Mentira 2: Stadt der Verstoßenen - Christina Hiemer - E-Book

Mentira 2: Stadt der Verstoßenen E-Book

Christina Hiemer

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Beschreibung

**In einer Welt, in der Lüge regiert, wird die Wahrheit zur Bedrohung** In der Schattenstadt, in der die Lüge allgegenwärtig ist, weiß Melia schon lange nicht mehr zu sagen, wer Freund und wer Feind ist. Der faszinierende Jaron hat zwar durch seinen Verrat ihr Vertrauen schwer erschüttert, doch erweist er sich plötzlich als Retter in höchster Not. Zugleich erwachen in Melia unheimliche Kräfte, die sie weder erklären noch kontrollieren kann. Um herauszufinden, welche düsteren Mächte ihre Welt in den Abgrund zu reißen drohen, müssen Melia und Jaron den gefährlichen Weg in die Stadt der Verstoßenen auf sich nehmen …   Die Fortsetzung des gefeierten Debütromans Lass dich von Christina Hiemer in eine magische Welt entführen, in der Wahrheit und Lüge um die Vorherrschaft ringen. Eine bildgewaltige Fantasy-Serie über Liebe, Verrat und Mut. Leserstimmen: »Für mich ein absoluter Geheimtipp.« »Eine grandiose Idee.« »Einfach ein Must-Read.« Textauszug: »Sie hatte ein gutes Herz, das konnte ich spüren. Es war nur, wie so vieles in unserer Welt, von tiefen Schatten durchzogen, die es in einem falschen Takt schlagen ließen. Sie brauchte einfach Zeit, um wieder Licht in ihr Innerstes zu lassen. So wie wir anderen auch.« //Alle Bände der magisch-düsteren Fantasy-Liebesgeschichte: -- Mentira 1: Stadt der Lügen -- Mentira 2: Stadt der Verstoßenen// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Christina Hiemer

Mentira 2: Stadt der Verstoßenen

**In einer Welt, in der Lüge regiert, wird die Wahrheit zur Bedrohung**In der Schattenstadt, in der die Lüge allgegenwärtig ist, weiß Melia schon lange nicht mehr zu sagen, wer Freund und wer Feind ist. Der faszinierende Jaron hat zwar durch seinen Verrat ihr Vertrauen schwer erschüttert, doch erweist er sich plötzlich als Retter in höchster Not. Zugleich erwachen in Melia unheimliche Kräfte, die sie weder erklären noch kontrollieren kann. Um herauszufinden, welche düsteren Mächte ihre Welt in den Abgrund zu reißen drohen, müssen Melia und Jaron den gefährlichen Weg in die Stadt der Verstoßenen auf sich nehmen …

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Vita

Danksagung

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© privat

Christina Hiemer lebt im schönen Nordrhein-Westfalen und studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld. Die Liebe zu Büchern begleitet sie bereits seit ihrer Kindheit. Doch als kleiner schriftstellerischer Spätzünder begann sie erst im Alter von 23 Jahren selbst mit dem Schreiben und kann seitdem auch nicht mehr damit aufhören.

Für alle, die glauben,

sie hätten ihren Mut verloren.

Glaubt an euch,

denn Mut hat viele Gesichter.

Prolog

Melia

Tag 8: 2352

Seit der Explosion in Sombra träume ich schlecht. Es sind dunkle Träume, die sich wie ein dicker Schleier über meine Haut legen, mein Innerstes verschlingen und mich sogar bei Tag noch verfolgen. Sie kleben an mir wie eine zweite Haut. Ich sehe Kilians schmerzverzerrtes Gesicht, wie es in einer dunklen Nebelwolke verschwindet. Die Ungewissheit, wie es ihm geht, ob er überhaupt noch lebt, ist grauenvoll.

Die Fremden mit den gruseligen Augen sind mir gegenüber sehr distanziert. Diese Ruby beobachtet mich mit ihrem wachsamen eigenartigen Blick, den ich nicht wirklich deuten kann. Egal wie sehr sie versucht ihr Misstrauen unter ihrer sturen Fassade zu verstecken, ich spüre ihre Ablehnung. Ihre Zweifel. Ihre Wut. Jaron hat mir erzählt, dass sie Crane geliebt hat. Den jungen Mann, der diese Hölle im Turm überhaupt erst losgetreten hat. Hätte er das Auge nicht berührt, dann …

Na ja, ich weiß nicht, was passiert wäre. Was ich weiß, ist, dass ich es ebenfalls berührt habe. Es war nur flüchtig, aber ich konnte die Dunkelheit spüren. Und als es dann zersprang, fühlte es sich an, als würde ich innerlich verbrennen.

Crane starb, weil er laut Ascan nicht würdig war, das Auge zu berühren. Ich hingegen bin nach wie vor noch am Leben. Jaron und ich – wir beide leben. Das zu realisieren hat einige Tage gedauert. Während ich dieses fleckige Notizbuch mit meinen Gedanken fülle, schnarcht er leise im Schlafsack neben mir. Wir haben noch nicht wirklich über den Vorfall im Turm geredet. Aber er hat sich immer und immer wieder für seinen Verrat entschuldigt. Er wollte mich nicht an Kilian ausliefern, aber mein Bruder ließ ihm einfach keine andere Wahl. Die Art, wie er mich dabei ansah, hat etwas in mir bewegt, wovon ich nicht einmal wusste, dass es überhaupt existiert hat.

Die Rebellen lassen mich noch immer keine Wache allein führen. Seit wir aufgebrochen sind, schlafen wir in eingeteilten Schichten, aber während die anderen allein Wache halten, hat Ruby mir diesen bulligen Typ aufs Auge gedrückt. Er schaut mich fast ununterbrochen grimmig an und lässt mich keine Sekunde lang aus dem Blick. Selbst jetzt starrt er mich an.

Laut Ruby sind wir nicht mehr allzu weit von der Stadt entfernt, und wenn ich mich so umsehe, kann ich das nur bestätigen. Es ist gruselig hier. Die Nächte sind eiskalt, während die Sonne am Tag so gnadenlos auf uns herabscheint, dass wir immer wieder längere Pausen machen müssen, weil die Pferde die Hitze nicht ertragen und die Haut von Ruby und Dom die Sonnenstrahlung nicht verträgt. Sie würde das zwar nie zugeben, aber ich habe die roten Flecken auf ihren Armen gesehen. Es ist mir unerklärlich, wie man hier leben kann. Auch wenn ich es nicht gerne zugebe, aber ich kann verstehen, wieso sie sich an jeden Grashalm geklammert haben. Sie haben wirklich geglaubt, das Auge könnte ihre Heimat retten. Die Menschen, die sie lieben, am Leben halten.

Letzte Nacht habe ich erneut eigenartige Schreie und Stimmen gehört. Sie rissen mich aus dem unruhigen Schlaf. Als ich mich aufsetzte, entdeckte ich am Horizont seltsamen grünlichen Nebel, der uns seitdem verfolgt. Ich habe Angst vor dieser Welt hier draußen, fühle mich verloren und nutzlos. Einsamkeit bin ich aus Mentira gewohnt. Das Gefühl, nie dazuzugehören, war immer ein Teil von mir, egal wie sehr ich mich dagegen wehrte. Aber verloren hatte ich mich nie. Jetzt, in diesem Moment, bin ich nur wenige Schritte davon entfernt, mich wirklich zu verlieren …

1. Kapitel

Melia

Vorsichtig schob ich das Notizbuch in die Satteltasche und schlich wieder zurück zu unserem Schlafplatz. Doms Blick folgte meinen Schritten. Mir war es wirklich unerklärlich, wieso ich die Einzige war, die das Lager nicht allein bewachen durfte. Vom ersten Augenblick an waren Ruby und ich uns nicht wirklich sympathisch gewesen. Leider wurde das Ganze auch nicht besser, als sie erfuhr, wie ihr Freund gestorben war.

Ein kleiner Teil von mir nahm es Jaron übel, dass er ihr erzählt hatte, was im Turm vorgefallen war. Denn seitdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie sich selbst einredete, ich sei schuld an Cranes Tod. Sie suchte verzweifelt einen Sündenbock und hatte in mir ihr perfektes Opfer gefunden. Dass ausgerechnet sie diejenige war, die mir das Notizbuch gegeben hatte, um meine Gedanken aufzuschreiben, war noch eine Sache, aus der ich einfach nicht schlau wurde. Diese Frau war ein Rätsel und mir war überhaupt nicht nach Rätselraten zumute.

Ein feiner kühler Windzug ließ die Flammen des Feuers nervös zucken und ich begann zu frösteln.

Langsam kniete ich mich auf die dünne Decke, die wir auf dem Boden ausgebreitet hatten. Jarons Brust hob und senkte sich. Er wirkte so friedlich und glücklich, wenn er schlief. Keine Sorgenfalten, die sich über die Stirn zogen, und keine leeren Augen, die verstohlen in die Ferne blickten. Der schlafende Jaron wirkte wie jemand, der zufrieden mit sich und dem Leben war. Davon konnte der wache Jaron nur träumen.

Letzte Nacht, als ich hochgeschreckt war, hatte er Lous Namen im Schlaf gemurmelt. Er vermisste sie. Das spürte ich. Er hatte sie und seinen Vater so abrupt verlassen, dass er keine Möglichkeit gehabt hatte, sich zu verabschieden. Und momentan wussten wir nicht einmal, wann oder ob wir jemals nach Sombra zurückkehren würden. Der Schmerz, der sich durch seine Brust zu fressen schien, war nicht zu übersehen, auch wenn er versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Behutsam legte ich mich dicht neben ihn und spürte sofort die Wärme, die von seinem ruhenden Körper ausging. Dieser Mann hatte so vieles verloren, aber gleichzeitig auch unzählige unschuldige Leben genommen und all das mit einem riesigen Loch in seinem Inneren bitter bezahlt. Es war mir ein Rätsel, wie er immer noch tagtäglich aufstehen und weitermachen konnte. Aber dies machte mir auch Mut, denn wenn er in der Lage war zu kämpfen, dann war ich es auch! Langsam hob ich meine linke Hand und strich ihm über den Rücken, den er mir zugewandt hatte. Dom räusperte sich am Feuer und reflexartig zog ich die Hand zurück.

Ich rückte noch ein klein wenig näher an Jaron heran, ehe ich die Augen schloss und versuchte zu schlafen. Wenn Dom ohnehin wach war, dann konnte ich ein wenig schlafen und ihn die Arbeit machen lassen.

***

»Kann jemand mal dieses faule Stück wecken?«

Ehe ich die Augen öffnete, war ich versucht sie insgeheim zu verdrehen, denn das Letzte, was ich kurz nach dem Aufwachen hören wollte, waren Rubys spitze Bemerkungen. Ich blinzelte gequält und rappelte mich auf. Die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen, aber die Luft bereits so früh am Morgen derart stickig, dass ich anfing zu husten. In wenigen Stunden würden wir uns wieder durch die gleißende Hitze quälen müssen, doch noch war es halbwegs erträglich.

»Hast du was an den Ohren? Wir müssen weiter, solange die Sonne uns nicht völlig verbrutzelt.«

Ich riss mich los und starrte Ruby völlig perplex an.

»Was ist eigentlich dein Problem?« Meine Stimme klang rau und ich spürte einen leichten Pelz auf der Zunge.

»Das weißt du nur zu gut.«

Sie ließ die glühenden Augen einen kurzen Moment auf mir ruhen, ehe sie in Richtung der Pferde verschwand.

Suchend blickte ich mich um. Wo steckte Jaron eigentlich, wenn man ihn einmal brauchte? Seit wir auf Ruby und Dom getroffen waren und Jaron ihnen alles von der Explosion im Turm erzählt hatte, behandelten die beiden mich wie eine Schwerverbrecherin. Als wäre ich schuld an unserer derzeitigen Lage. Genervt begann ich die Decke auf dem Boden zusammenzurollen, als ich Jaron entdeckte. Wie selbstverständlich redete er mit Ruby und half ihr offensichtlich dabei, die Pferde zu satteln.

Das, was die beiden verband, war für mich schlicht nicht greifbar. Natürlich hatte er mir erzählt, dass er ohne Rubys Hilfe niemals rechtzeitig in Sombra angekommen wäre. Dennoch misstraute ich ihr. Was Jaron in ihr sah, war für mich schlicht nicht existent.

»Wenn du weiter so starrst, fallen dir noch beide Augen aus.«

Als ich den Blick von den beiden losriss und mich umdrehte, schaute ich in Doms Gesicht. Ein freches Grinsen umspielte seine Lippen.

»Ist dem so?«

Provozierend verschränkte ich die Arme vor der Brust.

»Hast du nichts anderes zu tun, als mich zu beobachten? Langsam habe ich das Gefühl, ihr würdet mich am liebsten neben euch herlaufen lassen wie einen angeleinten Hund.«

Dom kam einen Schritt auf mich zu und wies mit der Hand in die Richtung von Ruby und Jaron.

»Ich tue nur das, was Ruby mir aufgetragen hat. Nebenbei bemerkt ist es sehr amüsant, euren Kleinkrieg zu beobachten, auch wenn du gegen sie nicht den Hauch einer Chance hast.«

Dom wollte sich gerade von mir abwenden, als ich ihn an der Schulter berührte.

»Wie meinst du das? Ruby hat dir also gesagt, dass du mich nicht aus den Augen lassen sollst? Ist das gerade dein Ernst?«

Meine Stimme war lauter geworden und ich spürte, wie sich im Inneren eine ungewohnte Hitze ausbreitete.

Ein Schweißtropfen rann mir über die Stirn und ich biss die Zähne fest aufeinander. Mein Körper bebte und die Wut, die so plötzlich durch meine Adern pulsierte, überraschte mich.

Dom starrte mich mit großen Augen an, doch ehe er antworten konnte, kamen Ruby und Jaron auf uns zu.

»Gibt’s hier ein Problem?«

Rubys scheinheiliger Tonfall verstärkte meine Wut nur noch mehr. Kurzerhand schleuderte ich ihr die Decke, die ich in der Hand hielt, ins Gesicht und stiefelte davon.

***

Mein Puls ging immer schneller und auch das Atmen fiel mir plötzlich schwer. So etwas hatte ich bisher nie erlebt. Seit der Explosion im Turm fühlte ich mich anders. Als hätte ich mich dort mit einer Krankheit infiziert, die sich in den letzten Tagen durch meinen Körper gefressen hatte.

Völlig außer Atem blieb ich irgendwann stehen und suchte mir einen kleinen flachen Stein, auf den ich mich setzte. Diese trostlose Umgebung spiegelte mein Innerstes wider. Alles hier wirkte verzerrt, irgendwie unnormal. So wie ich mich fühlte. Während Jaron sich perfekt in die Rebellengruppe eingefügt hatte, war ich nur Ballast. Jemand, den sie mit sich schleiften, weil sie mussten. Ein Mädchen, das keine Zukunft hatte und eine Vergangenheit, welche es am liebsten vergessen würde.

»Geht’s dir gut?«

Jaron berührte mich sanft an der Schulter und hockte sich neben mich.

»Was war den vorhin los mit dir?«, fragte er besorgt.

Ich hob vorsichtig den Kopf und musterte ihn. Er wirkte ausgeruht und glücklich. Ich hingegen war nur ein Schatten meiner selbst.

»Ruby ist einfach nur eine widerwärtige Schlange. Sie manipuliert dich und versucht uns auseinanderzubringen«, presste ich mühsam heraus.

Die Luft um mich herum fühlte sich immer noch viel zu dick an, um sie einzuatmen. Jaron legte den Arm um mich, sagte jedoch nichts. Ich schloss die Augen und genoss seine Wärme auf der Haut.

»Denk an etwas Schönes, Melia, und versuch ruhig zu atmen. Es geht vorbei. Irgendwann geht all das vorbei.«

Jarons Stimme klang beruhigend und ich erwischte mich dabei, wie ich plötzlich an Nathan dachte. An sein verschmitztes Lächeln, das sich tief in mein Gedächtnis gebrannt hatte. An seinen Geruch nach süßem Sandelholz, an seine Lippen. Doch dann wurde mir wieder schmerzlich bewusst, dass diese Gedanken nicht schön, sondern schmerzlich waren. Dass ich nur unglückliche Erinnerungen besaß. Nathan war mein Bruder und meine Gefühle für ihn waren einfach falsch.

Als ich die Augen wieder öffnete, war Jarons Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Seine Nähe tat mir gut, spendete mir Trost und gab mir wenigstens ein bisschen Halt.

»Wieso tut es so weh, Jaron? Ich fühle mich, als würde ich jeden Moment auseinanderbrechen. Hört das jemals wieder auf?«

Ich schluchzte und die Wut, die sich in meinem Bauch ausgebreitet hatte, vermischte sich mit der Trauer, die ich seit unserer Flucht tief im Herzen verborgen hielt.

»Du hast viel durchgemacht und die letzten Tage waren wir zu sehr damit beschäftigt zu fliehen. Es ist normal, dass dich langsam der Schock um das Geschehene einholt. Aber ich bin für dich da, Melia. Und ich werde dich nie wieder im Stich lassen, hörst du?«

Jaron strich mir vorsichtig mit der Hand über den Rücken.

»Versprichst du es mir?«

Jaron berührte mich sanft an der rechten Wange, ehe er nickte.

»Ich verspreche es dir.«

In der Welt, in der ich groß geworden war, wog ein Versprechen mehr als alles andere. Zumindest hatte ich das immer geglaubt. Doch die Schwesternschaft der Ruína war am Ende genauso verkommen gewesen wie der Zirkel der Schattenstadt. Trotzdem bedeutete mir Jarons Versprechen eine Menge. Er war hier an meiner Seite, obwohl seine Familie noch immer in Sombra lebte.

Jaron hatte seiner Vergangenheit genauso den Rücken gekehrt wie ich und dafür bewunderte ich ihn.

Schritte ertönten und das lodernde Feuer in mir, das sich langsam zu einer kleinen Flamme abschwächte, züngelte nun wieder stärker in meinem Inneren. Wieso konnte ich mit Jaron nie allein sein?

»Ich will eure traute Zweisamkeit ja nicht stören, aber wenn ihr nicht schleunigst wieder zurückkommt, dann lässt Ruby euch beide hier verrotten und reitet ohne euch nach Sedimento.«

2. Kapitel

Jaron

Als Melia und ich gemeinsam zurück zum Lager liefen, konnte ich ihre Anspannung spüren, als wäre es meine eigene. Es war nicht zu übersehen, dass Ruby und Melia sich auf den Tod nicht verstanden. Ich konnte mir nur nicht erklären, woran es lag. Natürlich war Ruby verletzt wegen Cranes Tod, aber sie durfte Melia unmöglich die Schuld daran geben.

Behutsam schob ich Melia in Richtung Lager und lächelte ihr aufmunternd zu. Doch sie hatte den Blick stur nach vorn gerichtet und ihre Gesichtszüge verhärteten sich, als sie Ruby entdeckte.

»Da seid ihr ja endlich«, begrüßte Ruby uns in kaltschnäuzigem Ton. Cranes Tod hatte sie wirklich verändert. Natürlich hatte ich Ruby als toughe Rebellin kennengelernt und ich würde niemals vergessen, wie sie mich gefoltert hatte, um an Informationen über das Auge Sombras zu gelangen. Aber ich hatte sie auch sanft erlebt. Sie hatte ein gutes Herz, das konnte ich spüren. Es war nur, wie so vieles in unserer Welt, von tiefen Schatten durchzogen, die es in einem falschen Takt schlagen ließen. Sie brauchte einfach Zeit, um wieder Licht in ihr Innerstes zu lassen. So wie wir anderen auch. Diese grausame Welt hatte auf uns allen ihren Stempel hinterlassen.

»Entschuldige, aber Melia ging es nicht gut. Sie brauchte etwas Ruhe.«

Ruby musterte mich kurz. Doch ehe sie antworten konnte, ertönte ein dumpfer Knall.

»Was war das?«, fragte Melia leise.

Ruby schnappte sich ihren Rucksack und blickte besorgt in die Ferne.

»Keine Ahnung, aber was immer es war, wir sollten schleunigst hier verschwinden.«

Gemeinsam liefen wir zu den Pferden und ritten los.

***

Laut Ruby waren wir nur noch zwei Tagesritte von Sedimento entfernt. Aber je näher wir der fremden Stadt kamen, desto weiter entfernten wir uns von Sombra und meiner Familie. Als ich aufbrach, um Melia zu suchen, war mir nie in den Sinn gekommen, dass ich letztlich meinen Vater und meine Schwester zurücklassen würde. Alles, was ich je gewollt hatte, war ein gutes Leben für Lou. Meine kleine Schwester sollte ohne Dunkelheit im Herzen aufwachsen und das unbeschwerte Leben leben, das man mir so schmerzlich genommen hatte.

Während wir vor dem unheilvollen Grollen in unserem Rücken davonritten, stellte ich mir vor, wie Lou mit meinem Vater über die saftigen Wiesen lief und Äpfel pflückte. Es ging den beiden sicherlich gut. Der Zirkel hatte keinerlei Anhaltspunkte, dass ich im Turm gewesen war. Somit waren sie vorerst sicher und niemand würde sie als Druckmittel gegen mich benutzen.

Verstohlen warf ich einen Blick Richtung Melia.

Sie ritt direkt hinter Dom und betrachtete ernst die Umgebung. Bereits gestern hatten wir den rapiden Wechsel der Landschaft bemerkt, doch je weiter wir ritten, desto trostloser wurde es.

»Kein Vergleich zu eurer grünen Oase, was?«

Dom hatte sich zu uns umgedreht und entblößte bei dem Versuch zu lächeln eine Reihe schiefer Zähne.

»Nicht wirklich«, gab ich zurück.

»Das ist erst der Anfang. Wartet nur ab, ihr wünscht euch schon bald wieder in eure schöne Schattenstadt zurück«, mischte sich Ruby ein.

Rubys Stimme klang bitter. Sie trieb ihr Pferd an und vergrößerte den Vorsprung zu uns Übrigen.

»Was ist nur ihr Problem? Glaubt sie ernsthaft, dass sie die Einzige ist, die Verluste erlitten hat?«, entgegnete Melia.

»Sie hat einen geliebten Menschen verloren, gib ihr etwas Zeit«, versuchte ich zu schlichten.

Dom ließ sich leicht zurückfallen, bis er direkt zwischen Melia und mir herritt.

»Sie ist nicht traurig, sondern wütend. Ruby hatte gemeinsam mit Crane nur eine Aufgabe. Sie sollten den Energiekern aus Sombra stehlen und nun kehrt sie allein und mit leeren Händen in ihre Heimat zurück. Unser Herrscher wird darüber nicht sehr erfreut sein. Außerdem wissen wir alle, wer Cranes Tod zu verschulden hat.«

Als ich nach rechts blickte, konnte ich nur noch Melias Rücken sehen, ehe sie in schnellem Galopp davonpreschte.

»War das wirklich notwendig? Sie ist nicht schuld an Cranes Tod. Es war ein schrecklicher Unfall. Wieso behandelt ihr sie so unfair?« Ich umfasste die Zügel fester, während ich Dom ernst ansah.

»Wenn sie keine Schuld trifft, dann dich. So oder so wäre Crane noch am Leben, wenn wir dir nicht begegnet wären. Aber Ruby kann dir, aus welchen Gründen auch immer, nicht böse sein. Deshalb lässt sie all ihre Wut an Melia aus. Wer könnte es ihr verübeln?«

3. Kapitel

Melia

Ich konnte diese ständigen Vorwürfe einfach nicht mehr hören. Wieso dachte hier eigentlich jeder, dass ich das Leben dieses Rebellen auf dem Gewissen hatte?

Erneut spürte ich diese ungewohnte Hitze in mir auflodern, als hätte jemand Benzin in die Glut gekippt. Wieso gingen mir diese Anfeindungen überhaupt so nahe?

Weder Dom noch Ruby waren dabei gewesen. Nur Jaron und ich kannten die Wahrheit. Wir beide hatten den Einsturz und die Explosion vermutlich als Einzige überlebt. Was kümmerten uns also die Lügen, die Dom und Ruby für die Wahrheit hielten?

Völlig in Gedanken trieb ich das Pferd weiter an. Je schneller ich ritt, desto besser fühlte ich mich. Der Wind zerrte an meinen Haaren und gab mir zumindest kurzzeitig ein Gefühl von Freiheit. Dass ich jedoch nicht frei war, war mir nur zu schmerzlich bewusst.

Ich wollte auf keinen Fall, dass Dom und Jaron mich einholten. Für den Moment wollte ich einfach für mich sein. Da ging es mir wohl ähnlich wie Ruby, die weiter vorausritt wie eine Geisteskranke. Ihr sandfarbenes Pferd war kaum noch auszumachen, einzig die aufgewühlte Erde verriet, dass sie vor uns herritt.

Plötzlich durchzuckte die Stille um uns herum ein heller Schrei. Panisch warf ich den Kopf nach hinten und verlor beinahe das Gleichgewicht. Ich zügelte mein Pferd, ehe ich mich nach den anderen umsah. Als Jaron und Dom wenige Sekunden später neben mir hielten, sahen sie mich fragend an.

»Was ist los?«, fragte Jaron.

»Habt ihr das etwa nicht gehört?«

Meine Stimme überschlug sich beinahe. Dieser Schrei. So einen hatte ich noch nie zuvor vernommen.

»Wir sind hinter dir hergaloppiert. Wir haben gar nichts gehört«, entgegnete Dom nur stumpf.

Er rieb sich mit der Hand über die Stirn und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Wir sollten weiterreiten, sonst verlieren wir Ruby.«

Fassungslos starrte ich die beiden an.

»Ist doch ihr Problem, wenn sie meint, uns hier zurücklassen zu müssen«, erwiderte ich schnippisch.

Dom straffte die Schultern, verkniff sich aber eine Antwort.

»Ich habe es laut und deutlich gehört. Wenn ich es euch doch sage! Es klang entsetzlich verzerrt, fast schon unmenschlich.«

Ich strich kurz über die Mähne meines Pferdes, versuchte mich zu beruhigen. Aber aus irgendeinem Grund wollte mir dieser Schrei einfach nicht aus dem Kopf gehen. Er hatte sich festgebrannt, sich im Bewusstsein eingenistet wie ein lästiger Parasit.

Dom klopfte Jaron auf die Schulter, ehe er sein Pferd antrieb und davonritt.

»Komm, Melia. Wir sollten den Anschluss nicht verlieren.«

Er ließ sein Pferd ebenfalls antraben.

Ich sah mich ein letztes Mal suchend um, doch das einzige Geräusch, das ich hören konnte, war der Wind, der über den trockenen Boden fegte, und das Hufgetrappel von Jarons und Doms Pferden.

Mit einem unguten Gefühl im Bauch folgte ich den beiden und versuchte den immer größer werdenden Abstand irgendwie zu überbrücken. Mittlerweile schien die Sonne sengend heiß auf uns herab und ich kniff kurz die Augen zusammen. Plötzlich drang erneut dieses grauenvolle Geräusch zu mir herüber. Panisch drehte ich den Kopf zur Seite und realisierte viel zu spät, dass sich unmittelbar vor mir ein tief hängender knorriger Ast befand. Ich versuchte noch mich krampfhaft an den Sattel zu klammern, doch vergeblich. Die ungeheure Wucht warf mich um und ich landete auf dem staubigen Boden.

Mein Pferd rannte einfach weiter und ich versuchte erst gar nicht aufzustehen und hinterherzurennen. Ich blieb liegen, schloss die Augen und versuchte meinen Atem wiederzufinden.

Keuchend drehte ich mich auf die Seite, stützte mich mit aufgeschürften Händen auf dem dreckigen Boden ab und wollte wieder auf die Beine kommen. Mein Kopf dröhnte und die hellen Sonnenstrahlen brannten schrecklich in den Augen.

Langsam schleppte ich mich zu dem Baum, dessen Ast mich aus dem Sattel gerissen hatte, und lehnte mich gegen den morschen Stamm. Dort gab es wenigstens einen kleinen Fleck Schatten und ich nahm einen tiefen Atemzug.

Ich begutachtete meine Hände, die durch den Sturz einige Schürfwunden davongetragen hatten. Aber im Großen und Ganzen ging es mir gut. Das war wenigstens etwas.

Wären wir alle zusammengeblieben, dann wäre das Pferd schon längst wieder eingefangen. Aber wir waren eben keine normale Gruppe. Wir waren Gestrandete, Verhasste, Ausgestoßene, die auf dem Weg in eine abgelegene Stadt waren, deren Existenz ich bis vor wenigen Tagen nicht einmal geahnt hatte. Ich befand mich in luftleerem Raum – zwischen der Welt, deren Teil ich nicht mehr sein wollte, und der Welt, die mich nicht aufnehmen mochte. Ich war hier und auch wieder nicht. Mein Kopf dröhnte und die Gedanken kreisten um diesen entsetzlichen Schrei.

Woher war er gekommen?

Hatte ich ihn mir etwa nur eingebildet?

Ich wusste es nicht. Aber trotz der unbarmherzigen Sonne, deren Hitze mich schon jetzt wahnsinnig machte, überzog mich eine Gänsehaut.

Wer weiß, wann denen überhaupt auffällt, dass ich nicht mehr hinter ihnen bin?, ging es mir durch den Kopf.

Mühsam hievte mich zurück auf die Beine und lief los.

***

Der Boden war trocken; die meisten Bäume hier hatten verkrüppelte Formen angenommen und ähnelten denen aus meiner Heimat nicht im Entferntesten. Das spärliche trockene Gras unter den Füßen raschelte nicht, sondern knackte eigenartig bei jedem Schritt. Als würde ich auf Glassplittern laufen. Hier draußen gab es keinerlei Lebenszeichen. Keine zwitschernden Vögel oder summende Insekten. Nur Stille.

Ich lief weiter und erkannte in einiger Entfernung etwas, was wie eine verlassene Siedlung wirkte. Zerfallene Hütten ragten nur wenige Hundert Meter vor mir in den Himmel. Ich beschleunigte meine Schritte.

Als ich näher kam, konnte ich eine Art Pfad erkennen, der sich in Richtung der alten eingefallenen Gebäude schlängelte. Ob hier noch jemand lebte?

Die Siedlung grenzte an eine scharfkantige Felswand, die sich unmittelbar hinter den verfallenen Gebäuden befand. Irgendwie war mir dieser Ort suspekt. In direkter Nähe zu der Siedlung befand sich ein riesiges Loch. Es schien, als wäre das hier früher eine Mine gewesen, doch abgesehen von den alten Karren und ein paar Schienen war alles verlassen.

Vorsichtig lief ich über einige Holzplanken, die den Boden bedeckten, als ich spürte, wie diese unter mir nachgaben. Geistesabwesend riss ich die Arme in die Höhe und versuchte mich irgendwo festzuhalten, doch meine Hände fanden keinen Halt.

Ich schrie, während ich ungebremst in die Tiefe fiel. Dunkelheit umschloss mich, fing mich auf und begrüßte mich in ihrem lauernden Schlund.

Der Aufprall auf dem harten Stein ließ mir Tränen in die Augen schießen. Japsend zog ich mich über den kalten Boden, versuchte die Orientierung wiederzufinden. Mein linker Arm pochte und der Schmerz zog sich bis hinauf in die Schulter. Ein Wassertropfen, der plötzlich auf mein Gesicht fiel, ließ mich erschrocken aufschreien. Der spitze, dünne Schrei hallte von den Wänden und verhöhnte mich, als er ein paar Mal zu mir herüberschallte und dann verklang.

Ich realisierte, dass es lediglich Wasser gewesen war, und seufzte. Mit letzter Kraft griff ich nach einer der Felskanten und hievte mich auf die Beine. Vorsichtig sah ich nach oben und erschrak. Ich war durch den morschen Holzboden einige Meter in die Tiefe gestürzt. Erst jetzt wurde mir klar, was für ein unfassbares Glück ich offenbar gehabt hatte. Durch das Loch über mir drang zumindest ein wenig Licht hinunter, sodass ich nicht komplett im Dunklen saß.

Dieser Ort wirkte nicht, als wäre er in den letzten Jahren von irgendjemandem betreten worden. An den rauen Felswänden hingen vereinzelte Laternen, die von einer dicken Staubschicht überzogen waren. Doch ohne eine Möglichkeit, sie anzuzünden, waren sie absolut nutzlos.

Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und versuchte den Schmerz auszublenden, der sich bei jedem Schritt durch den Körper schlängelte wie eine Natter.

Auf der linken Seite konnte ich zwei kleinere Gänge erkennen, die sich durch das Gestein zogen wie Adern.

Rechts befand sich ein größerer Durchgang. Hier unten musste sich ein riesiges Tunnelsystem befinden, das sich quer durch die gewaltige Felslandschaft zog. Wie sollte ich jemals einen Weg nach draußen finden? Noch dazu ohne Licht?

Ich humpelte vorsichtig voran, doch je weiter ich kam, desto spärlicher wurde das Licht. Mein Blick fiel auf einen alten Spaten, der verlassen an einer der Wände lehnte. Besser als nichts, ging es mir durch den Kopf, als ich ihn aufhob und schützend vor den Körper hielt. Die Chance stand eins zu drei, den richtigen Weg zu erwischen. Doch bei meinem Glück würde ich sowieso den falschen wählen …

Ich war gerade dabei, mich zu dem Durchgang auf der rechten Seite zu schleppen, als ich ein eigenartiges hohles Poltern hörte.

Kurz darauf ertönte erneut ein Schrei und diesmal klang er nah. Sehr nah sogar.

4. Kapitel

Jaron

Als ich hinter Dom herritt, fragte ich mich wirklich, ob Melia langsam, aber sicher den Verstand verlor.

Sie hatte viel durchmachen müssen und ich konnte mir nicht vorstellen, wie schlimm das alles für sie war. Aber sie benahm sich seit einiger Zeit höchst merkwürdig. Niemand außer ihr hatte diesen vermeintlichen Schrei gehört, und wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich ihr unterstellt, sie hätte gelogen. Aber Melia log nicht. Sie war durch und durch ehrlich. Eine beständige Tatsache in unserer unbeständigen Welt. Ihre vor Schreck geweiteten Augen hatten ebenfalls gezeigt, dass sie diesen Schrei wirklich gehört hatte.

Ein kleiner Teil von mir war froh, dass wir alle getrennt ritten. Zwar folgten wir Ruby und bewegten uns in dieselbe Richtung. Dennoch waren wir wie Einzelkämpfer auf einer ihrer ganz neuen Mission. Jeder mit sich und seinen Gedanken allein. Als ich Dom und Ruby einige Zeit später an einer schattigen Ecke rasten sah, waren die eigenartigen Gedanken über den merkwürdigen Schrei schon wieder in weite Ferne gerückt. Ich stieg vom Pferd und band es neben den anderen beiden an, ehe ich mich zu Ruby auf einen der umgestürzten Baumstämme setzte.

Sie war gerade dabei, ein Feuer zu entzünden, was in Anbetracht der unerträglichen Hitze nahezu bizarr wirkte.

Als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie.

»Ich dachte, eine heiße Tasse Tee ist genau das, was wir jetzt alle brauchen.«

Anscheinend hatte sich ihr Gemütszustand mittlerweile etwas gebessert. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie hart es war, die Verantwortung für eine ganze Stadt auf den Schultern zu tragen. Da konnte man mal die Beherrschung verlieren.

»Wir wollen das hier braten«, mischte Dom sich ein.

Er hielt etwas in der Hand, was eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hasen besaß.

»Was ist das?«, fragte ich leicht angewidert.

»Na ja, also ich glaube, dass ihr es am ehesten als Hasen betiteln würdet. Aber wir nennen es nur ›Varó‹. Es bedeutete in Sombra so viel wie ›von der Dunkelheit geküsst‹.

Ich runzelte die Stirn. Ein poetischer Name für etwas, was ganz und gar ungenießbar aussah.

Eine kleine Flamme fraß sich durch das trockene Geäst, das Ruby ordentlich aufeinandergeschichtet hatte.

»Dir ist sicherlich aufgefallen, dass hier kaum ein Lebewesen weit und breit ist, oder?«

Ich nickte zustimmend.

»Die meisten Tiere haben die Strahlung nicht überlebt – aber, so wie unter uns Menschen, haben es eben auch einige wenige Tiere geschafft, den Umständen zu trotzen und sich ›anzupassen‹«, fuhr Ruby fort.

Das letzte Wort klang beinahe wie ein Geheimnis, eine dunkle Vorahnung.

»Varó sind Lebewesen, die sich durch die Strahlung verändert haben. Die meisten von ihnen haben Wucherungen am Körper oder sind anderweitig fehlgebildet. Wir haben erst angefangen sie zu jagen, als uns keine andere Möglichkeit mehr blieb. Sie haben die Strahlung überlebt, aber ihre Anpassung verlief weniger vorteilhaft als bei uns.«

Ich betrachtete das Häufchen Fell genauer. Suchend griff ich nach einem kleinen Ast und stupste das Etwas an. Als es auf den Rücken rollte, zuckte ich kurz zusammen. Der Kopf des Hasen war völlig deformiert und seine Augen quollen förmlich aus ihren Höhlen.

»Melia wird das niemals freiwillig essen«, entgegnete ich tonlos. Dass es mir ebenfalls den Appetit verschlagen hatte, verschwieg ich.

»Wo ist sie überhaupt?«

Suchend blickte ich mich um.

Ich war mir eigentlich die ganze Zeit über sicher gewesen, das Hufgetrappel ihres Pferdes direkt hinter mir zu hören. Ruby warf mir einen fragenden Blick zu.

»Hast du deine Prinzessin etwa schon wieder verloren?«

Dom griff ohne ein Wort nach dem toten Varó und verschwand hinter einem der kläglichen Bäume.

»Das ist nicht witzig, Ruby!«

Meine Stimme bebte und ich biss die Zähne zusammen.

»Klinge ich so, als würde ich Witze reißen?«

Sie kam auf mich zu und gemeinsam liefen wir den Weg entlang, den wir erst vorhin geritten waren.

Wir sahen in die Ferne, doch weit und breit war nichts zu sehen.

»Vielleicht wurde sie überfallen!«

Rubys Blick glich einer Maske. Ich konnte weder sehen, was ihr gerade durch den Kopf ging, noch ausmachen, ob sie wütend war.

»Das wirft unseren ganzen Zeitplan durcheinander!«

Sie ging zurück zum Feuer und begann Erde auf die brennenden Äste zu werfen. Als Dom aus dem Gestrüpp zurückkam, verfinsterte sich seine Miene.

»Was tust du da? Wir wollten doch den Varó braten!«

»Wir müssen erst mal nach der verlorenen Prinzessin suchen«, gab Ruby nur zynisch zurück.

»Sucht ihr mal schön allein, ich hab Hunger.«

Fassungslos starrte ich in Doms Gesicht. Ruby hatte mittlerweile aufgehört, das Feuer ersticken zu wollen.

»Dann warte halt hier«, rief sie Dom zu, während sie auf die Pferde zusteuerte.

»Irgendeine Idee, wo wir anfangen sollen zu suchen?«, fragte ich sie. Ruby schwang sich in den Sattel und blickte mit ernstem Blick auf mich hinab.

»Keine Ahnung. Wir reiten einfach den Weg zurück, den wir gekommen sind, und hoffen das Beste.«

***

Es war Ruby anzumerken, wie genervt sie war.

»Glaubst du, sie könnte absichtlich abgehauen sein?«, versuchte ich die Stille zu überbrücken.

»Sag du es mir. Immerhin ist sie deine Freundin.«

Ich drehte mich in Rubys Richtung und versuchte aus ihrem Gesicht abzulesen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Auf ihrer Stirn hatten sich zwei kleine Furchen gebildet und auch sonst strahlte sie eher Sorge als Ärger aus.

»Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen. Wo sollte sie auch hin?«

Ruby manövrierte ihr Pferd gerade durch eine Spalte zwischen zwei schmalen großen Felsen hindurch, als uns ein Wiehern aufhorchen ließ.

Wenige Meter vor uns graste Melias Pferd!

Ruby stieg von ihrem ab und lief langsam darauf zu.

»Na, Kleines«, redete sie mit ruhiger Stimme auf das Tier ein.

Sie streichelte den Kopf des Pferdes und schnappte sich seine Zügel.

»Melia? Wo bist du?«, rief ich laut.

Doch bis auf das Schnauben der Tiere, blieb alles stumm. Ruby untersuchte Melias Pferd auf irgendwelche Verletzungen, konnte aber anscheinend nichts finden.

»Vielleicht hat es Melia abgeworfen.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Sie ist eine erfahrene Reiterin.«

»Auch erfahrene Reiter fallen vom Pferd«, entgegnete Ruby ungerührt.

Sie sah sich ein letztes Mal um und schnappte sich die Zügel von Melias Pferd, ehe sie wieder aufsaß.

»Na, dann suchen wir mal weiter.«

***

Die Sonne stand mittlerweile direkt über uns und strahlte in ihrer vollen Stärke auf uns herab. Mein Hemd war bereits schweißnass und auch Ruby machte die Hitze zu schaffen.

»Ruby, wir sollten eine Pause einlegen. Deine Haut ist schon ganz rot!«, rief ich ihr zu.

Sie ließ ihr Pferd in einen leichten Trab fallen.

»Wir haben keine Zeit für eine Pause!«

Ihre Stimme klang plötzlich wieder gereizt. Kurzerhand ritt ich näher an sie heran und zwang sie so ihr Tempo zu verringern.

»Wir machen eine Pause. Jetzt!«

Ich steuerte auf eine kleinere vertrocknete Baumgruppe zu, deren Stämme zu einer großen verworrenen Masse verwuchert waren, und saß ab. Ruby folgte mir missmutig und begann in ihren Satteltaschen zu kramen.

Sie zückte eine alte Wasserflasche und nahm einen großen Schluck.

»Das schmeckt wie …«

»Ich will es gar nicht wissen!«, unterbrach ich sie schnell. Ruby reichte mir die Flasche.

Das Wasser war ekelerregend warm und schmeckte wirklich eigenartig.

»Jaron, was ist dir und Melia im Turm eigentlich tatsächlich passiert?«

Ruby klang ungewohnt ruhig, doch ich hatte genug Zeit mit ihr verbracht, um zu wissen, dass sie diese Ruhe nur vortäuschte. Es brodelte in ihr wie in einer heißen Quelle.

»Wie oft willst du mich das noch fragen?«

Sie hatte es seit unserem Aufbruch sicherlich schon zehnmal getan.

»So lange, bis du mir eine ehrliche Antwort gibst.«

Ich ließ mich im Schatten der Bäume ins trockene Gras sinken und wartete, bis Ruby sich neben mich setzte. Jetzt wurde erst deutlich, wie stark gerötet ihre Haut durch die Sonne war.

»Passiert das immer?«, fragte ich und blickte auf ihre verbrannte Haut.

»Ach, das«, winkte sie ab, »ist noch harmlos.«

»Es sieht aber nicht harmlos aus.«

Ich musterte sie kurz, doch sie zog die Ärmel herunter und nahm einen weiteren Schluck von dem viel zu warmen Wasser.

»Es muss hart sein, so zu leben.«

»So ist unser Leben nun einmal. Nur unser Volk reagiert auf die Radioaktivität und die Sonnenstrahlung derart empfindlich. Wir haben uns einfach nicht so gut angepasst wie ihr Übrigen.«

Plötzlich sprang Ruby wieder auf und deutete auf die Pferde.

Bevor sie sich in den Sattel schwang, zog sie sich ihre zerfranste Kapuze ins Gesicht, um sich auch dort vor den für sie so gefährlichen Sonnenstrahlen zu schützen. Nachdem auch ich wieder im Sattel saß, setzten wir unsere Suche fort.

»Wie weit sind wir eigentlich schon zurückgeritten?«, fragte ich nach einer ganzen Weile.

Mir war mein Zeitgefühl komplett abhandengekommen und in dieser trostlosen Gegend sah ohnehin alles gleich aus.

»Wir sind sicherlich schon über zwei Stunden unterwegs. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was wir machen sollen, falls wir sie nicht finden. Wenn du mich fragst, dann ist sie abgehauen.«

Ich umschloss die Zügel fester und trieb mein Pferd vorwärts, ohne auf Rubys letzten Satz näher einzugehen.

Melia war auf gar keinen Fall einfach verschwunden. Sie hatte doch nichts mehr da draußen … Wohin sollte sie gehen? Zurück nach Mentira? Ich bezweifelte, dass sie den Weg überhaupt wiederfinden würde. Nicht nur für mich sah hier alles gleich aus. Außerdem würde die Schwesternschaft sie sicherlich sowieso nicht einfach wieder in ihre Reihen aufnehmen. Sie hatte die Ruína immerhin bestohlen und ihre ganze Existenz dort fußte auf einer riesengroßen Lüge.

Plötzlich tauchte Ruby neben mir auf und fuchtelte wild mit den Händen. Ich brachte das Pferd zum Stehen und blickte ihr grimmig entgegen.

»Was willst du?«, brummte ich.

»Sieh mal da vorn«, entgegnete Ruby und wies mit dem Zeigefinger auf den Weg vor uns.

Wir ließen unsere Pferde langsam auf die Stelle zulaufen und stiegen schließlich ab.

Auf dem Weg vor uns befanden sich ein winziger, kaum erkennbarer Stofffetzen und einige trockene Zweige, die vermutlich von den tief hängenden Ästen stammten, die weit auf den Weg ragten. Ruby bückte sich und hob das Stoffstück auf.

»Könnte das von Melia sein?«

Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern.

»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Aber möglich wäre es. Meinst du, sie ist hier vom Pferd gefallen?«

Ruby stand wieder auf und beäugte noch immer den Fetzen in ihrer Hand.

»Möglich wär’s. Wohin würde ich laufen, wenn mich mein Pferd hier abgeworfen hätte?«

Sie drehte sich um die eigene Achse und sah schließlich in Richtung Westen.

»Dort hinten befinden sich ein paar verlassene Häuser einer alten Minensiedlung. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, aber …«

Ehe Ruby weitersprechen konnte, zuckten wir beide zusammen. Ein hoher, unmenschlich klingender Schrei drang zu uns herüber. Ungläubig starrte ich Ruby an.

»Was zur Hölle war das?«

Ihr Blick wurde schlagartig ernst und ihre Augen starrten geradeaus.

»Das willst du nicht wissen!«

5. Kapitel

Melia

Ängstlich wich ich zurück, bis ich wieder im Lichtkegel angelangt war. Suchend reckte ich den Kopf in die Höhe, in der Hoffnung, doch irgendwie einen Weg nach oben zu finden. Dieser ohrenbetäubende Schrei saß mir noch immer in den Knochen. Selbst wenn ich mich bei dem Sturz nicht verletzt hätte, würde ich es niemals schaffen, wieder nach oben zu klettern. Aber ich konnte auch nicht durch die dunklen Gänge irren, schon gar nicht, wenn hier unten irgendetwas lebte, was solch grauenvolle Geräusche von sich gab.

Kraftlos ließ ich mich auf den Boden sinken und schloss die Augen. Sofort tauchte das Bild der Explosion auf, das Auge Sombras, wie es pulsierte und schließlich in Abertausende kleine Funken zersprang.

Lass es zu, Melia.

Lass es geschehen.

Ich spürte, wie sich etwas schattenhaft um meinen Körper schmiegte, wie es mich sanft umwaberte, mich einschloss und ich halb eindöste. Es wurde kalt um mich herum, aber es kümmerte mich nicht. Die Stimme in meinem Kopf lullte mich ein, flüsterte mir Dinge zu und ich widersprach ihr nicht.

»Melia? Bist du es? Ruby, komm her, sie ist da unten!«

Erschrocken riss ich die Augen auf. Der Schatten, der mich so eng umschlungen hatte, verflüchtigte sich.

Doch als ich realisierte, dass ich noch immer in dem dunklen Loch festsaß, bekam ich plötzlich Panik. Ich sprang auf die Beine und sofort durchzuckte meinen Körper ein stechender Schmerz. Ich schrie, kämpfte gegen die Tränen an.

»Melia, ganz ruhig. Wir holen dich da raus.«

Überrascht sah ich nach oben und erkannte Jaron, der sich weit über den Rand herabbeugte.

»Jaron! Du bist hier«, rief ich ihm erleichtert zu.

»Was ist passiert?«

Ich humpelte näher an die Felswand heran und starrte nach oben. Die Sonne blendete mich, dennoch konnte ich die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn erkennen.

»Die Holzplanken haben unter mir nachgegeben und ich bin hier runtergestürzt. Macht schnell! Hier unten ist was!«

Ich beobachtete, wie Jaron irgendetwas zu Ruby sagte.

Sie verschwand kurz darauf wieder aus meinem Sichtfeld.

»Ruby holt ein Seil aus ihrer Satteltasche. Wir werfen es dir runter und du bindest es um deinen Bauch, verstanden?«

Ich nickte.

»Dann ziehen wir dich vorsichtig wieder hoch.«

Bereits wenige Minuten später kam Ruby zurück und warf mir das eine Ende des Seils hinunter.

Mit zitternden Fingern versuchte ich mir das Seil um den Bauch zu legen, bekam aber keinen richtigen Knoten zustande.

»Atme tief ein und wieder aus. Dir wird nichts passieren. Mach einen Knoten ins Seil, Melia«, rief Jaron mir von oben aus zu, als er mein Zögern bemerkte.

Angestrengt versuchte ich Ruhe zu bewahren. Beim dritten Versuch gelang es mir endlich, einen Knoten zu machen.

»Fertig! Holt mich hier raus!«, schrie ich nach oben. Meine Stimme klang schrill und kam mir in diesem Augenblick fürchterlich fremd vor.

Jaron hielt das andere Ende des Seils bereits in den Händen und begann zu ziehen.

Ich versuchte so ruhig wie möglich zu atmen, während er mich nach oben zog. Plötzlich hörte ich ein tiefes Stöhnen und riss den Kopf nach hinten.

»Jaron, beeil dich!«, schrie ich ihn verzweifelt an.

Rubys Kopf tauchte neben seinem auf. Als sie mich schreien hörte, kam sie an den Rand der Öffnung und sah zu mir herunter.

»Es ist nicht mehr viel, halt still da unten.«

Panisch klammerte ich mich an den herausstehenden spitzen Steinen der Felswand fest und versuchte selbst nach oben zu gelangen.

Als ich hinabblickte, erschrak ich.

Dort unten in der dunklen Ecke, kaum sichtbar, kauerte eine Gestalt, die aussah wie ein Mensch. Langsam schlich sie auf den Lichtkegel zu. Doch sie blieb im Schatten.

Dann schrie das Wesen und ich zuckte zusammen. Es renkte seinen Kiefer unnatürlich weit nach oben und entblößte spitze gelbe Zähne.

Es kratzte mit den Händen über den Boden und das Geräusch, das dabei entstand, war beinahe genauso grauenerregend wie der vorherige Schrei.

Ich hing weit genug über dem Boden, dass mich dieses Wesen nicht berühren konnte, dennoch wollte ich einfach nur hier raus. Meine Finger krallten sich automatisch in die Felswand und ich versuchte krampfhaft nicht wieder in die Tiefe zu sehen.

»Jaron?«, wimmerte ich.

»Schau nach oben, hörst du. Sieh nicht nach unten. Es ist gleich vorbei.«

Seine Stimme klang fest und ich folgte seinem Rat.

Stück für Stück zog er mich höher, bis ich schließlich am Rand angelangt war. Oben blieb ich keuchend auf dem Rücken liegen. Ich zitterte am ganzen Körper, der Schmerz, den ich durch den Schock kurzzeitig ausgeblendet hatte, kam mit einem Schlag zurück.

»Alles in Ordnung?«, fragte Ruby leise.

Langsam rollte ich mich auf die Seite und starrte sie fassungslos an.

»Ist das gerade dein Ernst?«

Jaron kam auf mich zu und hielt mir die Hand hin.

Als ich mich unter Schmerzen aufgesetzt hatte, berührte er kurz meine Schulter.

»Ahhh! Nicht anfassen«, zischte ich ihm entgegen.

»Bist du beim Sturz auf der Schulter gelandet?«, fragte Ruby.

»Ja, und mein Bein pocht auch.«

»Du hattest riesiges Glück. Der Sturz hätte auch ganz anders ausgehen können.«

Sie lief zu den Pferden, die ein paar Meter weiter grasten, und machte sich an der Satteltasche zu schaffen. Als sie wieder bei uns ankam, reichte sie mir eine alte zerbeulte Trinkflasche.

Gierig trank ich das lauwarme Wasser und seufzte.

Mein Puls beruhigte sich allmählich und die Sonne stand mittlerweile recht niedrig am Himmel.

»Wie lange war ich da unten?«, fragte ich die beiden.

Jaron und Ruby warfen sich einen kurzen Blick zu.

Hieß das etwa, dass sie nicht einmal wussten, wann ihnen mein Fehlen aufgefallen war? War ich so eine lästige Klette, dass man mich einfach vergessen konnte?

»Hauptsache, wir haben dich jetzt gefunden«, sagte Jaron schließlich. Auf seinem Gesicht bildete sich der leise Anflug eines Lächelns. Ein verzerrtes Stöhnen drang aus dem Loch und sofort schrillten bei mir die Alarmglocken.

»Hättet ihr mal auf mich gehört! Ich hab euch doch gesagt, dass ich einen Schrei gehört habe. Aber du und Dom wolltet mir ja nicht glauben.«

Meine Stimme überschlug sich beinahe und ich robbte einige Meter nach hinten, bloß weg von dem unheilvollen Loch. Ruby senkte den Blick kurz zu Boden, ehe sie auf mich zukam und mich zur Seite nahm.

»Wir sind gleich wieder da, Jaron.«

Fragend sah ich zu ihm, doch er zuckte nur kurz mit den Schultern, ehe er sich an einer der Satteltaschen zu schaffen machte.

»Was wird das, wenn es fertig ist?«, fragte ich genervt.

Ruby ließ den Blick über die verfallenen Häuser schweifen.

»Dom hätte dir nicht glauben sollen, sondern müssen. Dass er es nicht getan hat, ist allein meine Schuld. Ich habe zugelassen, dass er voreingenommen dir gegenüber ist, und das war ein Fehler. Sobald wir zurück am Lager sind, werde ich mit ihm reden.«

Ihr Blick wirkte beinahe freundlich und das erste Mal sah ich so etwas wie ein Lächeln in ihrem Gesicht.

»Was war das da unten?«, fragte ich ernst. Die Art, wie sie mich ansah, machte mir beinahe Angst. Seitdem wir uns das erste Mal begegnet waren, hatte ich die Feindseligkeit gespürt, die zwischen uns herrschte. Das dunkle zähe Gift, das aus unseren Poren sickerte, wenn sich unsere Blicke kreuzten. Dass Ruby jetzt plötzlich so freundlich war, konnte nichts Gutes bedeuten.

»Ich bin in dieser Gegend geboren und aufgewachsen. Schon als kleines Kind lehrt man uns drei Dinge, die uns in dieser Welt schützen und am Leben halten sollen.«

»Und welche drei Dinge wären das?«

»Erstens: Halte dich fern vom Sonnenlicht. Zugegeben, bei dieser Regel hatte ich Glück. Ich bin eine der wenigen, die die Sonnenstrahlung nicht lebensgefährlich verbrennt.«

Sie spielte etwas nervös am Reißverschluss ihrer zerschlissenen Jacke herum, ehe sie fortfuhr.

»Die zweite Regel lautet: Vertraue keinem Fremden.«

Ich kniff die Augen kurz zusammen, ehe ich anfing zu lachen.

»Eure Regeln sind ja wirklich streng.«

Ruby lehnte sich gegen eine der halb eingefallenen Steinwände. Ihr Blick wirkte unstet und wild und es schien, als hätte er sich dem Aufruhr in ihrem Inneren angepasst. Als würde er die Gedanken in ihrem Kopf widerspiegeln.

»Willst du die dritte Regel wissen?«

Vorsichtig nickte ich.

»Wenn du einem menschlichen Varó begegnest – dann lauf.«

»Was bedeutet das nun schon wieder?«

Ruby stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu, bis sie nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt war. Ihr starrer Blick jagte mir sofort einen Schauder über den Rücken, obwohl die Luft um uns herum noch immer vor Hitze flimmerte.

»Sie sind Mutanten, Andersartige, Verstoßene. Wesen, die irgendwann einmal menschlich waren. Durch die Strahlung haben sie sich in Monster verwandelt, die das Sonnenlicht scheuen. Aber wir haben festgestellt, dass dies nicht mehr auf alle von ihnen zutrifft. Deshalb haben wir Jäger, die sie jagen und töten oder wegsperren, damit sie keinen Schaden mehr anrichten. Diesen Varó da unten haben Crane und ich dort vor zwei Jahren mit einigen anderen eingesperrt. Ich dachte, er wäre längst tot, aber diese Kreaturen scheinen ewig zu leben. Ihre Schreie sind ohrenbetäubend. Sie haben mich lange in meinen Träumen verfolgt.«

Ich hob den Kopf und blickte zu der hohen Felswand. Die Sonne bewegte sich langsam, aber stetig auf die unebene Steinwand zu und würde schon sehr bald dahinter verschwinden.

»Deshalb also die strengen Nachtwachen? Ihr habt Angst, dass wir abends so einem Varó begegnen?«

Sie antwortete nicht, aber ich verstand sie auch so gut genug. Diese Gegend war mit nichts vergleichbar, was ich kannte. Hier schien es, als wären alle Dinge, die ich gelernt hatte, nichts wert. Als wäre ich in einer fremden Welt, mit fremden Menschen, einsam und völlig auf mich selbst gestellt. In Mentira hatte es auch Unrecht gegeben und viele dunkle Geheimnisse. In Sombra hatte die Luft vor Lügen und Intrigen bestialisch gestunken und die Dunkelheit hatte mich bis in meine Träume verfolgt.

Doch das hier war anders. Mit nichts zu vergleichen.

Dieses Ding da unten hatte mich zu Tode erschreckt. Der Schrei hatte sich tief in mein Innerstes gefressen. Wie viele Varó gab es hier? Und wieso hatten Ruby und Dom uns nicht schon viel eher von ihnen erzählt?

»Weiß Jaron von diesen Wesen?«, fragte ich nach einer Weile. In meinem Kopf türmten sich die Fragen und je mehr ich darüber nachdachte, desto schockierender empfand ich die ganze Situation.

»Er weiß, dass es hier draußen Tiere gibt, die sich verändert haben. Die sind auch weitestgehend harmlos. Wir sind noch nicht dazu gekommen, ihm von den anderen Varó zu berichten. Aber ich hole das nach. Versprochen.«

Ruby schien auf eine Antwort von mir zu warten. Doch als ich nichts weiter entgegnete, wies sie in Richtung Jaron und lief langsam zurück.

»Wir sollten versuchen so schnell wie möglich zu Dom aufzuschließen und dann unser Lager aufschlagen. Die Stelle ist zwar nicht wirklich ideal, aber wir haben durch den Vorfall leider einen halben Tag verloren und können unmöglich nachts weiterreiten.«

Jaron strich mir sanft über die Schulter, als wir uns daranmachten, die Pferde loszubinden.

Mein Arm pochte noch immer unangenehm und ich war mir nicht sicher, ob ich in der Lage war, mich auf ein Pferd zu setzen. Ruby begutachtete den Arm kritisch.

»Ich glaube, du hast dir beim Sturz die Schulter ausgekugelt. Ich kann sie einrenken, aber es wird verdammt wehtun.«

»Was bleibt mir anderes übrig?«, entgegnete ich nur.

Sie griff nach meinem Arm, sah mir tief in die Augen und machte eine ruckartige Bewegung. Sofort bereute ich meine Entscheidung. Ich schrie erneut laut auf und Tränen schossen mir in die Augen.

»Heilige Scheiße!«, brüllte ich sie an.

»Ich hab gesagt, das könnte wehtun.«

Vorsichtig bewegte ich den Arm, stellte aber erleichtert fest, dass er sich jetzt nicht mehr länger wie ein Fremdkörper anfühlte.

»Du solltest trotzdem nicht allein reiten«, rief Ruby mir zu.

Jaron berührte mich kurz am Rücken und führte mich zu seinem Pferd. Vorsichtig half er mir beim Aufsteigen.

Ruby nahm mein Pferd als Zweitpferd und sah uns abwartend an.

»Wir müssen uns etwas beeilen, wenn wir vor Sonnenuntergang bei Dom ankommen wollen. Schaffst du das?«

Als Jaron sich hinter mir in den Sattel schwang und nach den Zügeln griff, fühlte ich mich sofort wohler. Die plötzliche Nähe zu ihm empfand ich nicht mehr ungewohnt, sondern einfach richtig. Jaron war in den letzten Tagen wie mein persönlicher Schatten geworden. Und ich fing an es zu genießen. Sein warmer Oberkörper drückte sich gegen meinen, und als er sein Pferd langsam antraben ließ, schloss ich kurz die Augen. Die Arme hatte er eng an meinen Körper gedrückt, so als wollte er sichergehen, dass ich nicht erneut verloren ging.

Ruby preschte an uns vorbei und Jaron trieb sein Pferd ebenfalls in den Galopp. Wir flogen nur so über die karge Landschaft hinweg. Mein Körper schmerzte noch immer sehr, doch ich versuchte das Pochen einfach auszublenden und konzentrierte mich auf die Wärme von Jarons Körper.

»Ich bin froh, dass es dir gut geht«, hauchte er mir ins Ohr. Sofort stieg ein Lächeln in mir hoch und ich lehnte mich ein wenig nach hinten. Auch wenn ich nach wie vor glaubte, dass ihnen erst viel zu spät aufgefallen war, dass ich nicht mehr hinter ihnen ritt, war ich dennoch froh, dass sie überhaupt nach mir gesucht hatten. Bisher hatte ich felsenfest damit gerechnet, dass Ruby mir bei der erstbesten Gelegenheit ein Messer in den Rücken rammen würde. Dies hier wäre die perfekte Gelegenheit gewesen. Und dennoch schien sie aufrichtig besorgt um mein Leben zu sein. Vielleicht hatte ich mich ja tatsächlich in ihr getäuscht. Aber wenn mich die letzten Wochen eines gelehrt hatten, dann, dass Vertrauen etwas war, was man nicht zu leichtfertig verschenken sollte.

Als ich den Blick nach vorn richtete, sah ich, wie Ruby immer mal wieder nach hinten schaute, um sicherzugehen, dass wir noch da waren.

6. Kapitel

Jaron

Der Rückweg verlief zum Glück ohne weitere Zwischenfälle. Als wir die Stelle, an der wir Dom zurückgelassen hatten, erreichten, war es schon beinahe dunkel. Die Sonne war längst hinter dem Horizont verschwunden, doch aus irgendeinem Grund leuchtete der Himmel noch immer ein wenig nach. Diese Gegend hier war einfach vollkommen anders als Sombra. Ich hatte schon viel gesehen und einiges erlebt, aber jenes Wesen im Minenschacht hatte mir riesige Angst eingejagt.

Allmählich verstand ich, was Ruby zu diesem manchmal skrupellosen und gewissenlosen Menschen hatte werden lassen – die Umstände, in denen sie leben musste. Ich hatte selbst auch kein einfaches Leben geführt, aber meine Kindheit war behütet gewesen. Mein Vater hatte mich geliebt und gut für mich gesorgt, sodass es mir an nichts gefehlt hatte. Wenn ich mir allerdings ansah, in was für einer Welt Ruby groß geworden war, konnte ich verstehen, wieso sie oft einen bissigen Spruch auf den Lippen trug. So ließ sich ihr tristes Dasein besser ertragen. Unweigerlich fragte ich mich, wie viele geliebte Menschen sie wohl schon durch die Strahlung und jene eigenartigen Wesen verloren hatte.

»Dom? Wo steckst du?«, rief sie durch die Dämmerung. Das Feuer war beinahe heruntergebrannt.

Vorsichtig stieg ich ab und half Melia vom Pferd.

»Vielleicht ist er mal für kleine Jungs?«

Ruby sah kurz in meine Richtung.

»Vermutlich. Sein Pferd ist jedenfalls noch hier, also kann er ja nicht allzu weit sein. Eine Suchaktion pro Tag ist mehr als genug.«

Nachdem wir die Tiere versorgt hatten und Melia ein paar getrocknete Äste gesammelt hatte, um das Feuer am Brennen zu halten, kam auch Dom endlich zurück.

»Ich habe einen Hasen gefangen, damit ihr etwas zwischen die Zähne bekommt.«

In der Hand hielt er ein kleines, unförmig aussehendes Fellknäuel. Vermutlich wieder ein Varó.

Melias Augen weiteten sich, ehe sie angewidert die Nase rümpfte.

»Was zur Hölle ist das?«

»Ein Varó«, antwortete ich ihr.

»Wie das Vieh im Minenschacht? Das esse ich auf gar keinen Fall!« Ihre Stimme wurde ungewohnt schrill und ich hörte eine Spur Panik darin. Der Schock schien ihr noch immer in den Knochen zu stecken. Im Grunde war das nicht weiter verwunderlich. Von oben aus hatte ich lediglich einen unförmigen Schatten erkennen können, der auf allen vieren über den Felsboden gekrochen war. Aber Melia war diesem Ding nah gewesen. Sehr nah sogar.

»Also man kann das ohne Bedenken essen. Wirklich. Es schmeckt vielleicht etwas zäh, aber man wird nicht krank von dem Fleisch«, versuchte Dom die Situation zu retten. Er schien es allerdings nur noch schlimmer zu machen.

»Mir ist nach heute der Appetit vergangen.«

Melia stand auf und lief davon.

»Was hat sie denn?«, fragte Dom an Ruby gewandt.

»Sie wurde beinahe von einem Varó getötet. Vermutlich fällt es ihr deshalb schwer, einen mutierten Hasen als Abendessen zu akzeptieren.«

Ruby lief hinter Melia her und die beiden wurden nach einigen Schritten von der Dunkelheit verschluckt.

»Immer diese Weiber«, nuschelte Dom, ehe er sich daranmachte, dem Tier das Fell abzuziehen.

Schweigend sah ich ihm dabei zu, wie er das kleine missgebildete Wesen seiner Haut entledigte und es schließlich auf einen Ast spießte, ehe er diesen über das Feuer hielt.

»Ist nicht viel, aber wenn die beiden nichts davon essen wollen, dann bleibt umso mehr für uns zwei.«

Dom grinste breit und begann leise zu summen. Die Melodie kam mir nicht bekannt vor, aber die Stille hier draußen war in dem Augenblick so ohrenbetäubend, dass ich froh über jeden Ton war, der diese durchbrach.

Kurz darauf kamen Ruby und Melia zurück. Sie setzten sich schweigend zu uns ans Feuer und starrten in die Flammen.

»Wieso hast du mir eigentlich nicht gesagt, was da unten in dem Loch wirklich war?«, fragte ich Ruby.

»Es schien mir für den Moment nicht wichtig.«

Ihre Stimme klang ungewohnt abweisend.

»Wann ist unser Festmahl denn fertig?«, fragte sie Dom, nachdem sie ein paar kleinere Äste ins Feuer geworfen hatte.

»Ach, schade, ich dachte schon, du verzichtest auch auf deinen Anteil.«

»Das könnte dir so passen. Wer rettet dir denn bitte deinen kleinen Hintern, wenn du dich wieder in Schwierigkeiten bringst? Richtig – ich! Aber das schaffe ich nur, wenn ich keinen leeren Magen habe.«

Die beiden lachten und ich spürte, wie die Anspannung langsam von uns allen abfiel. Selbst Melia hatte kurz das Gesicht zu einem Lächeln verzogen. Und das, obwohl sie Dom und Ruby nicht sonderlich gut leiden konnte.

Nachdem Dom das Fleisch vom Ast abgetrennt und es mit seinem Messer in kleine Stücke geschnitten hatte, verteilte er es mehr oder weniger gleichmäßig auf uns drei.

Ruby sah kurz zu Melia, die sich bei dem Anblick des toten Tieres ein wenig zur Seite drehte. Wir aßen schweigend das Fleisch, doch mir entging nicht, wie Melia immer wieder zu uns herübersah.

Als wir alle fertig gegessen hatten, sprang Ruby auf die Beine und kam auf mich zu.

»In meiner Satteltasche sind noch einige Nüsse und Trockenobst. Gibst du das bitte Melia und kommst anschließend zu den Pferden? Wir gehen gemeinsam Wasser holen.« Sie reichte mir noch eine brennende Fackel, ehe sie weitere Äste ins brennende Feuer warf.

Ich nickte ihr zu und lief dann direkt zu den grasenden Pferden. Die Tiere hoben kurz den Kopf, als sie mich hörten, störten sich aber nicht weiter an meiner Anwesenheit. Vorsichtig griff ich in die Satteltasche und kramte darin herum. Meine Finger glitten über etwas Kaltes, Glattes. Ich zog es langsam heraus und hielt eine kleine zerbeulte Dose in der Hand.

Umständlich öffnete ich diese mit nur einer Hand und sah hinein. Tatsächlich war der Behälter noch zu etwa einem Drittel mit Trockenobst und Nüssen gefüllt. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hatte bereits ein schlechtes Gewissen gehabt, dass Melia rein gar nichts gegessen hatte.

Als ich ihr die Dose hinhielt, sah sie mich fragend an.

»Was ist das?«, fragte sie leicht gereizt.

»Dein Abendessen.«

Ihre rechte Augenbraue hob sich leicht nach oben, als sie nach der Dose griff. Sie öffnete den Deckel und beäugte den Inhalt mit kritischem Blick.

»Was ist das?«

»Trockenobst und Nüsse«, kam Ruby mir mit der Antwort zuvor. Sie lächelte Melia zögerlich an.

»Ich dachte, du hättest vielleicht Hunger.«

Melia bedankte sich bei Ruby, ehe sie anfing zu essen.

»Wir sind mal kurz Wasser holen«, rief Ruby dann Dom zu, der dicht am Feuer saß und begonnen hatte zu schnitzen. Sie schnappte sich die leeren Wasserbehälter, während ich noch immer die Fackel in der Hand hielt.

»Soll ich dir beim Tragen helfen?«

»Beim Rückweg vielleicht. Noch sind sie ja alle leer.«

Ich grinste. Sie war genauso stur und dickköpfig wie Melia. Sie ließ sich auch nie helfen.

***

»Woher weißt du denn, dass hier Wasser ist?«, fragte ich Ruby, während wir einen kleinen Hügel hinaufliefen.

Die Fackel leuchtete nur einen geringen Teil der Umgebung aus und ich sah immer wieder auf den Boden, um nicht auf eine Schlange zu treten.

»Ich bin hier groß geworden, jeder Zentimeter, jeder Winkel dieses verkommenen Landes ist für ewig in mein Hirn gebrannt.«

»Klingt ja sehr begeistert.«

»Das Problem ist, dass man nicht aus jeder Quelle bedenkenlos trinken kann. Deshalb müssen wir hier unsere Reserven auffüllen, denn die nächste Quelle finden wir erst wieder kurz vor Sedimento.«

Wir liefen zwischen einigen dicht stehenden Bäumen hindurch, deren Äste seltsam verdreht wirkten, so als würden sie einander umarmen. Der Himmel über uns war sternenklar und ich stellte erleichtert fest, dass wenigstens dieser überall gleich aussah.

»Sieh nach vorn, sonst brichst du dir sämtliche Knochen«, herrschte Ruby mich an.

Sie beäugte mich kritisch, ehe sie weiterlief.

»Ich war einfach nur erleichtert, dass der Himmel hier sich nicht lila färbt oder fliegende Schweine durch die Lüfte sausen«, versuchte ich die Situation etwas aufzulockern. Ruby schien wirklich unter Stress zu stehen und ich konnte es gut nachvollziehen. Dennoch ging mir dieser schnelle Wechsel zwischen ihren Launen langsam auf die Nerven, auch wenn ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen.

»Na, wer weiß, man sollte niemals nie sagen! Hier ist alles möglich«, nuschelte sie leise.

Der weiche Boden unter unseren Füßen wich kleineren Kieselsteinen, und als ich den Hügel, den wir zuvor hinaufgelaufen waren, hinabblickte, konnte ich weiter unten bereits einen kleinen Bachlauf entdecken.

»Ah, da ist es ja.«

Ich hatte meinen Schritt bereits beschleunigt, als Ruby mich am Arm griff.

»Nicht so schnell, Jaron. Sieh mal dahinten.«

Sie hob den Arm und zeigte Richtung Osten.

Angestrengt kniff ich die Augen zusammen und versuchte dort unten etwas zu erkennen. Doch bis auf ein paar verschwommene Schatten konnte ich nichts sehen.

»Ich kann nichts Auffälliges ausmachen.«

Ruby stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite.