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Emily Monroe hat keine Ahnung, worauf sie sich bei dem Job eingelassen hat, der sie als Serviermädchen in Massimo Scordatos Villa führt. Nicht genug damit, dass der Hausherr am Ende des Abends von ihr erwartet, die Nacht über zu bleiben, erweist sich sein ihm stets zur Seite stehender Sicherheitschef Dante Napolitani auch noch als ein Sadist erster Güte. Emilys Einschätzung, dass diese Männer zu allem fähig wären, trügt nicht. Denn beide stehen ganz oben auf der Liste von Leuten, die FBI-Agent Tyler Callahan endlich hinter Gittern sehen möchte. Und so hat Emily es bald mit der Mafia und mit dem FBI zu tun. Pressestimmen Das Buch setzt sich ab von manch anderem Buch aus diesem Genre, nicht zuletzt durch die ausgefeilte Sprache, die Feinheiten und Andeutungen zu einem immer bedrohlicher werdenden Netz verdichtet. Ich kann das Buch jeder und jedem empfehlen, der harten SM und den Krimiplot mag. Und wem es nach etwas anderem als Sklavinnen und Herren gelüstet. Denn so schlicht ist die Welt in diesem Buch nicht. -- Schlagzeilen -- Die Messerscharf-Reihe Band 1: Verführung Band 2: Vertrauen Band 3: Verrat Band 4: Vergeltung
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Seitenzahl: 323
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Das Buch
Emily Monroe hat keine Ahnung, worauf sie sich bei dem Job eingelassen hat, der sie als Serviermädchen in Massimo Scordatos Villa führt. Nicht genug damit, dass der Hausherr am Ende des Abends von ihr erwartet, die Nacht über zu bleiben, erweist sich sein ihm stets zur Seite stehender Sicherheitschef Dante Napolitani auch noch als ein Sadist erster Güte. Emilys Einschätzung, dass diese Männer zu allem fähig wären, trügt nicht. Denn beide stehen ganz oben auf der Liste von Leuten, die FBI-Agent Tyler Callahan endlich hinter Gittern sehen möchte. Und so hat Emily es bald mit der Mafia und mit dem FBI zu tun.
Die Messerscharf-Reihe
Band 1: Verführung
Band 2: Vertrauen
Band 3: Verrat
Band 4: Vergeltung
Die Autorin
Elaria Tamari lebt mit ihrer Familie in Niederösterreich und hat nach ihrem Abschluss an der Technischen Universität ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt. Sie schreibt unter verschiedenen Pseudonymen SM-Erotik und Fantasy.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Im Schatten des Hintereingangs eines heruntergekommenen Hauses lehnend, starrte Dante gelangweilt die leere Gasse entlang. Es war kein Wunder, dass sich keine Menschenseele blicken ließ. Die Gegend war schon tagsüber alles andere als einladend, und die mehr als erbärmliche Beleuchtung machte es nachts nicht gerade besser. Offenbar fühlte sich die Stadtverwaltung nicht mehr zuständig dafür, die defekten Lampen zu erneuern. Was man ihr aber kaum zum Vorwurf machen konnte, denn schließlich hatte sie in dieser miesen Ecke der Stadt auch sonst de facto keine Zuständigkeit mehr.
Dante konnte das jedoch nur recht sein. Übermäßiges Licht brauchte er momentan sowieso wie einen Kropf, und vor allem wurde er hier von lästiger Videoüberwachung und anderen modernen Übeln der Verbrechensbekämpfung verschont.
Du hast doch keine Angst im Dunkeln?, ging es ihm durch sein unterbeschäftigtes Hirn.
Na gut, so feige war der Typ, auf den er hier schon eine halbe Stunde wartete, nun auch wieder nicht. Er würde mit Sicherheit auftauchen. Die Frage war bloß: Wann …?
Seufzend verlagerte Dante sein Gewicht. Mann, wenn er die Wahl hätte, würde er jetzt definitiv lieber seinen Dolch herausholen und ein paar fiese Aliens abschlachten, als hier noch länger unnütz in der Gegend herumzustehen.
Da bog endlich der lang erwartete Wagen in die Gasse ein und rollte im Schritttempo an Dante vorbei, um ein Stück weiter schließlich anzuhalten. Ein Mann mit Trenchcoat und tief ins Gesicht gezogenem Hut stieg aus. Er blickte sich verstohlen um, ehe er sich eine dünne Mappe unter den Arm klemmte und auf Dante zuging.
Dante schüttelte missbilligend den Kopf.
„Du bist eine halbe Stunde zu spät dran“, merkte er verstimmt an. „Und wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass dein Aufzug total lächerlich ist? Es ist kein Schwein hier, das uns beobachten könnte. Also nimm den bescheuerten Hut ab, damit ich dein Gesicht sehen kann. Und was soll eigentlich das mit dem Mantel? Hoffst du darauf, dass man einen eventuellen Zeugen nicht für voll nimmt, wenn er aussagt, er hätte Inspektor Columbo gesehen?“
„Du hast leicht reden. Gesindel wie du fällt in der Gegend ja nicht weiter auf. Aber wenn mich hier jemand sieht, würde das unangenehme Fragen aufwerfen.“
„Also, wenn du mich fragst, fällst du so noch viel mehr auf. Aber bitte, ist ja deine Sache, wie du hier aufkreuzt. Solange du pünktlich erscheinen würdest!“
„Was soll ich machen, du weißt, dass mein Job sich nicht immer an die Bürozeiten hält. Ich kann nicht einfach alles stehen und liegen lassen, nur weil du anrufst.“
Das stimmte zwar, änderte aber nichts daran, dass Dante es hasste, immer wieder auf ihn warten zu müssen. Schon mal, weil er grundsätzlich nicht gern sinnlos Zeit verplemperte, und mehr noch, weil er nichts gegen diese Unannehmlichkeit unternehmen konnte. Denn leider war es ihm hier nicht möglich, dem miesen Pisser einfach gepflegt Manieren einzuprügeln. Eine Eigenschaft, die er an anderen Leuten grundsätzlich nicht sonderlich schätzte, machte es sein Leben doch nur unnötig kompliziert.
„Dann hör wenigstens auf, jetzt noch weiter meine Zeit zu verschwenden und komm zur Sache. Hast du, was du besorgen solltest?“
„Ja“, meinte der andere zögerlich.
„Aber?“, forschte Dante nach.
Sein Gegenüber wand sich sichtlich, ehe er unvermittelt herausplatzte mit:
„Ich will aussteigen.“
Im ersten Augenblick war Dante einfach nur überrascht, doch dann fing er herzhaft zu lachen an, was den Mann offenbar ein wenig beleidigte.
„Was gibt es da zu lachen?“
Schlagartig wurde Dante wieder ernst.
„Ich tu jetzt mal so, als hättest du einen Witz gemacht. Sieh es als persönlichen Gefallen von mir an.“
„Das ist kein Witz.“
Geschmeidig stieß Dante seinen massigen Körper von der Wand ab und machte drohend einen Schritt auf den anderen Mann zu.
„Natürlich ist es einer. Du weißt verdammt gut, mit wem du hier ins Bett gestiegen bist. Schon vergessen, wir sind katholisch. Das heißt, das Bett wird nur geteilt in einer Ehe, und die Ehe dauert 'bis dass der Tod euch scheidet'. Wenn es dir allerdings wirklich ernst damit sein sollte, dass unsere Beziehung nicht mehr zu retten ist, ließe es sich durchaus organisieren, dass der Sensenmann bei dir vorbeischaut, um deinem Wunsch nach Scheidung nachzukommen.“
„Das ist jetzt wirklich nicht witzig!“, beschwerte sich der andere, aber seiner etwas geschwundenen Gesichtsfarbe nach zu urteilen, wusste er nur zu gut, dass es auch nicht als Spaß gemeint gewesen war. „Hast du eigentlich eine Ahnung, welches Risiko ich eingehe, um euch diese Informationen zu beschaffen?“
Dante zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und fischte ein Kuvert aus der Innentasche seiner schwarzen Anzugjacke, das er demonstrativ hochhielt.
„Wenn es einfach wäre, wäre dieses Kuvert hier auch nicht so gut gefüllt. Du wirst dich doch jetzt hoffentlich nicht beschweren wollen, wir würden dich nicht ausreichend entlohnen? Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass deine Bezahlung mehr als angemessen ist.“
Den Nachsatz, dass es der kleinen Ratte nicht gut bekommen würde, mehr herausschlagen zu wollen, sparte Dante sich. Er war sich sicher, dass die Botschaft auch so angekommen war.
„Ich will nicht mehr Geld. Ich will dieses Risiko nicht mehr eingehen müssen. Das Geld bringt mir nichts, wenn sie mich erwischen!“
„Ah, ich verstehe. Das Haus und das Auto sind abbezahlt, und das College für deine Kinder ist finanziert. Wie geht es Tracy und Trisha eigentlich? Strengen sie sich in der Schule auch brav an, damit die Mühen ihres aufrechten Daddys, sie aufs College schicken zu können, nicht vergebens sind?“
„Lass gefälligst meine Kinder da raus!“, fuhr ihn der Mann aufgebracht an, so dass man meinen hätte können, er wolle gleich auf ihn losgehen.
Zu seinem Glück besann er sich aber eines Besseren und ging wieder etwas auf Abstand.
Schade. Wieder keine Gelegenheit, dem Jammerlappen Manieren beizubringen. Aber zurück zum Geschäftlichen.
„Was hast du dir vorgestellt? Dass das hier ein Buchclub ist, bei dem du deine Mitgliedschaft unter Einhaltung der Fristen jederzeit kündigen kannst, wenn du befindest, du hast jetzt schon genug Schwarten daheim stehen? So läuft das hier nicht. Du erinnerst dich, was ich eben zum Thema Scheidung gesagt habe? Und solange wir nicht geschieden sind, machst du weiter!“
„Wenn sie mich erwischen, habt ihr aber auch nichts mehr von mir. Und je länger ich das mache, desto fetter wird die Spur zu mir.“
Na und?
Sicher, er war ein nützlicher Informant mit Mehrwert, aber mehr als ein 'Ach, wie schade. Naja, kann man nichts machen', und zurück zur Tagesordnung, wäre es für die Familie nun auch nicht, wenn er durch eigene Nachlässigkeit auffliegen würde. Schließlich hatte Dante sorgfältig darauf geachtet, dass nichts auf sie zurückfallen würde.
Seine sichtliche Unbeeindrucktheit schien seinen Gesprächspartner ein paar Zentimeter schrumpfen zu lassen, jedenfalls klang er schon viel kleinlauter, als er nun vorschlug:
„Wir müssen uns ja nicht gleich scheiden lassen. Vielleicht könnten wir es eine Zeit lang mit getrennten Schlafzimmern probieren? Eine kleine Auszeit?“
„Gib mir den Umschlag“, forderte Dante, anstatt auf sein Ansuchen einzugehen.
Er warf einen kurzen Blick hinein. Ein großformatiges Foto und zwei Seiten Text.
„Ich weiß, es ist nicht viel, aber mehr haben wir über den Kerl nicht.“
Dante nickte, faltete den Umschlag zusammen und steckte ihn ein.
„Ich hatte auch nicht mit mehr gerechnet. Was ist mit der anderen Sache? Gibt es da schon etwas Handfestes?“
„Äh, nicht so richtig“, antworte sein Gegenüber ausweichend.
„Was soll das heißen, 'nicht so richtig'? Das Gerücht, dass etwas Großes gegen uns im Busch ist, ist jetzt schon mehrere Wochen alt, und du weißt noch immer nichts Konkretes?“
„Das ist nicht so einfach, wie du dir das vielleicht vorstellst! Wie schon gesagt, schön langsam beginnt es aufzufallen, dass euch möglicherweise jemand mit Informationen versorgt. Die Ermittlung wurde zur Geheimsache erklärt, nur ganz wenige Personen sind daran beteiligt und werden eingeweiht.“
„Aber ich bin mir sicher, du weißt etwas“, bedrängte Dante ihn ein wenig.
„Ja klar, ich habe einfach am schwarzen Brett für Undercovermissionen nachgeschaut und mich gleich eingetragen unter 'Wenn Sie Informationen verkaufen wollen, melden Sie sich bitte hier an, wir schicken Ihnen unseren Newsletter'.“
„Ihr wollt jemanden verdeckt reinschicken?“, fragte Dante ehrlich überrascht nach, denn er hatte keine Vorstellung, wie die Schmeißfliegen mit den Marken das anstellen wollten. Es war hinlänglich bekannt, dass bei ihnen nur Leute mit entsprechenden Verbindungen reinkamen. Vom Boss bis zum Küchenjungen waren fast alle irgendwie verwandt, und wer das nicht war, benötigte jemanden, der ihn empfahl und sich für ihn verbürgte.
Sein Gesprächspartner wich ein klein wenig zurück, als ihm bewusst wurde, dass er sich gerade verplappert hatte, und schüttelte abwehrend den Kopf.
„Mehr kann ich dir dazu wirklich nicht sagen. Beweise zu unterschlagen oder dir Akten zukommen zu lassen ist eine Sache. Einen Kollegen ans Messer zu liefern eine ganz andere.“
„Wieso ans Messer liefern? Wenn du mir sagst, wer es ist, kann ich dafür sorgen, dass er nichts Belastendes findet und unbeschadet wieder abziehen kann.“
„Ja klar. Oder du jagst ihm einfach gleich bei eurer ersten Begegnung eine Kugel in den Kopf und sparst dir weiteren Aufwand und das Risiko.“
„Ich wäre wohl kaum Massimos rechte Hand, wenn ich Aufwand und Risiko scheuen würde. Und wenn ich ihn ohne deine Hilfe erwische, wird ihm das noch viel weniger gut bekommen. Denk darüber nach. Und auch darüber, was dein geschätzter Kollege wohl tun wird, falls er über die undichte Stelle stolpert, wenn du ihn wild ermitteln lässt. Mit allzu viel Dankbarkeit, dass du zumindest ihn nicht verraten hast, würde ich nicht rechnen.“
Hastig nahm der Mann das Kuvert mit dem Geld an, das Dante ihm nun hinhielt, ehe er fluchtartig zu seinem Wagen stürmte. Kopfschüttelnd sah Dante ihm nach.
Was für ein widerlicher kleiner Pisser.
Gespannt starrte Emily aus dem Seitenfenster des Kleinbusses, auf der Suche nach dem Haus, zu dem sie unterwegs waren. Wenn die Villa nur halb so beeindruckend war wie diese elendslange Zufahrt, dann musste das ja wirklich ein mehr als nobler Schuppen sein. In diesen ‘Vorgarten‘ hätte nämlich durchaus ein ganzes Dorf gepasst. Anfangs war die Straße von einem Wald gesäumt gewesen, doch inzwischen hatten sie einen parkartig angelegten Garten erreicht. Im Licht der untergehenden Sonne konnte Emily die trotz des bereits einziehenden Herbstes immer noch üppig blühenden Blumenbeete bewundern, die in einen Rasen eingebettet waren, der einem Golfplatz alle Ehre gemacht hätte. Nicht, dass Emily schon mal auf einem Golfplatz gewesen wäre, aber nach dem, was sie ab und an im Fernsehen gesehen hatte, stellte sie sich den Rasen auf einem Golfplatz genau so vor wie diesen hier. Womöglich war dieser Garten sogar nichts weiter als bloß die Südflanke eines hauseigenen Golfplatzes. Überrascht hätte es sie nicht.
Mitten in dem Park tauchte nun das Haupthaus des Anwesens auf, ein weitläufiges, zweistöckiges Gebäude, das in einem sanften Bogen geschwungen war. Obwohl es zweifellos erst in jüngerer Vergangenheit errichtet worden war, war man hier nicht dem Trend gefolgt, einen Gutteil des Hauses mit Glas zu verkleiden und Fenster einzubauen, die einem das Gefühl gaben, in einem Schaufenster zu stehen. Die Formgebung war modern, die Bauweise aber sehr traditionell und massiv. Mittig vor dem Haus befand sich ein Platz mit einem prächtigen Springbrunnen in der Mitte, von dem aus eine ausladende Treppe zum Vordereingang führte.
Natürlich fuhr der Kleinbus aber nicht auf der Straße weiter, die sich an der Vorderseite des Hauses vorbei zu diesem Platz schlängelte, stattdessen bogen sie rechts ab und fuhren zur Rückseite des Hauses, wo sie vor der wesentlich schmuckloseren Pforte des eine Etage tiefer liegenden Personaleingangs hielten.
Das vernehmliche Seufzen der sich öffnenden Tür des Kleinbusses hörte sich in Emilys Ohren unverhältnismäßig laut und irgendwie furchteinflößend an. So sehr sie auf der fast einstündigen Fahrt hierher auch versucht hatte, es zu verdrängen und kleinzureden, es ließ sich nicht mehr länger leugnen: Sie war unglaublich aufgeregt. Denn eigentlich hatte sie keinen blassen Schimmer, was sie da drinnen wirklich erwarten würde. Gerne hätte sie die Fahrzeit genutzt, um ihre Sitznachbarin ein wenig auszufragen, aber die hatte sich leider als sehr einsilbig erwiesen, weshalb das Gespräch ungefähr zwei Sätze nach: 'Hallo, ich bin Emily Monroe, ich bin neu hier', im Sand verlaufen war.
„Ladies“, wandte sich Miss Carlyle, eine der beiden Leiterinnen der Special Dining-Agentur, an die acht jungen Frauen im Bus.
Wie Emily erfahren hatte, machte sie sich bei besonders wichtigen Kunden wie diesem hier sogar die Mühe persönlich mitzufahren, um sicherzugehen, dass alles reibungslos und zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers ablief.
„Ihr kennt das Prozedere ja. Stellt euch vor dem Eingang in einer Reihe auf, Mister Scordatos Sicherheitschef wird jeden Augenblick eintreffen. Emily, du orientierst dich an deinen erfahrenen Kolleginnen und siehst einfach zu, dass du nicht negativ auffällst. Und nicht vergessen, immer schön lächeln, dafür werdet ihr bezahlt.“
Es folgte das Rascheln von Jacken und Mänteln, die angezogen wurden, dann das Klackern von Stöckelschuhen, als die Damen eine nach der anderen den Bus verließen, während Emily noch schnell an ihrem Rock herumzupfte. Der von der Agentur vorgegebene Dresscode – weiße Bluse, schwarzer, das Knie nicht bedeckender Rock, hautfarbene Feinstrümpfe, schwarze Pumps, kein Schmuck – war nicht so ganz Emilys Fall. Sie war viel mehr für bequeme Hosen und Schuhe, die in erster Linie zum Gehen und nicht zum gut Aussehen gemacht waren.
Als sie schließlich als letzte den Bus verließ, hatten die anderen schon eine ordentliche Reihe gebildet.
Seltsam, acht Frauen und kein Tratschen, kein Tuscheln.
Die Stimmung wirkte irgendwie betreten auf Emily.
Ein paar der Mädels sahen sie aufmerksam an, als sie sich ans Ende der Reihe stellte, jedoch wurde Emily nicht ganz schlau aus den Regungen, die sie offenbar bei den anderen hervorrief. Die Palette schien von Erleichterung über Schadenfreude bis zu Mitleid zu reichen. Ob es hier irgendein bizarres Einführungsritual gab, dem sich Neulinge stellen mussten?
Um ihren Fingern eine Beschäftigung zu geben, begann Emily am Revers ihres offenstehenden schwarzen Kurzmantels herumzufingern. Die Sonne war inzwischen hinter den Bäumen verschwunden, und man konnte bereits die heraufziehende Kälte einer sternenklaren Nacht spüren. Vermutlich würde es heute den ersten Frost geben.
Schade um die schönen Blumen.
Das satte Geräusch der sich öffnenden Tür rief Emilys abschweifende Gedanken schlagartig wieder zum Geschehen zurück.
Wow, die Tür war wesentlich massiver, als sie von außen den Anschein erweckte, denn das Holz war nur eine Vertäfelung für eine mehrere Zentimeter dicke Stahltür.
Als würde man Fort Knox betreten.
Ein Mann trat aus der Tür, eher durchschnittlich groß, aber kräftig gebaut. Schwarze, kurz geschnittene Haare, schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, keine Krawatte. Dazu ein Auftreten, das einen dazu veranlassen konnte, unwillkürlich einen Schritt zurückzutreten. Das musste wohl der Sicherheitschef sein.
Emilys Blick streifte die anderen Frauen in der Reihe. Wahnsinn, derart gezwungenes Lächeln wie hier hatte sie noch auf keiner Familienfeier gesehen. Der Typ hatte hier eindeutig keine Freundinnen.
Die folgende Sicherheitsüberprüfung erwies sich als ausführlicher, als Emily gedacht hatte. Wahrscheinlich war der Kerl auch derjenige, der diese Tür ausgesucht hatte, denn der Mann nahm seinen Job eindeutig sehr ernst. Er verglich nicht bloß halbherzig Namen und Fotos von seinem Tablet mit den anwesenden Personen, um sie dann durchzuwinken, sondern führte ernsthaft bei jeder der Damen ohne jede Zurückhaltung eine gründliche Leibesvisitation durch und ließ sich an einem hier draußen eigens dafür aufgestellten Tischchen jede einzelne Handtasche bis auf das letzte Staubkorn ausräumen. Als er in einer der geleerten Taschen eine Erhebung ertastete, schnitt er sogar allen Ernstes ohne Zögern mit einem Messer das Futter auf, um sich zu vergewissern, dass nicht irgendetwas darin versteckt war. Die Besitzerin der Handtasche keuchte zwar entsetzt auf, wagte aber nicht zu protestieren, was eindeutig Bände sprach.
Schließlich waren alle anderen abgefertigt und die Reihe an Emily.
„Emily Monroe“, las der Sicherheitschef von seinem Tablet ab, als sie vor ihm stand.
„Ja“, bestätigte Emily höflich. „Und wie heißen Sie?“, denn niemand hatte es für nötig befunden, ihr den werten Herrn namentlich vorzustellen.
Das brachte ihr schockierte Blicke der anderen Frauen ein, während Miss Carlyle sich sogleich sprungbereit machte, sie gegebenenfalls zur Ordnung zu rufen. Doch Emily ließ sich nicht beirren. Der Typ mochte furchteinflößend sein, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich alles unkommentiert gefallen lassen würde.
Als sie statt einer Antwort nur einen abschätzenden Blick erntete, fügte sie äußerst charmant hinzu:
„Nennen Sie mich ruhig altmodisch, aber ich frage Männer grundsätzlich nach ihrem Namen, bevor sie mir zwischen die Beine greifen dürfen.“
„Emily!“, fuhr Miss Carlyle sie aufgebracht an, doch der Mann vor ihr fand ihre vorlaute Erklärung offenbar durchaus amüsant, und hielt Miss Carlyle mit einer knappen Geste davon ab, ihr eine Standpauke zu halten.
„Ich hätte angenommen, dass Frauen mehr tratschen würden, aber so, wie du hier auftrittst, haben deine Kolleginnen dir ganz offensichtlich nichts von mir erzählt. Mein Name ist Dante Napolitani. Ich bin verantwortlich für alles, was hier im Haus vor sich geht. In eurem Fall bedeutet das, ich sorge dafür, dass nichts Verbotenes reinkommt und dass nichts unerlaubt hinausgeht. Im Klartext: Ich bin der, der dir den Arsch aufreißt, wenn du dich an der Portokasse oder am Tafelsilber vergreifst. Und da das nun geklärt wäre, würde ich dich nun höflich bitten, dich so hinzustellen, wie die anderen es vorgemacht haben, damit ich dich abtasten kann.“
„Natürlich“, erwiderte Emily, nun nicht mehr ganz so forsch wie zuvor.
Die Botschaft: 'Leg dich bloß nicht mit mir an', war äußerst glaubwürdig rübergekommen, mehr noch in seinem Tonfall und seiner Körpersprache als in seinen Worten.
Widerspruchslos ließ Emily es also über sich ergehen, dass er sie von Kopf bis Fuß wirklich überall untersuchte. Es fing noch harmlos damit an, dass er in ihren schwarzen Locken wühlte, wurde dann aber schnell grotesk, als er in ihren Mund schauen wollte und nicht davor zurückschreckte, an einer großen Füllung in einem ihrer Backenzähne zu rütteln. Was zum Teufel glaubte er dort zu finden? Eine Zyankalikapsel?
Wie auch immer, eines stand jedenfalls fest, nämlich dass der Kerl definitiv völlig frei von Scham war, weshalb der nächste peinliche Moment prompt folgte, als er befand, dass ihr BH zu dick gepolstert war, um hindurchzufühlen, und er ihr mit der Hand ungeniert in den Ausschnitt und unter den BH fuhr. Immerhin hielt er sich dort nicht auf, um sie zu befummeln, seine Berührungen ihrer nackten Brust waren tatsächlich viel mehr effizient als anrüchig. Unangenehm war es ihr trotzdem.
Als nächstes tastete er den Rest ihres Oberkörpers ab, dann die Beine an der Außenseite nach unten und an der Innenseite unterhalb ihres Rocks wieder nach oben. Am Schritt angekommen verharrte er einen Augenblick, ehe er sich geschmeidig aufrichtete und ihr fest in die Augen sah.
„Wieso so nervös?“
Erst in diesem Moment wurde Emily bewusst, dass sie die Luft angehalten hatte. Möglichst unauffällig ließ sie den angehaltenen Atem entweichen.
„Ich bin nicht nervös.“
Also nicht mehr, als man es eben war, wenn sich ein fremder Mann anschickte, einem in den Schritt zu greifen.
Als Antwort schenkte er ihr die Andeutung eines Lächelns, das besagte, dass er ihr kein Wort glaubte, dann fuhr er ihr erneut mit der Hand zwischen die Beine und drückte seine Finger durch den dünnen Stoff von Slip und Feinstrumphose ungeniert auf ihre Scheide.
„Lass es mich anders formulieren: Kannst du mir glaubhaft versichern, dass du da drinnen nichts versteckst, oder muss ich nachschauen?“
Nur mühsam widerstand Emily dem Bedürfnis, vor ihm zurückzuweichen, um sich seiner viel zu intimen Berührung zu entziehen.
„Das einzige, was Sie da finden könnten, wäre ein Tampon.“
Den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, musterte er sie eindringlich, ehe er bedächtig seine Hand zurückzog.
„Du hast ein ziemlich loses Mundwerk“, stellte er fest, während er ihr die Handtasche abnahm und neben sie trat. „Glaub bloß nicht, dass ich Hemmungen hätte, mir die Finger schmutzig zu machen“, raunte er ihr von der Seite zu. „Wäre nicht das erste Mal, dass ich sie in Blut tauche.“
Ein seltsamer Schauer rieselte Emily den Rücken hinab, und der rührte nicht daher, dass sie seine Drohung besonders schockierend oder auch nur überraschend gefunden hätte.
Sei nicht dumm und komm wieder runter, mahnte sie sich im Stillen.
Die Handtaschenkontrolle gab ihr Gelegenheit dazu, auch wenn sie rasch erledigt war. In ihrer Ausgehtasche trug Emily nicht viel Krimskrams mit sich herum. Geldbörse, Handy, eine Packung Taschentücher. Als er zum Schluss das kleine Etui mit einem Nagelzwicker, einer kleinen Schere und einer Feile auspackte, rechnete sie halb damit, dass gleich jemand mit einem Plexiglaskasten wie am Flughafen auftauchen würde, um diese Mordwerkzeuge darin zu entsorgen. Natürlich geschah nichts dergleichen. Vermutlich hielt Mister Napolitani es hierbei eher wie Crocodile Dundee: 'Das ist doch kein Messer. Das ist ein Messer.'
Jedenfalls legte er das Etui nach eingehender Untersuchung einfach neben ihre Geldbörse, und verkündete nach der abschließenden Kontrolle ihrer leeren Tasche endlich, dass alle sauber waren, und sie nun hineingehen konnten.
Emily folgte den anderen zu einem Raum im Untergeschoß, in dem sie sich umziehen sollten. Es war keine richtige Umkleide, das Zimmer war nur temporär mit mehreren Garderobenständern, Spiegeln und Hockern ausgestattet worden.
Auf jedem Garderobenständer hing ein Kostüm, vier davon waren in Weiß und Gold gehalten, die anderen vier in Schwarz und Rot. Miss Carlyle verkündete, dass das Motto des heutigen Abends »Engelchen und Teufelchen« war, und teilte sie wenig überraschend so ein, dass die vier Blondinen unter ihnen ein Engelskostüm bekamen, während Emily mit ihren schwarzen Locken zusammen mit zwei Rothaarigen und einer Brünetten bei der Teufelsfraktion unterkam.
Und da sie schon beim Thema waren: Was zum Teufel sollte das eigentlich sein?! Natürlich hatte Emily gewusst, dass die Kostüme recht freizügig sein würden, was eben auch der Grund dafür war, dass die Entlohnung hier um Längen üppiger ausfiel als überall sonst, wo sie bisher serviert hatte. Aber nun, da sie es in Händen hielt, war sie doch ein wenig schockiert, was sie da anziehen sollte.
„Sei bloß froh, dass du letztes Mal nicht hier gewesen bist, Schätzchen“, meinte die Rothaarige neben ihr, als diese ihr Zögern bemerkte. „Da ist das Motto »Karneval in Rio« gewesen. Der Federschmuck für den Kopf hat gefühlte hundert Kilo gehabt. Ich bekomme jetzt noch einen steifen Nacken, wenn ich nur daran denke. Das heute ist wenigstens bequem.“
Anstatt zu antworten nickte Emily nur schwach. Was man nicht alles tat, wenn man jung war und das Geld brauchte.
Na schön, dann also mal rein in den Fummel.
Das Anziehen war keine Angelegenheit. War ja auch nicht viel dran an dem Kostüm. Das Oberteil bestand im Wesentlichen aus den schwarzen Flügeln, dazu ein winziges Fetzchen Stoff, um die über die Schultern laufenden Gummiträger hübscher zu gestalten. Doch selbst obwohl sie damit barbusig ging, fand Emily das Teil bei weitem nicht so schlimm wie den Rock, der zu dem Outfit gehörte. Man mochte es kaum glauben, aber hier wäre weniger wirklich besser gewesen. Was sollte all der Tüll? Der schwarze Satin, der dieses rote Tüllmonster an der Oberseite abschloss, stand praktisch senkrecht von ihrem Körper ab. Aber Hauptsache das Teil bedeckte nicht mal die Hälfte ihres Pos, weil alles in die Breite ging. War das Ding direkt aus einem Manga oder Anime herausgepurzelt? Hatte auf dem Papier wohl besser ausgesehen als in echt.
Mitten aus dem Tüll wuchs schließlich noch ein rotschwarz gescheckerter Schwanz mit einer Drahtseele heraus, so dass er nicht einfach nur schlaff herabhing, sondern man ihn in Form biegen konnte. Nur war der Schwanz ziemlich lang, und die Konstruktion bei weitem nicht so stabil, dass er nicht bei jeder Bewegung sehr nervig herumgeschwungen wäre. Emily löste das Problem kurzerhand dadurch, dass sie ihn irgendwie S-förmig bog, über die Schulter legte, und das Ende zur Fixierung einmal um ihren Oberarm wickelte.
Ja, so war es viel besser. Blieb nur zu hoffen, dass sie damit auch an der Modepolizei in Gestalt von Miss Carlyle vorbeikam. Die war nämlich bereits damit beschäftigt, durchzugehen und zu überprüfen, ob alles ihren, beziehungsweise den Vorstellungen des Gastgebers, entsprach.
Wie wäre es, wenn die Gute stattdessen losziehen und denjenigen verhaften würde, der zwei unterschiedliche Schuhe für eine gute Idee gehalten hat?, dachte Emily missmutig, als sie die High Heels aus der Schachtel nahm, denn einer war rot mit Bleistiftabsatz, der andere schwarz mit einem breiten, hufeisenförmigen Absatz. Aber in Anbetracht der restlichen modischen Katastrophen sollte sie wahrscheinlich noch froh sein, dass wenigstens beide gleich hoch waren.
Schnell steckte Emily zum Abschluss den Haarreif mit den roten Hörnern ins Haar, als Miss Carlyle auf sie zusteuerte. Ihre schulterlangen Locken würde sie einfach offenlassen, das passte besser zu einem Teufelchen, als sie streng zusammenzubinden.
Miss Carlyle musterte Emily und ihren eigenwilligen Schwanz verwundert, befand dann aber: „Warum nicht, sieht eigentlich ganz pfiffig aus.“
Dann wandte sie sich an die gesamte Truppe.
„Okay, sind alle fertig? Ihr werdet heute als Paare servieren, immer ein Engelchen und ein Teufelchen, und ihr bleibt die ganze Zeit zusammen. Keiner rennt allein herum, ich will kein einsames Engelchen oder Teufelchen sehen. Mary geht mit Kylie, Taylor mit Kate und Lana mit Olivia. Emily, du gehst mit Lisa, sie ist schon öfters hier gewesen und weiß, wie der Hase läuft. Sie wird dich instruieren.
Noch Fragen?
Nein?
Gut, dann ab mit euch.“
Jede ein Tablett mit Champagnergläsern in der Hand haltend, standen die Engelchen und Teufelchen wenig später im Salon, bereit die Gäste zu empfangen. Von ihrem Platz aus hatte Emily durch die offene Flügeltür die noch menschenleere Eingangshalle samt Freitreppe in den oberen Stock im Blick. Eine ganze Weile tat sich jedoch erst einmal gar nichts, bis schließlich jemand oben auf der Treppe erschien.
„Ist das Mister Scordato?“, flüsterte sie Lisa unauffällig zu, die Schulter an Schulter neben ihr stand.
„Ja“, bestätigte diese knapp.
„Nicht nur stinkreich, sondern auch noch verdammt gutaussehend“, sinnierte Emily.
Und das lag nicht nur an dem zweifellos maßgeschneiderten Smoking, der ihn äußerst elegant aussehen ließ. Sportliche Figur, tiefschwarzes, volles Haar, wache, dunkle Augen, im besten Sinne schöne Gesichtszüge mit südländischem Teint und dazu ein charismatisches Auftreten.
„Dem laufen die Frauen bestimmt reihenweise hinterher.“
„Sollen sie doch“, murmelte Lisa mit unverhohlener Verachtung.
„Neidig, weil unsereins keine Chance bei ihm hat?“
„Schön wär's.“
„Hä?“
„Das wirst du schneller herausfinden, als dir lieb ist.“
Fragend blickte Emily zu Lisa hinüber, als keine weitere Erklärung folgte, woraufhin diese ihr einen kleinen Rempler mit dem Ellenbogen gab, um sie daran zu erinnern, Haltung zu bewahren.
Unvermittelt erstarrte Lisa jedoch, und Gänsehaut schoss über ihren ganzen Körper.
Emily folgte ihrem Blick, und landete wenig überraschend bei Napolitani, der sich gerade am Fuß der Treppe zu Mister Scordato gesellte.
„Alles in Ordnung?“, fragte Emily besorgt. „Du siehst auf einmal so blass aus.“
„Ja, sicher doch“, antwortete Lisa leicht abwesend.
„Wirklich? Vielleicht sollten wir kurz in die Küche gehen und du trinkst einen Schluck. Nicht, dass du hier noch umkippst.“
„Nein“, wehrte Lisa mit gesenkter Stimme entschieden ab. „Es geht jeden Augenblick los, wir können hier nicht weg.“
„Sicher können wir, wenn es dir nicht gut geht.“
Verärgert riss Lisa den Kopf herum und sah sie mit funkelnden Augen an.
„Ich habe doch gesagt, es geht mir gut. Und jetzt sei still, ehe wir noch eine auf den Deckel bekommen, dass wir hier nicht fürs Tratschen bezahlt werden! Ich weiß ja nicht, wie es bei dir ist, aber ich bin auf diesen Job angewiesen. Und wenn wir schon dabei sind, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es vermeiden könntest, noch einmal derart Mister Napolitanis Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen, wie vorhin am Eingang, solange du neben mir stehst. Glaub mir, es lebt sich wesentlich angenehmer, wenn er keine Notiz von einem nimmt.“
Warum genau?
Doch Emily verkniff sich die Frage, denn Lisas Körperhaltung machte mehr als deutlich, dass das Gespräch für sie beendet war und sie Emily einfach ignorieren würde, sollte sie sie doch noch einmal ansprechen. Solange der Sicherheitschef hier herumkrebste und Lisa sich beobachtet fühlte, würde von ihr nichts mehr zu erfahren sein.
Die Arbeit selber war einfacher, als Emily angenommen hatte. Es waren gerade mal fünfzehn Gäste, also weit weniger stressig, als in einem vollen Lokal servieren zu müssen. Natürlich war hier alles wesentlich vornehmer, als sie es gewohnt war, aber mit dem Crashkurs zum Thema »Dinieren in der Oberschicht«, den sie von Miss Carlyle vorab erhalten hatte, war sie gut vorbereitet auf ihre Aufgaben. Und letztlich unterschied es sich dann doch nicht so sehr von der Kneipe ums Eck, denn an den Po gegrapscht wurde ihr da wie dort. Bloß, dass die feinen Pinkel dabei nicht so johlten wie die Schichtarbeiter, obwohl sie ihr hier sogar auf die nackte Haut griffen.
Auf den Champagnerempfang folgte ein fünfgängiges Menü mit Weinbegleitung, lauter erlesene Tropfen, von denen jedes Glas ein kleines Vermögen wert war. Ob sie es ihr wohl vom Lohn abziehen würden, wenn sie etwas davon verschüttete? Vermutlich würde das, was sie heute Abend hier verdiente, nicht einmal reichen, um ein Achterl davon zu vergüten. Wahrscheinlich würde sie zusätzlich noch wochenlang Teller waschen müssen, um den Wert abzuarbeiten.
Was für seltsame Gedanken man doch wälzte, wenn man sonst nichts zu tun hatte und obendrein ein wenig nervös war.
Doch entgegen Emilys Befürchtung fiel sie niemandem negativ auf, obwohl sie etwas aus der Übung war. Es war doch schon einige Zeit her, dass sie ein Tablett in der Hand gehabt hatte.
Nach dem Dinner verlagerte sich die Gesellschaft erneut in den Salon, wo Emilys Aufgabe nun darin bestand, dekorativ aber unaufdringlich Drinks anzubieten. Was leider bedeutete, dass sie die meiste Zeit möglichst reglos am Rand stehen musste. Alle paar Minuten ging eines der Engelchen-Teufelchen-Paare eine Runde durch das Zimmer, aber da sie vier Paare waren, kam Emily nur rund alle zehn Minuten dazu, sich mal kurz die Beine vertreten zu dürfen.
Aus einem anderen Zimmer war gedämpft das Schlagen einer großen Pendeluhr zu vernehmen.
… acht, neun, zehn, …
Emily lauschte erwartungsvoll, doch es kam kein weiterer Schlag mehr.
Mist, sie hatte gehofft, dass es schon später wäre. Während des Abendessens war die Zeit noch recht zügig vergangen, da sie dabei ständig beschäftigt gewesen war, aber seit sie in den Salon übersiedelt waren, krochen die Minuten nur so dahin. Nicht nur, dass es furchtbar öde war, wie eine Statue herumzustehen, war es mit den hohen Schuhen, an die Emily nicht gewöhnt war, auch ziemlich mühsam, ruhig zu verharren und nicht ständig von einem Bein aufs andere zu treten.
Und die Drinks auf ihrem Tablett weigerten sich auch beharrlich, weniger zu werden. Das war eindeutig ein Nachteil von diesen herausragenden, Jahrgang lang-bevor-sie-geboren-worden-war Spirituosen, denn die wollten ja genossen werden. Wäre das Zeug aus dem Supermarkt gewesen, hätten die Leute vielleicht etwas mehr gebechert und Emily hätte mehr herumlaufen können, um Nachschub zu holen. Vielleicht hätte irgendwer im Zustand fortgeschrittener Alkoholisierung sogar lauthals interessante Geschichten zum Besten gegeben, aber so war es einfach nur stinklangweilig.
Irgendwann war es aber doch soweit, dass sie sich zusammen mit Lisa kurz in ein kleines Nebenzimmer verdrücken durfte, um ihr Tablett frisch zu befüllen.
„Was meinst du, wie lang das noch dauern wird?“
„Meistens verabschieden sich die Gäste gegen Mitternacht, aber wenn wir Pech haben, sind ein oder zwei Sitzenbleiber dabei, und wir stehen um drei Uhr morgens noch immer herum.“
„Na hoffentlich nicht, meine Füße bringen mich jetzt schon um.“
Lisa hielt kurz in ihrer Tätigkeit inne. Ihr Blick war seltsam mitleidvoll, als sie Emily ansah.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mister Scordato heute dafür sorgen wird, dass seine Gäste nicht allzu lange bleiben.“
„Ich habe zwar keine Ahnung, woraus du das ableitest, aber wenn es stimmt, ist es Musik in meinen Ohren. Wieso also schaust du mich an, als wäre gerade meine Katze vom fünften Stock aus dem Fenster gefallen?“
Hastig wandte Lisa sich wieder ihren Gläsern zu. Offensichtlich rang sie nach Worten, die sich dann vermutlich so anhören würden, dass sie gerade an etwas ganz anderes gedacht hatte.
„Weshalb verachtest du Mister Scordato eigentlich so?“, kürzte Emily das Gespräch ab.
Lisa schüttelte den Kopf.
„Darüber möchte ich nicht reden. Du wirst es ohnehin bald selber herausfinden.“
Schon wieder dieser Spruch, den sie schon am Beginn des Abends gebracht hatte. Aber diesmal waren sie allein, und Emily nicht gewillt, sich so leicht abwimmeln zu lassen.
„So wie du das sagst, beschleicht mich das Gefühl, ich wäre lieber vorgewarnt“, bohrte sie bestimmt nach.
Verlegen wandte Lisa den Blick ab.
„Mister Scordato … pflegt die Nacht nach solchen Veranstaltungen nicht allein zu verbringen.“
„Davon steht aber nichts im Vertrag!“, empörte Emily sich.
„Weil es auch nichts mit dem Abendessen zu tun hat, für das wir gebucht worden sind. Es ist nicht Sache der Agentur, wenn der Kunde nach Dienstende eines der Mädchen anspricht und sie beschließt, nicht mit den anderen zurückzufahren.“
„Das ist also die offizielle Darstellung?“, meinte Emily, erbost darüber, wie leicht Miss Carlyle es sich hierbei machte. „Aber einen solchen Hass hat man nicht auf jemanden, der bloß freundlich gefragt hat.“
„Zu einem Mann wie Mister Scordato sagt man nicht nein. Wer sich weigert, bekommt von der Agentur kein Engagement mehr, hier nicht und auch sonst nirgendwo. Wie ich bereits gesagt habe, ich bin auf diesen Job angewiesen. Ich habe zwei Kinder, die ich allein durchbringen muss, und ohne das Geld, das ich hier verdiene, wüsste ich nicht, wie ich das schaffen soll.“
Bitterkeit lag in Lisas Blick, als sie hinzufügte:
„Natürlich gibt es auch ein schönes ‘Trinkgeld‘, wenn man brav mitspielt. Nicht, dass ich mir nicht sowieso schon wie eine Hure vorkommen würde, auch ohne, dass er mir Geld in die Unterwäsche steckt. Ich glaube, dafür hasse ich ihn am meisten, dass er so tut, als wäre das alles in Ordnung, weil er mich seiner Ansicht nach angemessen dafür entlohnt. Als ob man Menschen wie Spielzeug kaufen könnte.“
Auf einmal blieb ihr rastloser Blick auf Emily hängen und sie schaute sie fest an.
„Und heute wirst du sein Spielzeug sein. Er liebt die Abwechslung und greift sich die Neuzugänge immer gleich am ersten Abend raus.“
Emily machte große Augen, als sie das hörte, dann schüttelte sie abwehrend den Kopf.
„Oh nein, das kann er sich gleich abschminken, auch wenn er noch so fesch ist. Ich brauche das Geld bloß, um mein Auto wieder fit zu machen. Und im Zweifelsfall fahre ich lieber weiterhin mit dem Bus, bis ich es irgendwie anders zusammenkratzen kann, als mit einem reichen Playboy für Geld ins Bett zu steigen.“
Lisa sah sie traurig an.
„Nicht, dass ich es dir nicht wünschen würde, dass du das wirklich durchziehst: zu gehen und dieses Arschloch einfach sitzen zu lassen. Aber ich fürchte, du musst dich darauf einstellen, dass es so nicht laufen wird. Wie gesagt, es gibt Männer, die weist man nicht ab. Auch wenn man es noch so sehr möchte.“
Aber wirklich nicht, dachte Emily, während sie sich im Salon wieder die Beine in den Bauch stand und Mister Scordato beobachtete, der unweit von ihr auf einem Sofa Platz genommen hatte und sich rege mit seinen Gästen unterhielt.
Sich hier praktisch nackt in einem lächerlichen Kostüm hinzustellen, war eine Sache, aber mit dem Kerl in die Kiste zu hüpfen eine ganz andere. Das war weit von dem entfernt, was in der Jobbeschreibung gestanden hatte, und wenn irgendwer ernsthaft glaubte, sie würde das mitmachen, dann hatte er sich aber gründlich verrechnet. Denn im Gegensatz zu Lisa war sie hierauf nicht im Mindesten angewiesen. Sicher, es war keineswegs der Plan gewesen, hier her zu kommen, nur um sich lebenslanges Hausverbot einzuhandeln, indem sie den werten Hausherren durch eine Abfuhr zutiefst vergrämte. Sollte es aber so kommen, dann war es eben so. Pech gehabt.
Dass Lisa glaubte, es wäre unmöglich, sich da herauszuwinden, war verständlich, nachdem sie selbst daran gescheitert war. Aber bei ihr würde er auf Granit beißen, denn sie hatte echt nicht vor, sich von einem wie Scordato einschüchtern zu lassen, auch wenn der noch so sehr meinte, sich alles und jeden kaufen zu können.
In einem Punkt aber sollte Lisa jedenfalls Recht behalten: kurz vor Mitternacht begannen die ersten Gäste aufzubrechen, und Mister Scordato sorgte äußerst galant dafür, dass alle anderen die Gelegenheit nutzten, sich ihnen anzuschließen. Keine zwanzig Minuten später geleitete er den letzten Gast zur Tür.
Die Tür fiel hinter dem letzten Gast ins Schloss und das freundliche Lächeln von Massimo Scordatos Gesicht.
„Wurde aber auch Zeit, dass die Speichelleckerei endlich vorbei ist.“
Er drehte sich auf dem Absatz zu seinem Cousin, Schrägstrich Bodyguard, Schrägstrich Sicherheitschef um, der wie so oft dezent wenige Schritte hinter ihm stand.
„Wenden wir uns amüsanteren Dingen zu. Wer ist das kesse Teufelchen da neben Lisa?“
„Emily Monroe, neunundzwanzig, kein Mann, keine Kinder. Sie ist erst vor kurzem aus der tiefsten Provinz in die Stadt gezogen und arbeitet als Sekretärin bei einem Gastronomiefachhandel. Das ist ist ihr erster Auftrag von der Agentur.“
„Neunundzwanzig? Die ist ja schon fast so alt wie wir.“
„Beschwer dich nicht. Wenn dir das nicht gefällt, musst du Miss Carlyle eben sagen, dass dir ihr Alterslimit von dreißig zu hoch ist und sie dir was Jüngeres schicken soll. Aber wenn du sie nicht willst, kannst du dir ja auch eine andere aussuchen. Lisa zum Beispiel, die fällt bestimmt aus allen Wolken, wenn schon wieder sie dran ist anstatt Emily, wie alle fix annehmen. Und es würde auch den Rest der Hühnerschar ganz schön in Aufruhr versetzen, wenn auf die Regel, dass es immer die Neue trifft, kein Verlass mehr ist.“
„Klingt zwar grundsätzlich amüsant, aber davon habe ich im Moment nicht besonders viel. Nein, hol mir Emily. Sie macht ja optisch durchaus was her, und nach diesem öden Abend steht mir der Sinn eindeutig nach den Freuden eines noch unverbrauchten Opfers.“