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Merkels Gold. Ein Inside Job. Ein raffinierter Goldraub. 242 Barren. 150 Millionen Dollar. Und ein Auftrag. Rache. Die tragischen Ereignisse, die ihn vor vielen Jahren seiner Familie beraubten, haben in dem ehemaligen Fallschirmjäger Marco Fechterkamp unheilbare Wunden hinterlassen. In der Hoffnung endlich Rache üben zu können, nimmt er einen hoch riskanten Auftrag an. Ohne es zu ahnen, werden Marco und sein Team, dabei Teil einer Verschwörung die weit über ihre Vorstellungskraft hinausgeht. Die Situation gerät sehr schnell außer Kontrolle, als er sich in die Frau des Immobilienmoguls Thomas Christiansen verliebt. Was als einfacher Job eines Sicherheitsberaters beginnt, endet in einer spektakulären Flucht über Kontinente.
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Seitenzahl: 475
Veröffentlichungsjahr: 2016
Die Handlungund alle handelnden Personen sind freierfunden. Jegliche Ähnliclikeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Tom Acita
© 2015 Tom Acita
Umschlag, Illustration: misch graphica, Vs
Lektorat, Korrektorat: TT
Übersetzung: MS
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback
978-3-7345-7563-1
Hardcover
978-3-7345-7564-8
e-Book
978-3-7345-7565-5
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Marco, in Inlange Frankreich 06.08.2015, 23.18 Uhr
Erfolg steigt nur zu Kopf, wenn der erforderliche Hohlraum dafür vorhanden ist.
Catherine, in Nassau Bahamas 04.08.2015, 14.35 Uhr
Das Leben ist nicht unbedingt meine Party. Aber da ich nun einmal eingeladen bin, werde ich auch tanzen.
Dimitri, Airport Luxembourg 06.08.2015, 22.18 Uhr
Falls ich sterbe, schickt meine Asche bitte mit folgender Nachricht ans Finanzamt: „Jetzt habt endlich ALLES!“ Freundliche Grüße Max.
Max, in Inlange Frankreich 06.08.2015, 23.10 Uhr
Mir ist egal, ob das Glas halb voll oder halb leer ist! Hauptsache es ist überhaupt etwas drin.
Pjotr, in Kiew Ukraine 27.07.2015, 21.46 Uhr
Im Leben gibt es zwei Sorten von Menschen. Die Gewinner, die Verlierer und die Anderen. Mein Name ist Marco, Marco Fechterkamp und ich bin ein Gewinner. Natürlich sieht sich jeder selbst als Gewinner. Wer will schon ein Verlierer sein! Und ein Anderer schon gar nicht. Nun, ich denke als angehender Besitzer von Goldbarren im Wert von 135 Millionen Dollar bin ich schon ein Gewinner. Ehrlicherweise sollte ich wohl erwähnen, dass die Goldbarren momentan noch in einem gepanzerten Waggon stecken. Ein Wunderwerk aus Spezialstahl, viel Titan und neuester Computertechnik. Made in USA und extra für diesen Transport vom größten Frachtflugzeug der Welt eingeflogen. Unnötig zu erwähnen das er als Spreng-, brand- und einbruchssicher gilt.
Die zukünftigen Ex-Eigentümer der Goldbarren hatten nun die geniale Idee, diesen Waggon an einen regulär verkehrenden Personenzug zu hängen. Wohl in der Annahme, dass ihn da niemand suchen und vermuten würde. Schließlich war die Aktion ja auch streng geheim. Dachten sie jedenfalls. Zusätzlich ließen sie von den Medien eifrig die Story von der Goldrückführung per Flugzeug verbreiten. Angeblich in kleinen Portionen und unangreifbar.
Der raffinierte Plan hatte aber eine Sache nicht berücksichtigt, weil sie eben nicht planbar war.
Die menschliche Schwäche. Die Schwäche sich zu besaufen, ins Bordell zu gehen und dann mit einer Nutte im Auto besoffen einen Zeitungskiosk über den Haufen zu fahren. Durch diese Schwäche wurde eine Ereigniskette in Gang gesetzt.
An deren Ende liege ich jetzt hier in der Nähe eines kleinen Dorfes an einem Bahndamm und beobachte gespannt, wie sich der streng geheime Zug schnell nähert. Das mir dabei der Schweiß unter der Sturmhaube in die Augen läuft, liegt in erster Linie nicht an den Temperaturen der lauen französischen Sommernacht. Auch nicht an der ungewohnten kugelsicheren Weste, die ich mir zur Feier des Tages übergestreift habe. Wohl schon eher an den 25 nervösen SEK Männern, die in dem extra für sie reservierten Waggon ebenfalls in dem Zug mitfahren. Vermutlich genau wie ich in modischem Schwarz mit Weste, Sturmhaube und der gleichen Maschinenpistole von Heckler und Koch in den Händen. Genau bei diesen modischen Feinheiten hören unsere Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Denn sie bewachen was ich mir holen will und werde.
242 schöne glänzende Goldbarren.
Jeder einzelne 12,44 kg schwer und 450 000 Euro wert.
Sie werden mich für einen Räuber halten und vielleicht sogar auf mich schießen. Wenn sie Gelegenheit dazu bekommen. Deswegen auch die Weste. Das sieht mein Plan, ja ich habe auch einen, aber nicht vor. Ich sehe mich selbst gar nicht als Räuber. So was würde ich nie tun.
Das Gold betrachte ich als Abfindung für mein Team und mich selbst. Wir haben in zwei politischen Systemen gelebt und geschuftet. Das eine hat uns heimlich, das andere unheimlich beschissen. Nach 35 Jahren als brave Einzahler haben wir uns entschlossen eine Auszahlung zu fordern. Und natürlich auch zu holen.
Unter Umgehung bürokratischer Hemmnisse und lästiger Gesetze. Genau, wie es in unserem Land zurzeit Hipp ist.
Quasi aus dem Bauch heraus, einfach so.
Mit Zins und Zinseszins, Mahngebühren, Säumniszuschlag und Strafzahlung für 7 Personen. Denn so viel sind wir insgesamt. Macht 135 Millionen oder 242 Barren, ungefähr.
Unter uns gesagt, geht es mir in erster Linie gar nicht um die Millionen, wie ich meinem Team gesagt habe. Mir geht es um Rache. Rache an einem Mann, der aus Profitgier das Leben meiner Familie zerstört hat. Aber das weiß außer mir niemand. Nicht einmal mein Team.
Außer er selbst. Doch diese Erkenntnis nutzt ihm nichts. Er kann das von mir sorgsam geplante Verhängnis, das in diesem Augenblick über ihn herein bricht nicht mehr abwenden. Selbst wenn er nicht mit gefesselten Händen und zugeklebten Mund in einem der zwei mattschwarzen Hummer H1 sitzen würde, mit denen wir hergekommen sind. Auch der Berufskiller, den er angeheuert hatte um mich zu töten, kann ihm nicht mehr helfen. Obwohl der neben ihm sitzt.
Doch ich will der Story nicht vorgreifen. Jeder handwerklich gut gemachte Raubüberfall beginnt mit einem ausgeklügelten Plan. Hat man den wie in meinem Fall, erfolgreich mit einem persönlichen Racheplan kombiniert, braucht man die Ausrüstung. Und natürlich ein Team.
Ich habe mein Team sorgfältig ausgewählt. Es sind Verrückte, Automechaniker, Säufer und Piloten. Aber vor allem anderen sind sie eins. Jeder auf seinem Gebiet ein unbezahlbarer Spezialist. Der Erste, den ich aufgesucht habe, war mein alter Freund und Kamerad beim Barras, Dimitri. Dieser verrückte Russe war als ehemaliger Kampfflieger der sowjetischen Luftstreitkräfte, genau der richtige Partner für meinen Coup. Er hatte in den vergangenen Jahren viele Jobs verloren. Dafür aber die Liebe seines Lebens gefunden.
Die Liebe zum Wodka. Wo würde ich ihn also am ehesten finden, als in einer kleinen schmierigen Bar ...
Die meisten Gäste hatten der kleinen heruntergekommenen Bar „Zum alten Fredericus“ im Süden Berlins längst den Rücken zugekehrt.
„Mach mir noch einen Wodka und ein Helles“, ruft der einzige Gast aus dem hinteren Teil der kleinen verräucherten Kneipe dem Wirt zu.
Unwillig dreht dieser sich um.
„Level immer noch nicht erreicht Dimitri?“ Ein genervtes Brummen, das Klappern eines umkippenden Stuhles. Dann schält sich aus dem Halbdunkel ein schwarzhaariger, großer und kräftig gebauter Mann. Seine grüngrauen Augen bekommen ein alarmierendes Glitzern, als er sich auf einen der roten klebrigen Lederhocker an der großen dunklen Eichenholzbar setzt.
„Hey Toni wer bist Du“, fährt er den Keeper an.
„Der Pabst, meine Mutter oder mein Friseur?“
Das fehlte ihm jetzt gerade noch. Das diese fette Kröte da hinter ihrem stinkenden Tresen auch noch anfing ihm Vorschriften, zu machen. Früher wäre so was undenkbar gewesen.
Da hatten die Leute Respekt und Angst vor ihm. Vor allem Angst! Da war er wer. Da konnte er noch so besoffen sein.
Keiner hätte es gewagt ihm, Dimitri einem Angehörigen der gefürchteten Spezialnowo Nasnatschenija, oder kurz Speznas, eine solche Frage zu stellen. Es sei denn, er wollte ein Auge oder gar sein Leben verlieren. Dimitri gerät wie so oft in letzter Zeit in wehmütiges Schwärmen.
Was war das doch für eine wunderbare Zeit gewesen!
Sicher, sie hatten ihr Leben mehr als einmal für einen alten Sack im Kreml, den sie nur von schlechten Fernsehbildern kannten, riskiert. Oder für eine Ideologie, die keiner so richtig verstand. Trotzdem waren sie bereit gewesen, für das, woran Sie glaubten, jederzeit ihr Leben zu opfern. Viele seine Kameraden hatten das auch ohne zu zögern getan. Das Risiko und die Gefahr waren damals ihre ständigen Begleiter. Aber es war auch eine Zeit geprägt von Kameradschaft, Ehre und Aufopferung. Es war die Gefährlichste, aber auch die schönste Zeit seines Lebens gewesen, an die er oft mit Wehmut zurückdachte. Die schönste Zeit, bis dieser Verrückte mit den Leberflecken auf der Glatze und seinem Glasnost Perestroika Geschwätz über Nacht alles zerstörte. Seine Einheit war neu aufgestellt, oder wie es im offiziellen Befehl hieß, um strukturiert worden. Danach war für ihn dort, genau wie für viele seiner Kameraden, kein Platz mehr gewesen. Trotz vieler Tapferkeitsauszeichnungen.
Seit seiner Versetzung als AN 12 Pilot zu einer Transportstaffel in der ehemaligen DDR war es dann mit ihm stetig bergab gegangen. Vorläufiger Tiefpunkt war die Rückführung und Auflösung seiner Staffel, nachdem die Ostdeutschen die verkalkten Schwachköpfe der SED davon gejagt hatten. Er war dann einfach in Deutschland geblieben, da er sich geschworen hatte in das kleine Dorf in der kasachischen Steppe, aus dem er stammte, niemals zurückzukehren.
Da seine vielen Bewerbungen als Pilot mangels Papiere immer abgelehnt wurden, hatte er sich seither mit Kurzzeit und Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht über Wasser gehalten. Seit zwei Jahren lebte er jetzt vom Amt und verbrachte die meiste Zeit des Tages damit, sein bisschen Geld in den größten Spelunken der Stadt zu versaufen.
„Was ist jetzt?“, brüllt er Antonio genervt an.
Der selbst, nur von kleiner mit zur Korpulenz neigender Statur und lichtem schütteren Haar, weicht zurück.
„Schon gut Dimitri. Reg Dich bloß nicht auf, war ja nur ein Scherz.“ Schnell holt er ein frisch gespültes Bierglas.
„Gib mir erst den Brennspiritus, den du selbst in Deinem stinkenden Keller zusammen mixt und als Wodka verhökerst“, poltert Dimitri erneut los.
„Die Affenpisse danach.“
„Okay Dimitri, sofort..“
Hastig greift Antonio nach einer klebrigen, halb vollen Flasche mit einem undefinierbaren Etikett und gießt ein kleines Schnapsglas voll.
„Was soll das werden?“ Aus Dimitris drohenden Unterton ist mittlerweile ein Grollen geworden.
„Aber Dimitri … “ sagt Antonio.
„Quatsch, aber.“ Dimitri greift nach einem der Saftgläser, die in der Mitte des Tresens stehen und drückt es Antonio vor seinen ansehnlichen Bauch. Der wird von einer schwarzen Lederweste leidlich in Form gehalten.
„Los vollmachen.“ Gierig stürzt er es in einem großen Schluck hinunter.
„Aaah, das war eine Wohltat.“ Dimitri gluckst zufrieden. „Und vergiss die Affenpisse nicht.“
Antonio greift erneut nach dem Bierglas. „Ääämmh … Dimitri … ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll“, wendet er sich vorsichtig an den zufrieden vor sich hin schauenden Dimitri.
„Es … ähm … es ist allerhand angelaufen … würdest … könntest … du eventuell … was zahlen?“
Dimitri fixiert ihn mit seinem stechenden Blick.
“Nächste Woche bekommst Du Deine Kohle. Du gieriger Zapfhahnquäler. Du solltest froh sein, dass überhaupt noch jemand in deine üble Spelunke kommt.“
Unbemerkt von den beiden war ein Mann in die Gaststube gekommen. Nachdem er sich kurz umgesehen hatte, setzt er sich auf den verschlissenen Barhocker direkt neben Dimitri. Ein verborgenes Lächeln umspielte dabei seine Lippen.
Neugierig mustert Antonio den Neuankömmling. Braune Haare mit grauen Schläfen, kräftige mittelgroße Statur, ein sympathisches Gesicht mit großen braunen Augen.
Zweifellos ein Typ mit Persönlichkeit dachte er ein wenig neidvoll. Trotz allem verrückt oder lebensmüde denn niemand setzt sich an einer leeren Bar freiwillig neben Dimitri.
Dieser schaute aber nur selbstvergessen das Glas in seiner Hand an. Den Mann neben sich scheint er gar nicht zu bemerken.
„Gibt´s hier auch was zu trinken oder wird man nur angestarrt?“ Der Fremde hat eine dunkle, leicht melodische Stimme, die nicht unangenehm klingt.
„Was soll es denn sein“, fragt Antonio.
„Ich nehme das Gleiche wie das hässliche Warzenschwein neben mir.“
In aufkeimender Panik wandert Antonios Blick langsam zu Dimitri.
Der hebt wie in Zeitlupe seinen Kopf und fixiert die Schnapsflaschen in dem Wandregal, das ihm gegenübersteht.
„Willst du gleich Selbstmord begehen oder vorher noch deinen Frieden mit Gott machen?“ Seine Worte klangen wie das Grollen eines aufziehenden Sturmes.
„Du meinst, bevor ich dir die Eier zum Hals raustrete? Du russisches Untier?“ Der Fremde hatte sich jetzt Dimitri ganz zugedreht und sah in provozierend von der Seite an.
Dimitris Augen verengten sich zu gefährlichen Schlitzen, während er sich nun ebenfalls dem Fremden zuwandte.
„Das gibt’s doch nicht“ entfuhr es ihm dann unwillkürlich. „Marco, das Rotkehlchen.“
„Dimitri Du russisches Warzenschwein“ gab Marco zurück und deutete auf die Gläser.
“Immer noch am Saufen oder schon wieder?“
„Das ist Medizin, kapiert?“
Dimitri ruft Richtung Küche, in die sich Antonio geflüchtet hatte. “Hey Toni, hör auf mit den essbaren Schlüpfern zu spielen. Bring uns lieber noch Wodka und Bier.“
Beide stoßen mit den Biergläsern an und trinken einen großen Schluck.
„Marco, Marco“, sagt Dimitri und mustert ihn dabei freundlich. „Gut, das ich dich besser kenne als du selbst. Sonst könnte ich doch jetzt glatt auf die Idee kommen, dass du wegen mir hier bist. Aber trotzdem freue ich mich wie die Sau dich zu sehen.“
Wie lange hatte er Marco jetzt eigentlich nicht gesehen?
Es musste eine gefühlte Ewigkeit her sein.
Auf jeden Fall waren es Jahre.
Marco hatte ihm damals einen einträglichen Posten in einem Baukonzern besorgt. Weiß der Teufel, wie er da dran gekommen war. Er hatte gut verdient. Nachdem er paarmal besoffen zur Arbeit gekommen war, hatten die ihn dann aber rausgeschmissen. Seither hing er in der Luft.
Marcos Stimme reißt ihn aus seinen Grübeleien.
„Und woher nimmst du die Gewissheit, dass es nicht so ist?“
Dimitri hebt sein Wodkaglas und prostet ihm zu.
„Wie ich gerade eben sagte, ich kenne dich besser als du dich selbst. Und wenn du mit diesem siegessicheren Zahnpasta Reklamelächeln plötzlich bei mir hier auftauchst, dann bist Du gerade dabei etwas Lohnendes auszubrüten. Hoffe ich jedenfalls..Na sdorowje.“
Marco prostet Dimitri ebenfalls zu und trinkt sein Glas in einem Zug aus.
„Was meinst du? Ausbrüten? Was soll ich ausbrüten?“
„Marco mein Freund. Wir können jetzt wie senile Politiker beim Bingo im Altersheim, stundenlang um den heißen Mittagsbrei, der aussieht wie Affenscheiße, herumreden. Vorher sollte ich dir vielleicht sagen, dass ich wiedermal oder immer noch, keine Ahnung, pleite bin. Aber so was von Pleite. Wenn du in den vergangenen Jahren vor meiner Tür standest, gab es immer was zu verdienen. Also sag mir bitte nicht das du diesmal mit leeren Händen kommst.“
„Du hast eine Tür? Seit wann?“ fragt Marco grinsend. “Eigentlich wollte ich ja erst mal ein bisschen Small Talk machen. Weist Du, so das übliche Gerede.
Wie gut und erholt Du doch aussiehst und die ganzen anderen hirnlosen Floskeln. Aber wenn ich Dich so anschaue, na ja wie soll ich sagen? Ich bin kein guter Lügner.
Du schaust zum Kotzen aus und bevor Du mir hier abkratzt komm ich lieber gleich zur Sache.“
„Hab ich doch gewusst, dass Du ausgekochtes Schlitzohr nicht umsonst kommst!“, freut sich Dimitri.
„Schon mal was von der Schweiz gehört?“, fragt Marco.
„Ja klar. Dreckfleck auf der Landkarte, Taschenmesser, Käse, geldgierige Banken, schmierige Anwälte. Hab ich was vergessen?“
Marco deutet auf Dimitris Handgelenk.
„Ja vielleicht die Breitling an Deinem Arm. Kommt aus der Schweiz. Wie zum Teufel kannst Du dir so ein Ding leisten?“
Der schaut unwillkürlich auf sein Handgelenk.
„Ist ein Wunderwerk der Deutschen, die haben … “
„Am Arsch deutsches Wunderwerk, aber darum geht es jetzt gar nicht“, fällt ihm Marco ins Wort.
„Was hältst Du von einem Ferrari oder Lamborghini vor Deiner 20 Zimmer Villa irgendwo in der Karibik? Einer 20 Meter Jacht mit einer prall gefüllten Bar und mehr blonden, blauäugigen Nutten als Du Dir in Deinem Leben je vorstellen, geschweige denn vögeln kannst?“
„Hast Du eine Ahnung, wie viel Nutten ich mir vor stellen und vögeln kann. Aber davon abgesehen würde dieses anstrengende Sexleben meiner eigenen Lebensabends Planung nicht ganz gerecht werden. Die sieht nämlich vor, das ich eines Tages im Rinnstein in einer großen Lache meiner eigenen Kotze liegend, nicht mehr aufwache.
Aber nur so zum Spaß und da ich mir nicht vorstellen kann das Du mir diese kleinen Annehmlichkeiten schenken willst oder kannst.
Was müsste ich dafür tun?“
„Nichts besonderes! Nur das was Du Dein ganzes Leben gemacht hast und deshalb besser kannst als jeder andere, den ich kenne. Ein Flugzeug fliegen. Außerdem - “ Marco sieht Dimitri durchdringend an, „ - bist Du einer der ganz wenigen Menschen auf diesem Planeten denen ich absolut vertraue.“
„Toni bring noch mal eine Runde Gift“, ruft Dimitri verlegen grinsend Richtung Küche.
Lass uns woanders hin setzten.“ Marco zieht Dimitri in die hinterste und dunkelste Ecke der kleinen Bar.
Nachdem Antonio die leeren Gläser gegen Volle getauscht und wieder gegangen war, beugt er sich ganz nah an Dimitris Gesicht heran.
„So und nun nimm mal Deine paar verbliebenen grauen Zellen zusammen und hör genau zu. Was schätzt Du, wie viel Gold besitzt Deutschland zurzeit. Oder vielleicht weist Du es ja auch?“
„Woher zum Teufel soll ich das wissen? Wenn Mutter Theresa in Berlin es weiter so eifrig verschenkt, wird eh bald nichts mehr davon das sein.“
Marco konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
“Ich werde es Dir sagen. Es sind genau 3386 Tonnen. Wie viel glaubst, du lagert davon im Ausland?“
Dimitri verzieht erstaunt das Gesicht. “Ich höre immer Ausland? Lagert Deutschland sein Gold im Ausland?“
Marco nickt. „Einen Großteil jedenfalls. Um genau zu sein, sind es 2350 Tonnen oder 7.957.620.000 Euro, ein paar Millionen hin oder her wegen der Kursschwankungen nicht mit gerechnet. Im Januar 2013 nun hat die Bundesbank bekannt gegeben das sie die 700 Tonnen, die bei der FED in New York und die 300 Tonnen die bei der Bank of France in Paris lagern, nach Frankfurt bringen will.“
Marco trinkt einen großen Schluck Bier und zündet sich ganz gemächlich eine Zigarette an.
Dimitri, der ihm gespannt zugehört hat wird ungeduldig.
„Und was zum verdammten Henker hat das alles mit uns oder der Schweiz zu tun?“
„Ich war in den letzten Wochen ein paarmal in der Schweiz“, erklärt Marco. „Als Aufpasser für einen Anwalt in einem kleinen Kaff in der Nähe von Basel. Schleimiger und gewissenloser Typ, aber fettes Bankkonto. Er hatte sich immer wieder mal mit den falschen Leuten angelegt. Die wollten ihm daraufhin einen Daueraufenthalt in der Hölle mit Hilfe einer 9 Millimeter und einer durchschnittenen Bremsleitung vermitteln.“
Dimitri grinst schadenfroh. „Tja, wenn Du dem Teufel vor die Hufe scheißt, musst Du Dich nicht wundern, wenn Du getreten wirst.“
„Na jedenfalls hat dieser schleimige Anwaltstyp einen deutschen Ministerialrat oder so was in der Schweiz vertreten. Der hat eine Nacht in einem Züricher Nobelpuff gefeiert und danach mit seiner Dienstkutsche besoffen einen Crash verursacht.“
„Alter Schwede“, sagt Dimitri. „Und der Anwaltsschleimer sollte alles vertuschen?“
„So in etwa. Jedenfalls sollte er die Sache gradebiegen und so weit wie möglich unter den Teppich kehren. Übrigens - “ sagt Marco spöttisch: “Mit alter Schwede liegst du gar nicht so falsch. Der Anwaltstyp stammt aus Schweden.
Christiansen, Dr. Tom Christiansen.“
Dimitri betrachtete grimmig sein leeres Glas.
“Wie soll ein Schwede auch sonst heißen.“
Gerade als er Toni rufen will, stößt ihn Marco in die Seite.
„Schluss mit Saufen Mensch. Hör lieber weiter zu!
Dieser Christiansen hatte die Hosen gestrichen voll seit er eines schönen Morgens eine 9 Millimeter Patrone in seinem Briefkasten gefunden hat. Also nicht mal er selbst sondern seine Frau. Ein heißes Teil übrigens. Passt genau in mein Beuteschema.“
Mit einem versteckten Grinsen fährt Marco fort.
“Jedenfalls habe ich über meinen letzten Chef beim Vierziger Kontakt zu Christiansen bekommen. Der hat mich als persönlicher Babysitter engagiert.“
Dimitri wird nachdenklich. “Woher kennt ein Rechtsverdreher aus der Schweiz den Kommandeur einer Fallschirmtruppe der EX-DDR?“
„Was weiß ich“, sagt Marco. „Vielleicht haben sie ja mal zusammen Bingo gespielt. Ist ja auch egal, oder?“
„Hm, ich weiß nicht. Stinkt irgendwie. Aber wie sagen wir in Mütterchen Russland?"Риск - благородное дело."
„Also ich fasse mal zusammen.“ Dimitri schaut sehnsüchtig auf sein leeres Schnapsglas.
„Die Bundesbank holt Ihr Gold aus New York und Paris nach Frankfurt. Du spielst für einen Schweizer Advokaten den Babysitter weil er sich wegen einer 9 Millimeter im Briefkasten in die Hosen scheißt. Soweit richtig?“
„Punktlandung“, entgegnet Marco.
„Hey Antonio, Wodka“, ruft Dimitri Richtung Tresen. Zu Marco gewandt fährt er fort: „Und wann kommt der Knalleffekt bei dieser wirren Story?“
„Der Ministerialtyp weiß die genauen Termine Transportwege und geplanten Sicherheitsvorkehrungen der Transporte.“
„Und woher weist Du was der Typ weiß?“, fragt Dimitri.
“Er wird es Dir ja sicher nicht einfach so erzählt haben.“
„Doch im Prinzip schon. Der Anwalt und der Ministerialtyp haben im Club Alice Choo in Zürich ausgiebig gefeiert.
Früh um vier bekomme ich dann einen Anruf, dass ich die Zwei abholen soll. Ich also hin und lade sie, nachdem Christiansen sich ordentlich ausgekotzt hat, ins Auto.“
„Na wie lecker. Sei froh das sie dir nicht in die Karre gekotzt haben.“
Marco schüttelt leicht den Kopf. „Zu früh gefreut. Der Ministerialtyp hat das später noch nachgeholt. Egal, jedenfalls haben die beiden gequatscht und gequatscht. Wie das Besoffene eben so machen. Wollten sich wohl gegenseitig imponieren. Gerade als mir das Gequatsche echt auf den Sack geht, fängt der dicke Ministerialer an von Gold zu faseln.“
„Verdammt Toni hast Du einen Haufen Dreck in den Ohren“, brüllt Dimitri plötzlich Richtung Tresen. „Hör auf in Strapsen vor dem Spiegel zu posieren und bring endlich Nachschub.“
„Ja sofort Dimitri.“ Antonio kommt hochrot im Gesicht mit einer Flasche Wodka in der Hand angelaufen.
„Lass das Glasmantelgeschoss hier und verpiss Dich wieder.“ Dimitri dreht die Flasche auf und gießt sein Glas randvoll.
Missbilligend schüttelt Marco den Kopf spricht aber dann einfach weiter.
„Ich gehe also Gehör technisch voll auf Empfang und versuche so viel wie möglich von dem Gelaber des Dicken mit zu bekommen. Christiansen war am Einpennen deshalb quatschte der Dicke hauptsächlich mit sich allein. Was ihn aber nicht sonderlich zu stören schien.“
„Okay“, sagt Dimitri. “Und was hast Du genau gehört?“
„Ja viel hohles Zeug. Wie wichtig er ist, ohne ihn klappt gar nix, keiner versteht ihn. Das übliche Besoffenen Geschwätz. Dann wurde es aber auf einmal richtig interessant. Er wäre der Goldfinger des 21. Jahrhunderts und Herr über tonnenweise Goldbarren. Alles wäre ein Riesengeheimnis über, dass nur er Bescheid wüsste.
Im selben Augenblick fiel mir eine Nachricht ein die ich vor paar Tagen im Net gelesen hatte. Goldrückführung aufgrund dauernder Proteste und so weiter. Während ich drüber nachdenke was da genau gestanden hat quatscht der Goldfinger für Dummies munter weiter. Was für Idioten seine Vorgesetzten doch wären alles mit dem Zug, statt wie von ihm vorgeschlagen mit dem Flugzeug zu transportieren und … “
Dimitri fällt Marco ins Wort. “Da hat doch der Dicke Recht. Per Bahn ist doch so ein Transport viel schwerer zu sichern als per Flugzeug.“
„Ja, im Prinzip schon. Aber wenn ich das Gefasel des Dicken richtig verstanden habe, haben sich die Verantwortlichen in Frankfurt trotzdem für den Transport per Schiene entschieden.
In der letzten Vergangenheit sind ein paar Flugzeuge abgestürzt und spurlos verschwunden. Das hat verschiedene Leute verdammt nervös gemacht.“
„Offiziell soll das Gold in sechs Transporten zu je 50 Tonnen per Flugzeug befördert werden“ fährt Marco weiter fort. „In den Flugzeugen wird aber kein Krümel Gold sein. Das soll heimlich still und leise in einem gepanzerten Spezialwaggon per Schiene transportiert werden.“
Dimitri hatte mit stetig wachsendem Interesse zugehört.
„Das alte Spiel, täuschen und tarnen. Wie originell und so neu.“
Marco nickt. „Ja reichlich fantasielos diese Typen. Aber weiter im Text. Irgendwann wird Christiansen wach und sagt ich solle ihn doch erst nach Hause fahren weil ihm schlecht wäre. Dann den Dicken in sein Hotel. Ich lade also Christiansen in seiner Protzvilla ab. Dann fahre ich den Dicken, der inzwischen im Wagen eingepennt ist ins Les Trois Rois in Basel.“
Während er weiter spricht, verzieht Marco angewidert das Gesicht. „Kurz bevor wir in dem 5 Sterne Schuppen ankommen, kotzt mir der Dicke doch tatsächlich die ganze Rücksitzbank und sich selbst voll. Aber wenigstens war er dann wach.
Nach dem wir angekommen waren spurte ich rein und hole mir so ein uniformiertes Kofferäffchen die dort immer herum stehen. Gemeinsam schaffen wir den Dicken bis vor die Tür seiner Suite. Dort schicke ich das Äffchen weg und bringe den Dicken ins Bad.“
„Wolltest Du mit ihm gemeinsam ein Sitzbad nehmen?“fragt Dimitri.
„Ich lache, wenn ich Zeit habe“, erwidert Marco.
“Hey der Typ hat abartig gestunken! Außerdem wollte ich im Salon allein sein. Während der Dicke sich weiter auskotzt und die arme Kloschüssel anbrüllt, schaue ich mich in aller Ruhe in der Suite um. Und siehe da, unterm Sekretär steht ein schwarzer Diplomatenkoffer.“
Nachdenklich runzelt Marco die Stirn. „Wieso haben diese Typen immer den gleichen beschissenen schwarzen Aktenkoffer?“
„Was weiß ich,“ antwortet Dimitri achselzuckend.
„Vielleicht sind das ja alles Lederfetischisten. Oder die haben in ihrer Jugend zu viel Bondfilme gesehen. Waren auch Handschellen an dem Koffer?“
Marco grinst breit. „Nee das wäre wohl auch zu viel des Guten gewesen. Die Dinger bekommst übrigens Du schon für paar Euro in jedem Sex Shop.“
„Wieso Sex Shop? Was meinst Du damit?“
„Geschenkt, viel wichtiger ist, was drin war im schwarzen Köfferchen.“ Marco zieht sein Smartphone aus der Tasche und gibt es Dimitri. Dieser schaut sich gespannt mehrere Bilder an.
“Und was soll das vorstellen?“
„Termine, Streckenpläne, Personallisten, Zeitpläne, Fahrpläne und so weiter.“
„Das war im Koffer?“, fragt Dimitri.
“Genau das und noch viel mehr.“ bestätigt Marco.
„Bist Du sicher das Dein dicker Minister nichts gemerkt hat?“
„Absolut sicher! Erstens stünde ich wohl dann nicht mehr hier, sondern hätte wohl schon den BND oder sonst einen Verein mit drei Buchstaben auf dem Hals. Zweitens hat der Dicke zwei Tage später bei Christiansen eine stattliche Prämie mit der Bitte um Verschwiegenheit hinterlassen.“
Nachdenklich reibt sich Dimitri die Bartstoppeln an seinem Kinn. „Eins kapier ich trotzdem nicht. Ein Koffer, in dem solche verschissen wichtigen Papiere sind, steht einfach ungesichert in einem Hotelzimmer herum? Gehört der nicht eigentlich in einen Safe? So würde ich es jedenfalls machen.“
„Ich weiß es klingt unglaublich.
Der Dicke ist entweder total naiv, fahrlässig oder einfach nur blöd. Oder alles zusammen“, sagt Marco. „Andererseits des einen Dummheit des anderen Gewinn. Diese Pfeife wird uns steinreich machen.“
„Womit wir nach einer Flasche Wodka und 12 Zigaretten endlich beim Thema sind,“ grummelt Dimitri.
„Wenn ich Dich richtig verstanden habe, möchtest Du Dir 20 Tonnen Goldbarren unter den Nagel reißen? Einfach so? Willst Du dich mit einer Fackel und einem Kipplaster auf die Schiene stellen und rufen: Hi wir sind die städtische Müllabfuhr. Wir wollen euer Gold entsorgen.“
Gegen seinen Willen muss Marco loslachen. Bevor er etwas sagen kann, spricht Dimitri schon weiter.
“Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Barren 20 Tonnen sind? Wie willst Du die transportieren? Spätestens 10 Minuten, nachdem Du dir das Zeug wie auch immer geholt hast, hängen sie Dir alle an den Hacken. Abwehr und Geheimdienste, Euro und Interpol bis hin zur Gewerkschaft der Lokführer.“
Dimitri hatte hastig und genervt gesprochen. Jetzt wurde sein Ton versöhnlicher.
„Mann Marco, ich bin ja einiges von Dir gewohnt. Vor allem in den letzten Jahren. Aber damit schießt Du wirklich jeden Eskimo aus den Sandalen. Bloß Gut, das Du damit zuerst zu mir gekommen bist. Sonst könntest Du dich jetzt wahrscheinlich schon mit Deinem Zellengenossen in der geschlossenen Anstalt darüber unterhalten. Lass uns den ganzen Mist vergessen. Wir besaufen uns und vögeln ein bisschen. Morgen sieht die Welt dann noch genauso beschissen aus. Aber wir sitzen wenigstens nicht im Knast.“
„Der Standardbarren wiegt 12,44 kg,“ sagt Marco mit unbewegtem Gesicht. „Wir holen uns genau 242 Barren im Wert von rund 140 Mille. Gewicht 3 Tonnen, also keine Fackeln und kein Kipplaster notwendig. Du siehst ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“
„Egal ob Du dir 300, 30 oder auch nur 3 von den goldenen Eiern holst. Den ganzen Verein hast du dann trotzdem auf dem Hals.“ Resigniert hebt Dimitri die Arme.
„Du hast mir mal den Arsch gerettet, also bin ich Dir was schuldig. Ohne Dich würde ich jetzt in der Hölle bis zum Jüngsten Tag mit einer Mistgabel Pferde Scheiße von einer Ecke in die Andere schaufeln.
Also warum dann nicht den Rest meines Lebens im Knast sitzen, weil ich mich von einem Wahnsinnigen hab bequatschen lassen.“
Marco grinst erleichtert. “Deine kultivierte Art der Kommunikation und deine erlesenen Umgangsformen würden mir auch sehr fehlen.“
Dimitri grinst zurück. “Also wann, wo und wie soll es laufen? Vor allem was ist für mich drin? Du hast vorhin etwas von Ferrari und Jacht erzählt.“
„Genau am 6.August um 0.21 Uhr.“
„Warum nicht 0.20 oder 0.22 Uhr?“, fragt Dimitri ironisch.
„Weil der Sonderzug mit dem gepanzerten Spezialwaggon Nr. 191169/04 dann genau dort ist, wo ich ihn haben will.“
„Und wo soll das sein?“
„Unwissenheit ist ein Segen mein Großer. Alles zu seiner Zeit. Jetzt muss ich erst mal die notwendige Kohle organisieren. Morgen fahre ich nach Basel um Christiansen, zu treffen.
Er hat auf meine Mail Box gelabert, dass er mich dringend sehen will.“
„Über wie viel Reden wir hier überhaupt?“, fragt Dimitri.
„Ungefähr 5 Mille!“
“5 Millionen? Hast du 5 Millionen gesagt Fechterkamp? Was hast du vor? Willst Du die Aufpasser mit einem Stones Konzert ablenken?“
„Gar keine schlechte Idee. Schön, wenn es so einfach wäre. Würde dann wohl auch weniger kosten. Aber schon allein die Ausrüstung kostet ein mittleres Vermögen.“
Marco holt aus seiner Jacke ein mehrfach gefaltetes Blatt und legt es vor Dimitri auf den Tisch.
Der liest es, die Worte mit den Lippen nach formend aufmerksam durch. Seine Augen werden dabei immer größer und runder.
Es ist eine handgeschriebene Aufstellung.
–1 Transportflugzeug Antonov 12 BP
–2 Hummer H1, auf gelastet bis 2 Tonnen Zuladung
–7 Komplette Fallschirmausrüstungen
–2 Rettungsinseln, 8 Schlauchboote, 7 Schwimmwesten
–7 Maschinenpistolen Heckler und Koch MP 5 SD
–7 Schusssichere Westen, Helme, Nachtsichtgeräte
–30 Blendgranaten, 3 Satellitentelefone, 7 Ferngläser
–7 Sprechfunkgeräte, 2 aufblasbare Rutschen.
Nachdem Dimitri fertig gelesen hat, nimmt Marco das Blatt und steckt es wieder ein.
„Das Team besteht aus insgesamt 7 Mitgliedern. Als Helfer dazu brauchen wir noch Deinen Onkel Pjotr. Fliegt er noch als Techniker auf der 225?“
„Auf keinen Fall!“
Wie Marco erwartet hatte, protestiert Dimitri sofort heftig.
“Nicht Pjotr, auf gar keinen Fall. Hast Du ihn in den letzten Jahren mal wieder gesehen? Er hat definitiv nicht mehr alle Lampen im Kronleuchter. Nadeschda hat mir am Telefon erzählt, das er jetzt ständig mit einer Schrotflinte unterwegs ist und auf alles und jeden ballert. Ein Wunder, das er noch nicht im Knast sitzt.“
„Pjotr ist auch nicht mein Wunschkandidat. Ich will ihn auch nicht im Team haben. Aber als Helfer brauche ich ihn.
Er soll mir auf einem bestimmten Flug einen Gefallen tun. Nichts Großes, eine Bastelarbeit, Kleinkram.“
„Aha, Soso, eine Bastelarbeit. Nimm´s mir nicht übel Fechterkamp. Aber ich denke, Du bist bei Deinen vielen Fallschirmsprüngen zu oft mit dem Kopf vor ran aufgeschlagen. Das wirkt sich wahrscheinlich jetzt aus.
Und bevor ich mit Pjotr rede, musst Du mir schon ein bisschen mehr erzählen. Deinen Unwissenheit ist Segen Spruch kannst Du Dir in die Haare schmieren.“
Marco überlegt und nickt dann zustimmend.
“Okay Du hast recht. Ich würde ja auch nicht mit verbundenen Augen aus einem Flugzeug springen. Also dann hör gut zu, ich erzähle das alles nur einmal. Am 6. August um 22.21 Uhr startet am Garde de l´Est in Paris der Sonderzug Nummer 987654 Richtung Frankfurt. Er wird die ganze Strecke ohne Aufenthalt direkt durchfahren. So wurde es jedenfalls von den dafür zuständigen Leuten geplant.“
Marco holt eine Landkarte vom Grenzgebiet Frankreich Deutschland aus der Innentasche seiner Jacke, faltet sie auf und tippt auf einen blauen Kreis.
„Die haben die Rechnung allerdings ohne den berühmten Wirt, also uns gemacht. Wir werden den Zug genau hier … “
Laut surrend schließt sich das schwere Tor der riesigen Doppelgarage. Thomas Cristiansen stellt den Motor seines Jaguars ab und bleibt unbeweglich im Auto. Verdammte bohrende Kopfschmerzen. Diese endlosen Besprechungen und Meetings mit den immer gleichen aufgeblasenen Wichtigtuern brachten ihn noch um.
Er lacht bitter vor sich hin. Umbringen, das könnte denen so passen. So schnell würden die ihn nicht los werden.
Für wen hielten ihn diese Leute? Für einen Idioten? Trotzdem musste er auf der Hut sein. In dieser Sache konnte er ganz schnell unter die Räder kommen.
Er schiebt die beunruhigenden Gedanken beiseite.
Jetzt eine oder auch zwei schöne Flaschen Rotwein im Whirlpool mit der Kleinen aus dem Alice Choo. Christiansen schnalzt zufrieden mit der Zunge als er an den Abend in Zürich mit Altmann und Francine der süßen schwarzhaarigen Escort Maus zurückdenkt.
Francine, wiederholt er in Gedanken. Francine, wie mag die Kleine wohl wirklich heißen? Im Gegensatz zu seiner Frau hatte es die Kleine sofort geschafft in ihm wieder Lust auf Sex wach, zu rufen.
Erschrocken zuckt er zusammen. Seine Frau Catherine hatte sich unbemerkt mit Wagen genähert und an die Seitenscheibe geklopft. „Hallo Tommy. Ist alles in Ordnung mit Dir?“
Er öffnet die Tür und steigt aus.
„Hallo Cat, ja mach Dir keine Gedanken. Ich hab nur wieder heftige Kopfschmerzen.“
„Du solltest jetzt endlich mal zu Dr. Harms gehen und nicht immer alles auf die lange Bank schieben.“
Er küsst sie flüchtig auf die Wange.
„Ich bräuchte nur mal eine Auszeit. Was hältst Du von einer Kreuzfahrt? Mittelmeer? Oder die Nordländer?“
Während Sie ins Haus gehen, muss er wieder an Francine denken. Warum eigentlich nicht? Wieso nicht eine Kreuzfahrt mit ihr? Catherine würde er irgendwas von einem Geschäftstermin im Ausland erzählen.
Sie war nicht übermäßig intelligent. Wenn er ihr eine gute Geschichte anböte, würde Sie die ohne Weiteres schlucken.
„Was soll das Tommy? Ich weiß doch genau das es nicht Dein Ernst ist und Du sowieso keine Zeit hast.“
In Gedanken versunken hatte er nicht gemerkt, dass Catherine ihn seit ein paar Minuten fragend anschaut.
„Ich möchte jetzt endlich wissen, warum Du in den letzten Tagen so komisch und immer nachdenklich bist. Ist es wegen der Bedrohungssache? Das belastet mich auch. Aber wir dürfen nicht zu lassen, dass sie unser ganzes Leben kaputtmacht.“
„Wie ich Dir schon sagte, mach Dir keine Gedanken. Es gibt eine paar Schwierigkeiten mit den russischen Investoren. Aber nichts Gravierendes.“
Christiansen spürt sofort das Catherine ihm seine beschwichtigende Lüge nicht glaubt. Die Skepsis in ihrem Blick ist förmlich mit den Händen zu fassen.
„Wo hast Du den Chateau Cheval der gestern übrig geblieben ist?“, fragt er möglichst beiläufig.
„Im Kühlschrank, wo denn sonst?
Und lenke bitte nicht vom Thema ab Tommy.“
„Hat jemand angerufen oder etwas für mich hinterlassen?“, ruft er Richtung Salon, während er sein Weinglas füllt und genießerisch einen großen Schluck nimmt.
„Nein, Nichts. Doch entschuldige das hätte ich jetzt fast vergessen. Ein gewisser Marco hat für dich angerufen.“
Eilig läuft Christiansen in den Salon zurück.
„Marco? Marco Fechterkamp?“
„Ja ich glaube, so war sein Name. Drüben beim Telefon liegt ein Zettel. Du sollst ihn zurückrufen. Wer ist dieser Marco und wieso hat er unsere ganz private Festnetznummer?“
„Wer dieser Marco ist? Aber Cat, Marco hat mich in den letzten Wochen zu wichtigen Terminen gefahren. Ich hatte ihn als Security engagiert.“
Christiansen gießt sich den restlichen Wein ins Glas. Viel zu kalt. Schade aber was verstanden Frauen und speziell Seine schon von gutem Wein. Gar nichts!
In Catherine schießen Erinnerungen hoch. Das war Marco? Sie sieht plötzlich den Typ mit dem melancholischen Blick aus den großen braunen Augen vor sich. Die waren ihr bei den flüchtigen Begegnungen, wenn er ihren Mann geholt oder gebracht hatte, sofort aufgefallen. Genau wie bei ihrem ersten Zusammentreffen spürte sie wieder diese seltsame Unruhe, dieses seltsame Kribbeln in sich aufsteigen. Je länger sie über ihn nach sann, desto stärker wurde es.
„Genau das war Marco“. Christiansens Bemerkung reist sie aus ihren Erinnerungen. „Ich möchte ihn für die nächsten Wochen fest als Security engagieren. Auf die Polizei ist doch kein Verlass. Außerdem schnüffeln die mir viel zu sehr in meinen Geschäften herum.
Anstatt die Typen zu finden, lungern sie lieber den ganzen Tag vor meinem Haus herum. Falls ich mit ihm einig werde, wohnt er für diese Zeit in unserer Einliegerwohnung. Ich möchte ihn gern dauerhaft hier im Haus haben. Du weist ja 9 Millimeter Patrone und so...“
„Ganz wie Du meinst Tommy. Vertraust Du ihm denn?“
Mit großem Unbehagen erinnert sich Catherine an den Morgen, als sie die Post rein holen wollte und ihr dabei nach dem Öffnen des Briefkastens die Patrone vor die Füße fiel.
„Du weist doch Cat. Die Deutschen gelten gemeinhin als extrem zuverlässig. Außerdem sind seine Beurteilungen aus seiner Zeit als „Rotkehlchen“ wirklich gut. Sieht man mal davon ab das er wohl ein Problem mit Vorgesetzten hat.“
Catherine muss schmunzeln. „Rotkehlchen? Hat dieser Marco mal in einem Kirchenchor gesungen?“
„Rotkehlchen war die inoffizielle Bezeichnung für einen Fallschirmjäger-Eliteverband. Das sogenannte LSTR-40 in der ehemaligen DDR. Der Eliteverband in der DDR schlechthin.“
„Er stammt aus dem ehemaligen Osten Deutschlands?“
Catherine hatte sich die Ossis immer ganz anders vorgestellt. Sie konnte nicht genau definieren wie anders. Aber eben anders. Vielleicht einfacher, primitiver.
„Die Angehörigen dieser Einheit hatten eine besonders harte und umfangreiche Ausbildung. Sie galten als besonders hart im Nehmen. Fast die gesamte Führungsriege der Ex DDR hat sich von den Rotkehlchen bewachen lassen. Und das sicher nicht, weil sie gut singen konnten.“
„Lass Deinen unangebrachten Sarkasmus,“ erwidert Catherine leicht gereizt. „Woher weist Du überhaupt so viel von solchen Dingen? Wieso kennst Du seine Beurteilungen aus der DDR. Das ist doch unmöglich.“
„Seit ein gewisser Altmann, Sonderbeauftragter Ministerialrat nach einem Bordellbesuch in Zürich beschlossen hatte, obwohl stark betrunken, selbst ins Hotel zu fahren. Dabei hat er einen Zeitungskiosk und drei geparkte Autos demoliert.“
Catherine erinnert sich genau an den übergewichtigen Mann, der ununterbrochen redete. Auch den Ekel, den sie bei seinem schweißnassen Händedruck empfunden hatte.
„Du kennst doch Urs, den wir im Harley Club getroffen haben. Wir haben zusammen studiert.
Jetzt sitzt er in der Staatsanwaltschaft in Zürich … Nein?“, fragt Thomas als Catherine den Kopf schüttelt.
„Spielt jetzt auch keine Rolle“, fährt er fort.
“Jedenfalls hat er auf meine Bitte hin mit den richtigen Leuten gesprochen. Das Verfahren gegen Altmann wurde daraufhin gegen Zahlung einer Busse von 15 000 Franken eingestellt.“
„Und dieser Altmann hat dir diesen Marco vermittelt?“, fragt Catherine.
„Nicht ganz, aber seinen ehemaligen Vorgesetzten. Mit einer Liste seiner besten Leute. Auf der stand Marco an zweiter Stelle.“
Catherine setzt gerade zu einer Entgegnung an da fällt ihr Christiansen ins Wort. “Ich weiß, was Du fragen willst, wieso nicht die Nummer eins? Der sitzt leider seit einem Verkehrsunfall im Rollstuhl.“
„Armer Kerl.“ Catherine schaut auf ihre Uhr. “Du musst Dich fertigmachen Tommy. In einer Stunde haben wir uns mit Christian und Isabel zum Essen verabredet.“
“Das hatte ich total vergessen. Muss denn das heute sein? Können wir nicht anrufen und absagen?“
“Natürlich können wir absagen. Aber Du denkst schon an Fahlbach, Dein Traumobjekt? Ohne Christian und seinem Einfluss im Baudirektorat bekommst Du das nie genehmigt.“
Ächzend erhebt sich Christiansen. “Okay schon überredet.
Für meinen Fahlbacher Traum tue ich fast alles. Dann geh ich mal duschen.“
Catherine bleibt allein im Salon zurück. Ihre Gedanken kehren zu diesem Marco zurück. Unbewusst vergleicht sie ihn mit ihrem Mann. Wie hatte Tommy doch gesagt?
Fallschirmjäger sind besonders harte Typen? Wie eine willenlose Waffe ohne Hirn auf zwei Beinen hatte dieser Marco nicht auf sie gewirkt. Eher im Gegenteil. Auf sie hatte er eher einen überlegenden und selbstsicheren Eindruck gemacht. Er sah auch nicht aus wie ein Frauenheld. Kein Macho Gehabe und bestimmt auch kein Sixpack. Trotzdem strahlte er etwas, aus was ihn interessant machte. Und Tommy? Ihre Heirat mit ihm hatte sie lange Zeit als Glücksfall betrachtet. Der mondäne, verschwenderische Lebensstil, den er ihr ermöglichte, wogen die 20 Jahre Altersunterschied und die Tatsache das Thomas eher den Typ des älteren Biedermannes verkörperte lange Zeit mehr als auf.
Seit 15 Jahren waren sie verheiratet. In der letzten Zeit begann sie sich aber immer öfter zu Fragen, was sie wohl bewogen hatte, ja zu seinem Heiratsantrag bei ihren ersten Urlaub auf Bali zu sagen.
War es wirklich der Mann Thomas Christiansen? Oder war es die Jacht, die Rolex Uhr, die Handtasche von Saint Laurent, die Schuhe von Manolo Blanhik?
Der Sommer in der Karibik oder der Winter in St. Moritz?
In den vergangenen Monaten verspürte sie immer öfter eine schon fast schmerzhafte Leere in ihrem Leben. Und immer öfter hatte sie den übermächtigen Wunsch aus diesem gefühlten Gefängnis der Eitelkeiten aus zu brechen.
Ausgerechnet in diesem Augenblick tauchte dieser Marco auf. Wieder spürt sie diese Unruhe, dieses Kribbeln in sich aufsteigen.
Fahrig zündete sie sich eine Zigarette an und nahm mehrere tiefe Züge. Eigentümlich, sie hatte ihn nie lächeln sehen. Allerdings hatten sie sich ja auch nur ein paar Mal flüchtig gesehen.
… wohnt er für diese Zeit in unserer Einliegerwohnung. Ich möchte ihn dauerhaft im Haus haben, fallen ihr plötzlich Tommys Worte ein. Sie würde ihn dann jeden Tag sehen! Ein Gedanke, der sie gleichermaßen freut und erschreckt.
„Ich hatte Dich doch gebeten nicht hier im Haus, zu rauchen.“ Christiansen steht mit der Krawatte in der Hand vor ihr. “Hilf mir bitte mal.“
„Du bist jetzt über 30 Jahre Anwalt und kannst immer noch keine Krawatte binden!“ Catherine zupft den Hemdkragen noch etwas zurecht, nachdem sie ihm einen Windsor Knoten gebunden hatte.
„Ich bin eben ein brillanter Theoretiker, mein Liebling. Ich arbeite mit meinem Verstand. Ich muss keine geschickten Hände haben. Im Übrigen hat Dir dies bisher ja auch ein sehr angenehmes Leben ermöglicht.“
Christiansen schaut auf seine Armbanduhr.
„Lass uns gehen. Du weist Christian ist eine Mimose und schnell eingeschnappt, wenn man ihn warten lässt.“
Obwohl von ihrem Gefühls und Gedankenchaos innerlich aufs äußerste gespannt, fragt Catherine auf der Fahrt ins Matisse wie beiläufig. “Wann willst Du Dich denn mit diesem Fallschirmjäger-Marco treffen?“
Christiansen ist das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht aufgefallen. “Mit Marco? Morgen Nachmittag kommt er zu uns. Falls er einwilligt, kann er dann auch gleich einziehen. Ich kann dann endlich die nervige Polizei wegschicken.“
„Und wie glaubst Du ihn zu überzeugen für Dich zu arbeiten und Deinen Beschützer zu spielen?“
„Jeder Mensch meine liebe Cat ist korrupt, also käuflich.
Das ist immer nur eine Frage der Kommastellen. Wenn die Infos, die mir dieser Altmann gegeben hat, richtig sind, steht es um die Finanzen dieses Marco eh nicht besonders gut. Um so leichter wird er zu überzeugen sein. Ich denke 4000 im Monat sollten mehr als genügen.“
„Jetzt weiß ich wenigstens, welchen Preis dein eigenes Leben für Dich hat.“ Catherine will den Spott in ihrer Stimme gar nicht verbergen.
„Oh mein hübsches Frauen ist heute besonders geistreich.“ Christiansen parkt den Jaguar und stellt den Motor ab.
“Lass uns rein gehen. Ich habe Hunger und keine Lust mehr auf Deine kleinen Wortspielchen.“
Was glaubst Du wie wenig mir Deine Wortspielchen gefallen geht es Catherine durch den Kopf. Entweder war es ihr vorher nicht aufgefallen oder seine überhebliche Arroganz ist mittlerweile so offensichtlich geworden, dass sie nicht mehr zu überhören war.
„Guten Abend die Herrschaften. Einen Tisch für zwei Personen?“
Ein schwarz befrackter Kellner empfängt Sie mit einer leichten Verbeugung.
„Nein. Vielen Dank wir werden erwartet von - “ suchend schaut sich Catherine um, bis sie schließlich die winkende Isabel an einem Fenstertisch entdeckt.
„ - von dem Pärchen dort an dem Fenstertisch.“
Zufrieden fällt Christiansen auf, dass mehrere der anwesenden Männer Catherine mit anerkennenden und auch begehrenden Blicken mustern.
Sie hatte immer noch die mädchenhafte anmutige Figur, mit dem knackigen Hintern und den kleinen festen Brüsten die er so sehr mochte. Wirklich fasziniert hatten ihn aber, als er sie das erste Mal gesehen hatte, ihre tiefblauen Augen. Ihr kurzes blondes Haar und ihr Mund, der immer zu lächeln schien. Wie schnell wurde man doch blind für Schönheit und Attraktivität, wenn sie einen tagtäglich umgibt.
Wie schon öfter in den letzten Wochen beschlich ihn bei diesen Gedanken wieder die unbestimmte Befürchtung, dass es zwischen Catherine und ihm einmal ganz schnell vorbei sein könnte. Die große Liebe war es wohl nie gewesen. Das war ihm schon kurz nach seiner Hochzeit klar.
Von da ab hatte er ihre Ehe als eine Art Business gesehen. Luxus für Sex, eine win-win Situation. Am Anfang hatte ihn die Erkenntnis, dass Catherine sein Vermögen und nicht ihn den Mann geheiratet hatte, belastet. Mittlerweile hatte er sich damit arrangiert. Ganz im Gegenteil. Der Gedanke Catherine, wie viele andere seiner Luxusspielzeuge nach Lust und Laune zu benutzen, gab ihm sogar ein befriedigendes Gefühl.
Und sie gehörte ihm. Ihm ganz allein.
„Salut Cat, Salut Tommy, schön Euch zu sehen“, begrüßt Sie Isabel.
„Möchtet ihr auch einen Aperitif vor dem Essen?“
Genauso wie Catherine es vorhergesehen oder besser befürchtet war dieser Abend dann tot langweilig geworden.
Geendet hatte er damit das sich Christiansen wiedermal, total betrunken hatte.
Fast vier Stunden später lenkt Catherine den schweren Jaguar genervt und müde durch die hell erleuchteten aber fast menschenleeren Straßen Basels heimwärts.
Die Männer hatten nach einem kurzen Small Talk mit Ihr und Isabel fast ununterbrochen über irgendwelche Bausachen, Immobilien und anderen Kram gesprochen. Wie üblich hatten sie dabei eine Flasche Rotwein nach der anderen getrunken.
Catherine, die sich sicher war, dass Tommys ganze Aufmerksamkeit Christian und dem Rotwein galt, hatte versucht das Gespräch mit Isabel auf ein Thema zu lenken, das sie die letzten Monate viel beschäftigte. Ihre Ehe mit Thomas. Sie war sich sicher das er sie betrog, wenn er mitten in der Nacht oder gar nicht nach Hause kam. Seltsamerweise störte sie das nicht im Geringsten. Wenn sie ganz ehrlich sein wollte, war sie sogar froh über jede Nacht, die er nicht da war.
Seit Längerem nahm der Gedanke sich von Thomas zu trennen immer konkretere Formen an. Von Isabel hatte sie sich Rat und Hilfe erhofft.
Die wollte oder konnte jedoch nichts verstehen. Stattdessen hatte sie Catherine den ganzen Abend mit oberflächlichem Geplapper gelangweilt.
Thomas hängt wie eine willenlose Gliederpuppe im Sicherheitsgurt und schnarcht laut.
Morgen würde er Ihr wieder die Ohren voll jammern, wie schlecht es ihm geht, wo das Aspirin ist und das er nie wieder einen Schluck trinken würde. Catherine fährt die letzten Meter der Einfahrt hoch und stellt den Motor ab.
Sie würde ihn jetzt auf keinen Fall wie schon so oft in der Vergangenheit die Treppen hoch schleppen. Wozu auch, sie kannte den Ablauf der jetzt kam ja schon zur Genüge. Er würde ein paar Stunden schlafen und sie den Rest der Nacht mit seinem Gejammer über Magen und Kopfschmerzen wach halten. Zwischendurch würde er immer wieder zum Brechen auf die Toilette stürmen.
Nach dem Duschen schaut sie aus dem Fenster, weil sie glaubt, etwas gehört zu haben. Im Auto regt sich jedoch nichts.
Gute Nacht und süße Träume Herr Doktor, denkt Catherine nicht ohne Schadenfreude. Sie löscht das Licht und geht seelenruhig ins Bett.
„Darf ich Sie bitten sich wieder an zu schnallen und den Sitz nach vorn, zu klappen? Wir landen in ein paar Minuten.“ Die Stewardess lächelt Dimitri freundlich an.
Unruhig rutscht er in seinem Sitz hin und her. Er flog eigentlich sehr gerne, aber nur wenn er selbst im Cockpit saß. Angespannt lauschte er auf die ihm so vertrauten Geräusche einer Flugzeuglandung.
Ladies and Gentleman, your captain speaking. I like to apologize now already that this will be a rather bumpy landing. This is because today we are performing a fully automatic check-landing with the autopilot.
Trotz seiner Aufregung musste Dimitri lachen. Dort vorn schien ein Spaßvogel zu sitzen. Wenn der soviel Erfahrung wie Humor hatte kann ja nichts zu Bruch gehen. Tatsächlich setzt die Boeing 737-500 wenige Minuten später sanft auf der Rollbahn des Flughafens Kiew Boryspil auf.
Nach der unvermeidlichen Zoll und Passkontrolle, die diesmal aber reibungslos verlief, steigt er vor dem Terminal in eines der weißen Sky Taxis.
„Suzdalska 28.“ Der Fahrer nickt und fährt los.
“Das erste Mal in Kiew?“
„Seh ich aus wie ein Touri“? Dimitri lehnt sich genervt in das Polster zurück und schließt die Augen.
Hoffentlich war Pjotr nicht umgezogen. Dann dürfte es schwierig werden ihn ausfindig, zu machen. Und wieso hatte er sich von Marco nur bequatschen lassen?
Unter Strom war ihm das Ganze schon irrwitzig erschienen. Nüchtern wusste er das es Wahnsinn war. Nachher bei Pjotr musste er unbedingt erst mal was trinken. Ihr letztes Gespräch in der Bar fällt ihm wieder ein. Beschwörend hatte er auf Marco eingeredet.
Nach so einem Ding kannst Du dich nirgendwo verstecken.
Dafür ist die Welt einfach viel zu klein geworden.
Wir leben im 21.Jahrhundert!
Nicht mehr in den Sechzigern, als die Bullen mit einem Notizblock und einen Bleistiftstummel auf der Suche nach einer Telefonzelle durch die Gegend stolperten. Die Gentleman bitten zur Kasse Nummer wird nicht mehr funktionieren. Hat sie schon damals nicht. Alle sind geschnappt worden.“
Marco hatte nur blöd gelächelt.
„Diese Typen waren genial. Aber zum Schluss sind sie einfach leichtsinnig und übermütig geworden. Und sie haben ihren Coup überlebt.“
Verwirrt hatte Dimitri Marco gefragt. “Was soll das jetzt schon wieder heißen, haben ihren Coup überlebt?“
Marco hatte mit einer Gegenfrage geantwortet.
„Vertraust Du mir?“
Dimitri hatte heftig den Kopf geschüttelt. Nein natürlich nicht. Du bist der durchgeknallteste und krummste Hund, den ich je kennen lernen musste.
Marco hatte trotzdem darauf bestanden, dass er hier her flog.
Du weist schon das ich ihn ein paar Jahre nicht gesehen habe und das nicht ohne Grund. Seine gebrochene Nase, die ganz nebenbei gesagt von mir stammt, muss lange geschmerzt haben.
Auf seinen Einwand hatte Marco nur wieder gegrinst.
„Hey Chef wir sind da“, ruft der Fahrer plötzlich.
Dimitri öffnet die Augen.
Das Taxi steht vor einem eingeschossigen grauen Backsteinhaus mit weißen Fenstern. Eingezäunt wird es von einer Mauer aus gelben Sandstein mit einem braunen Gartentor. Alles macht einen verwahrlosten und unbewohnten Eindruck. Der alte faule Sack hatte in den letzten Jahren tatsächlich nichts mehr gemacht. Es war immer noch das gleiche alte Scheiß Loch das Dimitri irgendwie an einen Gulag erinnerte. Nicht dass er je in einem gewesen wäre.
Aber genauso stellte er sich Einen vor.
„Ich bekomme 200 von Ihnen.“ Der Fahrer grinst Dimitri unverschämt an. Dieser verzieht empört das Gesicht.
“Ist das normal nicht viel billiger? Als ich das letzte Mal hier war … “
„Wen interessiert, wann sie das letzte Mal hier waren. Und was ist schon noch normal heutzutage?“ Ungeduldig hält ihm der Fahrer die offene Hand hin. Dimitri gibt ihm zwei Hunderter und knallt die Autotür nach dem Aussteigen laut zu. Er geht zu dem braun gestrichenen Tor und drückt die Klinke. Na klar verschlossen. Keine Klingel. Rufen dürfte auch Nichts bringen. Kurz entschlossen wirft er sich mit aller Wucht gegen das Holztor.
Dabei hat er große Mühe auf den Beinen zu bleiben, als dieses mit einem hässlichen Geräusch von splitternden Holzes auffliegt.
Notdürftig verschließt er das Tor wieder und schaut sich um. Ein paar grünspanige Kupferkessel, ein altes Fahrrad und ein verbeulter Moskvich mit dutzenden Einschusslöchern in der Tür, gammeln in einer Ecke vor sich hin. Der gepflegte schwarze SUV vor dem Garagentor wirkt dagegen wie ein Fremdkörper in dem verwahrlosten Hof. Dimitri stößt einen anerkennenden Pfiff aus und geht dann gelassen zur Eingangstür des Hauses.
Diese öffnet sich, nachdem er mehrere Male mit der Faust dagegen geschlagen hat, einen Spaltbreit. Dimitri weicht erschrocken zurück. Das der Empfang nicht herzlich ausfallen würde hatte er schon gewusst. Aber auf die Schrotflinte, in deren Lauf er jetzt blickte war er doch nicht gefasst.
„He Onkelchen“, ruft er schnell. „Ich bin´s Dimitri, der Sohn von Nadeschda.“
„Ich weiß, deswegen ja die Schrotflinte, Durak“, antwortet eine dumpfe Stimme hinter der Tür.
„Du hast genau 10 Sekunden Zeit Deine hässliche Fratze von meinem Hof zu schaffen.
Sonst ballere ich Dir eine neue Futterluke hinein.“
„Hunderttausend Dollar! Das ist eine Eins mit fünf Nullen dran. In gebrauchten Scheinen, bar und vor allem steuerfrei,“ sagt Dimitri schnell.
Dann zündet er sich eine Zigarette an und wartet.
„Oh das ist eine gute Frage. Du willst wissen, was Du dafür tun musst“, spricht er nach ein paar Minuten weiter, obwohl Pjotr geschwiegen hatte.
Langsam wie in Zeitlupe öffnet sich die Eingangstür mit einem quietschenden, jammernden Geräusch.
„Hallo Pjotr, schön Dich zu sehen. Wie geht’s Deiner Nase?“ Verdammt das hätte er jetzt vielleicht nicht sagen sollen. Dimitri hebt entschuldigend die Arme als Pjotrs Schrotflinte ihm wieder bedenklich nahekommt
„Okay, okay, blöder Witz, war nicht so gemeint.“
Mit einem schnellen geschickten Griff entwindet er Pjotr die Waffe.
„Du hast doch bestimmt nichts dagegen, wenn ich das Feuerzeug mal für eine Weile nehme?“
Routiniert entlädt er die Waffe und wirft sie in den durchlöcherten Moskvich.
„Na das finde ich aber sehr nett von Dir. Ich soll doch rein kommen. Du hast auch eine Flasche Wodka kaltgestellt?“ Dimitri schiebt den stummen, verdutzt blickenden Pjotr einfach beiseite und geht in das Haus.
Dieser schaut sich misstrauisch um und verschließt dann sorgfältig die Tür.
„Nimm doch Platz und fühle Dich ganz wie zu Hause. Darf ich dir etwas anbieten“, fragt er Dimitri.
„Was hättest Du denn gern? Blinis? Wodka? Oder einen kräftigen Schlag in die Fresse?“
Dimitri hat es sich bereits auf einer durchgesessenen schwarz weißen Couch gemütlich gemacht und mustert Pjotr spöttisch. Der war immer noch der Alte. Mittelgroße hagere schon fast dürre Statur. Dunkle Haare mit ansehnlichem Grauansatz. Graue Augen, die unruhig hin und her wanderten.
Die Narbe auf seiner Wange und seine Hakennase gaben seinem Gesicht raubvogelartige Züge.
„Du hast dich in den letzten Jahren nicht verändert mein lieber Onkel.“ Dimitri kann es sich nicht verkneifen noch einen draufzusetzen. „Hast Du in letzter Zeit geboxt? Deine Nase hat so eine komische Form.“
Mit erhobenen Fäusten macht Pjotr zwei schnelle Schritte auf ihn zu, lässt sie aber schnell wieder sinken. Gegen Dimitri hatte er keine Chance. De hatte ihm schon einmal die Nase gebrochen.
„Was willst du hier? Und was soll das Gerede von hunderttausend Dollar. Woher sollte so einer wie Du so viel Geld haben? Immer wenn Du in der Vergangenheit hier aufgetaucht bist, hast Du Probleme gemacht. Davon haben wir hier selbst genug. Also setz Dich ins nächste Flugzeug, Zug oder sonst was. Ist mir scheißegal. Hauptsache Du verschwindest wieder.“
„Aber Onkelchen, wer wird denn so angriffslustig sein. Hör doch erst mal zu. Du wirst noch froh sein das ich gekommen bin. Du brauchst nur einem guten Freund von mir ein paar Sachen zu besorgen. Dabei kannst Du Dir eine fette goldene Nase verdienen. Dann musst Du auch nicht mehr in so einem Dreckloch hausen und Deinen Fusel selber brennen.“
Da Pjotr schweigt, spricht Dimitri einfach weiter.
„Ich brauche vor allem ein Flugzeug. Eine AN 12 in Modischem mattschwarz. Aber keine der üblichen Schrottmühlen sondern eine 12 BP in Top Zustand.“
„Oh wie schön und so einfach.“ Pjotr steht plötzlich auf, geht zu dem großen hellen Kleiderschrank, der gegenüber dem Sofa an der Wand steht. Er reißt die Türen auf und schaut hinein. „Schade keine mehr da! Ich muss die Letzte wohl vorige Woche verkauft haben. Was willst Du überhaupt mit dem Ding? Dich umbringen? Es ist ewig her, das Du so eine Mühle geflogen bist. Andererseits, wenn Du mir versprichst, irgendwo gegen zu donnern, besorge ich Dir gern eine.“
„Ha ha, Ha ha, Ha ha„ ahmt Dimitri ein Lachen nach.
„Hast du schon mal über eine Karriere als Pausenclown nach gedacht? Du bist ein Naturtalent.“
„Und Du hast Du schon mal über Selbstmord nach gedacht?“, fragt Pjotr bissig zurück.
Dimitri holt seine Zigaretten aus der Tasche.
Er zündet zwei an und wirft eine zu Pjotr.
„Ich war mal der Beste! Schon vergessen? Außerdem, ist Fliegen wie Fahrrad fahren. Das verlernt man nie. Aber bevor Du mir hier aus den Socken kippst, das war noch lange nicht alles. Ich brauche noch 6 Maschinenpistolen, die MP5SD, Nachtsichtgeräte, kugelsichere Westen, Blendgranaten Hochfrequenzfunkgeräte, 6 Fallschirme, und noch ein paar andere Spielereien. Nicht für mich. Sondern für einen guten Freund.“
„Was hat Dein Freund vor? Will er in Nordkorea einmarschieren? Das kann er sich schenken. Die haben noch nicht mal genug zu fressen.“
Ohne zu antworten, zieht Dimitri die Augenbrauen hoch und schaut Pjotr durchdringend an.
„Okay, Okay, wenn Du nicht drüber reden willst, charascho. Ich höre mich mal bei ein paar Bekannten aus den guten alten Zeiten um. Spontan fällt mir da nur Wladislaw ein. Er hat von früher noch die nötigen Beziehungen. Er ist als Einziger in der Lage den ganzen Kram zu besorgen.“
„Wladislaw? Wladislaw Kolschajew?“ Dimitri denkt angestrengt nach. „Kolschajew? Ist das nicht oder besser war der nicht Kommandant von irgendeinem Luftwaffenstützpunkt in der ehemaligen DDR? Gibt es den noch? Der muss ja inzwischen steinalt sein.“
„Oh ja und wie es den noch gibt. Seine Söhne mischen seit ein paar Jahren auch mit. Er ist in der Zwischenzeit nicht nur steinalt sondern auch steinreich geworden. Er hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Chaos danach, eine sehr einträgliche Marktlücke für sich entdeckt.“
„Lass mich raten.“ Dimitri drückt gemächlich seine Zigarette aus.
„Waffenhandel, wie originell! Das hat doch praktisch jeder der bisschen, was zu sagen hatte und an das gefragte Zeug ran kam getan.“
„Stimmt, aber bei Wladislaw ist das in ganz großen Stil gelaufen. Während Andere ein paar Dutzend Lkws oder Jeeps verkauften, hat er mal so eben 4500 Kalaschnikow mit dazu gehörigen 100 000 Schuss Munition nach Afrika verhökert.
Egal ob Maschinengewehre, Panzerabwehrraketen, bis hin zu Helikoptern. Er hat vor nichts haltgemacht. Lieferung frei Haus natürlich. Jetzt betreibt er offiziell eine In und Exportfirma. Was ja irgendwie sogar stimmt.“
Pjotr lacht verächtlich.
„Inoffiziell kannst Du bei ihm praktisch alles Kaufen.
Wenn ich sage alles dann meine ich das genauso. Immer voraus gesetzt Du hast die nötige kleine Marie. Sonst endest Du schnell als Fischfutter mit hübschen grauen Schuhen aus Beton im Dnjepr.“
Dimitri schaut reflexartig auf seine Füße.