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Kendra und Avan sind frisch nach Los Angeles gezogen, als sie sich ineinander verlieben. Der perfekte Neuanfang für zwei Fremde, die ihre Vergangenheit ruhen lassen wollen. Ein Jahr später greifen beide den Jugendtraum von Avan auf und tauchen in Südamerika nach verschollenem Gold. Kaum kehrt das Paar Kalifornien im Auto den Rücken zu, werden stille Geheimnisse von Meile zu Meile lauter. Er verstrickt sich in Lügen, ihr Vertrauen gerät ins Wanken. Spätestens als alte Schulfreunde von Avan unterwegs auftauchen, erkennt Kendra ihren Freund nicht mehr wieder. “Wer ist der Mann, mit dem sie wochenlang von Ort zu Ort reist, und wieso verschweigt er etwas, was seine Freunde alle wissen dürfen – und sie nicht?” Auf der Suche nach Antworten driftet Kendra unaufhaltsam in einen reißenden Strom aus Lügen, Konflikten und tödlichen Verbrechen ab, der die Zukunft des Paares radikal verändern wird.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Epilog
Schlusswort
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
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Copyright © 2025 Daphne Major, daphnemajor.de Daphne Major, c/o Fakriro GmbH / Impressumsservice, Bodenfeldstr. 9, 91438 Bad Windsheim Covergestaltung: Constanze Kramer, coverboutique.de, Bildnachweise: ©bou, ©Maxim Borbut, ©Gilberto Mesquita – stock.adobe.com, ©Aleksandr Ozerov, ©lindamka – shutterstock.com - freepik.com
ISBN 978-3-819-40014-8 eBook
Er schafft es nicht, seinen Traum loszulassen, denke ich wütend. Enttäuscht zeige ich auf das eiserne Mitbringsel seines nächtlichen Tauchgangs. Avan weicht abrupt zurück und schlägt meinen Arm nach unten weg. Perplex zucke ich zusammen. Warum macht er das? Ich deute ihm mit dem Zeigefinger einen Vogel. Eins der wenigen internationalen Verständigungszeichen, die unter und über Wasser gleich sind. Er rudert davon. Verunsichert folge ich ihm und dem Licht seiner Taschenlampe. Fast habe ich ihn eingeholt und streife dabei sein Bein. Er tritt so heftig aus, dass sich meine Maske schmerzvoll verrückt. Erschrocken gebe ich Gas, um ihn einzuholen. Seine Faust kommt zwischen uns. Mit einem Schlag kracht das starre Kunststoff-Gaumensegel des Mundstücks, welches ich mit den Lippen umschließe, so heftig gegen den Kiefer, dass ich Blut schmecke. Mein Schrei im Meer ist dumpf. Panik jagt Adrenalin durch die Blutbahnen. Ich drängele mich mit dem Gesicht zu ihm an seinem Körper vorbei, bereit aufzutauchen. Er bekommt die Schnellablass-Kordel an der Tarierweste zu packen und zieht mehrfach ruckartig daran, bis die gesamte Luft entwichen ist. Durch den verlorenen Auftrieb sacke ich hilflos wie ein sinkender Stein in seine Arme.
Kalifornien – September 2021
Mein Magen knurrt. Die Autofahrt von Silverlake bis Malibu hat lange gedauert. Los Angeles ist ein weitläufiges Meer aus Straßen und bunten Vierteln mit Urlaubsflair. Mir gefällt es. Mrs. Hoffs hat die Fahrt hierher empfohlen. Die alte Dame hat davor gewarnt, dass sich Kalifornier nie an den bis zu 30 Meter hohen Palmen sattsehen. Mich erinnern sie aus dem Auto heraus an eine Armee Langhalsdinosaurier, die in Reihe und Glied am Straßenrand stehen. Mrs. Hoffs ist meine Vermieterin, bis ich ein Apartment fußläufig zur Tierklinik gefunden habe. Es ist der erste Tag im Golden State. Der Staat verdankt den Beinamen den fast surreal leuchtenden Sonnenuntergängen. In New York bin ich mit Jeans, Sweatshirt und Regenjacke abgeflogen, denke ich und recke die Nase den Sonnenstrahlen entgegen. Bunte Flip-Flops sinken in den Boden und bedecken meine Zehen mit feinem Sand. Die Zeit vom Herbst in New York bis zum kalifornischen Spätsommer zurückgedreht, beobachte ich den Andrang vor dem Paradies Cove Beach Café. Eine Traube von Menschen versperrt den Blick auf die Speisekarte neben dem Eingang. Vor mir steht ein gutaussehender Mann mit vom Wind zerzauster Mähne. Sein espressofarbenes Haar reicht bis zur Wange und hebt ihn samt seiner dunklen Kleidung zwischen den blonden, bunt gekleideten Surfern hervor. Was den athletischen Körper angeht, passt er perfekt zu den anderen Sportfanatikern am Strand. Er scheint alleine zu sein und lächelt gedankenverloren vor sich hin.
Erst auf dem Hinweg habe ich einen Podcast darüber gehört, dass man Gelegenheiten nur mit Mut am Schopf packt. Ich bin neu in der Stadt und auf der Suche nach frischen Freundschaften. Mit einem Lächeln im Gesicht denke ich an den alten Dating-Trick zurück, den meine Schwester und ich für attraktive Touristen am Chiemsee ausgetüftelt hatten. So kam in den Schulferien selten Langeweile auf. Mit einer schier unscheinbaren Geste beuge ich mich vor und rumple ihn absichtlich von hinten an.
„Oh, entschuldige, ich bin ein Tollpatsch. Die Brille.“, sage ich beim Aufrichten mit einem Lächeln und streife sie wie ein Haarreifen zurück in mein karamellfarbenes Haar.
Unsere Blicke treffen sich und er lächelt mich an: „So etwas passiert.“ Bevor er sich wieder von mir wegdreht, texte ich ihn zu: „Ist das Café hier beliebt?“
„Ja!“, antwortet er und macht es schwer, die Unterhaltung im Fluss zu halten.
„Gibt es hier ein anderes Café am Strand zum Mittagessen? Eins, wo nicht alle Bewohner von L.A. zeitgleich anstehen?“
„Mit Blick aufs Meer? Ja, das Lieblingscafé meiner Eltern.“
„Zeigst du es mir?“, höre ich mich zu forsch sagen und rolle innerlich mit den Augen.
„Warum nicht.“, antwortet er und fängt alle Selbstzweifel wieder ein. „Fahre dort vorne den Pacific Coast Highway ein paar Meilen in Richtung Santa Monica zurück. Bei Jack in The Box geht es rechts rein zum Malibu-Pier. Am Ende findest du gegenüber vom Souvenir-Shop das Farm-Café mit Rundblick aufs Meer. Dort treffen wir uns gleich wieder, okay?“
Verdutzt über seine Offenheit, bemerke ich zu spät, dass meine Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen hochwandern. „Farm-Café in 15 Minuten, gefällt mir.“, sage ich und bewege mich in Zeitlupe rückwärts von ihm weg. Wohlwissend, dass mein Auto in der anderen Richtung geparkt ist. Dabei schaufele ich mit den Flip-Flops den Sand zwischen Verse und Sohle. Nur durch ein Wunder gelingt es mir, nicht vor seinen Augen zu stolpern.
„In 15 Minuten!“, ruft der unbekannte Mann und lässt die Schlange Menschen hinter sich. Sein Lächeln hat sich jetzt schon in mein Herz gebrannt. Ein letztes Mal dreht er sich zu mir herum und ruft: „Ich heiße übrigens Avan!“
„Und ich bin Kendra. Es freut mich, dich kennenzulernen.“
Santa Catalina Island, Kalifornien – September 2022
Vor uns liegt die Bucht von Avalon. Die Überfahrt vom Hafen in Long Beach bis zur Insel hat knapp zwei Stunden gedauert. Wir sind hier, um unseren Jahrestag zu feiern. Dieses Wochenende vor einem Jahr war es Liebe auf den ersten Blick. „Die Bootsfahrt allein ist das beste Jahrestagsgeschenk.“, sage ich und streiche eine Haarsträhne aus Avans Gesicht. Der Fahrtwind hat sein Haar zerzaust. Seine ausgeprägten Wangenknochen ergeben mit seinem Mund die perfekte Symmetrie. Sein kurzer Vollbart sieht aus wie gemalt. Wenn Avan still ist, was selten vorkommt, sind seine Lippen leicht geöffnet. Anfangs sah es für mich so aus, als wolle er etwas sagen.
Es war seine aufgeweckte Art, die uns in eine Beziehung geschubst hat. Bis heute schafft er es immer wieder, eine Überraschung aus dem Hut zu zaubern, so wie diesen Wochenendtrip. Avan ist so unvorhersehbar wie die Superzahl beim Lotto. Ständig unter Strom und voller Ideen. Meine Mutter pflegte zu sagen: Kendra, du brauchst einen Mann, der an einem Tag mit dir auf eine einsame Insel entflieht und am anderen Tag mit Kletterausrüstung den Eiffelturm erklimmt. Vorausgesetzt, er gibt dir früh genug Bescheid, damit du nicht unvorbereitet bist. An Letzterem hapert es bei Avan, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Von diesem Trip habe ich vor fünf Tagen erfahren und mit Kisha den Wochenenddienst in der Tierklinik getauscht.
Unser Hotel liegt an der Promenade unweit vom Pier entfernt. Obwohl man von Avans Haus in Malibu aus direkt das Meer sieht, wirkt es hier anders. Sicher weil wir auf einer Insel fernab von Highways sind.
Begeistert stehe ich in einer Ecke vom Wohnzimmer, welche durch bodentiefe Glasscheiben wie bei einem Aquarium miteinander verbunden ist. „Das Zimmer hat dich ein Vermögen gekostet.“, flüstere ich. Seine Arme gleiten von hinten um meine Hüfte. Ich spüre einen Kuss im Nacken und bekomme eine Gänsehaut. „Für dich nur das Beste zu diesem besonderen Tag.“, haucht Avan zwischen weiteren Küssen und wirbelt mich zu sich herum: „Ich liebe dich, seitdem du mir im Farm-Café gegenüber gesessen hast.“
„Was war so reizvoll an mir?“
„Deine Leidenschaft für die Berge und was du dort schon alles erlebt hast.“
„Hast du deshalb vor der Rechnung nach einem zweiten Date gefragt? Aus dir wird kein Bergjunge, das hat mir unser Ausflug in die Kletterhalle verraten.“, necke ich ihn und versinke in seinen dunklen Augen. Sie erinnern an einen Teddybären aus meiner Kindheit, der mir die gleiche Geborgenheit gespendet hat, wie Avan.
„Es waren nicht die Berge allein. Es war die Art und Weise, wie du von deinem Hobby gesprochen hast, wie du für die Bergwelt brennst. Beim Schwärmen von Malen-nach-Zahlen hätte ich dir genauso an den Lippen geklebt. Sich für eine Sache so zu begeistern, ist etwas Besonderes.“ Nur ein Blatt Papier passt zwischen unsere Körper, so eng, wie Avan mich in seine Arme schließt. „Wie lautet der Dresscode für heute Abend?“, frage ich und erwidere die Umarmung.
„Eher schick. Wir essen in einem edlen Restaurant am Strand. Ruhe du dich vorher aus. Ich gehe eine Runde Joggen.“, antwortet Avan und streckt dabei die Arme weit von sich.
Kaum ist er aus der Tür, hopse ich unter die Dusche und schlafe im Bademantel auf dem extravagant geformten Boxspringbett ein.
„Kendy?“ Wie ein Maulwurf im Erdhügel krabbele ich aus dem Kissenparadies hervor und sehe Avan verschwitzt vor mir stehen. Die Turnschuhe und sein Laufshirt hat er auf dem Weg zum Bett ausgezogen. Bei dem Versuch aufzustehen, stupst er meine Schultern an. Sanft sinke ich zurück und sehe, wie er sich mit einem verschmitzten Lächeln über mich beugt. „Ich bin extra schnell gerannt, damit wir Zeit für uns haben.“, sagt er. Der Begrüßungskuss verwandelt sich in frisch verliebte Gier. Der feine Multifunktionsstoff seiner Sporthose presst gegen mein Becken. Haut berührt sich. Der süßsäuerliche Geruch von Sport liegt in der Luft. Es dauert nicht lange, bis unsere Körper miteinander verschmelzen und der Verstand alles um uns herum ausblendet, eh wir erschöpft auseinanderdriften.
Zufrieden liegen wir nebeneinander, mein Kopf lehnt an seiner Brust und ich lausche seinem beruhigenden Herzschlag. „Bin glücklich mit dir.“, seufze ich wunschlos vor mich hin. Er reagiert nicht. Seine Augen sind geschlossen. So entspannt schaut er nicht wie 36 aus, eher jünger. Meine Hand sucht seine. Müdigkeit siegt, ich döse weg. So lange, bis mich das leise Summen seiner Smartwatch weckt. Verschlafen drehe ich sein Handgelenk zu mir, +1 415 282 2154 ruft an, zeigt das Display mit einem aufblinkenden grünen Telefonhörer daneben. 415 ist die Vorwahl von San Francisco. Avans Eltern leben dort. Wir haben uns nie persönlich kennengelernt und er erzählt selten etwas von ihnen, außer, dass er unweit der Golden Gate Bridge aufgewachsen ist. Hoffentlich ist nichts passiert. Beunruhigt robbe ich aus dem Bett und folge dem Klingelton. Sein Smartphone liegt neben den Laufschuhen am Boden. Die Stimme am anderen Ende erstickt mein Hallo mit lauten Worten in Spanisch.
„Hola Avan! Mentiroso! ¿Estás disfrutando de tu vida? ¿Después de todo lo que ha pasado?“
„Hallo, hier spricht seine Freundin. Er schläft.“ Die aufgebrachte Gesprächspartnerin schweigt. Ich stelle mir eine jüngere Version von Selma Hayek vor, die aus irgendeinem Grund die Nummer von Avan besitzt und oben drein sauer auf ihn ist.
Wenn ich bloß wüsste, was sie gesagt hat. Meine Spanischkenntnisse beschränken sich auf den Untertitel der Serie Narcos. Ganze drei Wörter habe ich verstanden: Lügner und etwas mit Leben. Der Tonfall klingt so wütend wie Pablo. Eingeschüchtert antworte ich: „Es tut mir leid, aber ... No hablo español.“
„Was macht mein Smartphone in deiner Hand?“, höre ich Avan hinter mir fauchen. Sein Blick ist ernst und düster. Ich reiche ihm das Phone entgegen und wische im gleichen Augenblick mit dem Daumen über die Beenden-Taste: „Es hat geklingelt. Ich war dabei, es dir zu bringen.“
Avan rupft das Gerät buchstäblich aus meiner Hand und verstaut es wortlos im Flur in seinem Sakko. Kurz darauf erhellt sich seine Miene und er lächelt: „Dieses Wochenende ist nichts so wichtig wie unser Jahrestag. Wer immer es war, wird es verstehen. Ziehe dich an, der Tisch ist für sieben Uhr im Descanso Beach Club reserviert.“
Hat er gesehen, wer es war? Kennt er die Nummer? Spricht Avan spanisch? Meine Gedanken tigern nervös auf und ab. Ratlos öffne ich den Koffer und mache mich fürs Abendessen zurecht.
„Schick genug für heute?“, frage ich und deute auf mein schwarzes Cocktailkleid. Avan hockt am Boden, um seine Schuhe zuzubinden. Ich beobachte ihn. Mentiroso. Das Wort steht wie ein unsichtbarer Elefant zwischen uns. Lügner. Warum nennt ihn eine fremde Frau so? Weshalb war sie so wütend? Avan nickt, streift sein Sakko über und greift in die Innentasche. Hastig entsperrt er das Display seines Smartphones, um es nach nur einem kurzen Blick wieder zu sperren. „Hast du den Anruf entgegengenommen?“
„Nein. Warum?“, bringe ich hervor. Mist, die Antwort kam zu schnell. Meine Schwester hat mir früher oft vorgeworfen, dass ich die schlechteste Notlügnerin bin, die es gibt. Flunkern aus der Not heraus ist nicht verwerflich. Und doch riskiert man mit jeder klitzekleinen Lüge das Vertrauen anderer Personen.
„Der Anruf wird nicht als verpasst angezeigt. Merkwürdig, wenn du ihn nicht angenommen hast, oder?“, beteuert Avan.
Ungesagte Worte brennen wie Feuer unter meiner Zunge. Warum war die Frau so verärgert? Hat Avan mich mit ihr betrogen? Mit Mühe bändige ich jeden trüben Gedanken und stelle offene Fragen unserem Jahrestag zuliebe hinten an. Sicher klärt sich alles auf. Wir sind zwischen Bergpanorama und Meer auf einer kalifornischen Insel im Pazifik. Der Tag hat mit Delfinen neben der Fähre angefangen. „Vermutlich habe ich mit dem Finger unglücklich das Display berührt. Du weißt, wie tollpatschig ich bin. Rufst du zurück, um zu sehen, wer es war?“, frage ich und schaue ihm dabei in die Augen in der Hoffnung, mehr daraus zu lesen, als er sagt.
Avan reicht mir seine Hand und öffnet die Tür: „Bist du bereit für einen romantischen Abend?“
Meine Frage bleibt unbeantwortet.
***
„Wie bist du auf Catalina Island gekommen? Warum verbringen wir unseren Jahrestag ausgerechnet hier?“, frage ich und bedanke mich bei dem Kellner, der das Essen zwischen dem makellos glänzenden Besteck drapiert.
„Meine Eltern haben ihre Flitterwochen auf der Insel verbracht. Ich war als Kind mit ihnen hier und habe positive Erinnerungen daran.“, antwortet Avan.
Er führt eine Gabel voll mit gegrilltem Fisch zu seinem Mund und erzählt mit rotierendem Kiefer weiter: „Seit ihrer Hochzeit schenken sie sich alte Schmöker, die verfilmt wurden. Murder on a Honeymoon ist so ein Buch. Die Geschichte passiert hier auf der Insel. Mein Vater hat sich einen Scherz erlaubt und schenkte ihr den Roman von 1933 zur Hochzeit. Er fand das amüsante Buch über einen Mord in den Flitterwochen in einem Antiquitätenhandel in San Francisco. Meine Mutter hat ihm im Gegenzug zum ersten Hochzeitstag den Roman Die Blaue Lagune aus den 50er Jahren geschenkt und so wurde es zur Tradition. Bis heute schenken sie sich gegenseitig solche Bücher.“
Gerührt von der Erzählung über seine Eltern, klirren die Gläser unserer Weißweinschorlen laut aneinander. Die Sonne ist schon zu einem Drittel ins Meer abgetaucht und hinterlässt einen orangenen Dunst auf den Wellen. „Wann besuchen wir deine Eltern gemeinsam? Sie klingen so herzig, wenn ich das höre.“ Kaum ist die Frage aus mir heraus, denke ich daran, dass Avan meine Familie nie kennenlernen wird, nach allem, was damals zuhause vorgefallen ist. In mir pocht der Wunsch, seine Verwandtschaft für mich zu gewinnen und mit ihm in Kalifornien alt zu werden. Und das liegt nur bedingt an seinem villenhaften Haus in Malibu – an vorderster Front mit Blick aufs Meer. Alles an meinem Leben ist perfekt, so, wie es jetzt ist.
„Dieses Wochenende hatten sie andere Pläne, sonst wären sie mitgekommen.“ Avan zuckt desinteressiert mit den Schultern und wechselt das Thema.
„Schmeckt dir das Essen? Den besten Fisch meines Lebens hatte ich in Barcelona.“ Er hebt sein Glas und bittet den Kellner wortlos um Nachschub.
Mir kommt das Telefonat in den Sinn. „Wann warst du zuletzt in Spanien?“
Avan schaut mich an und überlegt. „Wow, das ist vermutlich zehn Jahre her. Damals war ich 25 oder so.“
Ich nicke. Der Besuch ist zu lange her, um so wütend zu sein, wie die Anruferin. Im Hintergrund ertönt klassische Filmmusik aus den Boxen. Mit dem Untergang der Sonne wird es windiger. Die Flammen der aus dem Sand ragenden Stahl-Fackeln tanzen im Wind und hüllen die Tische in ein warmes Licht ein. „Hast du für morgen etwas geplant?“, frage ich.
Avan reagiert nicht. Sein Augenpaar klebt am Eingang des Dinnerclubs. Andere Gäste starren in dieselbe Richtung. Eine schlanke Frau mit endlos langem blonden Haar und türkisgrünem Paillettenkleid gleitet den Gang entlang. Sie ähnelt einer Meerjungfrau, die den Wellen des Meeres entkommen ist. Ihr gewelltes Haar wippt auf den filigranen Schultern mit jedem Schritt auf und ab. Ihre Haut ist braun gebrannt. Ist sie ein Filmstar? Schauen deswegen alle hin? Sie bewegt sich so anmutig wie ein Victoria Secret Model auf dem Laufsteg.
Mit der Weinschorle in der Hand, stupse ich Avan an: „Wer ist dieses umwerfend aussehende Wesen?“
Er antwortet, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden: „Ruby Fisher.“
Mein Kopf arbeitet. Ruby Fisher sagt mir nichts. „Ist Ruby eine Schauspielerin? Ein Model?“
„Weder noch. Ruby Fisher ist aus der Familie von Mel Fisher.“
Ich bleibe ratlos und schaue zu, wie die Frau mit einem Mann, groß und breit, wie ein Footballspieler, gemeinsam einen Platz in unserer Nähe einnimmt. Mittlerweile schaut nur noch mein Freund zu ihr herüber. Der Duft von frischen Waffeln hält ihn nicht davon ab.
„Erde an Avan. Erzählst du mir mehr über Ruby und ihr Leben?“, frage ich und zerpflücke die mit Zimt bestäubte Waffel mit der Gabel.
Zwei Stunden später sind wir bei der dritten Flasche Wein angekommen und Avan hört nicht auf zu erzählen. Es stellt sich heraus, dass Mel Fisher der wahre Star in seiner Geschichte über Ruby ist. Er war ihr Opa und ein weltberühmter Schatztaucher. In den 50er Jahren hat er mit seiner Ehefrau Dolores einen Tauchshop in Los Angles eröffnet. Er war ein Tauchpionier und hatte zahlreiche Tauchschüler. Wie Avan war Mel Unterwasserfotograf. Letzten Endes filmte er sogar für Spielfilme. Seine bessere Hälfte stellte einen Langzeittauchrekord für weibliche Taucher auf bei einem knapp 6-stündigen Tauchgang. Der Titel war ihr viele Jahre sicher.
Ich habe Avan seit unserer Begegnung nicht so fasziniert von etwas sprechen hören, wie von Mel Fisher. Damals hat er erzählt, dass er Berufstaucher bei der Navy war, bevor er nach L.A. zog. Das wiederum hat mich begeistert, weil es ein seltener Beruf ist. Zumindest in meinem bisherigen Dating-Umfeld. Erst jetzt wird mir bewusst, dass Avan seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Taucher ist. Mel Fisher war seine Ikone. Wegen ihm hat er neben dem Tauchschein eine Dive-Master Prüfung absolviert, um ebenfalls Tauchschüler zu unterrichten. Avan teilt seine Meereserlebnisse mit mir, die er auf jedem Kontinent erlebt hat. Seine furchtlose Begegnung mit einer Gruppe von Orcas in Norwegen, fasziniert mich.
Unsere Reisen bestehen bisher aus Kurztrips, was meinem Gehalt in der Tierklinik geschuldet ist. Avan redet nie über Geld, daher vermute ich, dass seine Zeit bei der Navy entsprechend entlohnt wurde.
„Warum erzählst du mir erst jetzt von deiner tief verwurzelten Leidenschaft fürs Tauchen?“, frage ich fast schon beleidigt. Wie gerne würde ich Fotos von all seinen Tauchgängen sehen.
„Tauchreisen gehören meiner Vergangenheit an. Seit über einem Jahr bin ich nur noch beruflich auf hoher See, um andere Leute beim Tauchen zu fotografieren und, um das Boot für die Gäste in Schach zu halten.“
Avan füllt unsere Weingläser auf. In seiner Stimme klingt zunehmend ein Hauch von Traurigkeit mit: „Damals, bei der Navy, da habe ich unter Wasser Schiffe vor den Küsten von Kalifornien geflickt oder Zollware beschlagnahmt. Dazu habe ich andere Tauchlehrer im Urlaub vertreten für Tauchschulen, die ich kannte. So kamen einige Stunden unter Wasser zusammen.“
„Fehlt es dir, wieder öfters zu tauchen?“, frage ich.
Avan antwortet nicht und beobachtet gedankenverloren ein altes Paar, was neben uns Platz nimmt. Das Sprudelwasser macht sich bemerkbar und ich nutze die Stille für einen Besuch der Waschräume. Der Weg dorthin führt mich an dem Tisch von Ruby vorbei. Ihr Lidschatten schimmert in den gleichen Grüntönen, wie ihr Kleid und die Edelsteine rund um ihren zarten Hals. Die Halskette allein übersteigt vermutlich mein Jahreseinkommen. Opa Fisher war bei seinen Schatzsuchen erfolgreich, denke ich und schmunzle.
Wieder zurück an unserem Tisch finde ich Avan mit seinem Smartphone in den Händen vor. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Hat er mit der Spanierin telefoniert?
„Ich habe uns eine weitere Flasche Wasser bestellt. Kann nicht schaden. Wir hatten reichlich Wein. Okay für dich?“, sage ich und setze mich zu ihm. Das Display ist schwarz. Avan lässt sein Smartphone ins Sakko zurückgleiten.
„Oh nein, es ist fast Mitternacht und wir sind zu betrunken, um mit einem Cocktail auf den ersten Jahrestag anzustoßen. So wie damals, erinnerst du dich? Wir waren am Strand und haben dort in der Bar etliche Longdrinks getestet.“ Die Erinnerung an das erste Date zaubert uns ein Lächeln aufs Gesicht. Ich hauche Avan einen Luftkuss zu. „Wir haben über den Nutzen von altersgerechten Laufrädern für Hamster diskutiert. Da war mir klar, dass du unser Date so wenig beenden wolltest, wie ich.“
„Jedes Thema, was dich in eine Unterhaltung zu verwickeln schien, war mir recht.“, sagt Avan und fängt meinen Kuss symbolisch mit der Hand auf.
Ich nicke zum Nachbartisch herüber. „Jetzt, wo wir geklärt haben, dass Rubys Opa ein berühmter Schatzsucher war, frage ich mich, wie erfolgreich er war und über welche Werte sprechen wir überhaupt? Schätze so groß, wie in dem Film Eldorado von Disney?“
„Ja, aber deutlich wertvoller als Cartoon-Münzen.“, sagt Avan und zwinkert mir zu. „Gemeinsam mit weiteren Tauchern entdeckten die Fishers zahlreiche Wracks vor der kalifornischen Küste und in der Karibik. Anfang der 60er Jahre hat sich Mel mit einem Gerätetaucher namens Kip Wagner verbündet. Dieser hatte die ersten Schätze einer 1715 gesunkenen spanischen Silberflotte geborgen. Da die Schatzsuche ein teures Hobby ist, haben sich die beiden zusammengetan und eine Schatzsucherfirma gegründet. Gemeinsam mit anderen Tauchern suchten sie an der Ostküste Floridas ein Jahr nach den Schätzen der gesunkenen spanischen Flotte. Kurz bevor sie die Suche aufgaben, entdeckten sie über tausend Goldmünzen. Fisher und Wagner erhielten eine staatliche Bergungsgenehmigung. Archäologen überwachten die Arbeit der Schatzsucher. Ein Viertel der geborgenen Schätze wurde zwangsweise an den Staat abgetreten, bitter, oder?“
„Wie viel ist übrig geblieben für sie?“, frage ich. Ein Kellner stellt uns eine Flasche Wasser auf den Tisch, Avan spricht leise weiter: „Der gesamte Schatz war über 20 Millionen US-Dollar wert.“
„Ein Viertel davon? Das ist bitter.“ Wer hätte vermutet, dass solche Summen am Meeresgrund schlummern, denke ich und öffne die Flasche.
„In den 70er Jahren fokussierte Fisher sich auf das Wrack der Galeone Atocha, die 1622 mit 40 Tonnen Gold und Silber an Bord vor den Florida Keys gesunken war.“
„Obwohl er schon Millionär war?“ Warum hat der Mann sich nicht auf seinem Schatz ausgeruht?
„Er hatte Blut geleckt und war süchtig nach dem Kick mehr Gold im Meer zu finden – schneller als andere Schatzsuchende.“
Avan gestikuliert mit seinen Händen und gerät immer mehr ins Schwärmen. Seine Pupillen sind geweitet und seine Worte überschlagen sich, bevor sie seinen Mund verlassen. In seiner Begeisterung spiegelt sich das wieder, was in mir vorgeht, wenn jemand die Alpen erwähnt oder ich an alles denke, was mein Vater dort mit mir und meiner Schwester unternommen hat. Zwischen den grauen Riesen war ich zuhause und lebendig. Avans Stimme durchdringt meine Gedanken.
„Nach langen Verhandlungen und Streitigkeiten mit dem Staat Florida und mit der US-Regierung erhielt Fisher das Recht, jeden seiner Funde im Zusammenhang mit der Atocha alleine zu behalten. Die lange Suche wurde durch Geldmangel und vor allem Tauchunfälle weiter erschwert. Mitte der Achtziger wurde das Wrack der Atocha endlich gefunden, aus dem Fisher den bis dahin größten bekannten Schatz mit einem Wert von knapp 400 Millionen aus dem Meer geborgen hatte.“
Reflexartig pruste ich Wasser aus dem Mund und huste: „400 Millionen US-Dollar? Kein Wunder, dass Ruby so extravaganten Schmuck trägt.“
Avan duckt sich rechtzeitig beiseite und wirft mir seine Servierte entgegen. „Gefunden tief unten im Meer. Bereit für den, der sich die Mühe machte, danach zu suchen.“
„Gib‘ es zu. Du hast als Teenager selbst davon geträumt, wetten?“ Ich knülle das feuchte Papiertuch mit der Hand zusammen und knete amüsiert darauf herum. Es dauert einen Moment, eh Avan antwortet: „Nachbarskinder haben mich damit aufgezogen und betont, dass Jungs in meinem Alter eine andere Art von feuchten Träumen haben sollten. Der Gedanke daran, so viel Gold unter Wasser zu finden, hat mich fasziniert, bis ins Erwachsenenalter hinein.“
„Gibt es dort draußen,“ ich nicke zum Meer, „verschollene Schiffe voller Gold, von denen man weiß?“ Nochmal 400 Millionen liegen sicher nicht am Meeresboden herum, schätze ich und schaue neidisch zu Ruby herüber.
„Man munkelt, dass bis heute Vermögen im Wert von 30 Milliarden Euro im Meer schlummern. Es gibt historische Seekarten, auf denen Koordinaten zu den Routen Handelsschiffe zu finden sind, denen die Piraten gefolgt sind. Nur ein Nerd findet sich in den kryptischen Aufzeichnungen zurecht.“, sagt Avan.
„Sitzt mir so Einer gegenüber?“, frage ich und suche das Feuer in seinen Augen, was vor wenigen Minuten da war.
„Kommt drauf an. Mein Studienfach war Unterwasserarchäologie und ...“
„Du hast was? Du bist Archäologe? In Kalifornien studiert doch jeder etwas Kreatives, Film, Kunst oder Schauspielerei.“
„Das ist ein Vorurteil.“, antwortet Avan.
Verrückt, dass ich erst jetzt davon erfahre. „Wir sollten öfters Zeit auf Inseln verbringen. Das macht dich gesprächig.“, sage ich und beuge mich zu ihm herüber für einen Kuss auf den Mund. Seine Lippen schmecken nach dem Zimt der Waffeln.
„Ertappt. Ich interessiere mich für die Hinterlassenschaften der Menschheit. Nur eben nicht an Land, sondern im Meer. Deshalb ist mir so einiges über die Schiffe bekannt.“
Das erklärt seine kitschigen Flaschenschiffe, die im Haus überall Staub fangen.
„Die Galeone San José wurde von gleich zwei Schwesterschiffen bewacht - genützt hat es nichts. Nach langen Gefechten mit englischen Kriegsschiffen explodierte die San José und sank 1708 vor dem Hafen von Cartagena in Kolumbien. Das Wrack steht oben auf der Wunschliste von Archäologen und Schatzsuchern. Es gilt als Heiliger Gral unter den Schatzschiffen.“
Die Gespräche über massenhaft herumliegendes Gold im Meer stimmen mich nachdenklich. Allein der Gedanke daran, dass Avan nur einen Bruchteil von so einem Schatz am Meeresgrund findet, löst in mir eine Flut von Vorfreude auf ein sorgenfreies Leben aus. Hey, er sagte vorhin, er sei zertifizierter Tauchlehrer.
„Avan, bringst du mir das Tauchen bei?“
„Strebst du eine Karriere als Schatzsucherin an?“
Er beobachtet jede Regung in meinem Gesicht und legt den Kopf auf die Seite, wie ein Hund, wenn man mit ihm spricht und seinen Namen erwähnt. Dann hakt er nach: „Ist das dein Ernst? Bist du betrunken?“, fragt er und fügt ohne eine Antwort abzuwarten hinzu: „Ich gebe keinen Tauchunterricht mehr und die Schatzsuche habe ich vor über einem Jahr meinen Eltern zuliebe aufgegeben.“ Er reißt seine Arme hoch in die Luft und schüttelt den Kopf, wie Kermit der Frosch, wenn er Applaus ruft. „Das Tauchen im Job am Yachthafen reicht mir. Hier finde ich zwar keinen Schatz, aber am Ende des Monats einen validen Gehaltscheck.“
„Und du weißt nicht, wer ihn angerufen hat?“, fragt Kisha aufgeregt. Der Jahrestag auf Santa Catalina Island ist eine Woche her. Meine Kollegin und ich teilen uns die Nachtschicht in der Tierklinik. Ich hebe den getigerten Kater aus der Stahlbox und trage ihn zum Behandlungstisch. „Nein, leider nicht.“ Der Verband am Bein lässt sich schwer lösen. Kisha hält den langhaarigen Fellknäuel dabei an der Taille fest. „Du bist aber ein liebes Kätzchen.“, sagt sie mit sanfter Stimme. „Hast du ihn denn gar nicht auf die wütende Frau angesprochen?“
„Ich hätte uns sonst das Wochenende versaut. Es war unser erster Jahrestag und die Idee mit dem Inselausflug eine gelungene Überraschung von Avan. Du warst doch selbst schon öfters auf Catalina Island. Kennst du die Seilrutsche oben auf dem Berg? Bei der Fahrt hat man einen grandiosen Blick auf das Meer rund um die Insel und ...“
„Nur vom Hören. Steht auf meiner Liste fürs nächste Mal. Und trotzdem verstehe ich nicht, warum du ihn nicht gefragt hast – spätestens auf dem Heimweg.“, unterbricht Kisha meine Schwärmerei und reicht mir eine neue Mullbinde. „Sagt sich leicht, wenn man selbst nicht in der Situation war. Avan hat mir dafür erzählt, dass er mit einer Gruppe Orcas getaucht ist. Wie mutig, oder?“ Der Kater flüchtet fast von alleine zurück in die Box.
„Oh, ... jetzt verstehe ich. Du erzählst mir von dem Anruf, willst aber nicht darüber sprechen, geschweige denn eine Antwort von mir hören.“ Kisha berührt ihre Lippen und dreht ihre Finger, als schließe sie ein imaginäres Schloss. Dann wirft sie den unsichtbaren Schlüssel über ihre Schulter und brabbelt weiter: „Er ist mit Killerwalen getaucht? Hatte er keine Angst?“ Sie reicht mir eine Tasse Tee und nickt. Als wolle sie unterstreichen, dass wir das andere Thema nicht mehr ansprechen. Dankbar atme ich den Dampf der frisch aufgebrühten Minze ein. „Neugier gepaart mit Ehrfurcht haben alle Ängste unterdrückt. Er kennt Tauchspots auf der ganzen Erdkugel. Ich weiß nicht warum, aber wir haben nie über den Grund für seine Leidenschaft am Gerätetauchen gesprochen. Erst an diesem Wochenende. Mir war schon klar, dass er ein erfahrener Taucher ist; schließlich war er Berufstaucher bei der Navy in San Francisco, aber dass dieser Mann gefühlt mehr Zeit unter als über dem Wasser verbracht hat, war mir neu.“
„Wie ist er auf die Unterwasserwelt gekommen?“, fragt Kisha.
„Verborgene Goldschätze im Meer. Die faszinieren ihn seit der Kindheit. Kennst du Mel Fisher?“, antworte ich begeistert und denke an unser Gespräch beim Dinner zurück. Kisha lacht laut und kurz auf. Dabei schwappt Tee aus ihrer Tasse auf den Kittel. „Das passt zu ihm. Er wirkte auf mich von Beginn an, wie ein Junge, der Angst vorm Erwachsenwerden hat.“
Gekränkt über ihre Worte, reiche ich ihr herumliegendes Handtuch zum Abtupfen. „Was meinst du damit? Es gibt Menschen, die bedeutende Schätze gefunden haben.“
„Ach, Süße, das bezweifle ich gar nicht. Schatzsuche klingt für mich halt nach Piraten und Mottoparty an Kindergeburtstagen.“
Entschlossen, erneut das Thema zu wechseln, beende ich die Diskussion. „Er taucht heute nur beruflich. Wie war denn dein Wochenende?“
***
Die Nachtschicht endet am frühen Morgen. Verwundert darüber, dass Avan auf dem Sofa schläft, gehe ich zu ihm herüber. Er trägt die gleichen Klamotten von gestern Abend. Auf seiner Brust liegt das Tablet. Vorsichtig ziehe ich es hervor. Das Display erleuchtet bei erster Berührung und zeigt eine Schatzkarte, die an der Küste mit einem großen X gekennzeichnet ist.
Neugier übertüncht meine Müdigkeit. Ich nehme das Tablet an mich und schleiche die Treppe rauf ins Schlafzimmer. Beim Hochgehen schnappe ich den Titel des dazugehörigen Artikels auf: Der Kirchenschatz von Lima. Das ist in Peru. Ich putze die Zähne und starre auf das Foto einer begrünten Insel, die laut Untertitel zu Costa Rica gehört, Isla del Coco – die Kokos-Insel. Sie liegt ca. 550km vor der Küste. Heute ist sie ein geschützter Nationalpark und zählt zu den größten unbewohnten Inseln der Welt. Eingewickelt in Avans Bademantel überfliege ich den nächsten Absatz auf dem Weg vom Bad ins Bett. Unverhofft bleibe ich bei dem Wort „Piraten“ hängen und spüre, wie meine Mundwinkel amüsiert auseinanderdriften. In die Bettdecke eingekuschelt, blättere ich mit dem Zeigefinger weiter: Damals war die Insel ein beliebter Anlegeplatz für Freibeuter. Kisha hatte Recht. Es klingt zu abenteuerlich, um in die nüchterne Welt eines Erwachsenen zu passen. Meine Augen werden schwer und doch höre ich nicht auf zu lesen. Das Klima ist schwül und feucht. Isla del Coco ist die einzige Insel im Ostpazifik mit einem tropischen Regenwald. Die Landschaft wird von zwei großen Flüssen und zahlreichen Schluchten dominiert. Das umliegende Gewässer ist für Schiffe gefährlich. Der größte Teil der Küste besteht aus steilen Klippen, die bis zu 200 m aus dem Meer herausragen. Die Bilder zum Artikel erinnern an ein Paradies, der Text klingt eher nach Hölle.
Ich trinke einen Schluck Wasser aus der Glaskaraffe neben dem Bett und lese weiter:
Ohne Genehmigung ist eine Anreise nicht möglich. Biologen, Wissenschaftler und Taucher gehören zu den Besuchern. Wer sich hier auf Schatzsuche begibt, kommt nicht drumherum ein Polizeikommando an Bord zu holen. Verträge der Regierung regeln die Ausfuhr historischer Schätze.
Kennt Avan den Ort? Ich tippe auf das Symbol einer ausgeblendeten Notiz zwischen den Zeilen. Parkwächter werden alle 30 Tage ausgewechselt. Beim Weiterblättern verschwindet der Hinweis.
Glasklares Gewässer macht das unberührte Paradies zu einem beliebten Ziel für Tauchsafaris. In den Tiefen wimmelt es von Haien unterschiedlichster Arten, Delfinen und Mantas. Die teils heftige Strömung ist nicht zu unterschä –
Die Müdigkeit siegt und webt wilde Fantasien zwischen die letzten Worte. Das Schlafzimmer füllt sich mit Meerwasser. Avan und ich gleiten umgeben von Schildkröten durchs Meer, unsere Hände fest miteinander verankert.
***
Gegen Mittag erreicht mich der Duft von frischem Kaffee im Bett. Ich höre, wie Avan in der Küche hantiert. Ausgeruht schlüpfe ich aus dem Nachthemd in einen Jogginganzug.
„Habe ich es geschafft, dich mit deinem Lieblingsgetränk zu wecken?“, sagt er und schaltet die Spülmaschine ein, bevor er mir einen Cappuccino reicht.
„Ich wäre auch so wachgeworden.“, antworte ich und setze mich an den Küchentisch mit Blick aufs Meer. Das Hin und Her der Wellen hat nach all den Monaten, in denen ich hier lebe, immer noch eine meditative Wirkung. „Ich werde nie mehr in einem zugebauten Stadthaus wohnen können. Dieser Ausblick ist schuld.“
Avan setzt sich zu mir: „Wie war die Nachtschicht?“
„Nichts Wildes. Das Übliche. Was hast du die Nacht getrieben? Als ich heimkam, hast du auf dem Sofa geschlafen.“
Avan holt das Tablett und schiebt es zwischen uns. „Ich bin in einem Forum in eine Diskussion über alte Schatzkarten geraten. Auf der Kokos-Insel sollen mindestens drei große Schatzgaben verborgen sein. Auch der vergrabene Schatz des Kapitäns Dominico Pedro Benitez, später bekannt unter dem Namen Benito Bonito, und der Kirchenschatz von Lima. Davis hat mit seinem Schiff, der Batchelor’s Delight, in der Zeit von 1680 bis 1688 spanische Frachtschiffe gekapert, deren Häfen geplündert und die Bootsanlegeplätze von Guyaquil in Ecuador überfallen. Sein eigentlicher Stützpunkt war Jamaika.“
Alles was bei mir hängen bleibt, sind die Urlaubsorte, die scheinbar auf meiner Bucketliste fehlen. Ich nehme einen Schluck von dem Kaffee und nicke ihm zu, ohne zu wissen, worauf die Geschichte hinausläuft.
„Aber die Kokos-Insel und die Galápagos-Inseln waren regelmäßig auf seiner Route, bis er 1702 spurlos verschwand.“
„Benito Bonito klingt wie ein Westernheld aus einem Lucky Luke Comic.“, pruste ich mit einem Lachen hervor. Sein Blick verurteilt die fehlende Ernsthaftigkeit in meiner Reaktion mit eindringlicher Härte. Ich reiße mich zusammen: „Ups, das war unnötig. Was macht man mit einem antiken Schatz in der heutigen Zeit? Wie wird dieser zu Geld auf dem Konto?“
„Lies‘ diesen einen Absatz laut vor - dort unten. Da steht es.“
Ich zoome in den Text hinein: „Das Maritim-Museum in San Jose meldet immer mehr Taucher, die dort Goldmünzen vorbeibringen. Jüngsten Erkenntnissen nach sind es Münzen aus dem Schatz von Lima. Sie sind tausende Dollar wert. Es wird davor gewarnt, diese Fundstücke auf dem Schwarzmarkt zu vertreiben, da alles, was in den Gewässern gefunden wird, dem Staat, sprich Costa Rica, gehört. Die Regierung ist dabei einen Fond einzurichten, der Taucher an dem Fund dieser Goldrelikte beteiligt, wenn die Fundstücke offiziell gemeldet und im Museum registriert werden.“
Avan nickt ungeduldig und nimmt mir das Tablet aus der Hand. Diesmal liest er vor, deutlich schneller.
„Berichten zu Folge haben die Piraten die Schätze an verschiedenen Orten versteckt. Im Museo-Marítim in Barcelona gibt es Kartenmaterial, das wiederum auf Fundstellen rund um den Manuel Antonio Nationalpark in Costa Rica hinweist. In Küstennähe wurden beim Tauchen nicht nur Goldmünzen gefunden, sondern historische Schmuckstücke und Edelsteine.“
Stille. Erwartungsvoll schaue ich ihn an.
„Wir reisen nach Costa Rica!“, ruft Avan und schwingt beide Hände zur Faust geballt in die Luft, wie ein Fußballer beim Fall des alles entscheidenden Tors.
„Du lernst Tauchen und dann suchen wir alte Goldschätze! Ein halbes Jahr und wir sind reich.“
Ist das sein Ernst? Ein Sabbatical für die Suche nach Gold? „Wann?“, frage ich verdutzt.
„Meine Recherche zu den Schatzkarten ist quasi fertig. Mitte September ist realistisch.“ Am Kühlschrank hängt ein Kalender aus der Tierklinik. „Das ist in zwei Wochen!“ Ich soll in so kurzer Zeit den Job schmeißen, der mir gefällt und mit ihm sechs Monate verreisen? Von welchem Geld denn?
Für Avan steht eine gemeinsame Auszeit fest. Er hat mir vorgeschlagen, meinen Job zu kündigen, wenn ich nicht rechtzeitig freigestellt werde. „Tierkliniken gibt es in Kalifornien wie Sand am Meer.“, sagte er in einer hitzigen Diskussion vorm Schlafengehen. Dass ich nicht unersetzbar bin, ist mir klar. Den erarbeiteten Status in der Klinik gebe ich ungern her. Die Arbeit mit den Tieren und dem Team bereiten mir Freude. Der Job ist ein Glücksgriff. Ihn aufzugeben, nur weil Avan sich spontan diese Reise in den Kopf gesetzt hat, wäre verrückt. Wenn nicht sogar bescheuert. In Costa Rica sprechen die Bewohner Spanisch. Ich bin nicht Sprachgenie genug, um in zwei Wochen ausreichend Vokabeln zu lernen. Pluspunkt für ihn, dass er die Sprache fließend spricht, bloß weil sein damals bester Freund in der Schule gebürtig aus Argentinien kam. Ich darf gar nicht daran denken, wie teuer so eine lange Reise ist. Es wird einen Grund geben, warum Backpacker Costa Rica als die Schweiz von Lateinamerika bezeichnen. Das Leben in Los Angeles ist für mich nur erschwinglich, weil Avan keine Miete von mir verlangt. Ohne ihn bräuchte ich mindesten einen Nebenjob im Restaurant oder würde weiter als Untermieterin bei Mrs. Hoffs leben. „Eine mehrmonatige Reise ins Ausland entscheidet man nicht mal eben so zwei Wochen vor der Abreise.“, habe ich ihm im Streit entgegengeschmettert.
Der Zuspruch vom Chef der Tierklinik kam wider Erwarten. „Eine befreundete Tierärztin sucht Aushilfen für ihre Auffangstation für verletzte Wildtiere im Manuel Antonio Nationalpark. Interesse, dort zu unterstützen? Dann sagen wir dem Team, das du zu Lernzwecken international hospitierst.“
„Ja, akzeptiert!“, schrie ich durch den Raum, als sei es die letzte Chance eine Auktion zu gewinnen. Seine vorherigen sarkastischen Witze über Avan und Piratenschätze habe ich bewusst überhört.
„Bist du da?“, rufe ich mit bester Laune und betrete den Flur seines Stelzenhauses am Puerco Beach in Malibu. „Avan?“ Niemand antwortet. Das Wohnzimmer ist leer. Hinter der Couch rahmen üppige Palmenkübel auf der Veranda den Blick aufs Meer ein. Jedes Blatt an seinem Platz, wie in einem Katalog für Ferienhäuser. Beide Terrassendecks sind leer und am Strand darunter ist keine Menschenseele zu sehen. Auf dem Weg zur Küche gleitet mein Rucksack zu Boden. Es ist die unangetastete Lasagne im Kühlschrank, die mir verrät, dass Avan zur Mittagspause nicht hier war. Ob auf der Arbeit etwas passiert ist? Den Gedanken verwerfe ich direkt wieder, weil sein Chef sich sonst gemeldet hätte. Das Warten fällt mir schwer. Ich greife zum Telefon und posaune Kisha die News über die Hospitation in der Faultier-Klinik in Costa Rica ins Ohr. Sie freut sich und fordert ein Foto-Abo ein.
Gegen 23 Uhr ertönt das Surren des Garagentors und lockt mich ans Schlafzimmerfenster. Ich erkenne die Silhouette eines Mannes im Licht vor der Haustür; in seinen Armen hält er einen Pappkarton, der sein Gesicht verdeckt. Der Mann trägt rote Turnschuhe, wie Avan.
Erleichtert sprinte ich die Treppe hinab, zwei Stufen auf einmal, und öffne die Tür: „Da bist du endlich.“ Er stellt den Karton auf den Boden und schiebt ihn mit dem Fuß unter den Esstisch. „Du bist noch wach?“
Er sieht müde und abgespannt aus. „Ich habe mir Sorgen gemacht! Wo warst du?“ Sicher, dass die Kiste die Antwort enthält, lasse ich den Tisch nicht aus den Augen. Avan streichelt über meinen Kopf auf dem Weg zum Kühlschrank. „Sorgen?“, antwortet er und schaltet die Mikrowelle ein. Wir starren auf die sich drehende Lasagne hinter der Glasscheibe und lauschen dem Zurren. Kaum ertönt ein Bling, blubbert es nur so aus mir heraus: „Ich habe die besten Nachrichten für dich! Trommelwirbel. Wir beide suchen bald Schätze im Meer!“ Bereit für eine freudige Umarmung, öffne ich die Arme und starre ihn, mit der Erwartungshaltung eines Clowns am Ende seines Gags, an.
„Wow.“ Avan strahlt. Um seine Augen herum bilden sich leichte Falten. Dann zischt sein Arm meine Hüfte entlang und er wirbelt mich wie eine Disney-Prinzessin durch die Luft. Wir drehen uns so schnell, dass mir schwindelig wird. „Stopp!“
Wir setzen uns und ich schaue ihm beim Essen zu. Dabei tippe ich mit dem Fuß gegen die Box unter dem Tisch. „Was ist dort drin?“ Ein süßlicher Duft aus Vanille und Passionsfrucht steigt in meine Nase und erinnert an ein Parfüm, dessen Name mir nicht mehr einfällt. Ich beuge mich vor und versuche auszumachen, ob der Karton so würzig duftet, oder Avan.
Er zuckt mit den Schultern und antwortet mit vollem Mund: „Nur ein bisschen Unterwasser-Equipment, Sandsiebe und anderer praktischer Kram von früher.“
„Wieso?“, antworte ich.
„Wieso?“, erwidert Avan, wie ein Echo in den Bergen, eh er mich in seinen Tagestrip einweiht. „Ich war heute bei meinen Eltern. In der Kiste sind nützliche Werkzeuge, um am Meeresgrund nach Goldmünzen zu suchen.“
„Du warst heute in San Francisco?“, sage ich mehr zu mir selbst und reibe dabei mit der Fußspitze an der Pappe.
„Ja, schlimm? Ich bin morgens losgefahren. Du hast geschlafen. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken.“
„Wie lange fährt man von hier aus? Sechs Stunden? Du setzt dich an einem Wochentag zwölf Stunden ins Auto, um Werkzeug für eine zur Diskussion stehende Schatzsuche abzuholen?“
„Warum bist du so wütend darüber?“ Avan schaut mich mit seinen dunklen Knopfaugen an. Ich weiche dem Teddyblick aus. „Du wusstest bis gerade nicht, ob wir beide die Reise antreten. Und überhaupt - am Wochenende hätten wir gemeinsam fahren können, allein schon, damit ich deine Eltern endlich kennenlerne. Du weißt, wie sehr ich mir das wünsche.“
„Ach daher rührt dein Frust. Honey, ich wollte keinen großen Deal daraus machen und das Equipment so schnell wie möglich holen. Am Wochenende reinige ich alles und teste es am Strand aus. Gerne mit dir gemeinsam.“
Er versteht es nicht. Wieso schleppt er Schatzsuchgeräte an, ohne zu wissen, ob wir die Reise überhaupt antreten werden? „Was ich sagen will, ist, was hättest du mit dem Kram angefangen, wenn mein Chef den Freistellungsantrag nicht genehmigt hätte?“ Die Wut in mir lässt mich in der Küche auf und ab laufen. Dann halte ich inne, falte die Hände zusammen, wie eine Nonne und warte auf seine Antwort. Er verdrückt das letzte Stück Lasagne.
„Was, yumm, meinst, yumm, du?“, sagt er zwischen lautem Schmatzen. „Dann hätte ich dich gebeten zu kündigen, oder ich wäre auf eigene Faust zum Meer gereist.“
Mit festem Griff umklammere ich die Stuhllehne und starre auf die blutleeren Gelenkknöchel; seine Worte in mir nachhallend. Er wäre solo verreist? Sechs Monate lang? Ohne es vorher zu erwähnen? Meine Atmung wird schnell und unkontrolliert. Vor wenigen Minuten war ich so glücklich, ihm von der genehmigten Auszeit zu berichten. Da habe ich uns händchenhaltend am Strand gesehen. Jetzt sehe ich ihn dort alleine sitzen. Mit seinem Karton voll Equipment. Avan steht auf und kommt zu mir. „Beruhige dich, Sweetheart.“ Ich spüre die Wärme seiner Hände am Hals, eh wir uns küssen. Blumiger Vanilleduft füllt meine Nasenflügel. Sein Hemd richt nach exotischen Vanilleschoten. „Natürlich wäre ich nicht gerne ohne dich verreist. In Costa Rica wimmelt es momentan nur so von Tauchern, die historische Münzen am Grund suchen. Wie könnte ich mir diese Chance entgehen lassen; nur weil unklar ist, ob du mitreist? Ich will endlich etwas von dem goldenen Kuchen im Meer abhaben.“
„Du klingst, wie ein kleines Kind, was seinen Willen nicht bekommt.“, antworte ich noch immer wütend und drücke ihn sanft von mir weg.
„Worüber streiten wir hier? Du bekommst frei und der gemeinsamen Reise nach Costa Rica steht nichts im Weg. Alles fein. Oder?“
Ich reibe meine Nase und versuche so, den süßlichen Geruch loszuwerden. Auf dem Weg ins Bett überkommt mich ein unbehagliches Gefühl, wie nach dem Anruf auf Catalina Island, über den wir bis heute nicht gesprochen haben. Warum? Weil es mir schwerfällt, in ein Wespennest zu stechen, ohne den Beziehungsfrieden zu riskieren.
Es ist Ende September. Malibu hinter uns zu lassen war seltsam und befreiend zu gleich. Seit Tagen sitzen wir im Auto und es fällt mir schwer, zu begreifen, dass ich monatelang keine Verpflichtungen habe. Wir genießen die Zeit und reisen gemütlich nach Lateinamerika. Mit Glück kommen wir im Frühjahr mit einem Kofferraum voller Gold zurück und müssen nie wieder arbeiten. Alleine die Vorstellung füllt mein Herz mit tiefer Vorfreude, wie der Anblick einer Oase in der Wüste.
In Flagstaff, Arizona, hatten wir den ersten Zwischenstopp zum Übernachten eingelegt. Avan bretterte wie auf Autopilot geschaltet durch die wüstenähnliche Landschaft und wir hielten nur, um zu essen oder um Bedürfnisse zu verrichten. Gedanken an ein bequemes Leben in Malibu sind verblasst. Der SUV ist unser rollendes Zuhause. Endlos zurückgelegte Meilen erwecken ein Roadtrip-Feeling, wie man es aus alten Filmklassikern Anfang der 90er Jahre kennt. Bisher vermisse ich Zwischenstopps, bei denen wir mehr erleben statt nur das Hotelzimmer nach einer anstrengenden Fahrt. Rund um Phoenix gab es Wanderwege inmitten von Felsen und Kakteen. Wir sind vorbeigerauscht, ohne anzuhalten. Avan sprach unentwegt von Costa Rica. Die Strecke rund um das Grenzgebiet in Mexiko, insbesondere der Teil durch die Chihuahua-Wüste bis in die gleichnamige Großstadt, Chihuahua, zog sich. Ich bin auf Avans Wunsch nur Beifahrer, was die Fahrt für mich bisher extrem langweiliger macht. Beim Lunch in der Stadt, die wie die kleinste Hunderasse der Welt heißt, habe ich aufgeschnappt, dass die Rasse aus dem alten Mexiko stammt. Die drolligen Kläffer waren Opfergaben für die Götter. An irgendeiner Stelle verbrachten wir die gruseligste Nacht meines Lebens. Der Blick der Rezeptionistin war Gold wert, nachdem Avan fragte, wann das Schild vom Bates-Motel abmontiert wurde.
Weitere Tage im Auto führten uns in Richtung Mexiko-Stadt und von da über El Salvador und Honduras bis nach Flores in Guatemala. Zwischendurch hat mein Steißbein so geschmerzt, dass ich mich am liebsten hingestellt hätte für den Rest der Fahrt. Ein Wohnwagen wäre prima für so lange Strecken. Tikal, eine antike Stadt der Maya in den Regenwäldern des Petén, habe ich an einer Tankstelle in einem Faltprospekt erkundet. Avan kennt die bemerkenswerte Ansammlung von Stufentempeln und hat versprochen, dass wir auf der Rückreise einen Abstecher einplanen. Sogar mit Ausflug zu Tempel Nummer 4, so steht es in dem Flyer, wo man etliche Treppenstufen später in über 60 Metern Höhe mit einem unvergesslichen Sonnenuntergang und Urwald-Panorama belohnt wird. Die Tempelbeschreibung samt einem Foto von fliegenden Tukans im Abendlicht wartet so lange sicher verstaut in meinem Rucksack.
Avans Auto verliert mit jeder Meile an Wert und allmählich wünsche ich mir, wir wären geflogen. Alle exotischen Zwischenstopps, die einem Roadtrip Sinn verliehen hätten, haben wir übersprungen. Erst in Managua in Nicaragua ist es mir gelungen, Avan zu einer Buchung von zwei Nächten am Stück zu überreden. Doch statt den freien Tag mit mir am Pool zu verbringen, verbrachte er ihn mit seinem Tablett im Hotelzimmer, um Fundstellen von Goldmünzen zu recherchieren. Er gab kaum einen Ton von sich. Beim Abendessen endete das Schweigen in einem Streit über unsere uneinige Vorstellung von dieser Reise. „In Costa Rica schalten wir einen Gang runter, dann wird es entspannter – versprochen.“, waren die ersehnten Worte von Avan, bei denen ich es belassen habe.
Die Gemüter haben sich auf den restlichen Meilen beruhigt. Eine Hand voll Grenzübergänge haben wir zurückgelassen, bis die Straße vor uns liegt, die direkt zum Stadtkern von San Jose führt, der Hauptstadt von Costa Rica. Erschöpft passieren wir das massive Estadio Nacional. Meine Augen greifen durch die Autoscheibe hindurch nach einem Hilton-Hotel mit gläserner Dachterrasse und halten sehnsüchtig daran fest. Ich denke an softe Boxspringbetten, luxuriöse Bäder und Frühstück auf dem Zimmer. Der wahrgewordene Traum rückt in die Ferne und Avan verlässt die Hauptstadt wieder, was bei mir für eine Schnappatmung sorgt.
„Kein Zwischenstopp in San José? Ich dachte, ab Costa Rica wird es entspannter - “.
„Ja! Herrgott! Nur nicht in der Stadt.“, schmettert mein fast verstummter Freund abrupt durchs Auto.
„Aber hier könnten wir einiges unternehmen. Avan, ich bin fix und fertig. Die letzten Tage waren so anstrengend. Ich kann und will nicht mehr sitzen! Bitte, nur ein wenig Zivilisation und einen bunten Cocktail mit Schirmchen.“ Er sieht so erschöpft aus, wie ich mich fühle. „Dir würde ein vernünftiges Bett ebenso gut tun, wie mir, nach den schrecklichen Motels, in denen wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen haben.“, füge ich beleidigt hinzu.
„Wir fahren doch nicht den weiten Weg von L.A. nach Costa Rica, um dann in einer amerikanischen Hotelkette zu übernachten.“, sagt Avan und schaut mich vorwurfsvoll von der Seite an. „Ich bekomme einen Auto-Koller. Mir reicht es. Ich will raus aus dem Wagen.“
„Quepos ist ein guter Ort zum Runterkommen. Versprochen. 2018 war ich zuletzt dort, der Ort wird dir gefallen. In zwei Stunden sind wir da.“ Avan greift nach meinem Knie und schenkt mir ein Lächeln, was die vergangenen Tage abhandengekommen ist.
„Warum sind wir nicht mit dem Flugzeug geflogen, wenn du es so eilig hast?“
„Um flexibel zu sein.“
„Ach ja? Wie flexibel sind wir, wenn wir jeden Tag von einem zum nächsten Ort rasen, ohne spontan Land und Leute auf uns wirken zu lassen? So macht man es doch in einem Sabbatical – man lässt sich treiben. Momentan werde nur ich von dir getrieben.“
Ein Schlagloch schneidet wie ein Blitz durch unsere Unterhaltung und fordert Avans Reaktion heraus. Erst jetzt bemerke ich den dicht bepflanzten Urwald, durch den sich die kurvige Straße schlängelt.
Gegen Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Quepos. Ein verschlafener Ort mit weißen Häusern und unzähligen Bäumen, die sich mit hohen Zäunen aus Stahl abwechseln. Hier und dort dringt das Licht der Supermärkte hervor. Die Straßenlaternen baumeln von Holzpfählen herab. Chaotische Konstrukte aus schwarzen Kabeln verteilen den Strom in sämtliche Richtungen.
„Unser Hotel ist weiter außerhalb.“, sagt Avan. „Es war ein Sparangebot“.
Warum wundert mich das nicht? Bei so einer langen Reise ist es sicher vernünftig, am Anfang das Geld beisammenzuhalten. Gleichwohl er das nicht nötig hat, im Gegensatz zu mir.
„Sind wir weit weg vom Manuel Antonio Nationalpark? Dort ist die Auffangstation für die Faultiere, du weißt schon, wo mein Chef mich als Helferin gemeldet hat. Hoffentlich haben wir einen Pool!“, plappere ich und schaue in die Dunkelheit hinaus. Die Gegend um uns herum wird still und unbelebter. Avan schaltet das Fernlicht ein. Ein einsames Schild am Straßenrand mit den Worten Eden Rooms führt uns zur Unterkunft.
„Mit dem Auto ist es nicht weit. Das Hotel braucht keinen Pool. Dafür hast du ohnehin zu wenig Zeit.“, höre ich ihn sagen, wie er den Wagen ausschaltet.
„Sag‘ bloß, wir fahren morgen wieder weiter!“, frage ich, zu übermüdet, sein Grinsen zu deuten.
Der Parkplatz ist im Innenhof. Solarbetriebne Bodenstecker leuchten uns den Weg. Erschöpft vom vielen Sitzen laufen wir auf einen bunt verzierten Container zu. Recepción steht in Handschrift über dem Eingang. Ein Mann begrüßt uns auf Spanisch. Ich nicke und lasse Avan alles erledigen, so wie bei den anderen Nächten außerhalb der Staaten. An Stelle einer elektrischen Zimmerkarte erhalten wir einen blank polierten Schlüssel. Und nicht nur das, er baumelt an einem unhandlichen Schlüsselanhänger in Form eines Zehnzentimieter großen Tukans aus Holz. Wir nehmen das Kunstwerk entgegen, greifen unser Gepäck und folgen dem Mann. „Wo ist das Hauptgebäude mit den Zimmern?“, frage ich und schaue mich auf dem Gelände um.
„Die bunten Container dort hinten sind die Zimmer, Kendra.“, sagt Avan. Ich spüre, wie er meine Hand streichelt, und greife zu. Im Gegensatz zur Rezeption haben die an ein Flüchtlingsheim erinnernden Wohncontainer bodentiefe Fenster mit stylischen Gardinen. Ich erkenne Silhouetten von groß gewachsenen Blüten am Wegrand und freue mich darauf, die Anlage bei Tageslicht zu sehen. Die letzten Tage hat sich fast schon eine Routine entwickelt, wie wir neue Hotelzimmer erobern. Avan macht sich mit dem Safe und der Technik vertraut. Ich suche saubere Handtücher und inspiziere die Bettlaken. So hat jeder seine Prioritäten. Es dauert nicht lange und wir liegen beide geduscht aneinandergekuschelt unter einer Bettdecke. „Schläfst du schon?“, frage ich leise und schlinge meinen Arm von hinten um seinen Brustkorb. „Was meintest du damit, dass ich keine Zeit für einen Pool habe?“
„Du lernst Tauchen. Dein Crashkurs beginnt am Vormittag. In vier Tagen bist du geprüfte Taucherin, ... bereit für unsere Mission. Habe ich vor zwei Wochen für dich gebucht.“, murmelt Avan kurz vorm Eindösen.
Die vielen Stunden im Auto stecken mir in den Knochen. Erschöpft liege ich wach und denke über sein Geschenk nach. Er hat den Kurs organisiert, bevor er im Klaren darüber war, dass mein Chef die Auszeit genehmigt. Der wahre Grund zur Eile? Wären wir einen Tag später in Quepos eingetroffen, hätte ich den Tauchunterricht verpasst. Dabei habe mich darauf gefreut, das Avan mir das Tauchen am Strand beibringt, mit Ruhe und Geduld zum Üben. Er ist ausgebildeter Tauchlehrer, wozu ein Crash-Kurs? Vier Tage inklusive Prüfung? Ich verstehe die Eile nicht. Uns bleiben Monate Zeit für die Suche nach den Goldmünzen.
***
Sonnenstrahlen fluten den Container. Im Halbschlaf strampele ich die Bettdecke von mir und bemerke, dass niemand da ist. „Honey?“ Müde schlurfe ich ins Bad und denke an den Tauchkurs, von dem ich gestern keine Ahnung hatte. In vier Tagen zur Taucherin. Zumindest auf dem Papier. Was solls, ich werde trotzdem genug Zeit haben, mit Avan am Strand zu üben. Seine Überraschung passt perfekt zu dem Shirt, was ich vor der Abreise auf der Melrose Avenue in einem Vintage-Surfer-Shop gefunden habe. „Das wird ein Spaß!“, rufe ich und ziehe die Papiertüte aus dem Koffer hervor.
„Was wird ein Spaß?“, höre ich Avan sagen. Er steht mit Laufschuhen und Sportklamotten im Türrahmen. Schweißperlen glänzen im Sonnenlicht auf seiner Stirn.
„Du hast so viele T-Shirts mit lustigen Tauchsprüchen zuhause. An dem Shirt konnte ich nicht vorbeigehen, ohne es für diesen Trip zu kaufen. Los! Probier es an!“ Meine Finger betatschen aufgeregt die Tüte, eh ich sie ihm in die Hände drücke. Avan greift hinein und hält das dunkelblaue Baumwollshirt vor seinen Körper. „Sollte passen.“ Er dreht den Aufdruck zu sich und betrachtet den Text: Sei immer nett zu Tauchern. Sie kennen Orte, wo dich niemand finden wird. „Hm - Danke.“, höre ich ihn sagen. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, so schnell, dass ich es fast verpasse. Dann faltet er sein Geschenk lieblos zusammen und legt es in den Koffer. „Ich gehe duschen. Das Frühstück hier ist köstlich. Zumindest behaupten das vorherige Gäste im Internet. Du wirst Energie brauchen.“ Ich mache ihm eine Freude und er geht zur Tagesordnung über? Schade, Kisha und ich waren uns so sicher, dass er sich darüber freut, vor allem weil wir doch hier sind, um gemeinsam zu tauchen. Mentale Notiz: Keine Shirts mit blöden Sprüchen mehr für meinen Freund kaufen.
Wir stehen auf dem Parkplatz der Tauchschule in Quepos. „Kendy, du rockst das schon!“, ruft Avan mir aus dem Auto zu. „Der erste Atemzug durch den Atemregler ist ein magischer Moment. Du wirst dich fühlen wie ein Fisch!“ Er klingt bei dem Wort Fisch vor Aufregung, wie ein Teenager im Stimmbruch. Bin ich scharf darauf, ein Wassertier zu werden? „Vögel sind mir vertrauter.“, antworte ich und denke an meine Gleitschirmausflüge von früher zurück. „Sie atmen Luft, so wie Menschen.“
„Unter Wasser gibt es mehr zu sehen, glaub‘ mir!“, tönt es aus dem Auto.
Zwei junge Frauen überqueren den Parkplatz. Ich schätze sie auf Anfang zwanzig. Sie haben große Rucksäcke dabei und unterhalten sich. Eine von ihnen trägt Dreadlocks mit bunten verflochtenen Schnüren. Direkt neben dem Eingang sitzt ein ergrauter Mann. Ohne sein wahres Alter zu kennen, sieht er für mich nicht mehr fit genug zum Tauchen aus. Gibt es überhaupt eine Altersbeschränkung für diesen Sport?
„Kendy!“, ruft Avan leicht wütend. „Ich rede die ganze Zeit mit dir.“
„Sorry, was sagtest du?“, antworte ich und gehe wenige Schritte auf das offene Fenster der Fahrertür zu, damit er sieht, dass meine Aufmerksamkeit wieder ihm gehört.
„Ich fahre in die Stadt und hole dich nach dem Kurs hier ab. Lauf‘ nicht weg!“, sagt Avan und imitiert daraufhin einen Fischmund mit schmatzender Geräuschkulisse, die nicht nur ich höre.
Verrückter Spinner, denke ich und gehe innerlich schmunzelnd auf die beiden Frauen zu.
„Hier wimmelt es von zugänglichen Buchten. Warum fahren wir das kurze Stück mit dem Boot raus?“, frage ich Jack, unseren Tauchlehrer. „Sonst seid ihr schon erschöpft, wenn wir an der Übungsboje ankommen. Rückwärts vom Boot aus ins Wasser gleiten, ist ohnehin Teil der Ausbildung.“ Die letzten Stunden gab es reichlich Infos rund um die Theorie aus dem Lehrbuch.
Fernab von sexy zwängt sich jeder in dem offenen Anbau der Tauchschule in den Neoprenanzug. Bis zum Boot sind es wenige Meter durch den Sand. Eng wie eine Jeans frisch aus dem Trockner, bremst der gummiartige Stoff jegliche Bewegung aus. Ein Mann, der bisher nichts gesagt hat, platziert die eigene Box mit dem Tauchequipment neben mir. Ich erinnere mich an sein ergrautes Haar, wie er vor dem Eingang saß.
„Wichtig, Kendra.“, höre ich eine weibliche Stimme hinter uns rufen. „Von dir liegt kein Gesundheitsbogen vor. Und vergesse nicht, zu unterschreiben.“ Auf dem Zettel sind viele Fragen und Boxen, die sich bloß mit Ja und Nein beantworten lassen. Ich überfliege den Text bis zu der Stelle, an der nach einer ärztlichen Tauglichkeitsbescheinigung gefragt wird. „Miss?! Wie füllt man das aus? Da steht etwas von Herz-Lunge-Ohren-Check und so ein Kram.“
Statt einer Antwort sehe ich, wie die Frau im Schulungshaus verschwindet. „Können Sie mir helfen?“, frage ich den eindeutig ältesten Tauchschüler im Kurs.
„Mein Name ist Matthew. Du bist Kendra, oder? Hab’s vorhin mitbekommen. Kreuze bei der Frage nach dem Tauglichkeitstest JA an und bei allen anderen Abfragen besser NEIN. Sonst wird das nichts mit dem Kurs. Meine Tauchtauglichkeit hat ein befreundeter Arzt in Florida unterschrieben und gesagt, ich sei alt genug, um zu wissen, was mein Körper aushält und was nicht. Ich nutze den Kurs zur Auffrischung, da der letzte Tauchgang Jahre her ist.“ Unwissend kreuze ich alles so an, wie empfohlen.
„Erwarte bloß nicht, dass du nach dem Kurs fit genug für Isla del Coco bist. Manche Tauchregionen sind nichts für Anfänger. Auf offenem Meer sind Haie in großen Schwärmen inmitten von unberechenbarer Strömung.“ Der Mann bückt sich und holt seinen Neoprenanzug aus der Box. Ich schaue ihm zu. Er wirkt steif, wie ein Roboter und gebrechlich zugleich. „Wir bleiben im Manuel Antonio Nationalpark und tauchen dort vor der Küste. Alles entspannt.“
„Richtige Wahl.“, sagt Matthew und fummelt an seinem Reißverschluss herum, der vorne quer über die Brust verläuft und am Schlüsselbein endet. Mein Verschluss läuft am Rücken die Wirbelsäule entlang und setzt herausfordernd fortgeschrittene Yoga-Qualitäten voraus.