit einem Kollegen auf den Weihnachtsmarkt, der wie immer auf dem Marktplatz stattfand. Ich hatte den dicken Uniformwintermantel und die Pelzmütze der Reichsbahn an. Es war ja auch arschkalt dort. Da mein Kollege Wolfgang Carsten älter aussah als ich, ging er zum Glühweinstand und holte für uns zwei Gläser. Um Glühwein zu bekommen, musste man eigentlich 18 Jahre alt sein. Als ich beim Pyramidenschießen alle Stahlbolzen herunterschoss, bekam ich aber den Wein als Gewinn.

Wolfgang machte einige Mädchen an. Ich war aber noch zu unerfahren und zu schüchtern, um gleich diese Mädchen zu umarmen und zu küssen. Dass ich aber auch das ein oder andere Mädchen kriegen konnte, reichte mir erst mal als Bestätigung.

1967

Wie immer fing der Januar so an, wie der Winter des vergangenen Jahres aufgehört hatte – frostig und schneereich. Die Goldmarie schüttelte kräftig die Betten.

Ich fragte einen Lehrling, der nicht gern auf dem Ausbildungsbahnhof Biederritz arbeiten wollte, ob wir tauschen wollten. Er war damit einverstanden. Aber so einfach war es leider nicht, denn erst musste der Ausbildungsmeister zustimmen. Beim nächsten Unterricht fragte ich ihn danach. „Ich überlege mir das in Ruhe“, erwiderte er und fragte auch nach den Gründen für unseren Wunsch.

So machte ich erst mal noch weiter Dienst bei der Schranke. Morgens legte ich dem Diensthabenden Beamten mein Dienstauftragsbuch vor, wo er meinen Dienstbeginn unterschreiben musste. Meistens unterschrieb er aber direkt in den Spalten Dienstanfang und Dienstende. So blieb mir erspart, kurz vor Feierabend das Buch noch einmal vorlegen zu müssen. Manchmal sagte ich dort, dass ich weg müsse, oder ein anderer Kollege holte mich aus einem angeblich wichtigen Grund ab. Wir sagten, dass wir zu einer anderen Stelle müssten, und da ich ja die Unterschrift für 8 Stunden schon hatte, sind wir Gammeln gegangen.

Dann musste ich einen Monat lang zur Gepäckaufbewahrungsstelle auf den Magdeburger Hauptbahnhof. Doch ich durfte dort nicht selbstständig arbeiten, sondern meist nur zugucken oder mal ein paar Handreichungen durchführen. Das war natürlich langweilig. Zum Glück konnten wir aber auf den Bahnhofsgelände herumlaufen und mussten nicht ständig am Schalter der Gepäckaufbewahrungsstelle sitzen. Ein Bein ausreißen mussten wir Lehrlinge uns noch weniger, als die festangestellten Beamten. Wenn wir in die Reichsbahnkantine gingen und erst nach einer Stunde wieder am Arbeitsplatz erschienen, juckte das keinen. In der Kantine konnten wir als Eisenbahner für 60 Pfennig Mittagessen und durften uns auch einen kostenlosen Nachschlag holen. Ableuchten, ob wir hübsche Mädchen am Tisch sahen, war angesagt.

Bürger, die nicht bei der Reichsbahn beschäftigt waren, konnten in der Kantine ebenfalls Essen kommen, bezahlten dann aber 90 Pfennig, so weit ich mich erinnern kann. Das Essen war sehr gut. Einige kamen sogar mit einem Topf und ließen sich für zu Hause Essen mitgeben. Billiger als für 60-90 Pfennig konnte keiner zu Hause kochen. Noch dazu mit Kompott. Es lohnte sich besonders am Wochenende, denn dann gab es Hähnchen, Schnitzel oder Rouladen. Wenn ich Zeit hatte, dann ging oder fuhr ich dort mittags hin zum Essen. Als Lehrling hatte ich einen Freibrief und anders als die ausgelernten Eisenbahner nicht so viel Verantwortung. Wir waren mal hier, mal da ein paar Wochen im Einsatz und dann im Wechsel bei einem ganz anderen Bahnhof im Raum Magdeburg.

Mit zweien aus der Lehrlingsklasse verstand ich mich gut: mit Wolfgang Carsten und mit Wilfried. Mit der POS (Polytechnische Oberschule; allgemeinbildende Schule in der DDR) hatte ich nun nichts mehr zu tun, weil ich aus der Schule raus war. Und die Schulkameraden sah ich so eben kaum noch. In meiner Freizeit las ich Bücher (ich war nun Mitglied in der Erwachsenenbücherei und das Angebot der auszuleihenden Bücher war groß), schoss mit dem Luftgewehr oder fuhr kostenlos mit der Eisenbahn in der Gegend herum. Im Umkreis von 50 km konnte ich alle mit der Eisenbahn verbundenen Orte anfahren. Wenn ich nach Berlin, Leipzig oder Erfurt wollte, standen mir für diese Ziele 3 kostenlose Fahrkarten pro Jahr zu.

Damals gab es noch ausgebombte Häuser aus dem Zweiten Weltkrieg. In diesen Ruinen spielte man als Kind oder Jugendlicher. Eigentlich sollten diese Ruinen schon längst abgerissen sein und neue Häuser an ihrer Stelle stehen. Doch leider kam man nicht in die Pötte damit. Planwirtschaft! Viele Pläne standen zwar auf Papier, wurden aber zu langsam umgesetzt. Für uns Jugendliche jedoch war das gut, denn so konnten wir uns in etlichen Ruinen mit anderen Jungs oder Mädchen treffen – zum Versteckspiel, Karten spielen, Party machen, Rumalbern oder zum Knutschen. Früher spielte sich die Freizeit der Kinder und Jugendlichen viel mehr im Freien auf den Straßen und Plätzen ab. Klar, es gab weder Computer, Spielekonsolen, Handys, noch anderen technischen Schnickschnack, um deshalb in der Wohnung zu bleiben.

Obwohl ich nun Lehrlingsgeld bekam, war mein Geld immer schnell alle. Dann war für mich Flaschensammeln angesagt. Allein oder mit einem Kumpel suchte ich mir eine bestimmte Straße in unserem Viertel aus und dann ging es los, um bei den Hausbewohnern zu klingeln. „Haben Sie Flaschen oder Gläser? Altpapier oder Schrott nehmen wir auch“, sagten wir immer. Hemmungen zu fragen, waren nicht mehr vorhanden, denn ich sammelte Flaschen, usw., seitdem ich etwa acht Jahre alt war. Im Großen und Ganzen war auf diese Art und Weise am schnellsten Geld zu verdienen. Die Sachen konnte man bei Sammelstellen abgeben.

Oder ich beteiligte mich, wenn Eisenbahner bei starkem Frost die Weichen auftauten bzw. nach starkem Schneefall an Bahnhöfen den Schnee wegräumten. Das bekamen wir immer extra bezahlt. Zwar nicht viel, aber wir machten einen guten Dienst für die Allgemeinheit.