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Maximilian Fretter-Pico

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Beschreibung

Kann der persönlicher Einsatz des Soldaten seine mangelhafte Ausbildung und fehlende Ausrüstung kompensieren? Genau diese Frage spielte im deutschen Ostheer des Zweiten Weltkriegs mit fortlaufender Kriegsdauer eine immer größere Rolle. Der General der Wehrmacht und Eichenlaubträger, Maximilian Fretter-Pico, geht ihr in seinem Buch nach am Beispiel von 20 Kampf- und Gefechtsschilderungen der personell ausgedünnten deutschen Divisionen an der Ostfront. General Fretter-Pico versteht es durch seine Erfahrungen als Offizier der Wehrmacht, Ihnen am Beispiel des Ostkrieges die An¬griffs- und Abwehroperationen der Wehrmacht näherzubringen. Dank seiner Erfahrungen und Sachkenntnisse liefert er mit diesem Buch eine scharfsinnige Analyse militärischer Operationen an der Ostfront ab. Nicht nur in der Schlussphase des Krieges musste die mangelhafte Ausrüstung der Infanterieverbände kompensiert werden durch verstärkten per¬sonellen Einsatz. Der Ersatz war vielfach schlecht ausgebildet und wurde aufgrund der militärischen Zwangs¬lage trotzdem eingesetzt und damit letztendlich missbraucht. Maximilian Fretter-Pico, 1892 in Karlsruhe geboren, hatte als Of¬fizier alle Stationen eines erfolgreichen Offizierslebens durchlaufen. Schon im Ersten Weltkrieg eingesetzt, wurde er 1916 für die Generalstabslaufbahn vorgesehen. Noch 1923 studierte er an der TH Berlin-Charlottenburg Geodäsie, im Anschluss folgte eine Tätigkeit im Reichswehrministerium. 1935 nahm der jetzige Oberstleutnant die Funktion des Ia bei der 3. Infanterie-Division ein. Anschließend erfolgte eine Verwendung in der Abtei-lung Fremde Heere Ost. Im Jahr 1941 übernahm er als Generalmajor kurz vor dem Angriff gegen die Sowjetunion die 97. Infanterie-Division. Einsatz auf der Krim und Beförderung zum Generalleutnant. 1944 wurde er mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Danach Oberbefehlshaber der 6. Armee 1944. Ende 1944 erfolgte seine Ablösung. Ab 1945 verbrachte er zwei Jahre in US-Kriegsgefangenschaft. In den 1950er Jahren war er für die „Gesellschaft für Wehrkunde“ tätig. Er war für seine fachkundigen Bücher bekannt, in denen er sich kritisch mit den militärischen Operationen der Wehrmacht auseinandersetzte. 1984 verstarb Fretter-Pico in Kreuth. Bei diesem Buch handelt es sich um eine Neuauflage der Originalpublikation aus dem Jahre 1957. Lassen Sie sich diese spannende Abrechnung eines Generals der Wehrmacht auf keinen Fall entgehen und erfahren Sie die Mängel und auch Vo

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Geschäftsführerin: Monika Münstermann

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Aktuelles Vorwort

Vorwort

Abkürzungen

Abschlußausbildung im Schnellverfahren in der Heimat – Frühjahr 1941 Abtransport nach Osten

Der Gegner im Großraum

I. Leichte Infanteriedivision im Kampf. Zerschlagung einer sowjetischen Panzerdivision bei Magierow, 25.12, 6. Juni 1941

II. Verfolgung mit Hilfe behelfsmäßig aufgestellter motorisierter Vorausabteilung. Handstreich auf Zolkiew

III. Schneller Durchbruch durch die festungsmäßig ausgebaute Stalinlinie durch Täuschung und Überraschung des Gegners am 14. Juli 1941

IV. Vormarsch und Gefechte bis zur Schlacht von Uman durch waldreiches Höhengelände. Durch Mörsereinsatz im Flachbahnbeschuß wird entscheidender Stoß durch eine Waldzone in der Schlacht von Uman geführt, 5. bis 7. August 1941

V. Durch Täuschung des Gegners über Absicht und Zeitpunkt des Übergangs über den Dnjepr wird der Übergang mit Schnellbooten und Einsatz von Nebelmunition einen Tag früher als befohlen erzwungen und ein erheblich größerer Brückenkopf als vorgesehen gebildet, 31. August 1941

VI. Siegreiche Abwehrkämpfe im Dnjepr-Brückenkopf. Panzerjagd, 1. bis 13. September 1941

VII. Taktischer Einsatz von Nebel als entscheidendes Kampfmittel zur Gewinnung eines Brückenkopfes, 30. September 1941

VIII. Überwindung der Schlammperiode in der Verfolgung des Feindes, Herbst 1941

IX. Überraschende Wegnahme von Artemowsk durch Täuschung, November 1941. Vorbereitungen zum Winterkrieg

X. Winterabwehrkämpfe ostwärts Artemowsk. Vernichtung einer durchgebrochenen sowjetischen Kavalleriedivision, 19. November bis 15. Dezember 1941

XI. Rückeroberung von Feodosia auf der Krim Zurückschlagen feindlicher Landungsversuche bei Szudak, 15. Januar bis 29. Januar 1942

XII. Durchbruch durch die Parpatschstellung zur Halbinsel Kertsch unter Einsatz von Sturmbooten von See her. Behelfsmäßig motorisierte Korpsvorausabteilung durchbricht frühzeitig den Tartarenwall vor Kertsch. Einnahme von Kertsch, Mai 1942

XIII. Vor Sewastopol: Vorfeldkämpfe und Angriff auf Balaklawa, Erstürmung der entscheidenden Sapun-Höhen. Fortnahme des Panzerwerkes Gorki II. Endkämpfe am Cherssones-Leuchtturm, Juni/Juli 1942

XIV. Vernichtung tief eingebrochenen Gegners südlich des Ladoga-Sees. Erster Tigereinsatz an der Ostfront, 4. September bis 2. Oktober 1942

XV. Einkesselung und Vernichtung neu aufgestellter „Stalin-Brigaden“ südostwärts Toropez, 29. November bis 16. Dezember 1942

XVI. Winterschlacht zwischen Don und Donez. Kampfführung aus Großstützpunkten. Ende Dezember 1942 bis Ende Januar 1943

XVII. Abwehr feindlicher Übergangsversuche und Durchbruchsversuche aus freigegebenem Brückenkopf am Donez, Sommer 1943

XVIII. Absetzkämpfe Sommer 1943 vom Donez zum Dnjepr

XIX. Abwehrkämpfe beiderseits Dnjepropetrowsk. Artillerie in erfolgreicher Panzerabwehr. Absetzkämpfe bis zum Dnjestr. Wosnessensk am Bug „Fester Platz”. Herbst 1943 bis Frühjahr 1944

XX. Abwehrkämpfe in Rumänien und Ungarn bei völligem Mangel an Infanterie nach der Katastrophe vom 20. August in Bessarabien. Panzerschlacht bei Debrecen. Kampf um Budapest bis Ende 1944

Nachwort

Fußnoten

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Aktuelles Vorwort

D

er General der Artillerie Maximilian Fretter-Pico entstammt der badischen Familie Fretter1 und wurde als Offizierssohn am 6. Februar 1892 in Karlsruhe geboren. Sein Vater August Fretter (1859-1923), welcher sich kurz nach 1890 aus unbekannten Gründen in „Fretter-Pico“ umbenannte, diente damals als „Seconde-Lieutenant“ in der 8. Batterie des „1. Badischen Feld-Artillerie-Regiments Nr.14“ in Karlsruhe.2 Seine Mutter Augusta (1866-1936) war eine geborene Graeff. Das erwähnte „Badische Feldartillerieregiment Großherzog Nr. 14“ in Karlsruhe spielte in der Geschichte der Familie „Fretter-Pico“ eine bedeutsame Rolle, denn in ihm dienten nicht nur der Vater und der ein Jahr jüngere Bruder Otto, sondern auch Maximilian selbst. Der Vater beendete den Dienst schließlich einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg als Oberstleutnant im 3. Badischen Feldartillerieregiment Nr. 50 in Karlsruhe und wurde im Krieg bei der „Postüberwachungsstelle Karlsruhe “ militärisch wiederverwendet Er ist am 25. April 1923 verstorben3. Der Bruder Otto war im Ersten Weltkrieg Truppenoffizier bei der Artillerie, wurde nach 1918 in die Reichswehr übernommen und befehligte 1939 als Oberstleutnant die Beobachtungsabteilung 7 in Landshut4 Otto Fretter-Pico (1893-1966) beendete den Zweiten Weltkrieg als Generalleutnant, Divisionskommandeur und Ritterkreuzträger (1944). Er lebte bis zu seinem Tod in der Schweiz.

Maximilian Fretter-Pico beschritt im Unterschied zu Vater und Bruder die Laufbahn als Generalstabsoffizier. Nach dem Abitur trat er als Fahnenjunker am 20. September 1910 beim erwähnten Badischen Feldartillerie-Regiment Nr. 14 ein. Gemeinsam mit dem gleichfalls aus Süddeutschland stammenden Infanteristen Erwin Rommel absolvierte Maximilian Fretter-Pico 1911 im Rahmen seiner Offiziersausbildung die Kriegsschule in Danzig. Am 27. Januar 1912 wurde er zum Leutnant befördert und auf den 31. Januar 1910 vorpatentiert, was eine Anerkennung für das vorhandene Abitur und die sehr guten Leistungen an der Kriegsschule darstellte.

Mit seinem FAR-14 trat der junge Feldartillerist Fretter-Pico in den Ersten Weltkrieg ein und wurde bereits nach kurzer Zeit verwundet. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse verwendete man den am 18. September 1915 zum Oberleutnant Beförderten später als Führer eines „Ballon-Abwehr-Kanonen“-(Flak-)Zuges. Die ersten deutschen Fliegerabwehrkanonen waren nämlich Feldkanonen, welche man mit großer Rohrerhöhung auf in die Erde versenkten Ackerwalzen drehbar lagerte und mit welchen man Granaten mit „Brennzünder“ (Zeitzünder) auf Flugzeuge verschoß.

Als militärisch sehr befähigter junger Offizier „rutschte“ Maximilian Fretter-Pico im Jahr 1916 ohne vorherige Ausbildung in die Generalstabslaufbahn, wurde zuerst Adjutant bei einer Landwehrinfanterie-Brigade, mit dem Eisernen Kreuz 1 Klasse ausgezeichnet und anschließend in den Stab der 8. Landwehr-Division kommandiert Anfang 1918 durchlief er eine Kurzausbildung im Generalstabsdienstbei der Heeresgruppe Herzog Albrecht von Württemberg, wurde bevorzugt am 18. Oktober 1918 zum Hauptmann befördert und zuletzt als zweiter Generalstabsoffizier (Ib) im Stab der 19. Reservedivision verwendet.5

Gleich seinem Bruder Otto ermöglichte man Maximilian Fretter-Pico, der zusätzlich zum Eisernen Kreuz 1 und 2. Klasse während des Krieges mit dem Ritterkreuz II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen mit Schwertern sowie dem Hanseatenkreuz ausgezeichnet wurde, in der Reichswehr seinen Dienst fortzusetzen. Dabei absolvierte Fretter-Pico als einer der ersten Reichswehroffiziere bis Oktober 1921 die sogenannte „Führergehilfenausbildung“, welche eine getarnte Generalstabsausbildung darstellte. Gemäß des Versailler Vertrages mußte nämlich der vormalige Generalstab aufgelöst werden und durfte es offiziell keine Generalstabsausbildung mehr geben.

Bis 1923 studierte der nunmehrige „Führerstabsoffizier“ (Generalstabsoffizier) der Reichswehr zusätzlich noch vier Semester Geodäsie an der TH Berlin-Charlottenburg, um sich als Topograph zu qualifizieren 1924 ehelichte er die aus einer Berliner Bürgerfamilie stammende Gertrude geb. Soltmann (1901-1993). Der Ehe entsprangen ein Sohn und eine Tochter. Der 1928 geborene Sohn Jürgen Fretter-Pico wurde als junger Soldat in der aus dem RAD gebildeten Infanteriedivision „Friedrich Ludwig Jahn“ im April 1945 im Raum Berlin schwer verwundet und ist seitdem vermisst.

Anschließend an das erwähnte Studium diente Fretter-Pico von 1923 - 1927 im Reichwehrministerium, in der als T1 (Heeresabteilung) bezeichneten und für operative Fragen zuständigen Abteilung des „Truppenamtes“ (Generalstab). Hier erlebte er das für ihn persönlich beispielhaft gewordene Wirken von Generaloberst v. Seeckt und dessen Nachfolger Generaloberst Heye Die Jahre von 1927 bis 1930 verbrachte er als Batteriechef der 8. Batterie des AR-6 in Hannover.6 Anschließend kehrte der Artillerist Hauptmann Fretter-Pico in den Generalstabsdienst zurück und wurde diesmal in einem Kavallerieverband, der 1.KD in Frankfurt/Oder, als zweiter Generalstabsoffizier (zuständig für Übungen und Mobilmachungsfragen) verwendet. Hier sammelte er, wie er später schrieb, erste Erfahrungen bei der „schnellen Truppe“.7

Als die Reichwehr in „Wehrmacht“ umbenannt und 1935 die Wehrpflicht in Deutschen Reich eingeführt wurde, avancierte der (ab März 1935) Oberstleutnant Fretter-Pico zum Ia (1. Generalstabsoffizier, verantwortlich für alle Führungsfragen) der 3. ID in Frankfurt/Oder. Dem folgte von Herbst 1935 bis Herbst 1938 die Verwendung als „Leiter Ost“ in der 3 Abteilung des Oberkommandos des Heeres, welche Abteilung für das Studium der „Fremden Heere“ zuständig war. Am 1. August 1937 zum Oberst befördert, war Fretter-Pico hier als Vor-Vorgänger von Reinhard Gehlen für das Studium aller osteuropäischen und nordischen Armeen und Staaten sowie auch für die beiden Großmächte Sowjetunion und Italien zuständig Dabei lernte er die sachkundigen Berichte des deutschen Militärattachés in Moskau General Köstring schätzen und besuchte außer der Sowjetunion alle von ihm bearbeiteten Staaten (Italien, Griechenland, den Balkan, die Türkei, Ungarn, Polen, die baltischen Randstaaten, Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark).

Anfang Januar 1938 warnte Maximilian Fretter-Pico insgeheim vergeblich den Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, dass sich gegen ihn eine Intrige der SS zusammenbraue, weil man ihn in nationalsozialistischen Kreisen für „untragbar“ halte. Ebenso warnte Fretter-Pico den damaligen Generalstabschef Ludwig Beck. Ein Freund im Auswärtigen Amt, der Legationsrat Albrecht von Kessel (1902-1976), hatte Fretter-Pico diesbezügliche Informationen zukommen lassen8.

Ein mehrwöchiges Kommando zur türkischen Armee absolvierte Fretter-Pico im Frühsommer 1938. Der wichtigen Verwendung bei der späteren „Abteilung Fremde Heere Ost“ des OKH folgte ein Einsatz als Stabschef auf Korpsebene. Im Herbst 1938 trat Oberst Fretter-Pico in Kaiserslautern seine Dienststellung als Stabschef des „Generalkommando der Grenztruppen Saarpfalz an“, welches den pioniertechnischen Ausbau des „Westwalls“ betrieb. Bei Kriegsausbruch 1939 wurde dieses Generalkommando in das Generalkommando des XXIV. Armeekorps umbenannt.

Nach mehr als 20-jährigem Generalstabsdienst zog es den (seit 1. März 1941) Generalmajor Fretter-Picco wieder in die Truppe und er übernahm kurz vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 19. April 1941 die 97. leichte Division in Bad Tölz, im Juli 1942 umformiert in die 97. Jäger-Division („Spielhahn-Jäger“), welche zumeist bayerischen Ersatz besaß Ab diesem Zeitpunkt war die weitere militärische Laufbahn von Maximilian Fretter-Pico durch die Führung von Infanterie-Großverbänden gekennzeichnet, welche in harten Kämpfen an Brennpunkten der Ostfront standen. Einer der großen militärischen Erfolge der von ihm befehligten 97. leichten Division war die Teilnahme an der Schlacht von Uman vom 15. Juli bis 8. August 1941 im Südabschnitt der Ostfront, welche zur Zerschlagung der sowjetischen 6. und 12. Armee und der Gefangennahme von über 100 000 Rotarmisten führte9.

Indessen lernte Fretter-Pico an der Ostfront sehr schnell die Unzulänglichkeiten der Organisation und Ausrüstung der deutschen Infanterieverbände und später auch die, häufig genug inkompetenten Eingriffe in die Truppenführung durch den selbsternannten Obersten Befehlshaber Adolf Hitler kennen Die deutschen Infanterieverbände waren bis 1945 immer noch fußbeweglich und pferdebespannt, statt durchgehend motorisiert zu sein und ihre Panzerabwehrkapazitäten10 viel zu gering bemessen. Auch fehlte es ihnen an beweglicher Begleitartillerie (Sturmgeschütze) und gepanzerter Stoßkraft.11

Generalmajor Fretter-Pico war trotz allem ein beliebter und erfolgreicher Truppenkommandeur12 Ihm wurde am 27. Dezember 1941 das Ritterkreuz verliehen und auf das Kommando der 97. Jäger-Division folgte Ende Dezember 1941 in ernster Kampflage die Übernahme der Führung des XXX. Armeekorps (3.GD und 304.ID) auf der Krim, wodurch der am 15. Januar 1942 zum Generalleutnant und am 1. Juni 1942 zum General der Artillerie beförderte sowie am 19. September 1942 mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnete Maximilian Fretter-Pico in die Gruppe der „Kommandierenden Generale“ aufrückte.

Im angespannten Kriegswinter 1942/143 führte Fretter-Pico in heftigen Abwehrkämpfen13 die nach ihm benannte „Armeeabteilung Fretter-Pico“ und erwarb am 16. Januar 1944 das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Ab Juli 1944 folgte der Einsatz als Armeeoberbefehlshaber de 6. Armee, welche zeitweilig nach Unterstellung der 2. bzw. 3. ungarischen Armee als „Armeegruppe Fretter-Pico“ bezeichnet wurde. Zwar wurde am 30. Oktober 1944 Fretter-Pico lobend im „Wehrmachtsbericht“14 erwähnt, doch dem Armeeoberbefehlshaber gelang es trotzdem nicht, zuvor im Zeitraum vom 20. – 29. August 1944 beträchtliche Teile seiner 6. Armee vor der Zerschlagung bei Jassy-Kischinew15 zu retten und fiel einige Monate später bei Adolf Hitler und Generalstabschef Heinz Guderian in Ungnade16.

Am 23. Dezember 1944 löste man ihn als Oberbefehlshaber der 6. Armee ab und versetzte ihn z b V zum OKH Als Beisitzer nahm er am 25 /26. März 1945 in Torgau am Kriegsgerichtsprozess gegen den General der Panzertruppe und Träger des Ritterkreuzes mit Eichenlaub und Schwertern Walter Fries teil, welcher gegen den ausdrücklichen Befehl Hitlers in Anbetracht der aussichtslosen Lage die „Festung Warschau“ aufgegeben und seine Truppen zurückgeführt hatte17. Fretter-Pico stimmte hierbei auf Grund seiner eigenen Erfahrungen an der Ostfront am 30. März 1945 für den Freispruch von General Fries. Als letztes Kommando wurde Fretter-Pico der Befehl über den Wehrkreises IX in Kassel übertragen, wo er am 22. April 1945 nahe Quedlinburg in amerikanische Gefangenschaft geriet.

Am 30. Juni 1947 während der Kriegsgefangenschaft offiziell aus der Wehrmacht entlassen, verblieb Fretter-Pico bis zum 22. Dezember 1947 in amerikanischer „Internierung“ und fertigte in dieser Zeit gleich vielen anderen Wehrmachtsgenerälen militärhistorische Studien für die „Historical Division“ der US-Army an. Als Zeuge bot er sich 1948 der Verteidigung während des Nürnberger Prozesses gegen das Oberkommando der Wehrmacht an, wurde aber vor Gericht trotz seiner Anwesenheit in Nürnberg nicht gehört18.

Nach erfolgreicher Absolvierung der obligatorischen „Entnazifizierung“ arbeitete Fretter-Pico bis zur Pensionierung beruflich als Treuhänder der Heidelberger Treuhandstelle, unter anderem ab Februar 1949 in der renommierten Heidelberger Kofferfabrikationsfirma Timmermann und Wollet, die wegen ihres nationalsozialistischen Eigentümers unter Treuhandschaft stand19. Daneben wirkte er ehrenamtlich im „Kyffhäuser-Bund“ und in der „Gesellschaft für Wehrkunde“, für welche er 1952 die Sektion Heidelberg begründete20.

In seiner Freizeit sowie als Pensionär, wobei er ab 1956 in Berlin West wohnte, widmete sich der General a. D. militärhistorischen Forschungen und gab hierzu einige Bücher heraus Dazu gehört als wichtigstes Buch die hier in Neuauflage vorgelegte militärhistorische Studie „Mißbrauchte Infanterie Deutsche Infanterie-Divisionen im osteuropäischen Großraum 1941 bis 1944 Erlebnisskizzen, Erfahrungen und Erkenntnisse“, erstmals 1957 im Verlag Bernard & Graefe in Frankfurt/M erschienen.

Befreundet mit dem Bundeswehrgeneral und (von 1957 bis 1963) Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa General Hans Speidel (1897-1984) wollte General a.D. Fretter-Pico seine gemachten militärischen Erfahrungen im Kampf gegen die Sowjetarmee der neu geschaffenen Bundeswehr nutzbar machen21. Er verwies dabei nachdrücklich auf die persönliche Härte des Sowjetsoldaten und das den Sowjetstreitkräften in beachtlichem Umfang innewohnende Improvisationsvermögen, dem man sich indessen selbst bei eigener zahlenmäßiger wie technischer Unterlegenheit durch überlegene militärische Führungskunst gewachsen zeigen kann Insofern sind die 20 Gefechtsskizzen im vorliegenden Buch als praktische Führungsbeispiele für Kämpfe in Divisions- und Korpsrahmen in den unterschiedlichsten Gefechtssituationen gemäß der in preußischen Armee üblichen „applikatorischen Methode“22 zu betrachten:

 

- Angriff (123)
- Durchbruch (3, 12)
- Verfolgung (2, 4, 8)
- Forcieren von Wasserhindernissen (5, 7)
- Einnahme einer Festung (13)
- Abwehr von gegnerischen Seelandungen bzw. gegnerischen Versuchen zum Forcieren von Flüssen (11, 17)
- Verteidigung in den unterschiedlichsten taktischen Situationen (6, 10, 20)
- Stützpunktverteidigung (16)
- Abriegelung gegnerischer Durchbrüche und Einkesselungsoperationen (14, 15)
- Verzögerungsoperationen (18, 19) - Anwendung von Kriegslist (9)24

Mittels seiner ausgewählten praktischen Beispiele verwies FretterPico auf die Notwendigkeit in Infanterieverbänden eine gute Einzelausbildung und taktische Ausbildung des Führungspersonals zu betreiben, stets die Panzerabwehr und die Scharfschützenbewegung zu organisieren und immer auf Nachtgefechte vorbereitet zu sein Ebenso wichtig erschien es ihm das ständige Zusammenwirken der einzelnen Waffengattungen (insbesondere zwischen Infanterie und Artillerie) im taktischen und im operativen Rahmen sowie die gegenseitige Feuerunterstützung zu organisieren.

Dem Gedanken der „Inneren Führung“ in der Bundeswehr, welcher seinen einstigen Generalstabskollegen Graf Baudissin zum Vater hatte, stand Fretter-Pico ablehnend gegenüber. Er meinte: „Soldaten wollen geführt, nicht verwaltet werden !“25

Zu seinem einstigen Militärdienst und zum ehemaligen deutschen Generalstab besaß Maximilian Fretter-Pico eine dezidiert klare Haltung und scheute sich nicht diese auszusprechen:

 

„Im Zusammenhang mit dem Schicksal des deutschen Soldaten verdient der deutsche Generalstab gegen jene pseudowissenschaftlichen Enthüller verteidigt zu werden, die ihm bis heute am Zeuge zu flicken versuchen.

Der deutsche Generalstab erscheint daher heute der Welt als Zerrbild. Auch viele Deutsche erblicken in ihm noch heute die Ursache allen Übels.26 Die Umstände, nach denen die öffentliche Meinung und ihre Stimmführer urteilen, werden in der Regel nicht auf die Zeit bezogen, in der sie angewandt wurden. Dabei können oberflächliche Verdammungs-Urteile sich zu Schlagworten verdichten.“27

 

Zu der in Bundesrepublik Deutschland schon damals verherrlichten „Weimarer Republik“ bezog er als Zeitzeuge eine ebenso deutliche Stellung:

 

„Das Wort von den „goldenen zwanziger Jahren“ ist dummes Gerede, nur für Schieber und Verbrecher waren es herrliche Zeiten.

Alle Mühen tüchtiger Männer in den Parteien und Regierungen der Weimarer Republik war vergebens. Was die Fesseln von Versailles nicht vermochten, das schafften die Machtkämpfe der Parteien und Interessengruppen: Das Reich trieb dem Abgrund, einem blutigen Bürgerkrieg entgegen, der - ohne die Existenz der verfassungstreuen Reichswehr – wohl in einem Sowjet-Deutschland geendet hätte.“28

 

Über die Willy Brandt-SPD zu Beginn der 80er Jahre meinte Maximilian Fretter-Pico klarsichtig:

 

„Tief bedauerlich ist es, daß die alte Garde der Sozialdemokratie keine oder nur wenig nur wenig gleichgesinnte Nachfolger hat. Männer wie Ebert, Noske, Severing, Braun, Winnig, Schumacher und Reuter waren patriotisch gesinnte Pragmatiker und keine marxistischen Parteiideologen, Männer des Volkes und Vertreter der arbeitenden Mehrheit. Die SPD unserer Tage ist innerlich gespalten. Die Flügel sprechen jeweils eine andere Sprache. Den kleinbürgerlichen Jakobinern steht eine linke Phalanx radikaler Sozialisten gegenüber, die mit den Kommunisten gemeinsame Sache machen will.“29

 

Erwähnen sollte man auch eine heftige Kontroverse, welche im Jahr 1952 General a.D. Fretter-Pico vor die Schranken des Gerichts führte, weil er sich in seiner Ehre angegriffen fühlte, worüber am 20. August 1952 der SPIEGEL in seiner Nr. 34/1952 im gewohnt hämischen Ton unter der Überschrift „Sachte, sachte, Herr General“ berichtete. Demzufolge hatte Maximilian Fretter-Pico den 47-jährigen Notar und Schriftsteller Dr. Richard Hasemann, einen polterigen Bayern aus Zusmarshausen bei Augsburg, vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg auf Unterlassung verklagt Hasemann diente 1944 als Leutnant in der Fretter-Pico als Armeeoberbefehlshaber der 6. Armee unterstehenden 370. Infanteriedivision Weil Hasemann im Frühjahr 1944 im Brückenkopf Nikolajew seine Einheit wegen Trunkenheit nur ungenügend führte, verurteilte ihn das Feldgericht der 370. Division zu neun Monaten Festungshaft, ersatzweise umgewandelt in 14 Tage Frontbewährung. Fretter-Pico erschien als Gerichtsherr das Urteil zu mild. Er bestätigte es nicht und in erneuter Verhandlung wurde es in sechs Monate Gefängnis30 sowie in Degradierung umgewandelt. Deshalb hatte Hasemann mit seinem Ex-Oberbefehlshaber nach Kriegsende noch ein Hühnchen zu rupfen und ließ folglich in seinem 435-Seiten-Kriegsroman „Nasses Brot“ einen kriegsgefangenen deutschen Soldaten nachdrücklich darüber sinnieren, dass der Armeeoberbefehlshaber Fretter-Pico seine eingekesselte 6. Armee durch Ausfliegen nach Debrecen im Stich gelassen und so den Zusammenbruch der Südfront verschuldet habe.

Als sich Fretter-Pico wegen dieser Unterstellung mit beigefügtem Beweismaterial zwecks Widerlegung am 22. Juni 1952 an den Günther Neske-Verlag in Pfullingen31 wandte, blitzte er gleich doppelt ab Hasemann antwortete ihm nach einer Woche höhnisch und schriftlich: „Glauben Herr General mit Feststellungen irgendwelcher Sonderkommissionen, mit Berufung auf die oberste Führung, mit unmittelbarem Führungseinsatz, mit ständiger persönlicher Einwirkung, mit erfolgreich geführter Abwehr und ähnlichen Scherzartikeln kommen zu dürfen ? Sachte, sachte, Herr General.“ Auch der Verleger Günther Neske (19131997), damals Hauptmann und Staffelkapitän der Nahaufklärungsstaffel 14 bei der 6. Armee, glaubte sich deutlich an einen Zustand eklatanter „Führungslosigkeit“ bei der 6. Armee erinnern zu können.

Folglich blieb dem in seiner Ehre als Offizier schwer getroffenen Maximilian Fretter-Pico nur der Weg vors Gericht übrig, wo Verleger und Autor vor Landgerichtspräsident Dr. Sauer einknickten und eine Erklärung unterzeichneten, dass die Behauptungen auf S 160 des Romans „Nasses Brot“ keinerlei Anspruch darauf erheben, „kriegsgeschichtliche Tatsachen“ abzubilden.32

Mit 92 Jahren verstarb Maximilian Fretter-Pico am 4. April 1984 in Kreuth am Tegernsee und wurde im Erbbegräbnis der Familie seiner Frau auf dem Friedhof der Jerusalemskirche in der Bergmann-Straße in Berlin-Kreuzberg beigesetzt Sein Nachlaß, 69 Akteneinheiten von 0,7 Meter laufender Länge, umfassend seine Dienstzeit von 1914 bis 1945, militärische Unterlagen aus dem 2 Weltkrieg und die Nachkriegskorrespondenz bis1970, befindet sich im Bundesarchiv-Militärarchiv im Freiburg i. Br.

 

Berlin, Sommer 2019, Dr. Jürgen W Schmidt

 

Vorwort

D

er Leser wird sich fragen, warum das vorliegende Buch den Titel „Mißbrauchte Infanterie“ trägt. Beim Lesen wird er erkennen, daß im Verlauf des Krieges tatsächlich ein Mißbrauch durch die oberste Führung eintrat Dieser Mißbrauch, dem die Infanteriedivisionen ausgeliefert waren, bestand darin, daß sie nicht mehr als das Kernstück und das Rückgrat der Wehrmacht, das zu erhalten war, angesehen wurden An sich schon schlechter bewaffnet, bekleidet und ausgerüstet, selbst im Ersatz schlechter gestellt als irgendein anderer Wehrmachtsteil, wurden sie im Laufe des Krieges von der obersten Führung bedenkenlos immer mehr überfordert. Durch die unglückselige sogenannte Festhaltestrategie und die dauernde Ablehnung der von den höchsten Truppenführern der Front immer wieder erhobenen Forderung, ihnen freie Hand zur Durchführung sinnvoller Operationen zu lassen, brannten sie aus. Die Infanteriedivisionen wurden das Opfer einer revolutionären, überstürzten Schwerpunktentwicklung zum Materiell-Technischen — einer Entwicklung, zu der die Voraussetzungen nicht ausreichend gegeben waren und der deshalb der Oberbefehlshaber des Heeres, der unvergessene ritterliche Soldat, der große Erzieher und Ausbilder, Generaloberst Frhr. v. Fritsch (gef.) sowie der klarblickende, verantwortungsbewußte Chef des Generalstabes des Heeres, Generaloberst Beck († 20. Juli 1944) mutig doch leider vergeblich entgegentraten. Auch sie waren überzeugt von der zwingenden Notwendigkeit des Aufbaues und der Entwicklung einer taktischen und operativen Panzerwaffe und einer entsprechenden starken Luftwaffe in einem angemessenen Tempo, wobei das Rückgrat der Wehrmacht modern bewaffnete und ausgerüstete Infanteriedivisionen bleiben sollten. In der Spitzengliederung sollte die unter einem Chef des Generalstabes der Wehrmacht — aus dem Generalstab des Heeres entwickelt — unerläßliche einheitliche Führung sicher gestellt werden. Das aber wollte der Diktator nicht. Mit Recht wird man fragen: sind denn die Panzerwaffe und die Luftwaffe nicht auch „mißbraucht” worden? Wurden sie nicht auch überfordert? Diese Frage ist zu bejahen. Doch liegen die Gründe hier nicht in der mißbräuchlichen Entwertung! Bei der Panzerwaffe trat die Überforderung und dadurch Mißbrauch im Einsatz als Folge der Entwertung der Infanteriedivisionen auf. Sie mußten — oft selbst schon Torsos — an den überspannten Fronten „Feuerwehr” sein. In folge der „Festhaltestrategie” konnte ihre zusammengefaßte Kampfkraft nicht mehr zweckentsprechend zum Einsatz gebracht werden, wenn die oberste Führung auch versuchte, sie personell, technisch, materiell und ausrüstungsmäßig auf der Höhe zu halten. Bei der Luftwaffe liegt der Grund zur Überforderung auch in der Fehlentscheidung beim Aufbau und in der Entwicklung

So ist der Titel des Buches zu verstehen Ein jeder Leser, der an der Front stand, wird aus eigenem Erleben diese Feststellungen machen können.

An 20 skizzenhaften Kampf- und Gefechtsschilderungen mit Auswertung besonderer Erfahrungen und Erkenntnissen sollen die ungeheuren Leistungen dieser Infanteriedivisionen und Jägerdivisionen im osteuropäischen Großraum geschildert werden Dabei soll auch zum Ausdruck kommen, wie sich die obere Truppenführung unter den von ihr zu meisternden schwierigen Verhältnissen auf die unterstellte Truppe in jeder Lage hat verlassen können, um jede noch so schwere Aufgabe zu erfüllen Ich bin mir durchaus bewußt, daß Erfahrungen und Erkenntnisse des Ersten Weltkrieges durch umwälzende Technik in vielem überholt sein werden Trotzdem werden sie Anregung geben können. Auch heute halte ich es für durchaus möglich, daß wohlüberlegte Improvisationen aus der hochgezüchteten Führungskunst einer vergangenen Heeresepoche selbst übermäßige Technik bis zu einem gewissen Grade ausgleichen können.

Wenn hier bei Nennung von Truppenverbänden Namen z B von Kommandeuren angegeben werden, so dient das dazu, dem Leser zu ermöglichen, sich vielleicht an Erlebnisse zu erinnern Es ist ja leider unmöglich, all der tapferen Kämpfer aller Dienstgrade, die es verdient hätten, genannt zu werden, namentlich zu gedenken. Die Kämpfer der Infanteriedivisionen aber werden in ihrem Volk lebendig und beispielhaft weiterleben, nicht in geräuschvoller Propaganda, sondern so, wie sie in stiller Pflichterfüllung gekämpft haben und wie sie auch heute noch in allen Lebenslagen und Berufen ebenso ungenannt wie vorm Feinde anzutreffen sind.

Der heranwachsenden Jugend aber wird dieser ungenannte und unbekannte Kämpfer als Träger soldatischer Tugenden Brücke und Vorbild vom Vergangenen zur Zukunft sein können:

„Allein dadurch, daß man das Gegenwärtige aus dem Vergangenen entwickelt, kann man ihm eine Dauer für die Zukunft versichern.” (Frhr. v. Stein)

Abkürzungen

 

 

Abschlußausbildung im Schnellverfahren in der Heimat – Frühjahr 1941 Abtransport nach Osten

M

itte April 1941 übernahm ich nach 20-jähriger Zugehörigkeit zum Generalstab mit seiner vielseitigen Ausbildung im Wechsel von Truppenkommandos und Generalstabsdienst als Generalmajor das Kommando über die 97. leichte Inf.Div. in Bad Tölz Für mich war damit der Augenblick eingetreten, den ich so lange herbeigesehnt hatte — ich war Truppenführer geworden, Kommandeur einer Infanteriedivision! Im Bewußtsein, eine schwere Aufgabe in hoher Verantwortlichkeit übernommen zu haben, ging ich mit Tatkraft an die mir anvertraute Aufgabe heran Natürlich ahnte ich damals noch nicht, welch schweren Zeiten ich als Truppenführer im Rußlandfeldzug entgegenging Ganz abgesehen von den großen körperlichen Strapazen, denen auch ein hoher Truppenführer in diesem Feldzug ausgesetzt war, kann niemand auch noch die seelischen Belastungen und die des Gewissens ermessen, die auf einem Truppenführer lasten, wenn er es nicht selbst erlebt hat. Die sind ja nicht zu sehen und statistisch zu erfassen, dieser tägliche Verschleiß der Nerven, diese unerhörte Belastung durch ein Obermaß von Verantwortung, die mit dem Range des Truppenführers wächst.

In Bad Tölz lag der Divisionsstab zentral im Unterbringungsraum der Division. Der Stab war vortrefflich zusammengesetzt. Der erste Generalstabsoffizier (la) war der Major im Generalstab Beelitz, mein erster Berater In der ganzen Division beliebt, kam er auch mir gleich mit großer Aufgeschlossenheit entgegen, so daß ich gleich das Gefühl des Vertrauens zu ihm hatte. Ich hatte mich nicht getäuscht, er war ein Generalstabsoffizier bester Qualität, zuverlässiger Arbeiter, immer auf das Wohl der Truppe bedacht. Aber auch allen anderen Mit Arbeitern meines Stabes bin ich in aufrichtiger Dankbarkeit für ihre nie erlahmende Arbeitskraft auf immer verbunden.

Die 97. leichte Inf.Div. bestand aus den Jägerregimentern 204 und 207, dem Artillerieregiment 81 mit sieben pferdebespannten leichten Haubitzbatterien, Kal. 10,5 cm, und zwei schweren motorisierten Feldhaubitzbatterien, Kal. 15 cm, der Aufklärungsabteilung 97 auf Fahrrädern, dem Pionierbataillon 97, der Panzerjägerabteilung 97 mit 3,7 cm Abwehrgeschützen, der Nachrichtenabteilung 97, dem Feldersatzbataillon 97 sowie Sanitäts-, Veterinär- und Nachschubdiensten aller Art. Sturmgeschütze und Panzerabwehrgeschütze auf Selbstfahrlafette fehlten völlig. Der Ersatz der Jäger stammte meist aus Oberbayern, die schon in Gebirgsjägerregimentern gedient hatten. Echte, zähe, treue bayrische Gebirgler. Ein Jägerbataillon hatte Ersatz von der Wasserkante, meist Hamburger. Sie hatten sich schnell umgestellt und waren genauso wendig und zäh wie ihre bayrischen Gebirgskameraden, mit denen sie sich im „Kameradengeneck“ ausgezeichnet verstanden. Die Artillerie bestand aus Einheiten von Bayern und Märkern — eine ausgezeichnete Mischung Alle anderen Verbände hatten in der Mehrheit bayrischen Ersatz. So galt diese Division als eine bayrische Division, ihr Abzeichen war die „Spielhahnfeder“.

Mir stand nur wenig Zeit — acht Wochen — zur Verfügung, um das Vertrauen der Division zu erwerben und sie mir ausbildungs- und führungsmäßig in die Hand zu spielen. Die Umstände hierzu waren aber günstig, da es sich meist um ausgebildete Soldaten handelte, die auch schon im Feuer waren. Außerdem hatten die Siege und großen Erfolge auf allen bisherigen Kriegsschauplätzen die Stimmung bei Offizier und Mann beschwingt Jeder gab sein Bestes her.

Wahres Führertum fordert eigene beispielhafte Haltung, Fürsorge und Gerechtigkeit seinen Untergebenen gegenüber, dazu Erfahrung, Wissen und Können auf allen Ausbildungsgebieten, so wie es die „Einleitung” der von Generaloberst Ludwig Beck verfaßten „Truppenführung” in knapper Sprache zum Ausdruck bringt Ich habe nie einen Zweifel darüber gelassen, daß ein Vorgesetzter, der durch Haltung, Fürsorge und Gerechtigkeit hervorstach, mir wertvoller er schien als ein nur taktischer Könner, dem aber echtes Empfinden für Fürsorge und Gerechtigkeit mangelte.

Als erstes kümmerte ich mich um die Unterbringung, Bekleidung und Ausrüstung sowie meinen „Dollpunkt“, die Verpflegung. Ich konnte schnell feststellen, daß alles in Ordnung war, der Truppe ging es sehr gut.

Für diese Abschlußausbildung hatte ich ein klar durchdachtes Programm entworfen Bewußt beschränkte ich die Ausbildung auf Schießen im scharfen Schuß und gefechtsmäßige Übungen im Gelände in hartem Gefechtsdrill Andererseits legte ich größten Wert darauf, daß der Truppe genügend Freizeit blieb, denn sie mußte auch aus geruht in voller Kraft an die zu erwartenden schweren Aufgaben herangehen. Es war nicht einfach, alle diese Forderungen unter einen Hut zu bringen.

Die Offiziere schulte ich durch ihre Kommandeure an Hand von Planspielen und am Sandkasten, dem Übungsgelände nachgebildet, um sie entschluß- und führungssicher zu machen und die Befehlssprache und -technik zu schulen.

Die höchste Anforderung an die gefechtsmäßige Ausbildung verlangte die Ausbildung des Infanteristen — also des Jägers Sie stellt an den Einzelnen erheblich größere Anforderungen als bei den Waffengattungen, die mit Material oder Technik zu tun haben. Der In fanterist ist Einzelkämpfer im kleinsten Verband, ist oft auf sich allein gestellt und steht vor einer Vielzahl von Eindrücken, Einzelaugaben und Entschlüssen in stets wechselndem Gelände und Gefechtsmomenten Aus dem vielseitigen Ausbildungsprogramm sei nur hervorgehoben: Beobachtungsdienst, Gefechtsaufklärung, Sicherungs-, Verbindungs- und Meldedienst, Geländeausnutzung und Tarnung auf dem Marsch, auf dem Gefechtsfeld, in der Bereitstellung, im Angriff, in der Verteidigung, Wald- und Ortskampf in Kampfgruppen und Schießen Dazu kommt die Zusammenarbeit mit den schweren Waffen der Infanterie und der Artillerie.

Hat eine neuaufgestellte Division auch meist einen Stamm ausgebildeter Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, so muß die Division doch zur Kampfeinheit zusammengeschweißt werden Dabei ist zu bedenken, daß die Stammmannschaft noch einen erheblichen Teil von Leuten enthält, die nach kurzer Ausbildung im Ersatzheer ins Feld kamen und dann nach Verwundung oder Krankheit bald wieder aus dem Feld in die Heimat zurückkehrten Diese Leute sind natürlich noch keine vollwertigen Kämpfer, noch weniger Ausbilder, wozu Wissen, Können, Erfahrung und Lehrtalent gehört Entscheidender Wert — und die Zeit muß gefunden werden — ist zunächst auf die gründliche Vorbereitung der Ausbilder zu legen Diese ist zweckmäßig auf den Tag vor einer Gefechtsübung im Rahmen des beabsichtigten Übungszweckes zu legen. Dann werden die Ausbilder praktische Lehrer sein können. Am besten findet diese Vorbereitung mit einer kleinen Lehrtruppe im Übungsgelände statt. Die Lehrtruppe zeigt das beabsichtigte Gefechtsbild in falscher und richtiger Form. Alle Fehler werden sofort in jeder Gefechtsphase besprochen und richtiggestellt. Auf Grund dieser von der Division und den Regimentern gesteuerten Vorbereitung finden dann, klein beginnend, die Gefechtsübungen statt. An diesen Übungen nehmen Vertreter aller Waffen, zumindest in Rahmenausstattung, teil. Auch diese Übungen sind häufig zu unterbrechen, um alle Fehler sofort zu besprechen und den Gefechtsabschnitt wiederholen zu lassen, damit sich die richtigen Bilder einprägen.

Besonderer Wert ist auf die Zusammenarbeit der Infanterie mit den schweren Waffen und der Artillerie zu legen. Ohne diese enge Zusammenarbeit ist kein Gefecht zu führen Wenn auch alle schweren Waffen und die Artillerie die Verbindung zur Infanterie halten müssen, so muß jeder infanteristische Führer die Verbindung zu den schweren Waffen suchen. Nur so kann pausenloses Unterstützungsfeuer sichergestellt werden, das in beobachtetem Feuer den Feind niederhält oder vernichtet. Die zu Beginn eines Angriffs oft an gewandten Feuerzusammenfassungen (Feuerschlag), um den Feind zu vernichten, sind falsch. Sie schlagen den Feind nicht tot, zeigen ihm aber Angriffszeit und Ziel. Auch Störfeuer soll in ruhigem und laufendem Einzelfeuer unterhalten werden, nur auf Augenblicksziele ist das Feuer zusammenzufassen.

Die Gefechtsausbildung aller Waffen muß zu jeder Jahreszeit — vor allem auch nachts — laufend erfolgen. Der moderne Kämpfer ist ein Nachtgeschöpf geworden. Nur größte Härte in den Anforderungen und eiserner Gefechtsdrill ergibt den Kämpfer, der gefordert werden muß.

Die hauptsächlichsten Kapitel aus der vorzüglichen HDV. 130, Heft 5, „Ausbildungsvorschrift für die Infanterie”, habe ich für die gefechtsmäßige Ausbildung im Kompanie- oder Bataillonsrahmen zeichnerisch zur Darstellung gebracht. Vervielfältigt wurden sie ein „Vademecum“ für alle Offiziere und Unteroffiziere. Die bildliche Darstellung fehlte leider damals in unseren sonst so hervorragenden Ausbildungsvorschriften. Sie hat sich bezahlt gemacht und die Einheitlichkeit der Ausbildung sehr gefördert. Alle anderen Waffengattungen wurden in der gleichen Weise, ihrer Eigenart entsprechend, geschult Bei der Artillerie hatte ich auf Grund meiner Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg neben wendiger Gelände-, Beobachtungs- und Schießausbildung in der Batterie und der Abteilung noch besonderen Wert auf gewandtes Einsetzen des Einzelgeschützes und Schießen in direktem Schuß zur unmittelbaren Unterstützung der Infanterie und zur Panzerabwehr (bewegliche Ziele) gelegt. Ich hatte zu diesem Zweck die Umbewaffnung wenigstens einer Abteilung des Artillerieregiments mit der leichten Feldhaubitze 16 beantragt, die leichter war, als die leichte Feldhaubitze 18 mit Spreizlafette und einer nur 1,5 km größeren Schußweite. Leider wurde aus Nachschubgründen der Antrag abgelehnt Nun mußte die wesentlich schwerere 1 F H 18 diese Aufgabe mitübernehmen Das bei der leichten Artillerie während der Friedensausbildung stark im Vordergrund stehende Planschießen mußte zugunsten des beobachteten Schießens zurücktreten. Beobachtetes Punktschießen wurde wichtiger. Der Schwerpunkt bei der schweren Artillerie lag auf dem Planschießen.

Die Panzerjäger wurden vor allem im gefechtsmäßigen Schießen gegen bewegliche Ziele auf Schartenbeschuß gedrillt.

Noch reichhaltiger als die Ausbildung des Grenadiers war die der Pioniere. Hindernis- und Sperrenbau, Minenspuren und -verlegen, Bunkerknacken, Einsatz von künstlichem Nebel, behelfsmäßiger Floß- und Brückenbau sowie der reichhaltige Wasserdienst im Ponton sind nur ein kleiner Teilausschnitt dessen, was neben der infanteristischen Ausbildung gefordert werden mußte. Fälschlicherweise wurde aus Kräftemangel die Pionierwaffe im Kriege oft infanteristisch ein gesetzt.

Neben der infanteristischen Ausbildung lag bei der Aufklärungsabteilung der Schwerpunkt der Ausbildung in der Aufklärung, Feindbeobachtung und Beurteilung, Meldedienst und Skizzenzeichnen.

In Nachrichtenrahmenübungen wurden die Verbindungen aller Art und Befehls- sowie Meldedurchgabe vom Divisionsstab bis zu den Bataillonsstäben und umgekehrt unter schwieriger Lage geübt, damit der Verbindungs- und Meldeapparat reibungslos auch bei starken Ausfällen arbeitete Alarm- und Verladeübungen auf Lkw bei Tag und Nacht vervollständigten das Programm. Besonders erwähnen möchte ich noch besondere Tarnlehrübungen, die der Truppe augenscheinlich die Tarnmöglichkeiten vorführen und zeigen sollten, wie man sich, der natürlichen Umgebung anpassend, auch gegen Lufterkundung unsichtbar machen kann Ich habe auf diese Tarnung stets den größten Wert gelegt Allerdings hat die Wirklichkeit später gezeigt, daß die Truppe auf die Dauer in der Tarnung nachlässig wird Diese Nachlässigkeit hat uns leider viele unnötige Opfer gekostet. Auch der aktive Luftschutz im Massenfeuer der Infanterie gegen Tiefflieger wurde geübt.

Die Zeit der Ausbildung wurde jäh durch den Abtransport der Division in die Slowakei unterbrochen Demnach kam also ein Osteinsatz in Frage — aber gegen wen? Wir konnten uns keinen Vers machen, da uns ein Einsatz gegen Rußland, wenn auch nicht unmöglich, so doch nicht glaubhaft erschien. Von der Bevölkerung auf den Einladebahnhöfen herzlichst verabschiedet, fuhren die Transporte mit den Segenswünschen der Zurückbleibenden in eine ungewisse Zukunft, Richtung Ost. Die Gewißheit, alles nur Mögliche getan zu haben, um die Division kampffähig zu machen, gab mir die Zuversicht, alle kommenden Aufgaben erfüllen zu können Ich sollte mich in meiner Division nicht getäuscht haben!

Nach einer Fahrt durch die herrliche Wachau über Preßburg, das Waagtal hinauf bis Sillein, drehten wir dort nach Osten ab und fuhren durch das weite und waldreiche Tal zwischen der Hohen und der Niederen Tatra mit ihren schneebedeckten zackigen Spitzhäuptern unserem Ziel, Presov in der östlichen Slowakei, entgegen. Auf dem Wege dorthin durchfuhren wir das von Deutschen bewohnte Zipserland mit seinen großen, sauberen, in Stein gebauten Dörfern und wuchtigen Wehrkirchen mit gewaltigen Mauern. Auch Städtchen mit noch erhaltenen Stadtmauern erfreuten unsere Augen in dieser ganz deutsch anmutenden Landschaft. In Presov, einer Stadt mit östlich galizischem Einschlag, nahm ich Verbindung über den deutschen Luftattachée, Generalmajor Keiper, mit dem der alten k u k Armee entstammenden slowakischen Divisionskommandeur, General Pilvousek, auf. Auch hier konnte ich keine näheren Orientierungen erhalten. So begann ich wieder mit gefechtsmäßiger Ausbildung und Marschtraining Dabei konnten noch manche technischen Mängel ab gestellt werden. Die Panzerjägerabteilung hatte als Zugmaschinen für die 3,7-cm-Pak französische kleine Raupenschlepper, Chenilettes genannt, erhalten. Diese sollten, auf Lkw verlastet, eigentlich nur Versorgungszwecken auf dem Schlachtfeld über kürzere Strecken dienen. Den hohen Marsch- und Zuganforderungen waren sie daher nicht gewachsen. Nach Feststellung ihrer Nichteignung durch eine Kommission wurden der Division erbeutete englische Zugkraftwagen überwiesen, die sich hervorragend bewährten. Auch die Nachrichtenabteilung mußte in mühevoller Arbeit Pariser Lieferwagen, System Peugeot, für ihre Zwecke umbauen. Technisch hielten diese Fahrzeuge bis zum Einbruch der Schlammperiode und des Winters durch. Dann mußte die Abteilung auf Panjefahrzeuge verlastet werden. Ich selbst hatte während der ganzen Zeit meiner Divisionsführung keinen geländegängigen Wagen, sondern war auf einen kleinen Opel-Instandsetzungswagen angewiesen, der allerdings ausgezeichnet durchhielt All diese Mängel erwähne ich, um zu zeigen, wie behelfsmäßig die leichte Infanteriedivision ausgestattet war. Inzwischen war es etwa Mitte Juni geworden. Zum Armeeoberkommando 17. Armee nach Reichshofen befohlen, fuhr ich zur Meldung und Orientierung voraus. Der Oberbefehlshaber war der General der Infanterie Heinrich v. Stülpnagel († 20. Juli 1944), mein ehemaliger Abteilungschef im Generalstab des Heeres Mit ihm stand ich auf vertrautem Fuß. Auch sein Chef des Generalstabes, Oberst i G Vinzenz Müller, war mir aus dem Generalstab seit Jahren gut bekannt. Als ich um Orientierung über die Verwendung meiner Division bat, wurde mir lediglich gesagt, daß der Russe sehr starke Kräfte in der Gegend Lemberg zusammen gezogen habe und daß ich mit der Division in den Unterkunftsbereich des IV. AK, Gen. d. Inf. v. Schwedler, zu rücken hätte als Reserve der Armee. Mehr erfuhr ich nicht. Ich meldete mich dann beim IV. AK und zog die Division in einen Raum nordwestlich Lemberg — Divisionsstab nach Lezajsk am San — vor Gerüchte sprachen von einem Demonstrationsaufmarsch den Russen gegenüber, da diese sehr starke Kräfte in Gegend Lemberg versammelt hätten. Diese hörte ich auch bei einem Artillerieregiment, dessen Kommandeur mein Bruder, Gen.Lt. Otto Fretter-Pico, damals als Oberst war und das schon über ein halbes Jahr in Polen lag. An einen Krieg mit Rußland glaubte niemand wirklich, es war ja ein Nichtangriffspakt geschlossen! Kurz darauf wurde ich zum Gen.Kdo IV. AK befohlen, wo mir eröffnet wurde, daß bald mit einem russischen Angriff gerechnet würde, dem wir zuvorkommen müßten. Wir stellten uns da her zum Angriff bereit. Meine Division wäre zunächst im Korpsbereich Armeereserve. Ich hätte meine gesamte Artillerie bei der 71. Inf.Div., Gen.Lt. v. Hartmann (gef.), einzusetzen und für den Durchbruchskampf durch die starken russischen Grenzbefestigungen auf Zusammenarbeit anzuweisen. Da ich von jeher Halbheiten ablehnte, habe ich mein Artillerieregiment unter Oberst Prinner dem Gen.Lt. v. Hartmann voll und ganz unterstellt. Doch bereitete ich alles vor, um nach gelungenem Durchbruch mein Artillerieregiment sofort wieder einzufangen.

Nun war es also doch so weit! Die Division ging in eine gute luftgetarnte Bereitstellung. Bedrückend empfanden wir alle, daß es, im Großen gesehen, nun doch zum Zweifrontenkrieg gekommen war. Aber eine geschickte Propaganda mit einem Aufruf des obersten Befehlshaber der Wehrmacht, der damals nach siegreichem West- und Balkanfeldzug im höchsten Ansehen stand, überzeugte die Truppe und ihre Führer, daß Deutschland in Notwehr handelte Wenn wir nicht angriffen, käme uns, wie es der Aufmarsch beweise, der Bolschewik zuvor. Zum Schutz der westlichen Kultur und Europas müßten wir antreten und den Bolschewik schlagen Alle Versuche, mit den Angelsachsen zum Frieden zu kommen, seien gescheitert In verräterischer Zusammenarbeit mit England habe die Sowjetunion trotz des Nichtangriffspaktes dieses Abkommen gebrochen. Amerika liefere Geld und Waffen. Je länger Deutschland noch zuwarte, desto schwerer würde es Diese Kommentierung des Angriffsbefehls zum 22. Juni 1941 leuchtete der Truppe und ihrer Führung ein So trat das deutsche Ostheer mit der Gewißheit letzter Notwendigkeit und im Bewußtsein für Deutschland und Europa kämpfen zu müssen, zuversichtlich zum Kampf gegen den bolschewistischen Koloß in die mystische Unendlichkeit des östlichen Großraumes, dessen Unkenntnis bedrückend wirkte, mit ungeheurem Schwung an

Der Gegner im Großraum

D

er Sowjetsoldat ist ein Naturkind, physisch sehr hart, sehr anspruchslos und ausdauernd. Hirse und Sonnenblumenkerne — in Leinenbeuteln mitgeführt — machten ihn tagelang vom Verpflegungsnachschub unabhängig Er kennt sein Land und dessen Tücken genau, ist auf sie eingestellt, um sie zu überwinden Zum Einzelkämpfer weniger geeignet, ist er besser im Masseneinsatz zu verwenden Er bedarf ständiger Aufsicht durch Vorgesetzte Vorzüglich versteht er es, der Jahreszeit entsprechend, das Gelände auszunutzen Selbst bei Tage sickert er oft unbemerkt in Bereitstellungsräume oder in die bekannten Brückenköpfe ein Spähtrupps bewegen sich sehr gewandt In der Dämmerung und bei Nacht ist er ein besonders gefährlicher Gegner. Durch lebhafte Spähtrupptätigkeit und zahlreiche Teilangriffe bei Tag und Nacht läßt er dem Gegner keine Ruhe Er versucht ihn über seine Absichten irrezuführen, um dann im Angriff dort zu kommen, wo er geländemäßig am wenigsten erwartet wird Erfolge bei nächtlichen Teilangriffen können sehr schnell Massen angriffe auslösen! Mit unmittelbarer Panzerunterstützung und unter Alkohol führt er Angriffe, wenn auch stur und wenig wendig, schwungvoll durch Bei fehlgeschlagenem Angriff fällt der Sowjetsoldat psychisch leicht ab. Er muß dann immer wieder durch Vorgesetzte und unter dem rücksichtslosen Druck der Kommissare vorangetrieben werden. In der Verteidigung und Durchführung von Absetzbewegungen ist er Meister und ein besonders harter Gegner. Er weicht nicht. Mit einem geradezu naturhaften Instinkt gräbt er sich bei jeder Gefechtslage in kürzester Frist ein und tarnt sich vorzüglich. Unter Heranziehung aller Hilfsmittel, einschließlich der Zivilbevölkerung, baut er in großer Schnelligkeit tiefgestaffelte, weiträumige Feldstellungen zu hartnäckiger Verteidigung aus. Auch in der Anlage von Minenfeldern und Hindernissen ist er äußerst gewandt Eingeschlossen, wird er führungsmäßig leicht unsicher und entschlußlos. Doch versucht er, vor allem nachts, mit allen Mitteln auszubrechen — lautlos, Mann hinter Mann, sickert er unter Zurücklassen der schweren Waffen durch die meist nur dünne Einschließungsfront durch.

Den hohen Wert der soldatischen Tradition hatte die politische Führung klar erkannt. Im vaterländischen Gedanken wurden die Ruhmestaten des russischen Heeres in der Kriegsgeschichte beschworen und bewußt durch Wiedereinführung der Abzeichen der Zarenarmee die Verbindung zur Tradition neugeknüpft. Das gleiche bezweckte die Wiederanerkennung der Kirche, die gerade im ländlichen Volk verankert ist. Nur so konnten die Sowjets im „vaterländischen Kriege” durchstehen. Beispielhaft war die Propaganda — eine Waffe, gefährlicher als Vernichtungswaffen. Wie aus erbeuteten Schulbüchern für die deutsche Sprache festgestellt werden konnte, betrieben die Sowjets schon vor dem Kriege eine intensive Polemik gegen das deutsche Volk. Wenn auch zunächst der deutsche Soldat fast überall als Be freier gefeiert wurde und ihm die Bevölkerung mit Vertrauen entgegenkam, so gab die falsche Behandlung der Kriegsgefangenen in Verwaltungsgebieten und in der Heimat genügend Stoff für eine wirkungsvolle Propaganda, die sich im rücksichtslosen Partisanen krieg auswirkte. Dazu kam noch die Bedrückung der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten durch die braune Zivilverwaltung, so daß die Stimmung gegen den Deutschen bald in Haß umschlug.

Andererseits darf nicht übersehen werden, daß vor allem in der ländlichen Bevölkerung der deutsche Soldat in den rückwärtigen Ge bieten der Armeen und Heeresgruppen wegen seiner sauberen Haltung in guter Erinnerung geblieben ist.

Die Bewaffnung der Sowjetwehrmacht war gut, Bekleidung und Ausrüstung vorzüglich, viel amerikanischen Ursprung So auch ihre motorisierten Fahrzeuge, in deren einfacher Normung der Sowjet uns weit überlegen war. Seine Panzer waren äußerst geländegängig, wenn auch anfänglich in der Optik nicht ganz auf der Höhe. Das Geschütz material war in der Konstruktion einwandfrei und weittragend. Ganz ausgezeichnet waren die höchst einfach konstruierten, sehr weittragenden Granatwerfer, die zum Masseneinsatz kamen. Die „Stalinorgeln” hatten mehr moralische Wirkung. Durch besondere Sommerbekleidung und dickwattierte Winteruniformen mit Filzstiefeln wurde der Sowjetsoldat, jeder Jahreszeit und Wetterlage angepaßt, leistungsfähig erhalten.

Besonders hervorgehoben werden muß die Kunst der Sowjets im Improvisieren — gleichgültig, ob es sich dabei um schnelle Umgruppierungen, um Bau von Eis- und Unterwasserbrücken oder um bodengleiches schnelles Verlegen von Eisenbahnen mit Fahren auf Sicht handelt — alles zeichnet sich durch Einfachheit aus, dem Auffassungsvermögen des Soldaten, den Erfordernissen der Natur seines Landes entsprechend, aber auch der Rücksichtslosigkeit im Einsatz von Menschenleben gemäß.

Erleichtert wurde dem Gegner die Kriegführung nicht nur durch fast unerschöpfliche Menschenreserven, die Großraumigkeit des Landes und die Tücken der Natur sowie die Materialhilfe der Verbündeten, sondern vor allem durch Hitlers Zersplitterung der Kräfte und unsinnige „Festhaltestrategie” mit unzureichenden Kräften! Zu Kriegs beginn bis etwa 1942 war die taktische und operative Schulung der Sowjets den Deutschen weit unterlegen. Trotz oft erstaunlich guter Vorschriften war das untere und mittlere Offizierskorps noch nicht genügend aufnahmefähig und geistig geschult, um die Vorschriften verarbeiten zu können. Später merkte man, daß der Feind sich die Kampferfahrungen sowohl taktisch wie auch operativ zunutze gemacht hatte. Durch gute Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen im Erkennen des Wesentlichen hat er spürbare Fortschritte gezeigt. So hat er nach anfänglich sehr systematischem Ansatz von Operationen gelernt, bei operativen Durchbrüchen Ziele mit ausgesprochener Schwerpunktbildung zu geben und Umfassungen in die Tiefe der Flanke anzusetzen. Das wirkte sich besonders bei der Panzerwaffe aus. Seine Artillerie hatte er gelernt, sehr wendig in Feuerzusammenfassungen zu führen.

So war der Sowjetsoldat und seine Entwicklung im letzten Weltkrieg Heute ist anzunehmen, daß er die deutschen Führungsgrundsätze und die deutsche Gefechtsausbildung unter Ablegen jeglichen starren Schematismus, der so leicht zum Verderben führen kann, weitgehend übernommen hat.

Bei der außergewöhnlichen Härte ihres Soldaten, der technischen Weiterentwicklung und durch fortschreitende geistige Schulung ist aus der Erfahrung des zweiten Weltkrieges die Sowjetunion ein militärischer Machtfaktor ersten Ranges geworden.

 

I. Leichte Infanteriedivision im Kampf. Zerschlagung einer sowjetischen Panzerdivision bei Magierow, 25.12, 6. Juni 1941

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och keine Woche war es her seit Beginn des Ostkrieges, da stand die 97. leichte Inf.Div., unterstellt dem IV. AK im Rahmen der 17. Armee, schon weit in Galizien nordwestlich Lemberg Schwer waren die Durchbruchskämpfe durch die wohlausgebauten, tief gestaffelten Grenzbefestigungen, mit ihrem Gewirr von Drahthindernissen, Zäunen, Minenfeldern und Betonklötzen gewesen, und hart waren die Kämpfe nach gelungenem Durchbruch mit den vorzüglich ausgerüsteten und bewaffneten Sowjetdivisionen der starken Kräfte gruppe um Lemberg. Erbeutete Ausrüstungsstücke und Munition amerikanischen Ursprungs machten der Truppe und ihrer Führung die Notwendigkeit des Präventivkrieges augenscheinlich. Nun aber rollte der Angriff und mußte in Schwung gehalten werden.

Doch bald gab es einen unerwarteten Stopp. Die Aufklärung der Division hatte am 25. Juni 1941 einen bisher nicht bekannten Gegner festgestellt. Zahlreiche Sowjetpanzer, vorzüglich getarnt in Ort schaften und Waldstücken, lagen im Vormarschstreifen der Division im Raum nordwestlich Lemberg. Nördlich der Division waren starke Feindkräfte in Rawa Ruska von der Masse des IV. A.K. (Gen. d. Inf. v. Schwedler) eingeschlossen, so daß mit einem Eingreifen der Feindpanzer zum Entsatz gerechnet werden mußte.

Es standen sich hier eine leichte deutsche Infanteriedivision und ein starker russischer Panzerverband gegenüber. An Spezialwaffen für Panzerbekämpfung besaß die leichte Infanteriedivision nur die 3,7-cm-Pak, sonst war sie auf die leichte Feldhaubitze und eine zugeteilte 8,8-cm-Flakbatterie angewiesen. Über Sturmgeschütze oder Infanterie-Begleitpanzer verfügte die Division nicht. Zwei völlig ungleiche Gegner sollten sich messen. Die Panzerschlacht bei Magierow endete mit dem Sieg der deutschen leichten Infanteriedivision! Rawa Ruska wurde von der 8. russischen Pz.Div. nicht entsetzt. Diese wurde nämlich bei Magierow völlig zusammengeschossen.

In schnellem Zupacken hatte das Jägerregiment 204 der 97. leichten Division (Oberst Heikaus, gef.) die dem Ort Magierow südostwärts vorgelagerte Höhe genommen. Von hier konnte das Feindgelände gut eingesehen und die Gefechtsaufklärung angesetzt werden. Vorzügliche Beobachtungsstellen der Artillerie machten es möglich, überraschend mit zusammengefaßtem Feuer in die erkennbaren, aber gut getarnten Panzerbereitstellungen zu wirken. Stichflammen und Rauchsäulen zeigten Volltreffer an.

 

1. Skizze: Leichte infanteriedivision gegen sowjetische Panzerdivision:

Schalcht bei Magierow am 25./26. Juni 1941

 

Es kam Leben in die feindliche Bereitstellung. Die Panzer wirbelten durcheinander wie ein Ameisenhaufen, in den man mit einem Stock hineinstößt. Fluchtartig auseinanderfahrend suchten sie neue Deckung, um sich der Beobachtung zu entziehen Immer wieder verfolgte sie das zusammengefaßte Feuer unserer Artillerie.

Die Bereitstellung war zerschlagen und zunächst ein Eingreifen der Panzerdivision verhindert.

Doch der Nachmittag brachte schon die ersten Kämpfe mit durch Einzelpanzer unterstützter feindlicher Infanterie. Leider mußten unsere Panzerjäger sehr bald erfahren, daß sie mit ihren 3,7-cm-Pak gegen die Russenpanzer wenig auszurichten vermochten Sie konnten nur gegen die Sehschlitze und Scharten wirken Es wurden daher beschleunigt einzelne leichte Feldhaubitzen (1. F.H.) als Infanteriegeschütze den Jägern zur Unterstützung zugeführt.

---ENDE DER LESEPROBE---