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Nach über 500 Jahren kehrt der große Kartograph Gerhard Mercator als Kunstfigur zurück in seine alte Heimat. Im sozialen Netzwerk erzählt er zusammen mit seinem Gehilfen Schreiberling von seinen Reisen, die er durch die Gemeinde Gangelt und die nähere Umgebung unternahm.
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Dezember 2014
Wie alles begann
Januar 2015
Reise durch die Gemeinde Gangelt
Reise nach Hastenrath
Mose
Reise nach Hillensberg
Reise nach Sittard
Bei „Hein un Köp“
Die Jungfer von Waldfeucht
Reise nach Waldfeucht
Vorbereitung für Berlin
Über Schierwaldenrath nach Berlin
Februar 2015
Reise nach Birgden
Karneval damals
Reise nach Saeffelen
März 2015
Schlacht bei Wehr
April 2015
Reise nach Übach Palenberg
Mai 2015
Reise nach Übach Palenberg zweiter Teil
Juni 2015
Reise nach Hückelhoven
Reise nach Wegberg
Juli 2015
Die Selfkantreise
Selfkantreise zweiter Teil
Selfkantreise dritter Teil
November 2015
Die Geschichte von der Weltkarte
Dezember 2015
Abschluss
Einige ausgewählte Zitate
Immer wieder bekomme ich folgende Fragen gestellt: Wer bist du? bzw. Warum bist du wieder da? Und: Wer ist Schreiberling?
Ich denke, wer ich war, ist bekannt: Der weltberühmte Kartograph und Kosmologe Gerhard Mercator.
Somit stellt sich mehr die Frage: Wer bin ich heute?
Ich war einfach plötzlich wieder da, also ganz konkret komme ich aus der Schulbücherei der Mercatorschule und dort wohne ich auch. Vor den Ferien blieb dort ein Buch offen liegen, so dass ich wohl heraus gefallen bin. Wie es genau ablief, daran habe ich keine Erinnerung. Es war ja wie eine Geburt.
Auf jeden Fall weiß ich, dass ich maximal ein Jahr auf der Erde sein darf, weil ich noch einen Himmelsglobus herstellen muss. Auftragsarbeit vom ganz großen Chef.
Und nun wünsche ich, dass ich mit allen in Gangelt und im alten Herzogtum Jülich befreundet sein kann, zumindest mit denen, die unsere Heimat genau so mögen wie ich und im Zweifel auch bereit wären, nach über 500 Jahren zurück zu kommen, um zu sehen, was sich hier so verändert hat.
Natürlich muss ich mich in dieser neuen Welt orientieren und deshalb unternehme ich immer wieder Reisen, von denen ich euch hier gerne erzähle.
Schreiberling ist ein unwilliger Kerl. Man muss ihn nahezu zu jedem geschriebenen Wort prügeln. Gutes Personal ist einfach schwer zu finden, besonders wenn man keine Zeit zum Suchen hat. Schreiberling besitzt die Fähigkeit, die Rechenmaschine zu bedienen und die Texte, die ich ihm diktiere, halbwegs korrekt zu übermitteln.
Ansonsten ist Schreiberling unwichtig! Deshalb soll er hier auch keine weitere Beachtung finden. Wenn ich nicht mehr da bin, dann darf er sich gerne offenbaren, das sei mir egal. Natürlich habe ich Sorge, dass er ansonsten auch noch eitel wird und für zwei große Menschen ist hier kein Platz.
Manchmal schreibt Schreiberling aber auch in persönlichen Nachrichten selber etwas, obwohl ich ihm das verbiete. Ich hoffe, ihr entschuldigt das. Ich kann leider nicht immer 100 Prozent auf ihn aufpassen. Zum Glück macht er es kenntlich, indem er dann alles mit Großbuchstaben schreibt.
Die Zeichnung entwarf die Künstlerin Kaki Needledwarf. Vielen Dank.
Jetzt, da ich wieder da bin, habe ich mir überlegt, dass ich mich heute mal im Oppidum Gangelt und in der Umgebung mit einer kleinen Reise umschaue.
Meine Reise beginnt mit einem Besuch beim alten Chronisten Jakobus Kritzraedt am Heinsberger Tor. Wenn Leute wie ihn nicht gegeben hätte, hätte man Leute wie mich vielleicht vergessen.
Von dort bin ich direkt in die nach mir benannten Straße gegangen. Mal ehrlich, die ist ja nichts Besonderes. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Ok, ich will bescheiden sein: Dem Protestanten im katholischen Gangelt eine Straße geben, ist schon was.
Am Ende der kurzen Straße wechsele ich nach rechts auf die alte Römerstraße, die nach Sittardt führt.
Schon nach wenigen Metern kenne ich mich schon wieder aus: Da sind ja auf der rechten Seite noch Teile der alten Mauer und links grüßt der Bergfried. Bevor ich aber die Burg besuche, gehe ich erstmal ins Rathaus. Mal sehen, wer hier heute das Sagen hat.
Das kann ja nicht sein. Im Rathaus ist nun ein Kaffeehaus! Davor steht für den Muuhrepenn ein Denkmal. Die Gänse habt ihr also bis heute nicht vergessen?
Über die Gangelter Gänse lachte damals das ganze Herzogtum Jülich. Ich war ja schon lange nicht mehr da, arbeitete gerade an meinen Globen, nachdem ich aus der Haft war, aber von den Gänsen habe selbst ich gehört. Dann hoffe ich mal, dass das Gänsedenkmal euch hilft, nun etwas vorsichtiger und wachsamer zu sein.
Vom Markt gehe ich zu St. Nikolaus. Der Kirchturm war ein herrlicher Punkt zum Anpeilen. Irgendwie erscheint mir die Kirche aber heute größer. Woran mag das liegen? Bin ich tatsächlich mit dem Alter geschrumpft oder habt ihr da was angebaut?
So und nun geht es weiter zur guten alten Burg.
Was ist denn aus der alten Burg von Gothart von Kanzler geworden? Die imposante Burg - weg! Der Burggraben - verschwunden! Nur noch der alte Bergfried trotz der Zeit. Habt ihr keine Angst, euch so ungeschützt den Nachbarn zu präsentieren? Der alte Schaesberg würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass nach der Erfahrung mit dem Muuhrepenn ihr den nächsten Burgundern nicht einmal mehr eine Möhre entgegensetzt.
Vor lauter Schreck muss ich mich erstmal setzen und einen Schluck trinken. Da sehe ich eine Herberge, die nach mir benannt ist. Ja, das ist ja mal was! Da sei das mit der unbedeutenden Straße verziehen.
In der Herberge erfahre ich, dass ihr mir ein Denkmal aufgebaut habt. Langsam fühle ich mich geehrt. Ich hatte schon Sorge, dass die Tafel am Kaffeehaus, also am alten Rathaus, alles wäre, was an mich erinnert. Das wäre so beschämend, dass ich es ignoriert und auf keinen Fall hier erwähnt hätte. So ist es aber ein Teil von vielen. Das gefällt mir. Es heißt, dort wo ich Längen- und Breitengrad treffend eingezeichnet hätte, wäre das Denkmal. Das trifft sich gut, das ist Richtung Bredberen, da gehe ich direkt mal schauen, ob die Bredberen auch so mit ihrer Hof ten berge so wie die Gangelter mit ihrer Burg umgegangen sind.
Hoffentlich hat der Saiffelen Bach kein Hochwasser und der ganze Weg ist pratsch.
Der Weg klappt besser als gedacht: Ihr habt die Bäche in tiefe Furchen gelegt, geniale Idee! Kein Matsch und Pratsch, da kommt man sehr gut vorwärts.
Nach einigem Hin und Her, ich dachte schon, mich hätte meine altes Wissen verlassen, finde ich mein Denkmal. Das war ja nicht einfach. Ihr wisst hoffentlich, dass ihr mit dem Ort falsch liegt, das hätte mein Stift im ersten Lehrjahr besser getroffen.
Keine Ahnung von Geographie, aber saubere Schuhe! So ganz weiß ich nicht, was mir lieber ist. Ich will gar nicht undankbar erscheinen. Das Denkmal ist wunderschön, es liegt halt nur am falschen Platz und ich bin Kartograph, da bin ich penibel. Trotzdem bin ich stolz und nach einem kurzem „Hände in die Hüfte und stolz den Bauch nach vorne“-Gefühl, geht es gehobenen Hauptes nach Bredberen.
Ich komme aus dem Schwärmen nicht mehr raus. Was ist aus Bredberen geworden? Die alte Kirche, die zum Gangolfusstift gehörte, ist ein wahrhafter Dom geworden und die kleine Burg ein Palast erster Güte. Wenn das damals so ausgesehen hätte, wäre Bredberen heute auf allen Karten zu finden.
Von so viel Schönheit beschwingt reise ich auf dem Altenburger Land über Hartzel nach Luynbroick und muss sagen: Alles wunderschön! Eine Kirche haben sie auch. Damals war hier überwiegend Wald und Schlamm. Liebe Hartzel und Luynbroicker: Das habt ihr schön hinbekommen!
Auch in Schewrwalderath alles modern und schön, kein Wald und kein Matsch. Und während ich mich so freu, wie gut ihr alles gemacht habt, höre ich ein Zischen und Donnern. Als ich mich vom Schreck erholt habe, erklärt mir ein Herr, das sei die historische Selfkantbahn. Ich glaube es nicht, eine wahrhafte Hochtechnologie und ihr nennt es historisch.
Auf jeden Fall komme ich so nun schnell Op de Berde an. Der Schaffner empfahl mir zwar, bis Gillrath zu fahren, aber die Geschwindigkeit ist nicht mein Ding, da bleibe ich besser zu Fuß.
Berde hätte ich nie wiedererkannt, überall moderne Häuser und nur noch eine Kuhwiese im Dorf. Aber selbst dort keine Kühe. Der Kirchturm, der ist so hoch, der scheint mir höher als der von Gangelt zu sein. Ich sage euch: Die Berder Leute waren immer im Stress mit den Gangeltern, aber einen höheren Turm, als die Gangelter, hätte den halb und ganz Jecken niemand zugetraut. Ich habe den Turm zwar nicht gemessen, aber er sieht auf jeden Fall höher aus und darauf kommt es an.
Ich traf einen Chronisten, er hieß Paul, der meinte, ich solle mir noch das Betkreuz auf dem Weg nach Kreuzrath anschauen.
Chronist Paul meinte sicher Krytzrode, denn ein Kreuzrath habe ich nie eingezeichnet. Das Betkreuz, so erzählte er, sei ein Wallfahrtsort nach einer Marienerscheinung. Leider habe ich keine Erscheinung gehabt, aber als Lutheraner ist mir das wohl nicht vergönnt.
Ich hatte Recht: Krytzrode heißt nun Kreuzrath und liegt noch immer da, wo es hingehört. Hätte mich auch gewundert, wenn die Herren zu Heinsberg den Frohnhof umgelegt hätten. Früher war hier nur ein Hof. Wo kommen all die Häuser her? Und wo ist der Hof?
In der Nähe rieche ich schon wieder Gangelt, da denke ich mir, ich laufe noch nach Stae, Nierenbusch und Hoynbuysche. Am roten Bach interessieren mich die Mühlen und die Töpfereien. Leider musste ich feststellen, dass alles nicht mehr vorhanden ist. Zum Glück finde ich ein schönes Kaffeehaus. Das ist ein guter Platz, direkt am roten Bach steht ein Kaffeehaus. So werden also heute wichtige Plätze markiert.
Gut gestärkt laufe ich den roten Bach entlang in meine alte Heimat Gangelt.
Was soll ich sagen, Gangelt ist schön und die Umgebung auch. Ich habe zwar noch nicht alles gesehen, bald schaue ich noch in Haestelraed vorbei, aber nun ist der Tag vorbei und meine Füße sind vom Laufen so groß und platt getreten, die halten mich sonst da.
Nach meiner ersten Reise im Gangelter Oppidum wollte ich nun noch nach Haestelraed.
Da mir die Füße immer noch ein wenig weh taten (entweder werde ich alt oder ich bin es nicht mehr gewohnt), bat ich meinen Schreiberling mich zu fahren.
Ich wusste mittlerweile, dass er auch eine Motorkutsche besaß, aber er weigerte sich. Er meinte, dass er noch zur Arbeit fahren müsse und ich ihm schon genug Arbeit mit dem Schreiben und dem Internet mache.
Was für eine Arbeit, dachte ich mir. Er solle stolz sein, für mich zu schreiben.
Kurz bevor er aus dem Haus wollte, meinte er, er könne mir ein Taxi rufen.
Aber das kam nicht in Frage!
Ich hatte das mit den Taxen am Rande mitbekommen. Damals war es noch in der Planung, dass Menschen auf einer Sänfte durch Paris getragen werden sollten. Nein, ich war zwar schon alt und es wäre auch nicht unter meinem Niveau gewesen, aber ich wollte mich den Sitten und Gebräuchen der modernen Welt nicht verschließen und brüllte, dass ich niemals auf ein Taxi steige und er mir eine Motorkutsche mit Fahrer besorgen müsse.
Die Motorkutsche ist schon was Besonderes. Zu meiner Zeit reiste ich noch viel mit dem Ochsenkarren, obwohl ich auch die ungarische Kocs mit Pferden manchmal nutzte.
Für meinen Schreiberling waren meine Worte nicht verständlich, so dass ich ein wenig Nachdruck machen musste, bis er mir eine Motorkutsche rief.
Was dann geschah, war etwas Neues: Vor dem Haus stand schon bald eine Motorkutsche und ein junger Mann meinte, mein Taxi sei da. Er bezeichnete also nun die Motorkutsche als TAXI. Ich weiß nicht, in welchem Jahrhundert das babylonische Sprachgewirr begann, aber das war schon seltsam.
Natürlich kannte ich den Weg nach Haestelraed. Und das war auch gut so. Mein Fahrer schien nicht ortskundig zu sein, worauf auch seine südländische Haut und sein Akzent hinwiesen. Auf jeden Fall hatte er noch nie von Haestelraed gehört.
Es konnte natürlich auch sein, dass der Ort einer Namensänderung zum Opfer gefallen war. Das hatte ich ja jetzt schon mit der Bedeutung von „Taxi“ und „Kryztrode“ erlebt.
So befahl ich ihm den kürzesten Weg. Als wir fast da waren, war der Weg gesperrt. Warum war mir nicht klar. Der Fahrer meinte: „Habe ich Ihnen doch schon beim Einfahren in die Straße gesagt, dass die gesperrt ist. Da stand doch ein Hinweisschild.“
Was für eine Schmach! Der führende Geograph kennt den kürzesten Weg. Er sieht sein Ziel. Die Straße ist gepflastert und verläuft dank guter Kartenzeichnungen auf den kürzesten Weg zum Ziel und dann das: Weg Ende!
Warum baut ihr Straßen und lasst sie nicht zum Ziel führen? Wir Kartographen machen uns die größte Mühe und ihr baut Straßen, die auf dem kürzesten Weg zum Ziel führen könnten und entscheidet euch dann für einen Umweg.
Der Fahrer wollte wenden, aber ich stieg aus. Ein Mercator lässt sich nicht ausbremsen. Dann gehe ich halt wieder zu Fuß! Stolz lief ich meinem Ziel entgegen und hörte noch wie der Fahrer mir nachrief: „Bestellen Sie Hastenraths Will viele Grüße!“.
In Haestelraed angekommen fühlte ich mich wieder wohl. In Haestelraed lebten früher die Menschen mit den größten Füßen. Das war auch gut. Überall war Wald und wenn es brannte, wussten die Menschen sich zu helfen: Patsch, patsch, patsch liefen sie im Kreis und traten alle Flammen aus.
Was mir aber nicht bewusst war, ist, dass in Haestelraed mittlerweile auch Kleinwüchsige leben. Aber ein Haus in einer Wiese zu meiner Linken ließ daran keinen Zweifel.
Schon bald kam ich an eine neue Kirche. Die konnte noch nicht lange stehen. Der Katholizismus scheint in der Gemeinde wirklich Bestand zu haben. Gut, dass ich heute hier in Haestelraed als Reformer keine Probleme mehr bekomme. Aber die Jungfräulichkeit Mariens ist ein Problem für einen gebildeten Mercator.
Im Dorf traf ich einen jungen Mann, der einen Mantel aus leuchtendem Tuch trug. Ich sprach ihn an, da mir der Kontakt zur Bevölkerung immer wichtig ist. Er stellte sich mit Andie vor. Er sei bei der Feuerwehr. Ich musterte ihn und stellte fest, dass er keine großen Füße hatte. Sie waren ganz normal. Auf meine Frage, wie er denn das Feuer ausmache mit so kleinen Füssen schaute er mich fragend an und meinte: „Hast du Helm brennen oder willste mich verarschen?“ Da ich die Frage nicht ganz verstand, wollte ich ablenken und fragte ihn, wo Hastenraths Will wohnt, da ich noch Grüße vom Fahrer der Motorkutsche ausrichten wolle.
Ich weiß nicht, wer Hastenraths Will ist, aber irgendwie hatte das Abschweifen auf das Thema nicht ganz die erhoffte Wirkung gehabt, so dass ich mich entschied, das Gespräch zu beenden und weiter zu gehen.
Mit meinem Weggehen wurde Feuerwehrmann Andie wieder ganz freundlich und rief mir nach: „Genau die Richtung, da kannste Land gewinnen!“ Während ich Richtung Saiffelen lief und fast aus Hastelraed raus war, wurde mir einiges klar.