Mira schwer verliebt - Alexa Hennig von Lange - E-Book

Mira schwer verliebt E-Book

Alexa Hennig von Lange

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Beschreibung

«Vielleicht sollte ich Moritz ab heute ignorieren. So lange, bis er sich in mich verliebt. Das kann allerdings dauern. Ehrlich gesagt glaube ich, es wird nie passieren. Leider! Ich würde ihn nämlich voll gerne auf den Mund küssen ... Aber solange der mit Jonas und Steffen befreundet ist, wird das nie was werden.» Mira hat es nicht leicht: Denn neben dem manchmal recht komplizierten Leben in einer Patchwork-Familie beschäftigen sie auch noch ganz andere Sorgen. Ausgerechnet in Moritz aus ihrer Klasse muss sie sich verlieben, und der macht es ihr alles andere als einfach. Zusammen mit seinen Freunden ärgert er Mira, wo es nur geht. Und das kann doch bloß bedeuten, dass er sie nicht mag. Oder? Auch der zweite Band um Mira erzählt ebenso anrührend wie liebevoll und zugleich voller Witz aus dem turbulenten Gefühlsleben der Titelheldin.

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Seitenzahl: 128

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Alexa Hennig von Lange

Mira schwer verliebt

Ihr Verlagsname

Mit Illustrationen von Julia Kaergel

Über dieses Buch

«Vielleicht sollte ich Moritz ab heute ignorieren. So lange, bis er sich in mich verliebt. Das kann allerdings dauern. Ehrlich gesagt glaube ich, es wird nie passieren. Leider! Ich würde ihn nämlich voll gerne auf den Mund küssen ... Aber solange der mit Jonas und Steffen befreundet ist, wird das nie was werden.»

Mira hat es nicht leicht: Denn neben dem manchmal recht komplizierten Leben in einer Patchwork-Familie beschäftigen sie auch noch ganz andere Sorgen. Ausgerechnet in Moritz aus ihrer Klasse muss sie sich verlieben, und der macht es ihr alles andere als einfach. Zusammen mit seinen Freunden ärgert er Mira, wo es nur geht. Und das kann doch bloß bedeuten, dass er sie nicht mag. Oder?

 

Auch der zweite Band um Mira erzählt ebenso anrührend wie liebevoll und zugleich voller Witz aus dem turbulenten Gefühlsleben der Titelheldin.

Über Alexa Hennig von Lange

Alexa Hennig von Lange, 1973 in Hannover geboren, hat bereits mit acht Jahren Geschichten geschrieben. Mit dreizehn Jahren verfasste sie erste Kurzgeschichten, mit einer davon gewann sie einen Schreibwettbewerb des NDR. Inzwischen hat Alexa Hennig von Lange mehrere Romane veröffentlicht, darunter «Ich habe einfach Glück», ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2002.

 

Mehr von und mit der Autorin unter www.alexahennigvonlange.de

Inhaltsübersicht

Mira schwer verliebt1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel

Mira schwer verliebt

1

Im Klassenzimmer ist es still. Alle konzentrieren sich auf die Aufgaben, die unser Mathelehrer Herr Lindau an die Tafel geschrieben hat. Nur ich nicht. Ich gucke Herrn Lindau an, wie er vorne am Pult sitzt und an seinem Kugelschreiber herumfummelt. Unter dem Tisch hat er die Beine ineinander geknotet, als seien sie aus Gummi. So sitzt er immer da. Meine Freundin Astrid sagt: «Wie ein Vollidiot.» Ich finde auch: Männer sollten nicht so verknotet sitzen. Sondern mit beiden Füßen auf dem Boden, damit jeder gleich weiß, dass sie nichts umhauen kann. Das Gefühl braucht man einfach als Frau, sagt Mama. Darum hat sie sich schon vor meiner Geburt von Papa getrennt. Den hat nämlich ständig irgendwas umgehauen. Zum Beispiel, dass Mama mit mir schwanger war. Ich weiß sogar, dass er ihr geraten hat, mich abtreiben zu lassen. Wahrscheinlich bin ich deswegen so schlecht in Mathe, sagt Oma Inge. Außerdem hat Herr Lindau jeden Tag die gleiche hellbraune Hose an, dazu ein hellgrünes Hemd und eine dunkelgrüne Jacke. Die Leute aus meiner Klasse finden ihn «voll eklig» und meinen, er solle mal duschen. Mir tut Herr Lindau Leid, er sieht so traurig aus. Einmal hat Astrid gesagt, das liegt daran, weil seine Familie bei einem Autounfall verunglückt ist. Bestimmt ist er deswegen immer so gemein zu uns. Wir erinnern ihn eben an seine toten Kinder. So wie jetzt, als er merkt, dass ich ihn angucke. Er zieht seine Nase kraus und quäkt:

«Was glotzt du so, dummes Äffchen? Findest du deine Banane nicht?»

Gleich heben alle ihre Köpfe, um zu gucken, wen Herr Lindau da gerade wieder fertig macht. Ich lächle lieb, weil Mama sagt: «Du sollst zu jedem freundlich sein.» Herr Lindau lächelt künstlich zurück, damit ich denke, dass er mich doof findet. Doch das stimmt nicht. Ich weiß, dass er mich mag. Schließlich gibt er mir, obwohl ich nichts kann, am Ende vom Schuljahr immer eine Vier. Darum bin ich ihm jetzt auch nicht böse. Ich weiß ja, dass seine Familie verunglückt ist. Dann gucken alle wieder in ihre Hefte und rechnen eifrig weiter.

In meinem aufgeschlagenen Heft stehen nur das Datum und das blau unterstrichene Wort «Mathetest». Viel mehr wird am Ende der Stunde auch nicht zu lesen sein, weil ich keine von Herrn Lindaus Aufgaben lösen kann. Astrid schon. Sie sitzt neben mir, dicht über ihr Heft gebeugt, die Zunge im Mundwinkel eingeklemmt. Ohne Pause kritzelt sie irgendwelche Zahlen, und vor lauter Rechnerei ist ihre Brille schon ganz beschlagen. Sie ist die Beste in Mathe, obwohl sie bei ihrer Oma aufwächst! Astrid hat es echt gut. Ich wünschte, ich könnte auch so rechnen wie sie. Oder wenigstens von ihr abschreiben. Aber sie lässt mich nicht. Sobald sie eine Zeile gerechnet hat, schiebt sie sofort ihre lila Diddl-Maus-Federmappe drüber. Astrid sagt: «Vom Abschreiben wirst du dumm. Davor will ich dich beschützen.» Das ist natürlich gelogen. Astrid will einfach nur die Beste in der Klasse sein, damit sich alle Jungs in sie verlieben. Oder noch besser: einer von den Lehrern. Welcher aus dem Kollegium ist ihr fast egal. Sie sagt: «Hauptsache, nicht Herr Lindau.» Ich glaube, Astrid hat einen «Vaterkomplex», weil ihr Papa abgehauen ist, als sie noch ein Baby war. Jedenfalls hat Mama das mal zu mir gemeint, als ich ihr erzählt habe, dass Astrid davon träumt, mit einem von unseren Lehrern zu gehen. Die Jungs aus unserer Klasse sind ihr zu «unreif». Finde ich gar nicht. Obwohl mich Moritz ständig ärgert, mag ich ihn voll gern. Das behalte ich allerdings für mich. Astrid macht sich sonst lustig, und das kann ich mir echt sparen. Das nervt voll. Ansonsten ist sie echt nett, weil sie mich verteidigt, wenn mich Steffen, Jonas und Moritz wieder angreifen. Wenn nötig, holt Astrid schon mal kräftig mit ihrer Faust aus und donnert sie denen voll ins Gesicht. Den Fall hatten wir gerade letzte Woche mit Steffen. Nach dem Kampf hatte Astrid allerdings auch eine blutige Lippe, was ihr aber nichts ausgemacht hat. Damit ist sie nämlich gleich ins Labor gerannt, um sie unserem Chemielehrer, Herrn Hänsel, zu zeigen. Der hätte sich fast auf seine Reagenzröhrchen übergeben. Er kann nämlich kein Blut sehen, wie er uns bei der Gelegenheit verraten hat.

Alle anderen aus unserer Klasse finden Astrid «voll eklig», weil sie, mal abgesehen von ihren dicken braunen Zöpfen, aussieht wie ein Junge. Beim Sport trägt sie kurze Fußballerhosen, rennt alle Jungs über den Haufen und brüllt: «Steh nicht rum, du Flasche!» Und wenn einer von unseren Lehrern im Unterricht eine Frage stellt, schreit sie sofort die richtige Antwort in die Klasse rein, bevor sich überhaupt jemand melden kann. Mir ist das egal, meistens weiß ich sowieso nicht die Lösung. Aber ein paar andere Leute ärgert das schon. Speziell Gloria und ihre Mädchenclique. Eigentlich wollen die unbedingt die Besten sein, besonders Gloria. Die hat nämlich vor, später «Top-Managerin» zu werden. Genau wie ihr Angeber-Vater. Dafür braucht sie natürlich voll gute Noten. Doch weil das wegen Astrid nicht so richtig klappt, war neulich ihre Mutter in der Schule, um sich bei unserem Klassenlehrer Herrn Kalb zu beschweren. Anschließend hat der sich bei Astrid beschwert. Er hat gemeint: «Du musst auch die anderen zu Wort kommen lassen, sonst haben sie keine Chance zu zeigen, was sie draufhaben.» Aber Astrid hat nur geantwortet: «Ist mir doch egal. Mein Wissen muss raus.» Ich sehe das genauso, vor allen Dingen kann ich mich anschließend gemütlich melden und behaupten: «Das wollte ich auch gerade sagen.»

 

In einer Viertelstunde klingelt es endlich zur Pause. Bis dahin gucke ich von meinem Heft nach vorne zur Tafel, zu Herrn Lindau, rüber zu Astrid und aus dem Fenster. Danach nochmal zur Tafel, um zu prüfen, ob ich nicht doch eine Aufgabe lösen kann. Zumindest könnte ich alle Aufgaben in mein Heft notieren, damit da überhaupt etwas steht, wenn Herr Lindau am Nachmittag zu Hause reinguckt. Dann sieht er wenigstens, dass ich mir Mühe gegeben habe. Also schreibe ich feinsäuberlich alle Zahlen und Zeichen ab, obwohl ich keine Ahnung habe, was sie im Zusammenhang bedeuten sollen. Macht nichts. Ich will ja eh nicht Mathe studieren. Im Gegensatz zu Astrid. Die will Mathe-Professor werden. Oder Biologin. Mama sagt ständig zu mir: «Du solltest Kindergärtnerin werden.» Nur, weil ich mich immer so «süß» um meinen kleinen Bruder Alfred kümmere. Aber eigentlich will ich lieber ein Restaurant aufmachen. Ich koche nämlich sehr gerne. Die Leidenschaft habe ich von Oma Inge geerbt. Die kocht voll gut. Und mein Stiefvater auch. Der heißt übrigens Jan und ist von Beruf Biologe. Darum ist Astrid voll in ihn verliebt. Jedenfalls glaube ich das. Ständig fragt sie nach der Schule: «Kann ich mit zu dir?» Und wenn wir dann bei mir sind, rennt sie gleich zu Jan ins Arbeitszimmer, um sich mit ihm über seine geheime Aquarienfischzucht auszutauschen.

 

Gerade als ich die letzte Aufgabe von der Tafel abschreibe, klingelt es zur Pause. Bis auf ein paar langsame Rechner klappen alle ihre Hefte zu und bringen sie nach vorne zu Herrn Lindau. Der nimmt sie mit seinem blöden Grimassenlächeln entgegen, und Astrid beugt sich zu mir rüber:

«Na, bist du fertig geworden?»

«Ja, mit Abschreiben.»

«Hast du bei mir abgeguckt, oder was?»

Astrid glotzt mich gleich voll panisch an, so als hätte ich es mit meinen Wunderaugen geschafft, durch ihre Diddl-Maus-Federmappe alles zu entziffern. Das nervt voll. Ich sage nur:

«Pief nicht rum!»

Dann klappe ich mein Heft zu. Mir ist es echt egal, dass ich keine Aufgabe gelöst habe. Das wusste ich schon heute Morgen. Meistens gibt mir Herr Lindau trotzdem noch eine Vier. Er mag mich eben. Und ich mag ihn.

 

Astrid und ich bringen als Letzte unsere Hefte nach vorne. Ich lege meins schnell auf den Stapel, aber Astrid schiebt Herrn Lindau ihr aufgeschlagenes Heft direkt unter die Nase und meint:

«Sie können gleich eine Eins drunterschreiben.»

So ist Astrid. Voll unverschämt. Damit Herr Lindau nicht denkt, ich finde Astrid lustig, gehe ich schnell wieder zu meinem Tisch zurück. Astrid kann sich so eine Frechheit leisten, ich nicht. Herr Lindau meckert:

«Äffchen, zügle dich. Oder ich schneid dir deine Zöpfe ab!»

Dabei zieht er sie an den Haaren, und Astrid macht mit ihren dicken Lippen so ein saugendes Geräusch, als wollte sie ihm einen Kuss geben. Astrid spinnt echt. So etwas würde ich mich nie trauen. Das ist doch voll frech! Sogar Herr Lindau weiß nichts mehr zu sagen. Der guckt Astrid verwundert hinterher, wie sie mit rotem Gesicht zu ihrem Tisch zurückgeht. Ich glaube, jetzt findet sie ihr Benehmen selber komisch. Bloß raus hier, bevor Herrn Lindau noch ein blöder Spruch einfällt! Schnell nehmen wir unsere Federmappen und lassen sie in unsere Schultaschen fallen, die unten an den Tischbeinen lehnen. Bei Astrid klappt es, meine plumpst auf den Boden. Ich gucke runter und sage zu Astrid:

«Schittenhausen! Meine Tasche ist weg.»

«Red keinen Scheiß!»

«Echt! Sie ist weg!»

Wirklich! Eben stand sie noch unter meinem Tisch, und jetzt ist sie weg. Ich brauche gar nicht erst zu suchen, ich weiß sowieso, dass mir die einer von den Jungs weggenommen hat. Wahrscheinlich Moritz. Seit er letztes Jahr im Landschulheim rausgekriegt hat, dass ich ihn gut finde, ist er nur noch fies zu mir. Meine Finger fummeln nervös an dem Reißverschluss von meiner Federmappe herum, und Astrid marschiert direkt zwischen den Tischreihen entlang, bis zum Fenster. Da bleibt sie stehen und guckt hinunter in den Pausenhof.

«War ja klar. Steffen und Moritz haben sie.»

«Woher weißt du das?»

«Woher wohl? Weil die da unten mit deiner Tasche rumspacken.»

«Die sollen da bloß nicht reingucken.»

«Wieso? Hast du Always-Ultra dabei?»

«Spinnst du?»

Immer muss Astrid von Always-Ultra anfangen. Das ist voll ihr Lieblingsthema. Aber es stimmt. Ich habe echt was dabei. Allerdings aus Sicherheitsgründen in meiner Hosentasche. So eine voll blöde Carefree-Slipeinlage, da kommt keiner ran. Die hat mir Mama vorsorglich mitgegeben, falls ich meine Tage das erste Mal in der Schule kriege. Seit einem Jahr meint Mama: «Damit musst du jetzt rechnen.» Astrid hat schon längst ihre Tage. Und sie bildet sich echt was drauf ein. Letztens, als sie bei uns am Mittagstisch saß, hat sie sogar zu Mama gemeint: «Frau Garre, haben Sie zufällig etwas gegen Menstruationsbeschwerden da? Ich habe solche Menstruationsbeschwerden.» Mama fand das voll in Ordnung, Jan nicht. Der hat hinterher gesagt: «Diese Astrid ist wirklich verstörend.»

Keine Ahnung, was er genau damit meinte. Ist mir jetzt auch egal, weil ich nicht will, dass Moritz in meine Tasche guckt. Ich habe da nämlich mit Lackstift reingeschrieben, dass ich ihn «mega-sweet» finde. Und ich drehe echt durch, wenn er das der ganzen Klasse laut vorliest. So, wie Steffen das letzte Woche mit Sandra gemacht hat. Auf dem Weg zur Turnhalle hatte sie nämlich aus Versehen so einen kleinen gefalteten Zettel verloren, auf dem stand, dass sie Jonas voll gut findet. Leider hat Steffen den Zettel gefunden. Als wir dann alle in der Turnhalle auf den Bänken saßen und auf unsere dicke Sportlehrerin Frau Malkovic gewartet haben, hat er sich vor Jonas hingekniet und Sandras Text vorgetragen. Dabei hat er so getan, als würde er um Jonas’ Hand anhalten. Damals fand ich das voll witzig, weil Sandra einmal vor der gesamten Klasse behauptet hat, ich hätte ihren Füller kaputtgemacht, was gar nicht stimmte. Für Sandra war die Geschichte aber so schlimm, dass sie danach ein paar Tage in der Schule fehlen musste.

 

Astrid kommt zwischen den Tischreihen zu mir zurück, rupft mich am Ärmel und meint:

«Let’s go! Wir holen uns deine Tasche wieder!»

«Okay.»

Wir grabschen uns unsere Jacken und rennen sofort los. Als wir schon fast zur Klassenzimmertür raus sind, drehe ich mich noch einmal schnell zu Herrn Lindau um und rufe:

«Auf Wiedersehen! Und einen schönen Tag noch.»

Ein bisschen Freundlichkeit kann er bestimmt gut gebrauchen, wenn er nachher allein in seiner Wohnung sitzt und wieder an seine verunglückte Familie denkt. Aber er meint nur:

«Geh Kokosnüsse suchen, du faules Äffchen.»

Ich möchte echt mal wissen, in was für einer Dschungelwelt Herr Lindau lebt. Auf jeden Fall in einer, in der es von Affen und Bananen nur so wimmelt. Kein Wunder! Nach so einem familiären Schicksalsschlag ist es voll natürlich, dass man wahnsinnig wird. Bei mir ist es ja auch schon fast so weit. Mama meint: «Familiäre Verhältnisse sind nie einfach. Darum geht jeder traumatisiert daraus hervor.» Jan meint: «Das ist Quatsch.» Aber der ist ja auch nur Biologe und kein Soziologe, sagt Oma Inge. Astrid und ich rennen weiter, zwischen den fipsigen Fünftklässlern hindurch, den Flur entlang, die Treppen hinunter. Unten stößt Astrid die schwere Seitentür nach draußen auf. Jetzt geht es los! Wir stehen auf dem Treppenabsatz, in frischer Luft, und holen uns meine Tasche wieder!

2

Es nieselt voll, trotzdem sitzen Moritz und Steffen mit offenen Jacken drüben auf den Schaukeln, die eigentlich für die jüngeren Schüler gedacht sind. Die restliche Klasse steht daneben, mampft Butterbrote und saugt an ihren Trinkpäckchen. Nur Glorias Mädchenclique rennt laut kreischend rund um das Klettergerüst und spielt Packen. Astrid sagt:

«Voll die Gestörten!»

Dann grabscht sie wieder nach meinem Jackenärmel, zieht mich die Stufen hinunter, über die matschige Wiese, direkt auf Steffen zu. Der hat sich meine Tasche zwischen die Turnschuhe geklemmt, sodass sie beim Vor-und-zurück-Schaukeln voll durch den Schlamm gezogen wird. Als wir näher kommen, treibt er es immer doller, bis ich denke, dass meine Tasche eigentlich gleich zerfetzt sein müsste. Wir bleiben am Schaukelgerüst stehen, und Astrid brüllt sofort los: