Meine Lebenslinie - Rolf W. Grossen - E-Book

Meine Lebenslinie E-Book

Rolf W. Grossen

4,3

Beschreibung

"Meine Lebenslinie" ist eine Bahnfahrt durchs Leben von Rolf Walter G. Das Leben wird als eine ganz banale Bahnreise beschrieben. Dabei ist die Route vorgegeben, aber keiner weiss, wohin sie führt. Es steigen immer mehr und mehr Passagiere in den Zug ein und begleiten Rolf Walter G auf seiner Reise. Andererseits werden natürlich auch immer wieder Mitreisende aus dem Zug genommen. Wohin die Reise geht, weiss niemand ausser dem Lokomotivführer. Aber der ist für die Fahrgäste unerreichbar und sehr verschwiegen. Beim Lesen des Buches wirst Du feststellen: Auch Du hast Deine eigene Lebenslinie.... Finde sie heraus. Es wird sich in jedem Fall lohnen!

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Ich weiss nicht wohin der Weg führt, aber ich weiss, dass es MEIN Weg ist!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Alles begann in der 3. Klasse

Meine Familie

Lernen, auf eigenen Füssen zu stehen

Die Schulzeit

Bitte aussteigen!

Und plötzlich Halbwaise

Auch Lehrer können Feiglinge sein

KESB hatte damals noch keinen Namen

Selbsthilfe

Teenager- und Jugendjahre

Mein Lehrmeister

Wo «echte Männer» gemacht werden

Das Abenteuer Leben konnte nun beginnen

Das Abenteuer Leben konnte nun beginnen

Für alle gibt es nur einen einzigen Lokomotivführer

Der Wunsch nach eigener Familie

Berufliche Veränderung war angesagt

Jetzt ging es aufwärts

Kinder wurden flügge

Der grosse Tiefschlag

Jetzt bin ich Rentner

Vorwort

Am Anfang war eigentlich nur das Thema klar: «Meine Lebenslinie». Die Geschichte dazu fehlte noch. Geplant war ein etwas philosophisch angehauchter Aufsatz. Es sollte eine Mischung aus Amateur-Philosophie und Hobby-Psychologie werden. Schon nach ein paar Sätzen war für mich aber klar: ohne gewisse biografische Züge geht das nicht.

Also begann ich über mein bisheriges Leben nachzudenken... Was dann entstanden ist? Ich erzähle von einer wunderbaren, lebhaftigen Bahnfahrt. In meinem eigenen Zug. Auf meiner ganz persönlichen Lebens-Linie. Bei der während der Reise stetig neue Passagiere zusteigen und dementsprechend auch immer wieder zusätzliche Wagen angehängt werden müssen.

Dieser – mein Zug – könnte auch Dein Zug sein. Nur auf einem völlig anderen Gleis. Nämlich auf Deinem ganz persönlichen. Es geht in eine andere Richtung. Deine für Dich vorgesehene Richtung. Denn ich bin überzeugt, jeder Mensch hat eine für sich eigens vorgegebene Lebens-Linie. Und das ist gut so...

Vielleicht findest Du – dank diesem Buch – zu Deiner ganz persönlichen Bahnfahrt. Finde es heraus – es wird sich in jedem Fall lohnen.

Rolf Walter G

Alles begann in der 3. Klasse

Stell dir vor, du kommst auf die Welt und landest direkt in einem Zug. Einem fahrenden Personenzug. Als einer von vielen Passagieren. Sämtliche Weichen für deine Lebensreise sind bereits gestellt. Die Lokomotive fährt ihren vorgegebenen Kurs. Niemand kennt das Ziel, keiner weiss wohin die Reise geht. Auch nicht wie lange die Fahrt dauern wird. Ausser dem, der diesen Zug hinter sich her zieht und die Lokomotive pilotiert. Du kannst dir nicht einmal die Gesellschafts-Klasse aussuchen, in der du auf deine Lebensreise geschickt wirst. Du wirst einfach hinein geboren. Ich denke, all das muss so sein...

In meinem Fall war es einen Monat nach Beendigung des 2. Weltkrieges. Man nannte die zu dieser Zeit geborenen Kinder auch «Friedenskinder». Ein Platz für mich war schon reserviert. Ich war keine Überraschung. Ich gehe davon aus, dass man mich bereits freudig erwartete. Jedenfalls waren alle auf meinen Einstieg in den «Zug meines Lebens» vorbereitet.

Bestimmung für mich war die unterste Klasse. Ich erblickte also das Licht der Welt in einem 3.-Klasse-Wagen der Schweizerischen Bundesbahnen. Man nannte diese Klasse auch die «Holzklasse». Grund dafür waren die harten, ungepolsterten Sitzgelegenheiten aus Holz. Diese gab es damals in den Nachkriegsjahren noch. Die «Erste Klasse» war ausschliesslich den Privilegierten vorbehalten, in der«Zweiten» installierte sich der Mittelstand, der damals so langsam am aufgekommen war. Und dann eben blieb noch die «Dritte Klasse» für die unterprivilegierte Arbeiterschaft, die Proletarier. Das war nichts Schlimmes. Diese waren schliesslich ja auch in der Überzahl. Niemand störte das. Es war einfach so. Man musste sich deswegen auch nicht schämen. Es ging genau so schnell vorwärts wie in den «besseren» Klassen. Niemand machte sich in der untersten Klasse Gedanken über die Menschen in den oberen Klassen. Egoismus und Neid waren noch nicht so ausgeprägt wie heute. Denn die «Dritte» war für den überwiegenden Teil der Leute das, was man sich noch so knapp leisten konnte. Aber eben: 3. Klasse. Kein Komfort, Bretter unter dem Hintern. Du spürtest jede Naht der zusammengeschweissten Schienen, jede überfahrene Weiche hob dich von den Bänken. Und dann diese harten Sitzunterlagen, der fehlende Sauerstoff und die stinkende Luft. Zu dieser Zeit gab es noch Raucher- und Nichtraucher-Wagen. Die Wagen der paffenden Mitreisenden waren immer besser besetzt als die der Nichtraucher. Rauchen gehörte damals noch zum Erwachsensein. Jedenfalls in der 3. Klasse. Auf den Zigarettenpackungen standen noch keine Warnungen vor Gesundheitsschäden, und dass Rauchen tödlich sein könnte. Rauchen erkannte man nicht als Sucht, sondern vielmehr einfach als pures Vergnügen und Genuss. Man hatte sonst ja nicht viel, worüber man sich wirklich freuen konnte. Und trotzdem, oder vielleicht deswegen, schienen die Leute zufrieden zu sein.

Meine Familie

Ich fühlte mich sofort pudelwohl und gut aufgehoben in meinem zugewiesenen Viererabteil. Mein Vater und meine Mutter waren schon seit ein paar Jahren auf diesen harten Bänken unterwegs. Es waren schliesslich die Krisen- und Kriegsjahre vorangegangen. Eine Veränderung war für sie nicht wirklich geplant. Bescheidenheit und Demut waren zu dieser Zeit angesagt. Die arbeitende Bevölkerung war zufrieden und halbwegs glücklich mit dem was sie hatte. Und sie hatte wirklich nicht viel. Doch es gab wenigstens wieder Perspektiven und Hoffnung in die Zukunft. Dennoch dachte kein Mensch daran, auf Wohneigentum hin zu arbeiten und dafür zu sparen. Eigentumswohnungen gab es zu dieser Zeit überhaupt noch nicht. Man lebte von der Hand in den Mund. Hungern musste aber schon lange niemand mehr.

Zwei Jahre vor meinem Einstieg in diesen Zug war schon mein Bruder zugestiegen. Drei Jahre nach mir gesellte sich noch meine Schwester dazu. Das war dann aber auch genug. Drei Kinder waren so das, was man sich als Arbeiterfamilie in der Stadt noch gerade leisten konnte und wollte.

Meine Grossmütter hatten den Zug bereits lange vor meiner Geburt in unbekannte Richtung verlassen. Leider durfte ich die beiden nie kennen lernen. Mit dem Vater meines Vaters hatte ich nur noch ganz kurz vor seinem Verlassen meines Zuges Kontakt. Er wurde mir – ich war ein etwa dreijähriges Büblein – in einer Holzkiste, in ein weisses Nachthemd gekleidet, ruhig schlafend, als mein soeben verstorbener Grossvater präsentiert. Alle waren sehr traurig. Ich nicht. Für mich war es ein schönes Bild. Denn was ich sah war ein lieber, friedlicher alter Mann, der in Blumen gebettet einfach nur so vor sich hin döste.

Der Vater meiner Mutter hingegen war zwar auch im gleichen Zug unterwegs, aber in einem andern Wagen. Ziemlich weit weg von dem meinigen. Sowohl physisch wie auch psychisch. Er besuchte einige wenige Male unseren Wagen und kam sogar in unser Abteil. Aber jeweils nur für zwei, höchstens drei Tage. Ich war etwa vier Jahre alt, als auch er nicht mehr erschien. Ich nahm an, dass er den Zug irgendwo unterwegs verlassen hatte. Ich realisierte dieses auch «scheinbar traurige» Ereignis damals noch nicht so richtig. Und ich machte mir eigentlich auch nicht viele Gedanken über sein Wegbleiben. Denn wie gesagt, er befand sich ja in einem anderen, weit von uns entfernten Wagen.

Lernen, auf eigenen Füssen zu stehen

Mit der Zeit hatte ich gelernt auf den eigenen Füssen zu stehen und mich selbständig fort zu bewegen. Ich fing an, mich für mein weiteres Umfeld zu interessieren. Die Neugierde trieb mich aus meinem Viererabteil hinaus. Ich wollte erfahren, wer und was sich sonst noch so in meinem Umfeld aufhielt.

Ich stellte schon bald fest, dass es sich bei allen Passagieren in meinem Familienwagen ausschliesslich um Blutsverwandte meiner Eltern handelte. Alles Brüder und Schwestern von Vater und Mutter. Eigentlich so etwas wie meine erweiterte Familie. Da sassen alles Leute, die ich mir nicht ausgesucht oder gar zu mir eingeladen hatte. Die waren einfach schon vor mir da. Und es wurden auch immer wieder neue Cousins und Cousinen dazu geboren. Die wurden mir irgendwie zugelost. Ich hatte sehr schnell gemerkt, dass all diese Menschen selbständige Individuen waren. Jeder hatte seinen eigenen Charakter. Seine für ihn bestimmten Stärken und auch Schwächen. Es fiel mir auf, dass es sich jeweils um kleinere und grössere Menschengruppen handelte, die zusammen gehörten. Es waren alles Familien wie die meine. Wobei nicht zu übersehen war, dass die grösseren Gruppierungen ausschliesslich der Grossfamilie meiner Mutter angehörten. Sie stammte ursprünglich vom Lande, genauer gesagt aus dem luzernischen Entlebuch. Einer sehr streng katholischen Gegend, wo Grossfamilien noch ein Zeichen von gelebter Frömmigkeit waren. Meistens so acht bis zehn Kinder. Das war in etwa so das, was der Dorfpfarrer sehen wollte. Übrigens war die Familie meiner Mutter protestantisch und so etwas wie religiöse Immigranten. Religionskonflikte waren schon damals angesagt. Glaubenskriege und religiöses Mobbing waren an der Tagesordnung. – Die Verwandten meines Vaters hingegen bestanden vorwiegend aus kleineren Gruppen. Keine dieser Familien hatte mehr als drei Kinder. Das war damals fast die Norm für eine Familie in einem urbanen Umfeld.