Millionaires and Second Chances - Nancy Salchow - E-Book
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Millionaires and Second Chances E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Sammelband mit den drei Romanen "Das Millionär-Klischee", "Das Millionen-Geheimnis" und "Our Second Forever". Kurztext zu "Our Second Forever": Als Abby aus der Großstadt in ihr kleines Heimatstädtchen am Meer zurückkehrt, will sie vor allem ihren verhassten Job bei einer Plattenfirma hinter sich lassen. Dass sie nach ihrer Rückkehr direkt in die Arme ihres steinreichen Ex-Verlobten Mark stolpert, bringt sie dabei völlig aus dem Konzept. Denn genau wegen ihm hat sie damals das Weite gesucht. Warum ist er überhaupt wieder hier? War er nicht inzwischen ebenfalls weggezogen? Und warum tut das Wiedersehen mit ihm nach all den Jahren noch immer genauso weh wie damals, als er ihr das Herz brach? Abby wehrt sich mit aller Macht dagegen, Mark erneut mit Haut und Haaren zu verfallen. Dabei ahnt sie nichts von den wahren Gründen für ihre damalige Trennung - und dass diese Gründe nicht nur für Mark, sondern auch für Abby noch immer sehr gefährlich werden können.

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Das Millionen-Geheimnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Buch 2: Das Millionär-Klischee

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Buch 3: Our Second Forever

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

___________________________

Millionaires & Second Chances

Sammelband mit drei Romanen

Buch 1: Das Millionen-Geheimnis

Über das Buch:

Er ist aus so vielen Gründen ein Tabu für mich. Doch mindestens genauso viele Gründe ziehen mich immer wieder zu ihm hin …

Mira

Eigentlich ist Darian der Verlobte meiner stinkreichen und etwas hochnäsigen Freundin Sarah. Doch durch ein verrücktes Missverständnis muss ausgerechnet ICH plötzlich seine Verlobte spielen, nur damit Sarahs Eltern nicht erfahren, dass sie mit einem Gauner zusammen ist. Und als ob das alles nicht schon absurd genug ist, soll ich Sarah auch noch dabei helfen zu beweisen, dass Darian eigentlich gar kein Gauner ist. Dabei erfahre ich jedoch Dinge über ihn, die alles andere in den Schatten stellen. Tja, und die Tatsache, dass dieser unverschämt gutaussehende Typ mein Herz schneller schlagen lässt, macht die Sache nicht gerade leichter …

Darian

Wie kommt Sarah nur darauf, mir ihre seltsame Freundin auf den Hals zu hetzen? Schlimm genug, dass diese Mira meinem Geheimnis gefährlich nahekommt, sie weckt auch Gefühle in mir, die ich bei meinem Plan ganz und gar nicht gebrauchen kann.

Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

In sich abgeschlossener Einzelroman. Keine Serie.

Übereinstimmungen mit real existierenden Personen sind rein zufällig. Auch erwähnte Einrichtungen, Firmen und die dortigen Abläufe und Zustände sind fiktiv. Der Ort Fleesow befindet sich im Roman direkt an der Ostsee, ist allerdings fiktiv.

Prolog

Wieder breitet sich diese seltsame Stille zwischen uns aus. Wie gern würde ich die Hand nach ihr ausstrecken, um mich zu vergewissern, dass sich ihre Haut genauso weich anfühlt, wie sie aussieht. Doch ich stehe wie angewurzelt vor ihr und sage kein Wort.

Sie muss doch spüren, dass etwas zwischen uns liegt. Diese Atmosphäre kann einfach keine Einbildung sein.

Aber selbst, wenn es ihr genauso geht, was ändert das an unserer Situation? Alles ist so verzwickt und hoffnungslos verfahren, dass ich auf der Stelle abhauen sollte. Dorthin, wo ich ihr mit Sicherheit nie wieder begegne.

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüstert sie schließlich.

Das Flüstern macht den Augenblick noch magischer. Was, wenn ich tatsächlich meine Hand ausstrecke? Einfach so, hier und jetzt, als gäbe es kein Morgen und keine Konsequenzen, wenn ich einfach meinem Instinkt folge?

Und plötzlich – es muss diese eine Sekunde sein, in der mein Verstand aussetzt – beobachte ich meinen eigenen Arm wie den eines Fremden, wie er zu ihr wandert und meine Finger langsam an ihrer Wange hinabgleiten.

Schweigend lässt sie es geschehen, ohne sich dabei zu regen.

Nur wenige Sekunden später ziehe ich meine Hand wie vom Blitz getroffen zurück.

»Es tut mir leid«, sage ich erschrocken und wende mich so abrupt von ihr ab, als wäre ich auf der Flucht. Doch im Rahmen der Wohnzimmertür bleibe ich plötzlich stehen und halte kurz inne.

Kapitel 1

Mira

Die Wellen plätschern gegen den Rumpf der Jacht, als würden sie sie zärtlich streicheln. Die Sommersonne reizt den Lichtschutzfaktor meiner Sonnencreme bis aufs Äußerste aus, während ich mit geschlossenen Augen neben Sarah liege und mir die milde Ostseebrise um die Nase wehen lasse.

»Ist das nicht einfach ein Bombenwetter?«, seufzt Sarah verträumt. »Wenn ich nicht aufpasse, schlafe ich gleich ein.«

»Dann tu’s doch einfach.« Ich schiebe lachend die Hand unter meinen Nacken. »Oder hast du heute noch irgendetwas Wichtiges vor?«

»Oh, etwas sehr Wichtiges sogar.«

»Ach ja?«

Ich öffne die Augen und betrachte sie von der Seite. Wie sie so daliegt, auf ihrem flauschig-weißen Badehandtuch in einem schwarzen Bikini, der ihre Wahnsinnsfigur nur noch mehr betont und mit den kupferroten langen Locken, die ihr schmales Gesicht umspielen, könnte sie glatt von einem Victoria’s-Secret-Laufsteg gefallen sein.

»Ja.« Ihre Augen sind noch immer geschlossen. »Ich habe heute ein Date mit Darian.«

»Schon wieder? Das mit euch wird langsam ernst, oder?«

»Sehr ernst sogar.« Sie dreht ihren Kopf zu mir und blinzelt mir geheimnisvoll zu. »Er hat mich gefragt, ob ich ihn heirate – und ich habe ‚Ja‘ gesagt.«

»Moment mal.« Ich stütze mich rücklings auf meine Ellenbogen. »Ihr kennt euch doch erst seit ein paar Wochen.«

»Na und?« Sie wirft lachend ihr Haar zurück. »Wen interessiert das schon? Wenn es passt, dann passt es einfach. Und Darian und ich, das ist pure Magie. Ich bin besessen von ihm, weißt du?«

Die Art, wie sie das sagt, ist mir nicht neu. Es ist derselbe, leicht hochnäsige Unterton, der ihr so eigen ist. Und einer der Gründe, warum ich mich mindestens einmal täglich frage, warum wir überhaupt befreundet sind. Sie ist die Tochter eines reichen Star-Anwalts, ich die Assistentin eines schmierigen Immobilienmaklers. Sie verbringt den ganzen Tag damit, Fotos von sich auf Instagram zu teilen und damit sogar Geld zu verdienen, während ich in einem stickigen Büro Kaffee koche und Rechnungen schreibe. Eigentlich könnten wir nicht unterschiedlicher sein. Und doch hat sich unsere Freundschaft, die im Kindergarten noch süß und unschuldig war, über die Jahre hinweg irgendwie am Leben gehalten.

»Und du findest es gar nicht merkwürdig, dass er dir einen Antrag gemacht hat?«, frage ich. »Nach so kurzer Zeit?«

»Merkwürdig? Warum sollte ich das merkwürdig finden?« Sie stützt ihr Kinn auf ihre Handfläche und schaut mich mit großen Augen an. »Er denkt eben dasselbe, was ich denke: Wenn man weiß, dass es passt, gibt es keinen Grund zu warten.«

Das ungute Gefühl in meinem Magen nimmt Überhand. Ist sie wirklich so naiv oder tut sie nur so?

»Komm schon, Sarah«, ich bemühe mich um einen behutsamen Tonfall, »ihr habt euch über Instagram kennengelernt. Er weiß genau, dass du die Tochter eines berühmten Star-Anwalts bist und aus einer reichen Familie stammst. Hast du dich denn noch gar nicht gefragt, ob er es vielleicht nur«, ich schlucke, »na ja … auf dein Geld abgesehen hat?«

Sie spitzt die Lippen, als würde sie intensiv über meine Worte nachdenken, verfällt aber schon kurz darauf in ein beinahe hysterisches Lachen.

»Du bist süß, weißt du das?« Sie boxt leicht mit der Faust gegen meine Schulter. »Ich vergesse immer, was für ein Scherzkeks du doch sein kannst.«

»Scherzkeks.« Ich schaue sie fragend an. »Ich meinte das eigentlich ernst.«

»Ach komm schon, Mira«, sie zwinkert mir zu, »ich will ja nicht überheblich klingen, aber sieh mich doch an«, sie streicht mit der Hand über ihre Taille, »ich habe schon für einige Designer gemodelt. Verschiedene Firmen bieten mir Geld, damit ich mit ihren Produkten werbe. Ich bekomme täglich unzählige Nachrichten von Typen, die mich daten wollen. Wer sollte schon auf mein Geld aus sein, wenn er …«, sie legt die Hand auf den Ansatz ihrer Brust, »… wenn er mich haben kann?«

»Ich merke schon, wir sind heute wieder besonders bescheiden, was?« Ich rolle mit den Augen.

»Mit Bescheidenheit bringt man es eben nicht weit im Leben.« Sie berührt meine Nasenspitze mit ihrem Zeigefinger. »Das habe ich dir schon tausendmal erklärt. Dir würde ein bisschen mehr Selbstbewusstsein auch ganz gut stehen, weißt du? Du bist nämlich eine echte Naturschönheit.«

Das Kompliment kommt wie so oft völlig unerwartet. Bei der Hochnäsigkeit, die Sarah immer wieder an den Tag legt, rechnet man nicht damit, auch mal etwas Nettes aus ihrem Mund zu hören. Umso überraschter bin ich jedes Mal aufs Neue, wenn es dann doch passiert.

»Danke«, murmele ich leicht verlegen, während ich mir eine Strähne, die sich aus meinem Zopfgummi gelöst hat, hinters Ohr streiche.

Eigentlich hat sie recht: Mit meinem langen haferblonden Haar und der schmalen Silhouette müsste ich mich eigentlich nicht hinter ihr verstecken. Heruntergerechnet auf das normale Leben – wenn man nicht wie sie in der verrückten Instagram-Welt unterwegs ist – werde auch ich immer wieder von Kerlen angemacht. Doch im Gegensatz zu ihr bilde ich mir nie etwas darauf ein. Wozu auch? Solange nicht der richtige Typ dabei ist, hat keine Anmache einen wirklich Wert. Und überhaupt, würde einen der Richtige denn einfach so anmachen? Würde ein echter Mann nicht subtiler und anständiger vorgehen, um eine Frau zu erobern?

»Schade nur, dass du dich, was dein Aussehen angeht, immer wieder gehen lässt«, sagt sie im selben Atemzug und macht das eben ausgesprochene Kompliment damit sofort wieder zunichte.

»Was soll das denn heißen?« Ich lege die Stirn in Falten.

»Na ja, das soll heißen, dass du sehr viel mehr aus dir herausholen könntest.« Sie lässt ihren Blick an mir auf- und abgleiten. »Sieh dir doch nur mal deinen Badeanzug an. Der ist so was von Last Season. Ach, was sag ich: Nicht letzte Saison, sondern letztes Jahrhundert. Kein Ausschnitt, kein besonderer Schnitt, einfach nur ein stinklangweiliges No-Name-Produkt, das aussieht, als hättest du es in der Grabbelbox im Supermarkt gefunden.«

»Tja, das mag daran liegen, dass ich es wirklich aus einer Supermarkt-Grabbelbox habe.« Ich hebe die Augenbrauen. »Denn im Gegensatz zu dir mache ich mein persönliches Glück nicht von meinen Klamotten abhängig.«

Sarah lacht. »Hach, dafür liebe ich dich, Süße. Du lässt dir einfach nichts von mir gefallen.«

Ihr Lachen wird lauter, und aus irgendeinem unerklärlichen Grund lache ich mit.

Und plötzlich ist er wieder da, einer dieser Momente, in denen ich Sarah entgegen aller Argumente tatsächlich mag. Einer der Momente, in denen ich weiß, dass es trotz aller Gegensätze doch irgendetwas gibt, das mich nach all den Jahren noch immer mit dieser Frau verbindet. Etwas, das sich irgendwo hinter der Fassade dieses oberflächlichen Designer-Püppchens versteckt.

»Aber mal ehrlich«, sage ich schließlich, »du solltest wirklich noch ein bisschen warten, bis du dich ernsthaft auf diesen Darian einlässt. Wer weiß, was er wirklich im Schilde führt?«

»Wirklich lieb, dass du dir solche Sorgen um mich machst.« Sarah lässt sich wieder zurück auf ihr Handtuch fallen und schließt seufzend die Augen. »Aber ich war mir noch nie so sicher mit einem Typen wie bei Darian. Wirklich, Mira, du kannst mir glauben: Wir sind wie füreinander gemacht.«

»Wenn du meinst …« Ich lasse mich ebenfalls wieder auf mein Handtuch zurückfallen.

»Ja, das meine ich«, antwortet Sarah. »Und um dir zu beweisen, wie ernst es mir mit ihm ist, werde ich ihn dieses Wochenende nicht nur dir, sondern auch meinen Eltern vorstellen und bei der Gelegenheit auch gleich unsere Verlobung bekanntgeben.«

»Du willst es an deinem Geburtstag tun?« Ich beuge mich wieder hoch.

»Klar. Ist doch der perfekte Anlass. Immerhin wird man nur einmal 27, oder? Und meine Eltern kommen extra von Sylt nach Fleesow, um mit mir zu feiern.« Sie erhebt sich, legt den Arm um mich und zieht mich grinsend an sich heran. »Und mit uns zu feiern, meine ich. Du darfst natürlich nicht fehlen.« Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Ach, ich bin so aufgeregt, Süße. Merkt man, oder?«

Nun kann auch ich mir ein Grinsen nicht mehr verkneifen. »Und du bist dir sicher, dass er der Richtige ist? Du hattest ja in den letzten zwei Jahren nicht so viel Glück mit den Typen. Letztendlich waren sie entweder auf dein Geld aus oder sind zweigleisig gefahren.«

»Mit Darian ist das anders, glaub mir.« Sie streckt die Beine aus und stützt sich auf ihre Handflächen auf. »Ich weiß es einfach.«

Sarah so gutgläubig über die Liebe reden zu hören, ruft mir unweigerlich die Erinnerungen an unsere Teenie-Zeit zurück. Damals, als ihr Vater noch am Beginn seiner Karriere stand und sie noch weit bodenständiger war als heute, war sie unsterblich in Kenny aus unserer Parallelklasse verliebt. Diesen Jungen werde ich eines Tages heiraten. Das waren ihre Worte, die sie jedoch spätestens, als sie ihn mit Anna Zeplin aus der Achten hinter der Sporthalle beim Knutschen erwischt hat, wieder revidiert hat.

»Und außerdem«, fährt Sarah fort, »ist doch deine letzte Beziehung auch schon ein Dreivierteljahr her.«

»Stimmt«, antworte ich. »Und zwar deshalb, weil ich etwas misstrauischer geworden bin. Was dir vielleicht auch ganz gut tun würde.«

»Oh je«, sie wirft mir einen skeptischen Seitenblick zu, »von zu viel Misstrauen bekommt man doch nur Kopfschmerzen. Das Leben ist zu kurz, um ständig an jedem zu zweifeln.«

»Na ja, du sollst ja auch nicht an jedem zweifeln, sondern nur an dem Mann, dem du schon nach ein paar Wochen ein Eheversprechen geben willst.«

Sie wirft lachend den Kopf in den Nacken, als hätte ich gerade den Witz des Jahrhunderts gemacht. »Du bist süß, Mira. Immer machst du dir Sorgen um andere.«

Ihre Leichtigkeit fängt an zu nerven. Wie aufs Stichwort greife ich nach meinem Handy, das neben mir liegt.

»Scheiße.« Ich springe auf. »Schon kurz nach halb eins.«

»Und?« Sie schaut irritiert zu mir auf, während ich hektisch in meinen Rock schlüpfe und nach meiner Bluse greife.

»Was heißt hier ‚Und‘? Ich muss zurück ins Büro. Meine Mittagspause ist gleich um.«

»Jetzt schon? Du bist doch grad erst gekommen.«

»Tut mir leid, aber nicht jeder hat das Glück, sein Geld mit Instagram zu verdienen.« Ich zwinkere ihr frech zu.

»Du könntest das genauso gut, und das weißt du.«

»Dafür hätte ich gar nicht die Geduld.« Ich knöpfe meine Bluse zu. »Außerdem habe ich keine reichen Eltern, die mich solange über Wasser halten, bis ich mein eigenes Geld verdiene.«

»Damit ziehst du mich gern auf, was?«

»Natürlich.« Ich werfe ihr ein flüchtiges Lächeln zu. »Und zwar mindestens einmal täglich.«

Sie schiebt die Hand unter ihren Hinterkopf und sieht mich aufmerksam an. »Telefonieren wir später noch?«

»Klar.« Ich werfe ihr einen Luftkuss zu. »Pass auf, dass du dir keinen Sonnenbrand holst.«

»Keine Sorge. Ich habe alles im Griff.« Sie lehnt sich zurück und schließt die Augen, während sie mit der Hand in der Luft herumwedelt. »Mach’s gut, Süße, wir sehen uns.«

Kapitel 2

Mira

Gelangweilt starre ich auf das Blatt Papier in meinen Händen. Für gewöhnlich lese ich jedes Angebot und jede Rechnung, die ich schreibe, noch einmal von oben bis unten durch, um Flüchtigkeitsfehler zu vermeiden. Heute jedoch könnten die Worte und Ziffern ebenso gut auf Chinesisch sein.

Warum nur bin ich so lustlos? Liegt es an dem Gespräch mit Sarah? Oder daran, dass ich mich wieder mal dazu habe überreden lassen, die Mittagspause mit einem Sonnenbad auf ihrer Jacht zu verbringen? Sich danach wieder ins Büro zu schleppen, ist schließlich fast schon eine Herausforderung.

»Heeeeey!«

Bennys Stimme reißt mich aus dem Tagtraum. Verwirrt schaue ich von meinem Schreibtisch auf. »Was machst du denn hier?«

»Was ich hier mache?« Er stellt seine Kuriertasche auf den Tisch und holt einen Stapel Briefe und Versandtaschen heraus. »Ich bringe die Post. Wie jeden Tag. Schon vergessen, Schwesterchen?«

»Ähm, ja, ich weiß.« Ich schaue zur Uhr über der Tür. »Aber jetzt schon? Es ist doch erst … oh, schon nach drei. Dachte gar nicht, dass es schon so spät ist.«

»Alles okay?« Er nimmt seinen Fahrradhelm ab und setzt sich auf den Besucherstuhl vor meinem Schreibtisch. »Du siehst müde aus.«

»Boah, Benny, ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du dich nicht hierhersetzen sollst. Wenn das mein Chef sieht, gibt es wieder Ärger. Du weißt, was er für ein Choleriker ist. Er hasst es, wenn ich mein Privatleben mit dem Job vermische.«

»Klar weiß ich das.« Er grinst frech. »Genauso wie ich weiß, dass sein Audi nicht draußen steht. Wo steckt der Spinner? Wieder mal bei einer Hausbesichtigung?«

Ich lasse die Schultern sinken. »Er ist in der Stadt, ein paar Interessenten in einer der neuen Dachgeschosswohnungen herumführen. Scheint ihm sehr wichtig zu sein.«

»Na, umso besser. Dann können wir ja ein bisschen quatschen.«

Das dunkelblonde Haar ist noch leicht zerwühlt von seinem Helm, während er mich mit seinen blaugrünen Augen fröhlich anblinzelt, als hätte ich ihm noch nie zuvor gesagt, dass er einfach nur die Post abgeben und wieder verschwinden soll.

»Ich habe wirklich keine Zeit.« Demonstrativ hebe ich einen Stapel Papier hoch. »Siehst du? Die muss ich heute alle noch für Herrn Münter abtippen.«

»Nur keine Panik, ich bin gleich wieder verschwunden. Ruhe mich nur zwei Minuten aus. In der Stadt herrscht heute das reinste Chaos. Ich bin froh, wenn ich mal kurz durchatmen kann. Moment mal, was ist denn das?« Er beugt sich vor und greift nach einer Karte, die unter meiner Schreibtischunterlage herausschaut. »Sarahs Geburtstagsparty?« Er liest weiter. »Und sie feiert echt auf ihrer Jacht?« Seine Augen funkeln vor Neugier. »Ist ja krass.«

»Was ist bitteschön daran krass? Sie lebt im Sommer doch praktisch auf ihrer Jacht.«

»Trotzdem.« Er lehnt sich mit der Karte in der Hand zurück, ohne den Blick davon abzuwenden. »Ich finde Sarah einfach beeindruckend. Was sie sich aufgebaut hat in den letzten Jahren, ist echt der Wahnsinn.«

»Kann schon sein.« Ich greife nach dem nächsten Blatt. »Und jetzt entschuldige mich, ich muss jetzt versuchen, Münters Sauklaue zu entziffern.«

»Ich glaube, dir ist echt nicht bewusst, mit wem du da befreundet bist«, redet Benny ungeniert weiter. »Ist dir eigentlich klar, dass sie 900.000 Follower auf Instagram hat?«

»Keine Ahnung, was sie so im Internet treibt. Das letzte Mal war ich vor nem halben Jahr auf ihrer Seite. Sie redet ja ständig davon, das reicht mir an Information.«

»So wie du über sie sprichst, könnte man meinen, du würdest dich nicht für sie freuen.«

»Klar freue ich mich für sie.« Ich schaue von der Tastatur auf. »Aber du darfst auch nicht vergessen, dass sie das alles ihren Eltern zu verdanken hat. Ein Business baut sich eben leichter auf, wenn man keinerlei finanzielle Verpflichtungen hat.«

»Trotzdem«, Benny legt die Karte zurück auf den Tisch, »sie hat ihren Erfolg auch ihrer Wahnsinnsausstrahlung zu verdanken.«

»Klar ist sie hübsch«, antworte ich. »Und das weiß sie auch. Trotzdem wäre mir das Influencer-Dasein, wie sie es auslebt, zu eintönig.«

»Ach, und du findest es besser, in einem Immobilienbüro das Mädchen für alles zu spielen?«, fragt er provokant.

»Natürlich nicht.« Ich stütze das Kinn auf meine Handfläche. »Aber das, was Sarah da so treibt, wäre genauso wenig mein Ding.«

Wieder schnappt er sich die Karte, als hätte er etwas Wichtiges übersehen.

»Gehst du allein dorthin?«, fragt er neugierig.

»Du weißt, dass ich im Moment Single bin«, antworte ich lustlos.

»Ein Grund mehr, deinen allerliebsten Bruder mitzunehmen.« Er zwinkert mir verschwörerisch zu.

»Meinetwegen.« Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. »Wenn du unbedingt willst.«

»Moment mal.« Er beugt sich vor. »Du nimmst mich echt mit?«

»Klar. Warum nicht? Sarah wird sicher nichts dagegen haben.«

»Das ist ja der Hammer.« Er strahlt bis über beide Ohren. »Was ziehe ich bloß an?«

»Boah, Benny, du wirst dir doch nicht etwa schon wieder Hoffnung bei Sarah machen, oder?« Ich verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich zurück. »Sarah ist fünf Jahre älter als du.«

»Und wenn schon, dann bin ich eben ihr Toy Boy. Was sind schon fünf Jahre?«

Ich lache. »Klar sind fünf Jahre nicht viel. Aber du benimmst dich manchmal, als wärst du NOCH jünger.«

»Was soll das heißen?« Er schaut mich mit offenem Mund an.

»Nichts.« Ich atme genervt aus. »Abgesehen davon spielt es ohnehin keine Rolle, ob du dir Hoffnungen bei ihr machst, weil sie auf der Party ihren Verlobten präsentieren wird.«

»Ihren Ver…« Er verstummt.

»Ja, du hast richtig gehört«, sage ich. »Sie trifft ihn zwar erst seit ein paar Wochen, aber schon jetzt ist sie der festen Überzeugung, dass er der Mann ihres Lebens ist. Und bei dieser Party will sie nun sowohl ihren Eltern als auch allen anderen die«, ich mache Gänsefüßchen in der Luft, »Liebe ihres Lebens präsentieren.«

»Verstehe.« Er sackt deprimiert in sich zusammen. Ich kann förmlich sehen, wie die Gedanken hinter seiner Stirn rotieren.

»Und wenn schon«, sagt er nach einer Weile, »das ist sicher nichts Ernstes.«

»Nichts Ernstes? Also eine Verlobung finde ich schon sehr ernst.«

»In den Kreisen, in denen sich Sarah bewegt, zerbrechen Liebschaften und Affären doch ständig. Umso wichtiger ist es, dass sie irgendwann einen wirklich bodenständigen Mann kennenlernt.« Er legt sich symbolisch die Hand auf die Brust. »So wie mich zum Beispiel.«

»Dich kennenlernen? Sie kennt dich schon seit der Schule, du Dummerchen.«

»Was sie kennt, ist der kleine Bruder ihrer besten Freundin.« Er hebt selbstbewusst das Kinn. »Wen sie nicht kennt, ist der beste Liebhaber mit dem größten Herzen, der längsten Ausdauer und dem …«

»Boah, wie eklig.« Ich hebe abwehrend die Hand. »Verschone mich bitte.«

»Schon gut, schon gut. Sag schon, was weißt du über ihren Verlobten?«

»Gar nichts weiter.« Ich denke nach. »Nur, dass er Darian heißt, zwei Jahre älter ist als sie und dass sie sich über Instagram kennengelernt haben.«

»Verstehe.« Benny grübelt. »Und wenn schon, nichts ist von Dauer.«

»Weißt du, was auch nicht von Dauer ist?« Ich wende mich erneut dem Bildschirm zu. »Meine Arbeitszeit. Würdest du mich jetzt bitte weitermachen lassen? Ich will das fertighaben, bevor Münter zurückkommt.«

»Ja ja, bleib mal ganz locker.« Endlich steht er auf und greift nach seinem Helm. »Wir telefonieren aber nochmal vor der Party, ja?«

»Die ist doch erst morgen Abend.«

»Trotzdem – nicht, dass du mich vergisst.«

»Wie könnte ich?« Ich seufze.

»Alles klar. Dann bis morgen, okay?«

»Bis morgen.« Er legt theatralisch die Hand an die Stirn, verschwindet durch die Tür und lässt sie wie jedes Mal offenstehen.

»Spinner«, murmele ich schließlich, während ich aufstehe und sie hinter ihm schließe.

Kapitel 3

Mira

Die Reling der Jacht ist rundherum mit bunten Lichtern geschmückt, die in den unterschiedlichsten Farben leuchten und an diesem späten Sommernachmittag für ein beinahe romantisches Ambiente sorgen. Es sind so viele Menschen hier, dass ich mich immer wieder frage, ob ich auf einem privaten Geburtstag oder doch auf der Eröffnung eines Einkaufszentrums bin. Überall haben sich kleine Menschengrüppchen an Stehtischen gebildet, während gutgebaute Kellner in weinroten Hemden mit Häppchen- und Champagner-Tabletts umherlaufen.

»Und du bist dir sicher, dass das hier Sarahs Geburtstag ist?« Benny beugt sich neben mir über die Reling.

»Tja, jetzt, wo du es erwähnst, vielleicht sind wir auch auf einer Party von Beyonce gelandet.«

Er lacht, doch wir beide wissen, dass der Vergleich gar nicht so absurd ist. Eine Feststellung, die amüsant und gleichzeitig auch ein wenig einschüchternd ist.

»Hast du sie heute überhaupt schon gesehen?«, fragt er.

»Bisher nur aus der Ferne. Sie ist ständig mit irgendwem im Gespräch.«

»Oh«, Benny löst sich von der Reling und schaut in die Menschenmenge, »ich glaube, da kommt sie gerade.«

Und tatsächlich, in einem knielangen, enganliegenden Trägerkleid aus weißem Samt sehe ich sie mit ihren Eltern im Schlepptau auf uns zukommen.

»Tamara und Samuel Manthei«, flüstere ich Benny zu. »Erinnerst du dich noch an die beiden?«

»Nur verschwommen. Ist doch schon ewig her, dass sie nach Sylt gezogen sind, oder?«

»Mindestens acht Jahre«, antworte ich. »Sarah wollte damals unbedingt hierbleiben und die Familienvilla hüten. Kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen.«

Während die drei auf uns zukommen, setze ich unweigerlich das freundlichste Lächeln auf, das sich abrufen lässt. Wann immer ich Sarahs Eltern treffe, verkrampfe ich ein wenig. So nett sie auch zu mir sind, ich fühle mich in ihrer Gegenwart jedes Mal irgendwie deplatziert.

»Sie sieht aus wie Carmen Geiss«, flüstert er mir grinsend zu, während ich ihm lachend mit dem Ellenbogen in die Hüfte boxe.

»Und er wie Franz Beckenbauer«, fährt er leise fort.

»Hörst du wohl auf«, ermahne ich ihn, als die drei uns endlich erreichen.

»Mira!«, jubelt Sarah mit hoher Stimme, während sie mir euphorisch um den Hals fällt. »Es ist so schön, dass du da bist.« Sie löst sich wieder aus der Umarmung. »Und Benny hast du auch mitgebracht, wie ich sehe.«

Sie umarmt ihn mit demselben Enthusiasmus wie mich, woraufhin seine Wangen sofort einen rosigen Schimmer annehmen.

»Alles Gute zum Geburtstag«, sagt er beinahe schon schüchtern, woraufhin sie ihm ein geradezu zauberhaftes Lächeln schenkt.

»Danke, mein Lieber. Ich hoffe doch, ihr seid meiner Bitte gefolgt und habt keine Geschenke mitgebracht?« Sie sieht uns abwechselnd mit großen Augen an.

»Wir haben dieses Jahr in deinem Sinne für PETA gespendet«, antworte ich.

»Eine sehr gute Wahl«, mischt sich nun Tamara Manthei ein, während sie mich ebenfalls für eine Umarmung an sich zieht. »Es ist so schön, dich wiederzusehen, Liebes. Du bist wirklich die einzige Konstante in Sarahs Leben, ist dir das klar?«

Die Umarmung hat beinahe etwas Herzliches, und für den Moment ist nichts von der üblichen Theatralik zu spüren.

»Mira«, ist alles, was Samuel Manthei sagt, bevor er seine Hand flüchtig, aber liebevoll auf meine Schulter legt.

Ich nicke beiden freundlich zu, auch wenn mir irgendwie die passenden Worte fehlen.

»Entschuldigt mich, Leute«, Benny lächelt fast schon verlegen, »aber ich muss kurz wohin.«

Wie ein Flüchtiger eilt er in Richtung Toiletten. Eine typische Reaktion, wann immer ihn die Nervosität plagt. Und wann immer ihn die Nervosität plagt, kann man davon ausgehen, dass Sarah in der Nähe ist.

»Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr diesen besonderen Tag mit mir feiert.« Mit einem Glas Champagner in der Hand strahlt Sarah zuerst mich, dann ihre Eltern an. »Erinnert mich dran, dass ich nachher unbedingt noch ein Selfie von uns vieren mache, um es auf Instagram zu teilen.«

»Oh nee«, platzt es sofort aus mir heraus, »du weiß doch, dass ich es nicht leiden kann, wenn du dort Fotos von mir postest.«

Sarah seufzt. »Du bist eine echte Spielverderberin, weißt du das?«

Gerade als ich ihr erklären will, dass man nicht jede Begegnung sofort mit der Öffentlichkeit teilen muss, zieht etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich. Besser gesagt, jemand anderes.

Wie einem Hollywoodfilm entsprungen, kommt er mit langsamen, aber umso lässigeren Schritten auf uns zu.

Mein Herz scheint ein paar Schläge lang auszusetzen.

Dieser Blick! Diese geheimnisvolle Ausstrahlung. Das schicke weiße Hemd unter dem dunklen Sakko. Das volle, nussbraune Haar und der verwegene Ausdruck in seinem Gesicht. Eine Mimik, die sagen will: Was interessiert mich der Rest der Welt?

Oh Gott, habe ich ihn gerade etwa angestarrt?

»Da ist er ja«, jubelt Sarah freudestrahlend in seine Richtung.

Darian erwidert ihr Lächeln mit einem kaum wahrzunehmenden Zucken seiner Mundwinkel. Vermutlich ist er einfach zu cool für ein richtiges Lächeln.

Boah, hör auf, dir so einen Scheiß zusammenzureimen! Er ist der Verlobte deiner besten Freundin. Das Letzte, was dir durch den Kopf gehen sollte, sind Gedanken über diesen Typen.

Doch mit jedem Schritt, den er sich nähert, fällt es mir schwerer, meinen Blick von ihm abzuwenden.

»Das ist doch nicht etwa …«, entweicht es plötzlich Sarahs Vater, als er Darian näherkommen sieht.

»Was?« Seine Frau blickt ihn irritiert an.

»Erkennst du ihn denn nicht?« Er wirft ihr einen flüchtigen Blick zu. »Das ist doch der Miet-Nomade, den Richard erst nach über drei Monaten aus seiner Ostseevilla herausbekommen hat und der dort das reinste Chaos hinterlassen hat.«

»Richard?« Tamara ist offensichtlich verwirrt.

»Richard Ergon.« Er seufzt. »Das wirst du doch nicht schon wieder vergessen haben.«

Tamara schaut erneut in Darians Richtung. »Jetzt, wo du es sagst. Bist du dir sicher?«

»Aber natürlich«, antwortet er entsetzt. »Ich habe Fotos von ihm gesehen. Das ist er zweifellos!«

Ich sehe, wie sämtliche Farbe aus Sarahs Gesicht entweicht.

»Selbst, wenn er es ist«, fährt Tamara fort, »es geht uns nichts an. Das ist eine Sache zwischen Richard und ihm.«

»Wenn dieser Kerl mit meiner Tochter befreundet ist, geht es mich sehr wohl etwas an.« Eine kratertiefe Falte bildet sich zwischen Samuels Augen.

Mit seiner Tochter befreundet? Moment mal! Hat sie ihren Eltern etwa nicht erzählt, dass sie und Darian mehr als Freunde sind? Dass sie vorhat, ihn zu heiraten? Oder wissen die beiden nur von einer geheimen Überraschung?

»Wer ist dieser Kerl nochmal?« Nun schaut ihr Vater Sarah direkt in die Augen. »Ich hoffe doch, ihr seid nicht allzu eng miteinander befreundet.«

»Ähm …«, stammelt Sarah.

Die Unsicherheit ist ihr deutlich anzumerken. Darian, der uns beinahe erreicht hat, ahnt natürlich nichts von alledem. Steht uns möglicherweise ein mächtiges Donnerwetter unmittelbar bevor? Nicht gerade der beste Start, um den Eltern den eigenen Verlobten vorzustellen. Andererseits, wenn er wirklich ein Miet-Nomade ist, ist Sarah ohne ihn vermutlich sowieso besser dran.

Als Darian endlich vor uns steht, scheint Sarah plötzlich wie ausgewechselt. Reflexartig legt sie die Hand an Darians Rücken und setzt ein künstliches Lächeln auf.

»Mama, Papa, darf ich euch vorstellen? Das ist Darian.« Nun wandert Sarahs Blick zu mir. »Miras Verlobter!«

Moment mal … hat sie ihn gerade als meinen Verlobten vorgestellt? Was zum Teufel …

»Du bist verlobt?« Tamara sieht mich mit großen Augen an. »Seit wann denn das, Mira?«

Ich sehe, wie Sarah dem sichtlich verwirrten Darian heimlich zuzwinkert. Mir ein Zeichen zu geben, scheint sie für überflüssig zu halten.

»Ähm«, stammele ich. »So genau weiß ich das gar …«

»Erst seit Kurzem«, fällt mir Sarah freudestrahlend ins Wort, während sie einen Arm um meine Schulter legt und den anderen um Darians.

Ja, das stimmt. Seit SEHR Kurzem.

Doch diesen Gedanken behalte ich für mich, stattdessen starre ich nur verwirrt ins Leere.

»Also, das ist dein Verlobter, ja?« Samuel hebt die Augenbrauen und schiebt die Hände in seine Hosentaschen.

»Ja.« Ich quäle mir ein Lächeln ab. »Darian und ich, wir … wir wollen heiraten.«

In genau diesem Augenblick schaut mich Darian zum ersten Mal an. Es sind nur wenige Sekunden, die unsere Blicke einander festhalten, doch sie reichen aus, um den Moment noch verwirrender zu machen, als er sowieso schon ist.

Ich sehe, wie Darian leicht die Lippen öffnet, um etwas zu sagen, doch der eindringliche Blick, dem ihm Sarah zuwirft, bringt ihn zum Schweigen.

»Mama, Papa«, sagt sie, während sie sich von Darian und mir löst, »ich wollte euch doch noch die tolle Fotografin vorstellen, die neulich das Shooting am Strand mit mir gemacht hat.«

»Ähm …« Tamara lächelt leicht irritiert, während Samuel den ernsten Blick nicht von Darian lassen kann. Ob er ihn gleich auf die Sache mit dem Miet-Nomaden ansprechen wird? Und ob Darian daraufhin beichten wird, dass er Sarahs Verlobter ist und nicht meiner?

»Entschuldigt ihr uns bitte?«, fragt Sarah, während sie sowohl mich als auch Darian etwas länger als üblich anschaut. Ein Augenaufschlag, der uns offensichtlich zu verstehen geben soll, dass wir dieses merkwürdige Spiel mitspielen sollen.

Noch im selben Moment verschwindet sie mit ihren Eltern in der Menschenmenge; Darian und ich bleiben zurück.

Eine kleine Ewigkeit sagt niemand von uns ein Wort. Stattdessen schauen wir den Dreien nach, als könnte keiner von uns so richtig glauben, was gerade passiert ist.

»Du bist also Mira«, sagt er, den Blick noch immer in die Menschenmenge gerichtet, genau auf den Punkt, an dem eben noch Sarah mit ihren Eltern zu sehen war.

»Die bin ich«, ich starre ebenfalls in die Menge, »und wie ich gerade erfahren habe, seit wenigen Sekunden mit dir verlobt.«

»Was soll der Scheiß eigentlich?« Nun sieht er mich endlich an.

»Das weiß ich genauso wenig wie du.« Ich erwidere seinen Blick, ohne mir auch nur die kleinste Emotion anmerken zu lassen.

»Aber du hast dich doch mit Sarah und ihren Eltern unterhalten, bevor ich gekommen bin. Du musst doch wissen, was das zu bedeuten hat.«

»Alles, was ich weiß, ist …« Ich beiße mir auf die Unterlippe.

»Was?« Er sieht mich aufmerksam an. »Was weißt du?«

»Na ja, es muss etwas damit zu tun haben, dass …« Ich atme tief ein.

»Brauchst du immer so lang, um auf den Punkt zu kommen?«

Seine Ungeduld macht ihn mir sofort unsympathisch. Fand ich ihn gerade eben wirklich noch attraktiv und umwerfend? Wie sehr der erste Eindruck doch täuschen kann!

»Wenn du es genau wissen willst«, ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn provokativ an, »Sarahs Vater war sich eben absolut sicher, dass du ein Miet-Nomade bist, der einen Freund von ihm betrogen hat.«

»Ein was?« Er sieht mich mit großen Augen an.

»Du hast mich schon verstanden.«

»Akustisch vielleicht, aber den Sinn deiner Worte kapier ich gerade echt nicht.«

»Ach nein?« Ich hebe auffordernd das Kinn, ohne ihn auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. »Samuel war sich aber ziemlich sicher.«

»Und wenn schon«, sein Blick ist unerschütterlich, »ich beute niemanden aus und bin auch kein Miet-Nomade. Das ist der größte Blödsinn, den ich jemals gehört habe.«

»Tja, Sarah hat es aber offensichtlich gereicht, um erst mal in Panik zu verfallen. Und da sie ihren Eltern bereits verkündet hatte, ihnen jemand ganz Besonderen vorzustellen, hat sie dich kurzerhand zu meinem Verlobten gemacht, weil sich ihre Eltern sicher weniger darum sorgen, ob ich mit einem Betrüger zusammen bin.«

Unruhe überkommt ihn. Doch was genau ihm durch den Kopf geht, ist nur schwer zu deuten.

»Und wie geht es jetzt weiter?«, fragt er schließlich. »Ich meine, Sarah muss mir doch die Gelegenheit geben, mich dazu zu äußern.«

»Ich bin mir sicher, dass sie nochmal mit dir reden wird.« Ich kann mir ein freches Grinsen nicht verkneifen. »Wie das Gespräch ausfallen wird, kann ich dir aber nicht versprechen.«

»Sie wird doch diesen Schwachsinn nicht etwa glauben?« Seine Augen werden größer. »Sie kennt mich, und ich kenne sie. Sie muss doch wissen, dass …« Er gerät ins Stocken. »Scheiße, das kann doch alles echt nicht wahr sein. Ihr Vater muss mich definitiv mit jemandem verwechseln.«

Nervös fährt er sich mit den Fingern durchs Haar, die Angespanntheit ist ihm deutlich anzusehen. Und doch fällt es mir schwer abzuschätzen, wie viel hinter der Sache steckt. Ob Samuel recht hat? Und wenn ja, ist das schon jetzt das Ende der jungen Beziehung? Immerhin erzählte sie, dass er Koch in einem Vier-Sterne-Restaurant ist. Was, wenn das auch gelogen war? Was, wenn einfach alles an ihm eine Lüge ist?

»Sie kann doch nicht einfach von einem Blick, den ihr Vater aus der Ferne auf mich wirft, ein Urteil fällen«, sagt er nach einer Weile.

»Es geht ja auch gar nicht so sehr darum, was sie für ein Urteil gefällt hat. Sie will vermutlich nur keine Diskussion mit ihren Eltern über dich führen, wenn sie erst mal wissen, dass du ihr Verlobter bist.«

In genau diesem Moment vibriert sein Handy. Sofort zieht er es aus der Tasche seines Sakkos.

»Eine Nachricht von Sarah«, murmelt er, während er auf das Display schaut.

»Und?« Ich blinzele zu seinem Handy herüber. »Was schreibt sie?«

»Dass sie mir alles in Ruhe erklären wird, dass es ihr leidtut und …« Er schaut auf. »… dass ich mit dir reden soll.«

»Mit mir?«, frage ich. »Warum sollst du mit mir …« Genau in dieser Sekunde vibriert mein Handy ebenfalls. Irritiert ziehe ich es aus meiner Hosentasche.

»Sie fragt«, ich senke den Blick auf den Bildschirm, »ob ich später mit dir zu ihr nach Hause kommen kann. Sie würde nachher ihre eigene Party heimlich verlassen. Aber bis dahin …« Ich verstumme.

»Bis dahin was?« Ungeduldig tritt er einen Schritt näher.

»Bis dahin bittet sie uns, gemeinsam die Party zu verlassen, damit es kein unangenehmes Wiedersehen mit dir und ihren Eltern gibt, solange nicht alles geklärt ist.«

Ich kann förmlich spüren, wie es in ihm brodelt. Jeden Moment wird er sich sicher umdrehen und einfach verschwinden. Welcher Kerl lässt schon so mit sich umgehen? Es sei denn, er hat wirklich Dreck am Stecken und will unbedingt Sarahs Vertrauen zurückgewinnen. Oder aber er ist wirklich unschuldig, liebt sie über alles und will einfach nur …

Scheiße Mann, warum mache ich mir überhaupt Gedanken über diesen Kerl? Sie wird ihn ohnehin bald wieder verlassen, so, wie sie es immer tut. Verlobung hin oder her.

»Und?« Ich schiebe das Handy zurück in meine Hosentasche. »Was tun wir?«

Er schaut stumm über die Menschenmenge und die Reling hinweg aufs Wasser. Auch wenn die Jacht im Hafen liegt, scheint es für den Moment fast so, als würde er die Aussicht aufs weite Meer genießen, fernab von Ufer und Zivilisation.

»Das ist doch lächerlich«, brummt er unzufrieden.

Lächerlich?, möchte ich antworten. Lächerlich ist es, dass ich bei diesem albernen Spiel mitmache, nur weil mich Sarah wieder mal darum bittet. So, als wäre ich ihre persönliche Assistentin, die sofort auf jede ihrer seltsamen Ideen reagiert, als hätte sie kein eigenes Leben.

Doch diese Gedanken behalte ich für mich.

»Klar ist es lächerlich«, antworte ich stattdessen. »Aber ist es dir lieber, eine Diskussion mit ihrem Vater zu führen, noch bevor er überhaupt erfahren hat, dass du Sarahs Verlobter bist und nicht meiner?«

»Was heißt denn Diskussion? Wir erklären ihm einfach, dass er mich verwechselt hat und alles ist gut.«

»Und wenn er dir nicht glaubt? Willst du wirklich so einen misslungenen Start für das Kennenlernen ihrer Eltern?«

»Wie oft denn noch? Es handelt sich um ein Missverständnis, verdammt nochmal!«

»Selbst, wenn es so ist«, antworte ich, »Sarah will vorher irgendetwas mit dir klären. Und solange sie das nicht getan hat, sollten wir vielleicht …«, ich halte kurz inne, »… ach keine Ahnung, ich weiß doch selbst nicht, was wir machen sollen. Ich weiß nur, dass sie ihren Eltern eine Menge zu verdanken hat. Ihre Meinung ist ihr sehr wichtig.«

Eine Weile stehen wir schweigend nebeneinander und starren einfach nur vor uns hin. Der Moment hat etwas Surreales. Noch verrückter ist allerdings die Tatsache, dass mich seine Anwesenheit noch immer nervös macht. Hatte ich nicht längst beschlossen, dass er mir unsympathisch ist?

Doch plötzlich, von einem Moment auf den anderen, geht er einfach davon. Kein Wort, kein Blick.

Hat er doch genug? Und was zum Teufel soll ich tun? Immerhin ist es Sarahs Problem und nicht meins, oder?

Doch irgendetwas hält mich davon ab, einfach hier zu bleiben. Wie von einem Drang getrieben, den ich mir selbst nicht erklären kann, folge ich ihm zur Treppe. Doch er scheint es ziemlich eilig zu haben. Ohne sich umzudrehen oder auch nur einen einzigen Moment zu zögern, läuft er die Stufen hinab und geht mit großen Schritten über den Asphalt des Hafens in Richtung Wassertor.

Atemlos gehe ich ihm nach, muss dabei zwischenzeitlich sogar laufen. Als ich ihn endlich erreicht habe, lege ich die Hand von hinten auf seine Schulter.

»Moment mal«, hechele ich vor mich hin, »wo willst du denn so plötzlich hin?«

»Na, wonach sieht’s denn aus?« Er bleibt stehen. »Sarah hat es doch selbst so gewollt. Und ich habe sicher Besseres zu tun, als meine Zeit mit solchen Albernheiten zu vergeuden.«

»Und wenn du Albernheiten sagst, meinst du Sarah?«

»Nein, ich meine diese Jacht. Die Party. Das alles eben.«

Er findet die Party albern? Möglicherweise sogar übertrieben? Warum ist er denn ausgerechnet mit einer Frau wie Sarah zusammen, die genau dieses Leben symbolisiert?

»Aber Sarah hat uns doch gebeten, nachher zu ihr zu kommen.« Mein Atem normalisiert sich langsam.

»Und wenn schon.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich werde morgen mit ihr reden.«

»Aber sie wartet nachher sicher auf uns. Sicher lässt sich alles klären.«

»Wenn ich etwas mit Sarah zu klären habe«, er tritt näher und sieht mir direkt in die Augen, »dann kläre ich das mit ihr allein.«

Für einen kurzen Augenblick regt sich niemand von uns. Still sehen wir einander an, als müssten wir ganz dringend etwas miteinander klären, ohne dabei auch nur ein einziges Wort zu benutzen. Doch was auch immer wir gehofft haben, in den Augen des anderen zu finden, es ist offensichtlich nicht da. Also weichen unsere Blicke einander im selben Moment wieder aus.

»Schön«, sage ich schließlich, »dann tu es doch. Heute Abend. Es muss doch auch in deinem Sinne liegen, das so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen, oder ist dir die Verlobung egal?«

»Nein, ist sie nicht.« Er wirkt verunsichert. »Aber …«

»Was aber?«

Seine kurzzeitige Unsicherheit weicht erneut einer unerschütterlichen Lässigkeit.

»Na ja«, sagt er schließlich, »ich brauche für das Gespräch keine ihrer Freundinnen als Babysitter.«

»Meinst du etwa, ich werde euch die ganze Zeit am Rockzipfel hängen? Wenn es etwas gibt, das sie mit dir allein zu besprechen hat, wird sie es uns schon wissen lassen.« Ich seufze. »Nun komm schon, Darian, es ist ihr bestimmt ziemlich wichtig, mit dir zu reden. Und da sie mich auch in die ganze Sache hineingezogen hat, ist es nur fair, dass sie auch mir erklärt, was los ist. Lass uns einfach zu ihr fahren. Wir werden sie dort bestimmt jeden Moment antreffen. Bei dieser riesigen Party wird es kaum auffallen, wenn sie sich aus dem Staub macht.«

Er wendet sich von mir ab und beginnt, auf und ab zu laufen. Meine Worte lassen ihn offensichtlich nicht unberührt, trotzdem wehrt er sich mit Händen und Füßen dagegen, diese seltsame Situation zu akzeptieren. Als er schließlich stehenbleibt, sieht er mich mit großen Augen an.

Ich weiß nicht so recht, wie ich seinen Blick zu deuten habe. Und überhaupt, warum gebe ich mir überhaupt solche große Mühe, ihn zu überreden. Ist das nicht vielmehr die perfekte Gelegenheit, die Freundschaft zu Sarah ein für alle Mal zu begraben? Immerhin hat sie mit ihrer Kurzschlussreaktion wieder mal mehr als deutlich gezeigt, dass es sie einen feuchten Dreck interessiert, ob es mir passt, einfach mal so »verlobt zu werden«. Ist nicht endlich der Zeitpunkt gekommen, die Loyalität zu vergessen, die noch immer mit unserer Freundschaft aus Kindertagen verbunden ist und mich stattdessen einfach neuen Menschen zuzuwenden?

Doch so sehr ich mich auch bemühe, mich auf Sarahs Macken zu konzentrieren, so stärker wird das Gefühl, dass sie nach wie vor meine Freundin ist. Und dass man Freundinnen nun mal nicht im Stich lässt.

»Also, was ist nun?«, frage ich erneut.

Er antwortet nicht sofort, stattdessen wandert sein Blick in die Ferne.

»Also gut«, brummt er schließlich nach endlosem Schweigen, »nehmen wir dein Auto oder meins?«

Kapitel 4

Darian

Dass Sarahs BMW in der Einfahrt steht, nehme ich erleichtert zur Kenntnis. Nach der schweigsamen Autofahrt mit dieser aufdringlichen Mira auf meinem Beifahrersitz will ich einfach nur, dass dieses Chaos endlich ein Ende hat.

Wortlos ziehe ich den Schlüssel ab und verlasse den Wagen. Sie steigt ebenfalls aus und folgt mir über den geschlängelten Weg aus Terrakotta-Fliesen, der über den raspelkurzen Rasen bis zur mächtigen Eingangstür führt, die so breit ist wie mein gesamtes Wohnzimmer.

Und wieder einmal stelle ich fest, dass diese übergroße Villa kaum an Protzigkeit zu überbieten ist. Die mächtigen weißen Säulen im toskanischen Stil, die am Ende der breiten Stufen den Eingang umranden, erwecken den Eindruck, als wäre man nicht an der Ostsee, sondern direkt vor der Villa eines Hollywoodstars gelandet. Der riesige Balkon, der sich direkt über dem Eingang über die komplette Frontseite erstreckt, unterstreicht diesen Eindruck umso mehr.

Das strahlende Weiß der Fassade. Die türkisfarbenen Fensterläden. Die breiten, mit viel Liebe zum Detail geschnittenen Rosenbüsche links und rechts vom Eingangsbereich, die sich gegenseitig in zwei übergroßen Pflanztöpfen an Perfektion überbieten.

Eigentlich eine Schande, wie viel Geld in diesem Anwesen steckt. Geld, das an anderer Stelle so viel sinnvoller angebracht wäre. Andererseits habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, meine Abende Arm in Arm mit dieser wunderschönen Frau auf dem Balkon zu verbringen und einen Sonnenuntergang zu bestaunen, der vermutlich nirgendwo so perfekt anzusehen ist wie hier.

Mira drückt den Klingelknopf, doch da habe ich bereits meinen Schlüssel ins Schloss gesteckt.

»Du hast einen Schlüssel?« Sie sieht mich mit großen Augen an.

»Ich bin ihr Verlobter, schon vergessen?«

Doch das Staunen in ihrem Gesicht ist nicht zu übersehen. Oder ist es doch eher Misstrauen?

»Sarah?« Ich öffne die Tür und trete ins kreisförmige Foyer. »Bist du da?«

Hinter mir höre ich, wie Mira die Tür ins Schloss fallen lässt. Ihre Anwesenheit fühlt sich noch immer ziemlich merkwürdig an. Was zum Teufel macht sie überhaupt hier? Was auch immer es zwischen Sarah und mir zu klären gibt, wird durch die Anwesenheit dieser seltsamen Person nur erschwert.

»Vielleicht ist sie mit dem Taxi unterwegs«, sagt Mira.

Dabei sieht sie mich mit großen Augen an. Blassgraue Augen, die einen auf wundersame Weise gefangen nehmen, sobald man zu lange hineinschaut.

Aber scheiße nochmal, ich lasse mich nicht gefangen nehmen! Weder von dieser merkwürdigen Mira, noch von irgendeinem albernen Hirngespinst von Sarahs Vater.

*

Mira

Nachdem er ihren Namen ein zweites Mal gerufen hat, kommt Sarah endlich die breite Wendeltreppe heruntergelaufen. Wobei heruntergeschwebt es wohl eher trifft.

»Da seid ihr ja«, jubelt sie. »Ich bin so froh, dass ihr gekommen seid.«

Der Moment fühlt sich irgendwie merkwürdig an. Noch immer macht mich die Anwesenheit dieses Darian nervös. Die Tatsache, dass Sarah gerade die Arme um seinen Hals schlingt und ihn leidenschaftlich küsst, macht meine Nervosität jedoch umso unpassender.

»Es tut mir so leid, mein Schatz«, säuselt sie mädchenhaft, »ich hoffe, du bist nicht allzu böse auf mich.«

Er legt die Hände lässig um ihre Taille. »Ich gebe zu, ich war verwirrt.«

»Das glaube ich dir.« Sie löst sich von ihm und umarmt nun auch mich. »Es tut mir echt leid, dass ich euch so überfallen habe mit meiner blöden Idee, aber ich wusste mir einfach nicht anders zu helfen.«

»Heißt das, du hast diesen Blödsinn echt geglaubt?«, fragt Darian.

»Natürlich nicht.« Sie löst sich von mir und sieht ihn an. »Aber meine Eltern haben es geglaubt, also musste ich mir schnell etwas einfallen lassen. Sie wussten ja, dass ich ihnen jemand ganz Besonderen vorstellen wollte, da habe ich nicht weiter nachgedacht und dich einfach mal eben zu Miras Verlobtem gemacht.« Sie sieht erst ihn, dann mich mit schuldbewusstem Schmollmund an. »Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse.«

»Böse wäre ich nur, wenn du einem Gerücht mehr glaubst als mir«, sagt Darian.

»Natürlich glaube ich diesen Schwachsinn nicht.« Sie nimmt seine Hände und strahlt ihn verliebt an. »Aber wie überzeugen wir meinen Vater davon, dass das alles nicht stimmt? Hast du vielleicht eine Idee?«

»Ich wusste nicht, dass ich mich für etwas rechtfertigen muss, dass ich nicht getan habe.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Ich lebe seit Jahren in derselben Wohnung. Ich habe einen Mietvertrag und …« Er stockt. »Aber mal ehrlich, ich weiß nicht, ob ich deinem Vater den zeigen will. Ich bin ein erwachsener Mann, Sarah. Kein Krimineller, der seine Unschuld beweisen will.«

»Oh je.« Sie beugt sich für einen Kuss zu ihm vor und legt seufzend die Hand an seine Wange. »Tut mir echt leid, wenn das so bei dir angekommen ist. Du hast absolut recht: Du musst rein gar nichts beweisen. Das mit meinem Vater regele ich selbst, immerhin will ich dich ihm schließlich so bald wie möglich als den Mann meines Lebens vorstellen.«

Darian lächelt leicht, doch die Skepsis steht ihm noch immer ins Gesicht geschrieben.

Die beiden derart vertraut zusammen zu sehen, versetzt meinem Herzen einen unerwarteten Stich. Warum interessiert mich das alles überhaupt? Und warum bin ich hergekommen? Sarahs verrückte Ideen sind schließlich nichts Neues für mich, habe ich etwa erwartet, hier eine Antwort zu bekommen? Wenn ich schon eine Antwort brauche, dann die, wie jemand wie ich mit jemandem wie ihr befreundet sein kann – und umgekehrt. Aber diese Frage ist inzwischen so alt, dass sie an Bedeutung verloren hat.

»Also, wie es aussieht, habt ihr alles geklärt«, sage ich schließlich. »Ich glaube, ich verschwinde dann mal wieder.«

»Du willst schon wieder gehen?« Sarah sieht mich fragend an. »Aber du bist doch gerade erst gekommen. Außerdem seid ihr doch mit Darians Wagen hier, oder? Ist es da nicht besser, wenn er dich wieder heimfährt?«

»Ich kann doch auch zu Fuß gehen.« Ich mache eine flüchtige Handbewegung. »Wirklich, ist kein Ding. Die frische Luft wird mir guttun.«

»Einen Teufel wirst du tun.« Sie sieht mit unschuldigem Lächeln zu Darian auf. »Es macht dir doch nichts aus, sie zu fahren, stimmt’s?«

Darian wirft mir einen kurzen Seitenblick zu. Dass ihm meine Anwesenheit noch immer ein Dorn im Auge ist, ist nicht zu übersehen.

»Natürlich macht es mir nichts aus«, sagt er, während er den Blick von mir wieder abwendet und Sarahs Nasenspitze küsst. »Soll ich uns was vom Italiener mitbringen, wenn ich zurückkomme?«

»Das wäre einfach wundervoll.« Sie lässt ihren Handrücken an seinem Arm hinabgleiten. Eine Geste, die fast schon schleimig ist. Oder warum ekelt mich allein der Anblick an?

Reiß dich zusammen, Mira! Du hast Wichtigeres zu tun, als dir Gedanken über Sarah, geschweige denn über ihren ach so perfekten Verlobten zu machen.

»Das ist wirklich nicht nötig«, sage ich erneut. »Ich werde einfach …«

»Nein, wirst du nicht.« Sarah löst sich von Darian und greift nach meiner Hand. »Keine Widerrede, hörst du? Aber bevor du gehst, musst du noch schnell mit nach oben kommen, damit ich dir«, sie überlegt kurz, »na ja … noch etwas geben kann.«

Darian beäugt uns irritiert.

»Keine Sorge, Schatz«, sie spitzt die Lippen, »ist nur ne Sache zwischen uns Mädels. Würde dich eh nur langweilen.«

Sie zieht mich an der Hand die Treppen hinauf. Verwirrt, aber ohne Widerstand folge ich ihr schließlich nach oben. Als wir in ihrem Schlafzimmer angekommen sind und sie mit geheimnisvollem Blick die Tür hinter sich geschlossen hat, setzt sie sich auf ihr Bett und legt die Hand neben sich auf die Tagesdecke.

»Komm her, Süße, wir müssen reden.«

Ich zögere kurz, dann gehe ich zu ihr und setze mich. »Was ist los?«

»Ich konnte vor Darian nicht mit dir darüber reden, aber«, sie sammelt sich für einen Moment, »du musst mir helfen, seine Geschichte zu überprüfen.«

Ich starre sie mit offenem Mund an.

»Vergiss es«, antworte ich schließlich, als ich mich wieder gefasst habe.

»Ach komm schon, Süße, du musst es einfach tun. Ich vertraue niemandem so sehr wie dir. Du bist die Einzige, die mir immer ihre ehrliche Meinung sagen würde. Und du bist auch die Einzige, die mich verwöhnte Göre nennen darf, ohne dass ich ihr böse bin.«

»Weil du ja nun mal auch eine verwöhnte Göre bist.« Ich seufze genervt. »Oder wie würdest du es nennen, wenn man von seinen Eltern zu jedem Geburtstag ein neues Auto bekommt und das überhaupt nicht übertrieben findet?«

»Moment mal«, sie hebt protestierend den Zeigefinger, »dieses Jahr habe ich kein neues Auto bekommen.«

»Ooooh, das ändert natürlich alles.«

»Nein, ehrlich, Mira, ich brauche dich. Ohne dich wird es viel schwerer.«

»Was wird schwerer? Dein Leben?« Ich lache.

»Na ja, herauszufinden, was hinter dem Miet-Nomaden-Gerücht steckt.«

»Ich dachte, du glaubst Darian?«

»Das würde ich ja gern.« Sie verzieht die Mundwinkel. »Aber ich brauche Beweise, bevor ich ihn meinen Eltern als meinen Verlobten vorstelle. Und da Darian offensichtlich selbst keine Lust hat, mir diese Beweise zu liefern, bin ich auf deine Hilfe angewiesen.«

»Meine Hilfe? Das ist doch albern, Sarah. Engagier einen Privatdetektiv oder was weiß ich. Aber zieh mich da nicht rein, okay?«

»Erstens wäre ein Detektiv total übertrieben und zweitens bist du die Einzige, der ich wirklich vertraue. Das habe ich dir doch schon tausendmal gesagt.«

»Trotzdem, allein der Gedanke, dass ich ihn für dich ausspioniere, ist doch absurd.«

Sie schweigt eine Weile, doch ich kann förmlich sehen, wie sie insgeheim einen neuen Plan ausheckt. Als sich wenig später ein gewinnendes Grinsen auf ihre Lippen schleicht, weiß ich, dass mich mein Gefühl auch dieses Mal nicht trügt.

»Und was, wenn ich dir Backstage-Karten für die Imagine Dragons besorge?«

»Die Imagine Dragons?« Ich starre sie an. »Du verarschst mich.«

»Ich habe dir doch von dem Typen von dieser Konzertagentur erzählt, der mich schon seit einer ganzen Weile online anbaggert. Der besorgt mir echt alle Tickets, die ich will.«

»Ja, aber sicher nicht ohne Hintergedanken.«

»Und wenn schon, ich gehe trotzdem nicht darauf ein. Die Tickets bekomme ich so oder so. Er genießt es, sich deswegen wichtig und mächtig zu fühlen, das durfte ich schon einige Male erleben.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Allein der Gedanke, meine Lieblingsband persönlich zu treffen, treibt mir den Schweiß auf die Stirn.

»Das ist alles so lächerlich.« Ich seufze.

»Das weiß ich doch selbst.« Sie legt ihre Finger um meine. »Deshalb will ich ja auch, dass wir die Sache so schnell wie möglich klären und ich dann nicht weiter darüber nachdenken muss, dass mit Darian eventuell irgendetwas nicht stimmen könnte.«

»Selbst, wenn ich mich darauf einlasse«, ich zögere kurz, »Erstens weiß ich gar nicht, wie ich das mit dem Spionieren anstellen soll. Und zweitens: Was ist, wenn ich etwas herausfinde, das dir nicht gefällt?«

Ihre Miene verfinstert sich. »Dann … dann ist es eben so. Aber dann habe ich wenigstens Gewissheit.« Sie schluckt. »Anfangs habe ich mir nichts dabei gedacht, dass er mich nie zu sich nach Hause einlädt, aber mittlerweile frage ich mich, ob es vielleicht doch etwas gibt, das er mir verheimlicht. Ich meine, eigentlich glaube ich nicht daran, aber … Ach, ich weiß auch nicht. Er wirkt manchmal so geheimnisvoll. Eigentlich finde ich das ja wahnsinnig aufregend an ihm, aber andererseits … na ja, ich weiß nicht mal, wo er wohnt. Nur dass er eine Wohnung in der Stadt hat. Aber er hat mich noch nie dorthin eingeladen. Eigentlich sind wir immer nur bei mir, und das ist ja auch in Ordnung, aber …« Sie atmet tief durch. »Weißt du, Mira, das mit den Backstage-Tickets soll nur ein kleines Dankeschön sein. In erster Linie hoffe ich aber, dass du mir hilfst, weil du meine Freundin bist.« Sie legt den Kopf schräg. »Und Freundinnen helfen sich doch, oder? Ich würde dasselbe auch für dich tun.«

»Ich dachte, du vertraust ihm«, antworte ich.

»Tue ich ja auch, aber …« Sie presst die Lippen zusammen. »Ich möchte einfach hundertprozentig sicher sein. Auch wegen meiner Eltern.«

Alles in mir sträubt sich gegen die Vorstellung, tatsächlich auf Sarahs verrückten Plan einzugehen. Wie soll ich das überhaupt anstellen? Andererseits regt sich tief in meinem Inneren immer wieder der Drang, mehr über Darian zu erfahren. Mehr über einen Mann, an den ich in dieser kurzen Zeit schon mehr Gedanken verschwendet habe, als mir guttut. Einen Mann, der ein wandelndes Geheimnis zu sein scheint.

Ich zögere einen Moment, dann atme ich tief durch.

»Also gut«, sage ich schließlich, »ich mach’s. Aber wenn ich nichts herausfinde oder es mir zu heikel wird, breche ich die ganze Sache ab, klar?«

»Aber so was von klar.« Sie zieht mich an sich und umarmt mich theatralisch. »Du bist einfach die Beste, weißt du das?«

Doch ich reagiere nicht auf ihr übertriebenes Lob. Schweigen fühlt sich in diesem Moment einfach richtiger an. Vermutlich, weil ich bereits jetzt ahne, dass das alles nicht gut ausgehen wird.

Kapitel 5

Darian

Ich kann nicht fassen, dass diese Frau schon wieder in meinem Wagen sitzt. Schon allein die Art, wie sie mich immer wieder anschaut, ist mir nicht ganz geheuer. In ihren Augen liegt eine Skepsis, die ich nicht so recht verstehe.

Weiß sie etwas?

Nein, woher sollte sie etwas wissen? Immerhin kennt sie mich ja gar nicht.

Trotzdem macht mich ihre Anwesenheit nervös.

»Die nächste Straße rechts«, murmelt sie vor sich hin, ohne mich dabei anzusehen.

Wortlos setze ich den Blinker und biege in den kleinen Dorfweg ein. Hier draußen, außerhalb der Stadt, wirkt alles ein bisschen ruhiger und friedlicher. Fast könnte man neidisch darauf werden, dass sie diese schöne Gegend ihre Heimat nennt. Wir fahren an Scheunen vorbei und an gestapelten Strohballen, die mit Stofffetzen dekoriert sind, um ein bevorstehendes Dorffest anzukündigen. Moderne Neubauten wechseln sich mit alten Backsteingebäuden ab und machen das Dorfbild bunt und abwechslungsreich.

»Das letzte Haus auf der linken Seite«, sagt sie mit monotoner Stimme.

Neben einem zweistöckigen Wohnhaus, in dem offensichtlich vier Mietparteien wohnen, bringe ich meinen Wagen zum Stehen.

»Da wären wir«, sage ich so unverbindlich wie möglich.

»Danke«, ist alles, was sie antwortet.

Mit der Hand auf dem Türgriff sieht sie mich an. Nur kurz und eigentlich ohne jede Emotion – und doch trifft mich ihr Blick auf eine Weise, die alles durcheinanderbringt.

Was macht den Blick dieser Frau nur so wissend? Und warum lasse ich mich davon beeindrucken? Sie weiß nichts über mich, rein gar nichts. Und dieses seltsame Gefühl, das ihre Augen in mir auslösen, hat absolut nichts zu bedeuten.

»Mach’s gut«, sagt sie schließlich, öffnet die Tür und wirft sie hinter sich zu, ohne mich noch einmal anzusehen.

Ich ertappe mich dabei, wie ich ihr noch ein paar Sekunden hinterherschaue, während sie auf ihre Wohnungstür zugeht und ihren Schlüssel herausholt. Doch schon einen Moment später zwinge ich mich dazu, den Motor zu starten und loszufahren. Was auch immer mich dazu bringt, über diese Frau nachzudenken, es spielt keine Rolle, und zwar nicht die geringste.

*

Mira

Mit dem Rücken an die Tür gelehnt warte ich ein paar Sekunden, dann öffne ich sie wieder, schaue mich in alle Richtungen um und laufe zu meinem Wagen, der hinter dem Haus parkt.

Ob er meinen roten Polo gesehen hat?

Nein, dafür hätte er ums Haus herumfahren müssen.

Hastig springe ich in den Wagen, starte den Motor und fahre los. Im ersten Moment befürchte ich, ihn verloren zu haben, doch als ich in den vierten Gang schalte und schneller werde, sehe ich seinen silbernen Peugeot von Weitem schon an einer roten Ampel stehen.

Instinktiv werde ich langsamer, während ich mein Handschuhfach öffne und meine Sonnenbrille heraushole.

Ob ich weit genug weg bin?

Und selbst wenn nicht, er wird sicher kaum damit rechnen, verfolgt zu werden, oder?

Mit einem flauen Gefühl im Magen folge ich ihm auf eine links abbiegende Straße, die zurück in die Stadt führt.

Was hat er mit Sarah abgemacht? Noch was vom Italiener zu holen? Sicher das Restaurant in der Innenstadt.

Doch während ich ihm nachfahre, merke ich, dass er eine andere Richtung einschlägt, entgegengesetzt dem Stadtzentrum. Ob er nach Hause fährt, weil er irgendetwas vergessen hat?

Wieder biegt er ab, dieses Mal in ein Wohngebiet.

Als ich ihm mit etwas Abstand hinterherfahre, überkommt mich eine Ahnung.

In diese Straße biegt man nicht ab, um weiterzufahren. Nein, hier biegt man ab, wenn man genau dieses Wohngebiet als Ziel anpeilt. Und tatsächlich, auf dem Parkplatz vor einem der mehrstöckigen Wohnblöcke bleibt er schließlich stehen.

Reflexartig biege ich in eine kleine Seitenstraße ab, um meinen Wagen in der Nähe, aber wenigstens halbwegs außer Sichtweite zu parken. Von Fernem sehe ich, wie er aus dem Auto steigt. Er bleibt kurz stehen, geht dann aber nicht zum Eingang des Blocks, sondern dreht sich um und kommt direkt auf die Seitengasse zu.

Instinktiv halte ich die Luft an.

Hat er mich etwa gesehen?

Nein, ausgeschlossen. Ich habe doch ausreichend Abstand bei meiner Verfolgung gehalten.?

Seine Schritte in meine Richtung werden schneller, und dann sieht er mir plötzlich direkt in die Augen.

Scheiße! Wie erkläre ich ihm das nur? Gibt es überhaupt eine Erklärung für meine Anwesenheit? Eine andere Erklärung als die Wahrheit?

Ich spiele mit dem Gedanken, den Motor zu starten und einfach wieder zu verschwinden, aber das wäre nur noch lächerlicher. Also bleibe ich einfach sitzen, setze ein gequältes Lächeln auf und beobachte, wie er näherkommt. Als er direkt neben meinem Wagen steht, lasse ich das Fenster schließlich herunter.

»Kannst du mir mal verraten, warum du mich verfolgst?« Eine Falte bildet sich zwischen seinen Augen. »Ich habe dich doch gerade eben erst zu Hause abgesetzt.«

»Wohnst du hier?«, frage ich, ohne auf seine Frage einzugehen.

»Warum willst du das wissen?« Er beugt sich in das offene Fenster und sieht mir direkt in die Augen.

Derart von seinem Blick gefesselt zu werden, macht mich nur noch nervöser.

»Ich …« Doch ich verstumme sofort wieder. Was für eine Ausrede soll ich ihm denn auch bieten? Er würde doch jede davon sofort als Lüge enttarnen.