Miss Bayles und die üblichen Verdächtigen - Ein Fall für China Bayles 4 - Susan Wittig Albert - E-Book
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Miss Bayles und die üblichen Verdächtigen - Ein Fall für China Bayles 4 E-Book

Susan Wittig Albert

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Beschreibung

Finstre Wolken über Pecan Springs: Der humorvolle Krimi »Miss Bayles und die üblichen Verdächtigen« von Susan Wittig Albert als eBook bei dotbooks. Als Miss Bayles eines Tages einen Anruf erhält, ist es vorbei mit der himmlischen Ruhe im friedlichen Pecan Springs: Der Kriminelle Jake Jacoby, den sie vor vielen Jahren hinter Gitter brachte, ist auf freiem Fuß – und in der Gegend, wie ihr ein alter Bekannter von der texanischen Polizei zusteckt. Als Miss Bayles kurz darauf eine grausige Entdeckung in ihrer eigenen Hauseinfahrt macht, ist sie sich sicher: Jacoby hat es auf sie abgesehen – und wenn Miss Bayles den inkompetenten County Sheriffs nicht schnellstens bei den Ermittlungen unter die Arme greift, ist sie geliefert. Und zwar endgültig! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Cosy-Krimi »Miss Bayles und die üblichen Verdächtigen« ist der vierte Band zur amerikanischen Erfolgsserie von Susan Wittig Albert, die Fans von Laura Childs und M.C. Beaton begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 413

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Über dieses Buch:

Als Miss Bayles eines Tages einen Anruf erhält, ist es vorbei mit der himmlischen Ruhe im friedlichen Pecan Springs: Der Kriminelle Jake Jacoby, den sie vor vielen Jahren hinter Gitter brachte, ist auf freiem Fuß – und in der Gegend, wie ihr ein alter Bekannter von der texanischen Polizei zusteckt. Als Miss Bayles kurz darauf eine grausige Entdeckung in ihrer eigenen Hauseinfahrt macht, ist sie sich sicher: Jacoby hat es auf sie abgesehen – und wenn Miss Bayles den inkompetenten County Sheriffs nicht schnellstens bei den Ermittlungen unter die Arme greift, ist sie geliefert. Und zwar endgültig!

Über die Autorin:

Susan Wittig Albert wuchs in dem kleinen Städtchen Bismarck, Illinois auf und zog zum Studium nach Berkeley, Kalifornien. Nach einigen Jahren Lehrtätigkeit als Englischprofessorin in New Orleans und Austin konzentrierte sie sich komplett auf das Schreiben ihrer Romane. Susan Wittig Albert erreicht mit ihren Büchern regelmäßig die New York Times-Bestsellerlisten.

Bei dotbooks erscheinen die folgenden Romane aus ihrer Cosy-Krimi-Reihe »Ein Fall für China Bayles«:

»Miss Bayles und die tote Nachbarin«

»Miss Bayles und die Nacht der Toten«

»Miss Bayles und der Mord am Professor«

***

eBook-Neuausgabe Juni 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »Rosemary Remembered« bei The Berkley Publishing Group, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1998 unter dem Titel »Gegen Mord ist kein Kraut gewachsen« bei Droemer Knaur.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 by Susan Wittig Albert

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1998 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Fotoluminate LLC / Ola-la sowie © Pixabay / AnnaliseArt / Cocoparisienne

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-450-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Susan Wittig Albert

Miss Bayles und die üblichen Verdächtigen

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Sibylle Schmidt

dotbooks.

Anmerkung

Dieser Roman spielt in der fiktiven texanischen Stadt Pecan Springs; auch Elemente wie die Central Texas State University und The Springs Resort Hotel sind frei erfunden. Falls Sie sich im Hill Country in Texas auskennen, glauben Sie bitte nicht, daß es sich bei Pecan Springs um eine der real existierenden Städte wie San Marcos, New Braunfels, Wimberley oder Fredericksburg handelt. Auch ist die CTSU mit keiner Universität der Region identisch. Ich hoffe, Sie werden mir ferner verzeihen können, daß ich das Adams County zwischen den Countys Travis und Bexar angesiedelt habe und den Pecan River am östlichen Rand des Edwards Aquifer fließen lasse. Die Figuren und Ereignisse dieses Buches wurden zum Vergnügen der Leser geschaffen; Verweise auf reale Personen, Orte und Ereignisse sollen lediglich dazu beitragen, dem Roman ein authentisches Gepräge zu geben und Ihnen zu suggerieren, daß es Pecan Springs tatsächlich gibt.

Kapitel 1

Die meisten gebräuchlichen Kräuter kommen mit Hitze und Trockenheit gut zurecht. Es wird sogar behauptet, daß trockenes, heißes Klima ideal ist für Kräuter. Die ätherischen Öle in den Blättern sind dann besonders intensiv, der Duft wird stärker, der Geschmack aromatischer.

China Bayles,

A Book of Thyme and Seasons

Die brütende Hitze in Pecan Springs hielt schon seit Wochen an. Jeden Morgen hing die orangerote Sonne am wolkenlosen Himmel wie eine Feuerkugel, nachmittags stieg das Thermometer auf 38 Grad, und nachts war die Luft so feuchtheiß, daß man kaum atmen konnte. Bei solchem Wetter weiß man nie, was als nächstes passiert. Den Leuten brennen schnell die Sicherungen durch.

Constance Letterman und Ruby Wilcox waren das beste Beispiel dafür. Am Donnerstag morgen stand Constance in meinem Kräuterladen vor dem Tresen, fächelte sich mit einer Reklamesendung Luft zu und klagte über die Hitze. Constance ist klein und rund; noch ein, zwei Schokoriegel, dann drohen die Weight Watchers. Normalerweise ist sie fit und quirlig, aber heute morgen hingen ihre braunen Locken schlapp herunter, und sie wirkte ausgesprochen mißlaunig.

»Bei so ’ner Hitze schmoren ja sogar die Krötenechsen.« Sie klang vorwurfsvoll, als seien Ruby und ich für die Wetterlage verantwortlich. »Ist mir völlig unklar, wie man in so ’ner Hitze leben soll. Da verbrutzelt einem doch der Verstand.«

Ruby Wilcox blickte von dem Karton mit Programmen der Kräutertage auf, die sie für mich auspackte. »Ich hab es noch nie erlebt, daß es kühler wird, weil jemand herumzetert.« Sie klang giftig. »Und in diesem Teil von Texas gibt es keine Krötenechsen mehr, Constance. Sie sind von den Feuerameisen vertrieben worden.«

Constance wedelte heftiger mit der Reklame, und ihr Gesicht wurde noch rosiger. »Kein Grund, sich aufzuregen, Ruby.« Sie richtete ihre Worte an einen von der Decke hängenden Chilikranz. »Manche Leute nehmen wirklich alles zu wörtlich.«

Ich stellte eine Schale mit frisch gezupften duftenden Pfefferminzblättern neben das Telefon. Ich heiße China Bayles. Ruby Wilcox ist meine Mieterin und beste Freundin, und wahrscheinlich hat ihr zum ersten Mal jemand vorgehalten, daß sie die Dinge zu wörtlich nimmt. Die CRYSTAL CAVE, ihr Laden, und THYME AND SEASONS, mein Kräuterladen, sind beide in dem alten Haus an der Crockett Street unweit des Rathausplatzes untergebracht, das ich vor einigen Jahren gekauft habe. Wie Sie sicher erraten haben, ist die CRYSTAL CAVE ein Esoterik-Laden, in dem es Räucherstäbchen, Runensteine, Sphärenmusik und Horoskop-Bücher zu kaufen gibt. Wie Sie sich vielleicht auch denken können, ist die CAVE der einzige Esoterik-Laden in Pecan Springs, und Ruby erregt damit einiges Aufsehen. Doch das tut sie sowieso. Sie ist eins dreiundachtzig (manchmal auch größer, je nach Schuhwerk), hat karottenrote, unzähmbare Haare, Sommersprossen und große Augen, die mal grün, grau oder braun sind (je nach Farbe der Kontaktlinsen). Heute morgen hatte sie grüne Augen, und ein grünes Band bändigte das orange Lockengewirr. Sie trug ein spitzendurchwirktes lose sitzendes beiges Top, einen weiten, knöchellangen Rock in unterschiedlichen Grüntönen und flache grüne Sandalen. Ihre Zehennägel hatten dieselbe Farbe wie ihre Haare, und ihre Fingernägel hatten dieselbe Farbe wie ihre Zehennägel. Ruby ist eine Augenweide.

Constance Letterman ist Besitzerin und Chefin des GRAFT EMPORIUM an der Ecke Crockett/Guadalupe gleich nebenan. Das große viktorianische Haus, das etliche Geschäfte beherbergt, erinnert mich immer ein wenig an eine schrullige, aber liebenswerte alte Jungfer, die mit Hutschachteln und Weidenkörben beladen ist, einen mit Gartenrosen überladenen Schlapphut trägt und nach Lavendel und Maiglöckchen duftet. Es ist bis unters Dach vollgestopft mit kleinen Läden, in denen man Kerzen, altes Porzellan, Knöpfe, Spitzen und Antiquitäten erstehen kann. Wenn Sie das nächste Mal nach Pecan Springs kommen, sollten Sie dort unbedingt mal reinschauen. Und wenn Sie schon in der Nähe sind, können Sie auch THYME AND SEASONS einen Besuch abstatten.

Auch in Bestform sind Constance und Ruby eher hitzige Gemüter, und wenn sie aneinandergeraten, schlagen sie Funken. Heute kamen sie mir vor wie Feigenkakteen, die ein Tänzchen auf einem heißen Felsen aufführen. Ich wechselte das Thema.

»Waren Sie gestern abend beim Feuerwerk, Constance?«

Am vierten Juli, dem Nationalfeiertag, veranstaltet die Handelskammer von Pecan Springs alljährlich ein Feuerwerk im Little League Park hinter dem Festgelände. Alle kommen mit Kind und Kegel und lagern auf Decken im Gras oder fläzen sich auf Liegestühlen auf der Ladefläche ihrer Pickups. Die Stoßstangen sind mit der texanischen Flagge und Sprüchen wie »Kauft einheimisch oder holt die Stütze in Japan« dekoriert. Der Lions Club verkauft Chili Dogs und Nachos mit Jalapeño Cheese und süßen Eistee in Styroporbechern, im Hintergrund dröhnt deftige Countrymusik, und alle schreien begeistert »ooh« und »aah«, wenn die bunten Schauer den Nachthimmel erhellen. Wenn der letzte Goldregen verblaßt ist, spielt eine einheimische Band zum Tanz auf. Gestern waren es die Possum Brothers. Als erste Nummer brachten sie »Blue Eyes Cryin’ in the Rain«. Uns packte die Sehnsucht. Obendrein war es brütend heiß. Alles wäre recht gewesen, Straßenreinigung, Platzregen oder Hurrikan, Hauptsache Kühlung.

Unser Wunsch wurde erhört. Nachts ging ein Schauer nieder, aber es kühlte nur um ein, zwei Grad ab, und durch die verbliebene Feuchtigkeit geriet jedermann ins Hecheln und wurde noch dünnhäutiger.

»Na sicher war ich beim Feuerwerk«, antwortete Constance pikiert, als hätte ich ihr unterstellt, daß sie den Geburtstag ihrer Mutter vergessen hatte. »Da geht doch am Vierten jeder hin.«

Das stimmt. Festtage läßt man sich nicht entgehen in Pecan Springs. Feuerwerk am vierten Juli, Umzug der Festwagen am Labor Day, Pecan Springs Festival im Oktober, »Heilige Nacht« um den Weihnachtsbaum auf dem Rathausplatz, Zapfenstreich auf dem Friedhof am Memorial Day. Wer aus New York oder Chicago kommt, findet solche Lustbarkeiten wahrscheinlich mickrig. Aber die Leute hier sind damit aufgewachsen, haben ihre Freude daran und wollen ihren Kindern die Bräuche weitergeben. Vierter Juli, Labor Day und Pecan Festival Weekend sind große Ereignisse im Leben einer Kleinstadt, und wir treffen uns zum Feiern und wissen dabei, daß wir weniger den Anlaß als vielmehr uns selbst und die Hoffnung feiern, die uns verbindet.

Dieses Gemeinschaftsgefühl ist das glatte Gegenteil zu dem Hauen und Stechen, zu dem ich verpflichtet war, als ich noch für eine große Kanzlei in Houston als Strafverteidigerin arbeitete. Ich kannte mal einen namhaften Verteidiger, der stolz behauptete, er gehe grundsätzlich bewaffnet in den Gerichtssaal. Wenn er mit dem Gegner fertig war, sollte der tot am Boden liegen. Es war wohl als Metapher gemeint, aber so weit hergeholt ist das nicht. Unser Rechtssystem sieht keine Handgreiflichkeiten vor, aber es ist nichtsdestotrotz mörderisch. Immer wenn ich antrat, schlug ich auf die Anklage ein und mußte meinerseits einstecken. Ich war süchtig nach dem Adrenalinrausch, der mit Rechtsscharmützeln und Gerichtsgefechten einherging. Aber es war eine tolle Stelle; die beste in der ganzen Stadt, laut meinen Freunden, die mir immer wieder versicherten, daß ich ein Mordsglück hätte. Ich stellte was vor, verdiente mucho dinero, und noch vor der Menopause stand mir eine Teilhaberschaft an der Kanzlei in Aussicht.

Doch ich warf vorher das Handtuch. Ein paar Monate vor meinem Vierzigsten wurde mir klar, daß mich die ganze Sache anwiderte, daß ich den Filz und die Lügen, die Kriminellen und, ja, auch die Prozesse verabscheute.

Neun von zehn meiner Mandanten hatten Dreck am Stecken; wenn ich mich also ins Zeug legte, scharfsinnig, aggressiv und schlau genug war, liefen neun Straftäter frei herum. Ich begann mich zu fragen, ob ich das vor meinem Gewissen verantworten kann, und als ich mir diese Frage häufiger mit »nein« als mit »ja« beantworten mußte, reichte ich meine Kündigung ein und zog nach Pecan Springs, wo ich mir mit meinem unlauter erworbenen Geld ein schönes altes Haus mit einem Kräuterladen und Wohnräumen kaufte. Ich verdiene anständig, ich liebe meine Arbeit, und ich bin glücklich.

Doch ich konnte es mir nicht leisten, den Vormittag zu vertrödeln, indem ich mich zu meinem Ausstieg aus dem Streßleben beglückwünschte. An diesem Wochenende traf sich die Vereinigung der texanischen Kräuterzüchter und -händler zur alljährlichen Konferenz, die im Springs Resort Hotel am Stadtrand abgehalten wurde. Ich gehörte zum Planungskomitee und hatte noch tausenderlei Sachen zu erledigen. Doch bevor ich die in Angriff nahm, mußte ich McQuaids Lieferwagen abholen, den wir zärtlich »Die blaue Bestie« nannten. Er hatte ihn gestern abend Rosemary Robbins geliehen, damit sie einen neu erworbenen Aktenschrank und einen Stuhl transportieren konnte. Ich mußte ihn bei ihr abholen, um gemietete Tische zum Hotel zu schaffen.

Doch eins nach dem anderen. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Stapel Konferenzprogramme, den Ruby ausgepackt hatte. »Das sind doch keine hundertfünfzig Programme, Ruby. Da muß irgendwo noch ein Karton sein.«

Ruby schüttelte den Kopf. »Das sind alle. Die Druckerei scheint nicht genug geliefert zu haben.«

Ich seufzte. Noch ein Problem, als ob die Liste nicht schon lang genug wäre. Eine Konferenz für hundertfünfzig Leute auf die Beine zu stellen ist kein Spaziergang. Andere Mitglieder des Komitees kümmerten sich um das Bankett anläßlich der Preisverleihung, die Aussteller, die Workshops, Seminare und Talkrunden und das Spaghetti-Soßen-Wettkochen, den alljährlichen Höhepunkt der Konferenz. Ich hatte den Kräuterbasar zu organisieren, der am Samstag auch für Publikum geöffnet war, und in Zusammenarbeit mit dem Hotel dafür zu sorgen, daß alles nach Plan ablief. In den nächsten Stunden mußte ich also mit dem Hotel eine Liste durchgehen, Tische für den Basar heranschaffen und eine Ladung grüner T-Shirts mit dem Logo der Vereinigung aufspüren, die zuletzt im falschen UPS-Laster gesichtet wurden, der mit Höchstgeschwindigkeit gen Sonnenuntergang brauste. Und natürlich hatte just an einem Wochenende, an dem Hunderte angereister Herbalisten auch im THYME AND SEASONS vorbeischauen würden, die altersschwache Air-condition im Laden zu rasseln und keuchen begonnen, als wolle sie an Lungenentzündung eingehen. Doch Herbalisten sind verständnisvolle Zeitgenossen, die Air-condition spie immer noch etwas kühle Luft aus, und UPS hatte angerufen und mitgeteilt, daß die flüchtigen T-Shirts in Lubbock aufgegriffen worden waren und umgehend nach Pecan Springs geliefert würden. Ich sah langsam Land.

Ich wandte mich zu Ruby. »Ich muß los, Ruby. Übernimmst du den Laden, bis Laurel kommt?«

Laurel Wiley springt bei Bedarf ein, was in letzter Zeit aufgrund der Konferenz recht häufig der Fall war. Aber sie steht nicht nur im Laden herum, sondern ist auch Expertin für Kräuter des Südwestens, und von ihr kann ich immer noch lernen. Wenn man rätselt, worum es sich bei Lippia graveolens, Poliomintha longiflora oder Coriandrum sativum handelt, muß man nur Laurel fragen.

»Klar«, sagte Ruby. »Außerdem bin ich dir was schuldig. Du hast bei mir letzte Woche ein paarmal ausgeholfen.«

»Das ist das Gute, wenn man zwei Läden unter einem Dach hat«, sagte Constance. »Man kann sich abwechseln.«

»Genau.« Ruby erhob sich. »Man hat noch was vom Leben, während man seinen Lebensunterhalt verdient.«

Vor ein paar Monaten noch war der Laden auf zwanzig Quadratmeter beschränkt gewesen, und ich hatte in den vier Räumen dahinter gewohnt. Sie waren groß und wunderschön, doch im Laden hatten wir nicht viel Platz gehabt. Dann war ich mit Mike McQuaid, meinem Freund, und seinem elfjährigen Sohn Brian in ein Haus im Grünen gezogen und hatte meine ehemaligen Wohnräume in Verkaufsräume umfunktioniert. Ich muß zugeben, daß mir das Leben en famille noch nicht recht geheuer ist, aber ich habe im Tausch gegen meine Unabhängigkeit tolle Ladenräume und eine solide Beziehung bekommen, auf die immer Verlaß ist. Zur Zeit denke ich darüber nach, ob ich in meiner ehemaligen Küche eine Kräuterteestube einrichten soll.

Mit den neuen Räumen ist THYME AND SEASONS fast vollkommen – wenn die Umbauarbeiten abgeschlossen sind. In den Holzborden an den Wänden stehen große Krüge und Steinguttöpfe voll getrockneter Kräuter, kleine Gefäße mit Kräutertinkturen und Fläschchen mit ätherischen Ölen und Duftessenzen. Man findet Kräutermischungen, etliche Essigsorten und Gelees zum Aufpeppen der Speisen und Kräuterseifen sowie Kosmetika und Aromaöle zum Aufpeppen von Leib und Seele. In einer gemütlichen Lesenische kann man in Kräuterbüchern schmökern, in den Ecken stehen Körbe mit Duftkugeln und -säckchen, von der Decke hängen Schafgarbe-, Rainfarn- und Salbeisträuße, Chili- und Knoblauchzöpfe schmücken die Wände, und überall stößt man auf Kränze aus Edelraute und Beifuß und zarte Trockenblumengebinde, die einen süßen, würzigen Duft verströmen.

Auf dem Gelände vor dem Haus haben Laurels Schwester Willow und ich letztes Frühjahr im Schweiße unseres Angesichts Themengärten angelegt: Es gibt einen silbernen Garten, einen Teegarten, einen Schmetterlingsgarten, einen Färbergarten, einen Küchengarten. Wir werden allerdings erst in einigen Monaten damit fertig sein – oder wohl eher nie, denn Kräutergärten haben die Eigenschaft, unentwegt weiteren Einsatz zu verlangen. Doch die Gärten machen sich schon positiv beim Umsatz bemerkbar und sehen zauberhaft aus.

Constance hörte mit dem Wedeln auf und strich sich das feuchte Haar aus den Augen. »Ich geh mal lieber zurück ins Emporium.« Sie wandte sich zur Tür. »Rosemary Robbins kommt heute nachmittag, um die Bücher durchzusehen.« Rosemary Robbins. Dieselbe Rosemary, die sich McQuaids Lieferwagen ausgeborgt hatte. Sie machte auch für mich, für Ruby, Constance und McQuaid die Steuer.

Wenn man vom Teufel spricht. Als ich Constance verabschiedete, klingelte das Telefon. Ich schob die Schale mit Minzeblättern beiseite und griff nach dem Hörer.

»Hi«, sagte McQuaid. »Hast du die Bestie schon bei Rose-mary abgeholt?«

»Ich wollte grade los«, sagte ich.

»Okay.« Er klang eigenartig. »Aber sei vorsichtig.«

Ich stieß ein kurzes Lachen aus. »Vorsichtig? Damit die arme alte Bestie nicht noch eine Delle kriegt?«

Meine halb sarkastische Bemerkung muß erläutert werden. Mike McQuaid und ich lernten uns kennen, als ich noch Strafverteidigerin und er bei der Houstoner Mordkommission war – keine Kombi, die eine Partnerschaftsvermittlung anraten würde. Ich fand ihn zwar auf Anhieb toll, doch ich verdrängte die Versuchung. Ich wollte keine Beziehung. Dafür braucht man zuviel Zeit, und ich war Verteidigerin, was ein Verhältnis mit einem Cop von vornherein ausschloß. Kurz nachdem ich meinen Beruf an den Nagel gehängt hatte und nach Pecan Springs gezogen war, traf ich McQuaid wieder. Er war aus dem Polizeidienst ausgestiegen, aus ähnlichen Gründen, aus denen ich der Juristerei den Rücken gekehrt hatte. Er schrieb an seiner Doktorarbeit und lehrte an der Central Texas State University im Norden von Pecan Springs Kriminologie. Ich nannte ihn weiterhin McQuaid, wie zu den Zeiten, als wir noch auf juristischem Gebiet gegeneinander angetreten waren. Eins kam zum andern, und wir wurden ein Liebespaar.

Unsere Beziehung hat sich in den letzten drei Jahren intensiviert, obwohl ich mich nicht gerade darum bemüht habe. Liebe ist nicht das Problem, denn McQuaid ist ein charmanter Mann, und wir haben viele gemeinsame Interessen, die unter anderem wunderbar sinnlicher Natur sind. Sex mit ihm ist klasse und wird ständig noch toller.

Nein, meine Gefühle für McQuaid standen dem Einlassen auf eine Beziehung nicht im Wege. Ich fürchtete mich nur vor der Enge des Zusammenlebens. Ich war immer gerne allein. Ich plante gerne für mich allein und war gerne mein eigener Herr. Ich wollte diesen Zustand nicht aufs Spiel setzen, und McQuaid war ein doppeltes Risiko, denn er ist alleinerziehender Vater mit Sohn. Außerdem hatte er nicht für immer an der CTSU bleiben wollen. Er strebte eine Professur an einer Großstadt-Uni an, die ihn seiner Qualität entsprechend bezahlen konnte. Eine Bindung an ihn bedeutete für mich also, sowohl Mutter zu werden als auch in die Stadt zurückzuziehen – und zu beidem war ich nicht bereit.

Doch im letzten Frühjahr entschied sich McQuaid gegen eine Professur an der New York University und nahm statt dessen eine Stelle an der CTSU an. In derselben Woche erfuhr er, daß Brian und er ihr Haus verlassen mußten. Nachdem ich mir eine Weile den Kopf zerbrochen und McQuaid mich hartnäckig bearbeitet hatte, willigte ich schließlich ein, vorerst für anderthalb Jahre mit ihm und Brian in ein Haus mit fünf Schlafzimmern zu ziehen, das genug Raum bot für zwei Erwachsene, ein Kind und einen großen Hausstand, dem eine erlesene Kollektion von Kräuterbüchern, eine ansehnliche Waffensammlung und diverse Reptilien und Spinnen angehörten (unter anderem – ob Sie’s glauben oder nicht – eine Tarantel namens Iwan der Wuschlige). Sowie Khat, ein kapriziöser siamesischer Kater, und ein cholerischer Basset, der völlig zu Recht den Namen des Boxreporters Howard Cosell trägt.

Bislang bin ich positiv überrascht vom Zusammenleben mit McQuaid. Natürlich gibt es die üblichen kleinen Alltagsreibereien, doch insgesamt empfinde ich diese wohlige Heimeligkeit, dieses Aufleben von Körper und Seele in der Wärme und Geborgenheit des Heims als ausgesprochen wohltuend. Doch eine andere Stimme – die emanzipierte China – behauptet hartnäckig, daß es zu wohltuend und gemütlich sei. Hast du denn nichts gelernt aus der Frauenbewegung? raunt sie. Du sollst Sitzungssäle beherrschen, Karriere machen und Konkurrenten ausschalten. Wieso spülst du Geschirr und beziehst Betten? Weißt du nichts Besseres anzufangen mit deiner Zeit?

Außerdem ist da noch Brian. Er ist elf, ich bin vierundvierzig. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben Mutter, und mit einem präpubertären Jungen unter einem Dach zu leben verlangt mir einige Lernprozesse ab. Zudem ist es Brian seit der Scheidung seiner Eltern vor fünf Jahren gewohnt, mit seinem Vater allein zu sein. Er ist natürlich nicht gerade entzückt, daß er seinen Dad jetzt mit einer anmaßenden, lästigen Frauensperson teilen soll, die es gewohnt ist, ihren Willen durchzusetzen.

Und dann kommt noch etwas dazu. Seit ich erwachsen bin, war ich keinem verpflichtet, und niemand war mir verpflichtet. Jetzt habe ich das Gefühl, daß ich Verantwortung für McQuaid trage. Und, schlimmer noch: Er scheint sich für mich verantwortlich zu fühlen. Daß er mich nun beispielsweise auffordert, vorsichtig zu sein. Das mag Ihnen wie eine Lappalie vorkommen, aber es stört mich, und dann werde ich sarkastisch, wie jetzt eben. Was natürlich immer für schlechte Stimmung sorgt. Auch in diesem Fall.

McQuaids Stimme wurde stählern und beherrscht; seine Fahren-Sie-rechts-ran-und-steigen-Sie-aus-Stimme. »Ich sagte, du sollst vorsichtig sein, China. Meine Exkollegen aus Houston haben grade angerufen. Vorgestern haben sie Jake Jacoby auf Bewährung rausgelassen.«

Ich horchte auf. Vor sieben oder acht Jahren brachte Jake Jacoby seine Frau und seine Schwiegermutter um und verbarrikadierte sich anschließend in seinem Haus. McQuaid gelang es, ihn auf die Veranda zu locken, wo ihn die Polizei in Empfang nahm. Jake war nicht begeistert.

»Ich dachte, er hätte fünfundzwanzig Jahre gekriegt«, sagte ich. Es war Mord im Affekt, und Jacoby hatte sich einen guten Anwalt genommen – nicht mich, zum Glück. Ich hatte mir einiges vorzuwerfen, aber wenigstens das nicht.

»Fünfundzwanzig Jahre?« McQuaids Lachen war bitter. »Sie kennen sich doch aus, Frau Anwältin. Die Gefängnisse sind überfüllt. Die Straftäter kriegen für jeden abgesessenen Tag zwei abgezogen für gute Führung.« Er hielt inne. »Wo ist deine Pistole?«

»Vergiß es«, sagte ich. Die 9-mm-Beretta steckte in der Wandtäfelung im Lagerraum hinter dem Laden. Ich hatte sie nur einmal zum Einsatz gebracht, und dabei kam jemand – spielt jetzt keine Rolle, wer – zu Tode. Ich würde sie nie wieder anfassen. Niemals.

McQuaid schwieg. Als er weitersprach, klang seine Stimme mühsam beherrscht. »Sei vernünftig, China. Den Gerüchten aus dem Knast nach hat Jake geschworen, es mir heimzuzahlen. Ich habe Brian gesagt, wie er sich verhalten soll, und nun sage ich es dir. Wenn er im Laden auftaucht –«

»Wenn er im Laden auftaucht, rufe ich die Polizei«, sagte ich und fand das sehr vernünftig.

»Die Polizei!« Jetzt wurde McQuaid sarkastisch. »Glaubst du, Bubba hat nichts Besseres zu tun, als auf deinen Hilfeschrei zu warten?« Bubba Harris ist der Polizeichef von Pecan Springs, ein waschechter Texaner der alten Sorte mit Zigarre und Bierbauch. Er greift hart durch und hält Ordnung in der Stadt, aber er ist knapp an Personal.

Ich mußte zugeben, daß McQuaids Sorge nicht ganz aus der Luft gegriffen war. Aber es ging hier nicht um Argumente, sondern um Macht. Die emanzipierte China ergriff das Wort, die China, die sich von keinem etwas sagen läßt. Sie war sauer, und sie sprach für mich.

»Hör zu«, sagte sie, »ich werde den Wagen abholen und dann die tausendfünfhundert Sachen erledigen, die noch anstehen bis heute mittag. Wenn du mit mir beim Lunch darüber reden willst –«

»Ich will gar nicht reden. Hol deine Pistole und pack sie in deine Handtasche. Jacoby ist gefährlich.«

»Ich habe keinen Waffenschein.«

»Seit wann läßt du dich denn von so was aufhalten?« Er klang schroff. »Ich will, daß du die Augen offenhältst, China.« Ich stieß einen übertrieben lauten Seufzer aus und sagte: »Also gut. Wie sieht er aus?«

»Eins achtundachtzig, schwarze Haare, schwarzer Schnurrbart, zwölf Zentimeter lange Narbe von einem Messerstich am rechten Unterarm, rechts am Hals und an der rechten Schulter hat er eine Tätowierung, eine Schlange. Ohne Messer oder Kanone hält er sich für nackt.« McQuaid klang finster. »Ich möchte, daß du auf dich aufpaßt, China. Sieh dich vor.«

»Mach ich schon«, sagte ich. Ich legte auf, wobei ich mich vorsehen mußte, den Hörer nicht auf die Gabel zu knallen. »Worum ging es?« fragte Ruby. Sie schob die Schale mit Pfefferminzblättern neben die Kasse und sog genüßlich den Duft ein.

Ich fischte meine Schlüssel aus meiner Handtasche. »Um einen Mann mit einer Schlange«, sagte ich. »Und einen Ex-Cop mit einem Vaterkomplex.«

Kapitel 2

Für euch ist Rosmarin und Raute ...

William Shakespeare,

Das Wintermärchen

Es war noch früh am Tage, aber sobald man vor die Tür trat, schlug einem die Hitze ins Gesicht. In meinem zwölf Jahre alten Datsun, der in der Sonne gestanden hatte, war es so heiß wie in einem Backofen. Das Lenkrad glühte. Die Air-condition bemühte sich redlich, aber die Luft, die sie herumwirbelte, schien aus der Sahara zu stammen. Ich kurbelte das Fenster herunter und ließ die Feuchtigkeit herein. Texas im Juli. Wie haben es die Leute hier nur ausgehalten in ihren Blockhäusern, als noch kein Vertreter für Air-condition vor der Tür stand? Vor allem die Frauen, in lange Röcke gewickelt und in Krinolinen und Mieder gezwängt, die ihnen die Luft abschnürten. Es muß die reinste Folter gewesen sein.

Um McQuaid berichten zu können, daß ich mich vorsah, warf ich einen Blick in die Runde. Keine Spur von einem eins achtundachtzig großen Ex-Knacki mit schwarzem Schnauzer, Narbe und Schlangentätowierung. Ich schüttelte den Kopf über McQuaids Paranoia (einmal Cop, immer Cop, ständig auf der Hut), fuhr auf die Crockett raus, bog links ab und hielt auf das Gerichtsgebäude zu.

Die Touristen strömen zuhauf zu den altehrwürdigen Fachwerkhäusern im Zentrum von Pecan Springs. (Der Stadrat hat kürzlich in einen öffentlichen Lokus hinter der Bücherei investiert, um sich der dringenden Bedürfnisse der Besucher anzunehmen; angeblich hatte Henry Hoffmeister vom Kurzwarenladen darauf gedrängt, weil er es leid war, den Massen Klopapier und Örtchen zur Verfügung zu stellen.) Die Reisenden erwarten sich nicht nur landschaftliche Schönheiten, sondern auch einen Hauch des alten Texas, den die Geschäftsleute hier ausgiebig kultivieren. Der Gerichtsplatz ist mit blau-weiß-roten Fähnchen geschmückt, und auf Plakaten wird verkündet, daß am Samstag die Straßen für den Square-dance-Wettbewerb abgesperrt werden.

Heute morgen stand ein Schwarm alter Damen in Sommerkleidern und weißen Schühchen an der Ecke und lauschte Vera Hooper, der Stadtführerin. Vera trug einen Jeansrock und ein gelbes T-Shirt mit handgemalten Kakteenmotiven und rühmte die architektonische Schönheit des Gerichtsgebäudes, das vor hundert Jahren aus hundertsechzig Wagenladungen rosa Granit erbaut wurde, die man eigens per Güterzug aus dem Burnet County heranschaffte. Als ich an ihr vorbeifuhr, wies Vera gerade auf das Sophie-Briggs-Museum gegenüber, in dem es (nebst anderen Kostbarkeiten) ein Puppenhaus zu bewundern gibt, das einst Lila Trumm, der Miss Pecan Springs von 1936, gehört hat, sowie Sophie Briggs’ Keramikfrosch-Sammlung. Das Sophie-Briggs-Museum ist eine große Attraktion unserer Stadt. Man fragt sich, was die Leute an Keramikfröschen so faszinierend finden.

Der Gerichtsplatz ist der erste Programmpunkt der Nostalgie-Tour. Wenn die alten Damen das Gerichtsgebäude ausreichend bestaunt und hernach den neuen öffentlichen Lokus benutzt haben, werden sie in einen wohltemperierten Minibus steigen, den sogenannten »Gürteltier-Expreß«, und sich die Anderson Avenue entlangkutschieren lassen, um die viktorianischen Häuser zu betrachten. Pecan Springs wurde 1840 von deutschen Siedlern gegründet, doch der große Bauboom setzte erst in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts ein. Die Eisenbahnstrecke brachte den Wohlstand, mit dem man sich Bauten wie das Gericht, die viktorianischen Häuser mit ihrem Zuckerbäckerstil, das Grande Theater und das Springs Hotel erlauben konnte. Es war eine goldene Zeit, aber ich gehe jede Wette ein, daß die Leute damals bereitwillig alles eingetauscht hätten gegen Klimaanlagen. Ferner wette ich, daß Vera Hoopers Damen sich weitaus weniger für die Nostalgie-Tour begeistern würden, wenn sie die ganze Strecke zu Fuß gehen müßten, statt im angenehm kühlen Gürteltier-Expreß zu sitzen.

Ich winkte Vera zu, fuhr die Anderson entlang bis zum Chisos Trail und bog rechts ab. Ein paar Straßenzüge weiter westlich kommt man nach Pecan Park, einer jüngst gestalteten Wohngegend mit teuren Häusern, die von künstlich grünen Rasenflächen, unechten Felsenterrassen und ausgebaggerten Gartenteichen umgeben sind. Pecan Park hat wenig mit Pecan Springs gemein. Mich erinnert die Gegend immer an den Vorort von Houston, in dem ich früher gewohnt habe: grün, ruhig und tot. Ich war ziemlich sicher, daß die meisten Bewohner dieser Häuser heute morgen nicht zu Hause sein konnten, um ihren Luxus zu genießen. Die meisten mußten vermutlich von früh bis spät schuften, um ihre Luxus-Hypotheken abzubezahlen.

Rosemary Robbins wohnte in einer kurvigen Straße in der Nähe des Chisos Trail. Das Haus war hinter Zedern und Stechpalmenbüschen verborgen. Violette Myrte und buschiges Pampasgras, umgeben von einer Rabatte mit Scharlachsalbei, sorgten für Farbtupfer. Die Anlage war sorgfältig mit Rindenstücken bestreut, und dank Garcia’s Garden Service ließ sich nirgendwo auch nur ein Hälmchen Unkraut entdecken. Die asphaltierte Auffahrt führte hinter einem Eichenhain vorbei und endete wieder auf der Straße. Durch die Bäume konnte ich McQuaids blaue Bestie erkennen, die verschämt hinter Rosemarys schickem grauem Mazda stand. Dies war nicht das Ambiente, in dem sich ein betagter Lieferwagen heimisch fühlte; von einem zwölf Jahre alten Datsun ganz zu schweigen.

Ich parkte mit Rangierabstand hinter der Bestie und stieg aus. McQuaid hatte Rosemary gebeten, den Wagen abzuschließen und den Schlüssel in die Magnetbox unter dem Kotflügel zu legen. Ich wollte mich nicht länger aufhalten, sondern gleich weiterfahren. Den Datsun konnten McQuaid und ich heute abend abholen.

Die Hitze schlug mir entgegen, als ich ausstieg, und die Zikaden begannen mit ihrem lauten metallischen Rattern. Ein Gelbschnabelkuckuck setzte diesem monotonen Lärm sein boshaftes Glucken entgegen. Leatha, meine Mutter, nennt diese Vögel »Regenkrähen«. Wenn ich dieses düstere Glucken höre, denke ich an Sommernachmittage, als ich zehn oder elf war und in meinem Lieblingsbaum ein Buch las, während Leatha unten auf einer Chaiselongue lag, ihr Gin-Glas in Reichweite. Die Regenkrähe bringt Unglück, sagte Leatha immer mit ihrem sanften Südstaatentonfall. Sieh dich vor, wenn du sie hörst. Derlei Warnungen boten ihr Schutz vor den unberechenbaren Gefahren einer Welt, die sich ihrem Zugriff entzog. Vorsicht vor Autos. Paß auf deine Handtasche auf. Schließ den Wagen immer ab. Laß dich nicht anfassen.

Zum Trotz schloß ich den Wagen nicht ab, als ich zur Bestie ging. Ich wollte nicht an Leathas Warnung denken – und auch nicht an die von McQuaid. Sicher, Jacoby war ein übler Kumpan, und was er mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter angestellt hatte, konnte einem das Gruseln lehren. Aber er konnte überall stecken, in Dallas, in Houston, in El Paso. Außerdem, hielt ich mir vor – oder vielmehr: die emanzipierte China tat es –, ging es nicht um Jacoby. Ich tastete unter dem Kotflügel nach der Magnetbox und zog sie hervor. In Wirklichkeit ging es um Macht. In Wirklichkeit ging es ...

Kein Schlüssel. Nun gut, kein Problem. Rosemary hatte ihn wahrscheinlich unter den Sitz gesteckt. Und wenn der Lieferwagen abgeschlossen war, würde ich eben klingeln. Ihr Wagen stand hier, sie mußte also zu Hause sein.

Doch die Bestie war nicht abgeschlossen. Die Tür an der Fahrerseite war nicht einmal richtig eingerastet. Ich zog sie auf, und da sah ich Rosemary.

Sie war nach rechts auf den Sitz gesunken, das Gesicht nach oben gewandt. Die leblosen Augen waren aufgerissen und starrten ins Leere. Ein sauberes, glattes Loch unter ihrem linken Wangenknochen. Der Sitz unter ihrem Gesicht war blutverkrustet und wimmelte vor Fliegen. Dunkle Blutspritzer überall auf der Beifahrerseite, auf dem Armaturenbrett, der Windschutzscheibe. Blut und Fetzen von irgend etwas. Fetzen von Rosemarys Hirn.

Ich würgte und trat zurück. Die Zikaden waren plötzlich Hunderte wütender Klapperschlangen, die Hitze eine rauhe, schweißige Hand, die mir den Atem nahm. Ich hielt mich an der Tür fest, weil mir schwindlig wurde, dann riß ich die Hand zurück, weil ich keine Fingerabdrücke verwischen wollte.

Nach einer Weile zwang ich mich, wieder hinzuschauen, aber ich versuchte Rosemary nicht anzusehen. Die Schlüssel steckten im Zündschloß, Rosemarys Handtasche lag auf dem Boden, die Brieftasche ragte heraus. Aus einer Plastiktüte neben der Handtasche quollen Seifenstücke, eine Tüte Milch, ein Kohlkopf. Alles war mit kleinen roten Punkten übersät. An dem Haken über der Beifahrertür hingen blutbespritzte Kleidungsstücke, die sie aus der Reinigung geholt hatte. Auf der Ladefläche hinten konnte ich einen grauen Aktenschrank und einen Stuhl ausmachen.

Lebensmittel, gereinigte Kleider, gebrauchte Möbel. Alltägliche Gegenstände.

Doch für Rosemary Robbins war das Alltagsleben zu Ende, jegliches Leben. Das blecherne Rasseln der Zikaden verstummte in der Stille, die von ihr ausging. Eine saure Flüssigkeit sammelte sich in meinem Mund. Ich schluckte, beugte mich über sie. Sie hatte eine elegante beige Hose, eine cremefarbene Seidenbluse und ein Paisley-Tuch getragen. Ich tastete nach der Halsschlagader. Nichts. Ihre Haut war kühl und ihre Stille endgültig, unwiderruflich.

Ich blickte auf sie hinunter. Sie war so weit weg, so unerreichbar. Wer war sie gewesen, diese Frau, die ich bewundert, aber kaum gekannt hatte? Was hatte ihr Kraft gegeben, was hatte ihr Kummer bereitet, ihr Ruhe geschenkt? Wie war es zu diesem schrecklichen Ende gekommen? Und ich wußte um die traurige Wahrheit: Nur hier, in diesem letzten stillen Moment, konnte Rosemary Robbins noch sie selbst sein. Binnen kurzem würde sie die Leiche des Gerichtsmediziners werden, der Mordfall der Polizei, das Mordopfer des Staatsanwalts, das aktuelle Verbrechen der Medien. Wir alle, die Lebenden, würden sie sezieren, konstruieren, imaginieren, sie unseren Bedürfnissen und Zwecken entsprechend gestalten. Nur in diesem Augenblick, in dem ihr Tod entdeckt, jedoch nicht bestätigt war, konnte sie noch die Frau sein, die sie zuvor gewesen war. Hier, in heimlicher Zweisamkeit mit dem Tod, wünschte ich mir, sie besser gekannt zu haben.

Ich trat zurück und atmete tief durch, versuchte mich zu fassen. Dann wandte ich mich ab und rief von einem Nachbarn aus die Polizei an. Als der Streifenwagen eintraf, ging ich neben dem Lieferwagen auf und ab und nahm die Details in mich auf: Die Tür war nicht zugezogen gewesen, das Fenster geschlossen und unbeschädigt, ihre Brieftasche befand sich in ihrer Handtasche, keinerlei Spur von einer Waffe. Falls sie nicht unter der Leiche lag, konnte man Selbstmord ausschließen. Wenn sie ermordet worden war, mußte der Täter sie bei offener Tür erschossen haben, als sie am Steuer saß – gestern abend möglicherweise, als sie mit ihren Möbeln, ihren Lebensmitteln, den Kleidern von der Reinigung nach Hause kam. Ich fragte mich, ob sie etwas geahnt hatte. Und fragte mich, warum das geschehen war. Warum Rosemary? Unwillkürlich starrte ich wieder auf die Blutspritzer, die Hirnpartikel. Warum, warum nur?

Der erste Polizist, der eintraf, war ein schmaler nervöser Mann mit brauner Haut und großen Augen, die an einen Cockerspaniel erinnerten. Sein Namensschild wies ihn als »Gomez, H.« aus. Er warf einen Blick auf die Leiche und rannte zu seinem Wagen zurück, um über Funk Unterstützung anzufordern. Wenige Minuten später traf Walker, G., ein, eine breitschultrige Frau mit energischem Kinn, rauher Stimme und dem Gebaren eines Offense-Tackle, der es nicht erwarten kann, in Aktion zu treten und sich zu bewähren – Grace Walker, die bis vor ein paar Monaten als Gefängnisaufseherin gearbeitet hatte und nun zur Streifenpolizistin befördert worden war. Graces Mutter, Sadie Stump, ist in dem Lebensmittelgeschäft an der Ecke Guadalupe und Green Street beschäftigt. »Dieses Mädel«, sagt Sadie jedesmal stolz, wenn sie mein frisches Gemüse eintippt, »meine Grace, die wird’s noch weit bringen. Da sollten sich alle vorsehn.«

Grace warf einen Blick auf Rosemary, dann sah sie mich an. »’ne Freundin von Ihnen?« Sie schaute noch einmal zu Rosemary hinüber. »Oder Ihre Schwester?«

»Schwester?« fragte ich erstaunt. »Wie kommen Sie darauf?«

Grace zog ihre buschigen Augenbrauen hoch, was soviel bedeutete wie ein Achselzucken. »Sie sehn sich irgendwie ähnlich. Braune Haare und so ’n eckiges Gesicht.«

»Nein, sie war nicht meine Schwester«, sagte ich. »Eine Freundin.« Doch das stimmte auch nicht. Rosemary Robbins und ich hatten uns nicht gut genug gekannt, um Freundinnen zu sein; wir waren höchstens flüchtige Bekannte gewesen. »Ich hatte eigentlich hauptsächlich geschäftlich mit ihr zu tun«, fügte ich hinzu.

Ich betrachtete wieder ihr lebloses Gesicht. Ich wußte nicht einmal, wer um sie trauern würde. Wem würde die Welt leer erscheinen ohne sie?

»Wie geschäftlich?«

»Sie war meine Steuerberaterin. Sie hat meine Steuererklärung gemacht, meine Bücher geführt und diese Dinge.« Ich hörte eine Sirene. Die Verstärkung rückte an.

»Steuern, was?« Grace machte eine knappe Bewegung mit der Schulter. Das schien ihr einzuleuchten. »Vielleicht hat jemand was nicht gekriegt, auf das er gewartet hat, und da hat er’s an ihr ausgelassen. Ich hab kürzlich gelesen, daß Steuerberater öfter von Leuten bedroht werden, die meinen, sie seien betrogen worden. Wie Anwälte, wissen Sie? Anwälte werden ständig umgebracht. Da rennt einfach einer in ihr Büro und ballert los.« Sie seufzte, nahm ihre Mütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Lohnt sich meist nicht, wenn man’s weiter bringt als die andern, wie?«

Ein Streifenwagen hielt am Straßenrand, und wir drehten uns beide um. In Houston wäre jetzt ein großer weißer Kombi vorgefahren, ausgestattet mit den neuesten tragbaren Geräten zur Spurensicherung und bemannt mit mindestens sechs Kriminaltechnikern. Aber wir waren nicht in Houston, und Polizeichef Bubba Harris befand sich nur in Begleitung zweier uniformierter Polizisten. Einer begann den Tatort mit gelbem Band zu sichern, der andere packte seine Kamera aus. Bubba (der in Wirklichkeit Earl heißt, aber so nennt ihn nicht einmal seine Mutter) sprach kurz mit Gomez, dann mit Walker und erteilte Anweisungen. Dann wandte er sich mir zu.

Bubba ist Mitte Fünfzig, wird allmählich grau, und sein Bauch hängt über seinen handgemachten Westerngürtel, als seien die letzten zwanzig Barbecues noch nicht verdaut. Er hat buschige Augenbrauen und Hängebacken. Sein graues Hemd wies unter den Achseln Schweißflecken auf, und er hatte wie immer seine kalte Zigarre – ich habe sie noch nie angezündet gesehen – im Mund stecken.

»McQuaids Wagen, wie?« knurrte er.

Es wunderte mich nicht, daß Bubba die Bestie kannte. Cops und Ex-Cops gehören zur selben Bruderschaft.

»Ich wollte ihn abholen«, sagte ich. »Rosemary hatte ihn sich gestern abend gegen sechs ausgeliehen, um ein paar Möbel zu transportieren, die sie gekauft hatte – sie stehen hinten drin. McQuaid hatte angeboten, ihr zu helfen, aber sie meinte, sie würde es alleine schaffen.« Das war typisch Rosemary. Sie war der Typ Frau, der alles im Alleingang erledigte. Sie wollte auf niemanden angewiesen sein.

Bubba blickte finster. Wie die meisten Cops hat er nichts übrig für Anwälte, auch wenn sie ausgestiegen sind. Aber er mag McQuaid, und die Tatsache, daß McQuaid mit mir befreundet ist, macht die Sache für ihn etwas kompliziert. Wir kennen uns nun seit einigen Jahren, und er gewöhnt sich allmählich an mich.

»Haben Sie ’ne Ahnung, wer’s gewesen könnte?« fragte er. »Falls sie’s nicht selbst war?«

Ich schüttelte den Kopf. Ein Blitz erhellte die Szene; der Fotograf ging an die Arbeit. Grace Walker kauerte neben der Tür und stäubte sie ein, um Fingerabdrücke festzustellen. Gomez untersuchte die Umgebung des Wagens. Ein vierter Polizist winkte einen Autofahrer durch, der angehalten hatte, um zu gaffen. Bubba wandte sich dem Wagen zu, und Grace richtete sich auf und trat beiseite. Er tastete rasch und versiert den Sitz unter der Leiche ab.

»Scheint keine Waffe dazusein«, sagte er.

»Wär auch unwahrscheinlich«, äußerte Grace trocken. »Mit der Eintrittswunde auf der linken Seite und bei dem Winkel, da hätte sie sie in der linken Hand halten müssen. Dann läg sie auf ihrem Schoß oder auf dem Boden, aber da ist sie nicht.«

Es schien Bubba nicht zu begeistern, daß einer Frau so etwas aufgefallen war, doch er gab nur ein Grunzen von sich.

»Der Stellung der Beine nach wollte sie grade aussteigen«, fuhr Grace fort. Sie wollte noch etwas anmerken, doch Bubba wandte sich ab. Die Ambulanz war vorgefahren, gefolgt von einem grünen Oldsmobile. Maude Porterfield, die Friedensrichterin, stieg aus dem Olds, unterhielt sich kurz mit den Sanitätern und kam dann, auf ihren Stock gestützt, zu uns.

In Texas muß jeder verdächtige Todesfall von einem Friedensrichter begutachtet werden. Diese Anordnung bereitet so manchem Gesetzeshüter Magenschmerzen, aber Richterin Porterfield ist eine erfreuliche Ausnahme. Sie ist dreiundsiebzig und seit zweiundzwanzig Jahren im Dienst. Ihr weißes Haar mag dünner werden, aber bis auf ihr Gehör und ihr rechtes Knie ist sie bestens in Schuß. Bei den Kriminologen an der CTSU veranstaltet sie Seminare über Strafrecht. Wir hatten uns bei einem Umtrunk an der Uni kennengelernt und auf Anhieb gemocht. Sie läßt sich von keinem was vormachen.

»Morgen, Earl«, sagte sie. »Ist ja die reinste Sauna.« Sie trug ein rotes Kleid mit Wassermelonenmuster und Lackgürtel.

»Morgen, China. Wie geht’s, wie steht’s?« Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern bemerkte zu Bubba: »Wir haben wohl ’n Problem hier.«

Bubba pflückte die Zigarre aus seinem Mund, damit er lauter sprechen konnte. Die Richterin trägt eine Hörhilfe im rechten Ohr. »Morgen, Richterin Porterfield. Scheint ’ne tödliche Schußverletzung zu sein.«

Die Richterin, die nur knapp über eins fünfzig ist, stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte durch die offene Tür ins Innere des Wagens. Sie ließ ihr blendendweißes ebenmäßiges Gebiß sehen und gab ein Schnalzen von sich.

»Suizid?«

»Mord«, sagte Bubba.

»Gewalt in der Ehe?«

Bubba sah mich an. »War das Mädel verheiratet?«

»Sie heißt Rosemary Robbins«, sagte ich. »Sie war geschieden oder wollte sich jedenfalls scheiden lassen.« Rosemary hatte die Scheidung beiläufig erwähnt, sich jedoch nicht ausführlich dazu geäußert. Unsere Treffen waren immer angenehm gewesen, doch wir hatten nur über Geschäftliches gesprochen, und sie schien immer auf dem Sprung zu sein. Sie sah ständig auf die Uhr, als müsse sie zum nächsten Termin aufbrechen; eine nervöse Angewohnheit, die mir in meinem früheren Leben auch zu schaffen gemacht hatte. »Sie war verheiratet mit Curtis Robbins«, fügte ich hinzu und gab damit den Rest meines Wissens preis.

Richterin Porterfield zog die dünnen weißen Augenbrauen zusammen. »Robbins? Der von Miller’s Waffengeschäft?« Gomez gesellte sich zu uns. »Genau der«, sagte er. »Sie hätte Anzeige erstatten sollen, als sie’s noch konnte.«

»Sind Sie schon mal hier gewesen wegen einer Mißhandlung, Hector?« fragte Bubba.

»Ja. Letztes Jahr in der Weihnachtszeit. Sie hatte sich telefonisch beschwert, aber als ich da war, hatte sie es sich anders überlegt und wollte keine Anzeige erstatten. Das Übliche.«

Die Richterin holte ein Notizbuch aus ihrer Handtasche. Es hatte eine rote Lackhülle und war geformt wie ein Stück Wassermelone. »Das Übliche« schien ihr nicht auszureichen. Sie sah Gomez an. »Was hat er gesagt, als Sie ihn vernahmen?«

Gomez lief rot an. »Er war weg, und sie wollte nicht, daß ich mit ihm rede. Sagte, dann würde er sich vielleicht noch übler aufführen. Sie wollte nicht, daß es in die Zeitung kommt, daß sie Schläge bezieht.«

Grace Walker schüttelte düster den Kopf. »Jetzt wird jeder was über sie in der Zeitung lesen.«

Die Richterin blickte von Grace zu mir. »Hatten sie und Robbins Kinder?«

»Nicht daß ich wüßte«, sagte ich. »Sie war selbstständig. Steuerberaterin.«

»Frauen mit eignem Unternehmen wollen vielleicht gar keine Kinder«, bemerkte Grace wissend.

Bubba warf ihr einen warnenden Blick zu. »Ist das hier das gemeinsame Haus?« fragte er mich.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich hatte den Eindruck, daß sie hier alleine lebt. Sie hat ihr Büro im Haus.« Das wußte ich, weil wir dort immer meine Steuerunterlagen durchgingen.

»Wir sollten vielleicht mal ’n Blick auf das Büro werfen, Euer Ehren«, sagte Bubba.

Richterin Porterfield seufzte. »Recht haben Sie, Earl. Sehn wir zu, daß wir aus dieser vermaledeiten Hitze rauskommen.« Sie ging mit Bubba zum Haus.

Gomez blinzelte. »Earl?«

»Als er noch klein war, hat ihn die Richterin in der Sonntagsschule unterrichtet«, sagte Grace. »Earl ist sein richtiger Name.«

»Earl«, sinnierte Gomez. »Was sagt man dazu.«

Grace wandte sich zu mir. »Wollen Sie jetzt Ihre Aussage machen, Miss Bayles?«

Als das erledigt war, versprach ich, im Polizeirevier vorbeizuschauen und meine Fingerabdrücke nehmen zu lassen, damit man sie ausschließen konnte. Dann stieg ich in meinen Backofen von einem Auto. Der Möbelverleiher würde die Tische selbst zum Hotel transportieren müssen, und McQuaid mußte sich einen Mietwagen nehmen. Die blaue Bestie würde Bubba erst in ein paar Tagen wieder rausrücken. Sie hatte im Laufe ihres bewegten Lebens schon allerhand mitgemacht, doch als Tatort hatte sie noch nie fungiert.

Um zwei Uhr mittags stand das Thermometer auf 38, und Häuser und Bäume glitzerten in der sengenden Sonne. Ich hatte zwei Drittel meiner Liste von Besorgungen für die Kräuterkonferenz abgehakt. Jetzt fuhr ich zum Springs Hotel, um noch ein paar letzte Einzelheiten durchzusprechen. Ich hatte die Sonnenblende runtergeklappt, um meine Augen vor dem weißglühenden Himmel zu schützen, und die Air-condition auf Orkan gestellt. Das Hotel war seit mehreren Generationen in Familienbesitz und gehörte jetzt dem letzten Sproß, Jeff Clark, mit dem ich ein paar Worte wechseln wollte.

Aber ich war nicht recht bei der Sache. Ich sah Rosemary Robbins vor mir, auf dem Sitz von McQuaids Lieferwagen, mit einem obszönen Loch in ihrer weichen Wange und Fliegen im Haar. Diese Begegnung im Tode hatte etwas seltsam Intimes im Vergleich mit unseren Treffen zu ihren Lebzeiten.

Steuerberater haben vieles gemeinsam mit Ärzten und Priestern. Sie ergründen unsere Geheimnisse, erforschen unsere verborgenen Winkel, stöbern in Bereichen, zu denen kein anderer Zugang hat. Rosemary Robbins kannte sich genau aus mit meinem Leben. Sie wußte, wo ich Erfolge mit dem Laden verbuchen konnte und wo etwas schiefgelaufen war (und vermutlich wußte sie auch, weshalb). Sie war im Bilde über kluge und unkluge Investitionen und über meine finanzielle Regelung mit McQuaid. Und da sie auch für ihn die Steuer machte, wußte sie genau Bescheid über unsere Beziehung. Ein Termin bei Rosemary war wie ein Gang zum Beichtstuhl, wo man seine großen und kleinen Sünden los wird und nichts erfährt über den Priester.

Hier wurde es interessant. Rosemary war bestens informiert über mich, aber ich hatte nur einen vagen Eindruck von ihr, so wie man einen Arzt als Mann im weißen Kittel mit Stethoskop oder einen Priester als undeutlichen Schatten hinter dem Beichtgitter wahrnimmt. Sie hatte mich beeindruckt, weil sie ihr Privatleben so gut im Griff zu haben schien wie ihre Arbeit, es so straff organisierte, daß es ihr wenig abverlangte.

Doch Hector Gomez nach zu schließen, hatte Rosemary gravierende Probleme gehabt, und ihre perfekte Ordnung war nur Tarnung gewesen für eine zutiefst gestörte Beziehung. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Vor Jahren übernahm ich die Verteidigung einer reichen Gattin, die gestanden hatte, ihren Mann ermordet zu haben, einen bekannten Houstoner Optiker. Die Frau hatte ebenso beherrscht und gefestigt gewirkt wie Rosemary. Sie weigerte sich wochenlang, mir zu sagen, warum sie ihren Mann umgebracht hatte, berichtete jedoch bereitwillig über die Einzelheiten der Tat. Zuerst glaubte ich, daß dieses Verhalten auf ihre Schuldgefühle zurückzuführen war. Doch als sie schließlich zusammenbrach und mir offenbarte, daß sie seit zehn Jahren von ihrem Mann mißhandelt worden war, verstand ich, warum sie sich so beherrscht hatte. Sie hatte Angst vor ihren Schamgefühlen – nicht der Scham des Täters, sondern der Scham des Opfers. Hatte Rosemary Robbins vermeiden wollen, als Opfer wahrgenommen zu werden, weil das ihren Ruf zerstört hätte? War der Mann, der sie mißhandelt hatte, zum Mörder geworden? Oder war der Täter ein ganz anderer? Diese Fragen beschäftigten mich, als ich zum Hotel fuhr, um mit Jeff Clark zu sprechen.

Das Springs Hotel findet man im Norden der Stadt, etwa zehn Kilometer außerhalb. Es liegt am Rande des Pecan Lake, eines 17000 Quadratmeter großen künstlich angelegten Sees, dessen Wasser aus kristallklaren unterirdischen Quellen stammt, die aus dem Kalkstein des Edwards Aquifer sprudeln. Das Hotel wurde um die Jahrhundertwende von Nathan Clark als Erholungsort für die High-Society erbaut, und damals scherte sich keiner um die Kosten für Air-condition und Heizung. Das ursprüngliche Gebäude sah aus wie eine dreistöckige viktorianische Hochzeitstorte mit Türmchen und Kuppeln und einem Überzug aus verschnörkeltem weißem Zuckerguß. Mr. Clark leitete sein Hotel fünfzig Jahre lang. 1916 baute er einen weiteren Flügel an, 1925 den nächsten, und 1928 ließ er einen Neun-Loch-Golfplatz und Stallungen anlegen, damit die Ölmillionäre und ihre Familien dort für ein paar Tage ihrem öden Dasein entrinnen konnten, das sie dazu zwang, ständig Geld aus der Erde zu pumpen. Doch während der Depression war man dann weniger spendabel, und es sah aus, als würde das Hotel nicht überleben.

Doch Mr. Clark – inzwischen der alte Mr. Clark – wirtschaftete klug und sparsam und hielt durch. Er verkaufte einen großen Teil des Geländes, schloß die Stallungen und einen Flügel des Hauses, und als er 1945 starb, war das Hotel immer noch ein funktionstüchtiges Unternehmen. Er vererbte es seinem einzigen Sohn Charles, der im Gegensatz zu seinem sparsamen Vater Wein, Weib und Gesang schätzte – natürlich nur, solange es gut fürs Geschäft war.

In den folgenden fünfunddreißig Jahren erwarb sich Charles – oder »Big Chuck«, wie er genannt wurde – den Ruf des extravagantesten Gastgebers von ganz Texas. Er ließ das Hotel neu einrichten und eröffnete den Flügel wieder, den sein Vater geschlossen hatte. Er nahm die Stallungen erneut in Betrieb, ließ vier beleuchtete Tennisplätze anlegen und das Wasser aus den Quellen in einen Swimmingpool pumpen. Er hatte jede Menge reiche und prominente Freunde und Gäste. Um ihrem texanischen Geschmack entgegenzukommen, schmiß Big Chuck Feten in texanischen Größenordnungen: Superbowl-Partys, bei denen es ganze Stiere am Spieß, Klapperschlangen-Canapés und Wodka mit Jalapeño-Geschmack gab; politische Halligallis unter der Schirmherrschaft von Lyndon B. Johnson und Ladybird, bei denen Willie Nelson, Waylon Jennings und die anderen Jungs auftraten; einen Dallas-Wohltätigkeitsball, bei dem die Leute in violetten Straußenlederstiefeln erschienen, die Caterer echte Kiowas waren und Larry Hagman einen Kristall-Cowboyhut von Waterford und einen Landcruiser mit Vierradantrieb versteigerte, der mit zwei Telefonen, einer Stereoanlage und einem Weinregal ausgestattet war, das unter anderem eine Magnum-Flasche Château Pétrus von 1961 enthielt.