Mister Notting Hill - Louise Bay - E-Book

Mister Notting Hill E-Book

Louise Bay

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Beschreibung

Er ersteigert ein Date mit ihr - und den Weg in ihr Herz

Eigentlich hat Parker Frazer nach einer schlimmen Trennung den Männern für immer abgeschworen. Doch um endlich Zugriff auf ihren Treuhandfonds zu erhalten und ihre Stiftung zu unterstützen, muss sie heiraten. Es scheint ein Wink des Schicksals zu sein, als der attraktive Tristan Dubrow bei einer Charity-Auktion ein Date mit ihr ersteigert. Und es schadet auch nicht, dass Tristan unbedingt ein Geschäft mit ihrem Vater abschließen will. Mit einer Scheinehe auf Zeit wäre also beiden geholfen. Nur drei Monate, in denen Parker Tristans glühende Blicke ertragen muss - und diese unwiderstehliche Anziehungskraft zwischen ihnen...

»Ein Buch von Louise Bay zu lesen fühlt sich jedes Mal wie nach Hause kommen an. Ihre Geschichten sind absolut süchtig machend, voller Humor und mit spannenden Charakteren.« BLÜTENZEILEN

Band 6 der MISTER-Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Louise Bay

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Seitenzahl: 403

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Louise Bay bei LYX

Leseprobe

Impressum

LOUISE BAY

Mister Notting Hill

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anne Morgenrau

ZU DIESEM BUCH

Als Tochter eines der erfolgreichsten Geschäftsmänner Großbritanniens könnte Parker Frazer ein sorgloses Leben im Luxus führen. Stattdessen steckt sie ihre ganze Zeit und ihr Herzblut in die Wohltätigkeitsarbeit. Vor allem Sunrise, eine Stiftung für herzkranke Kinder, benötigt dringend finanzielle Unterstützung. Wie ärgerlich, dass ihr Vater Parker den Treuhandfonds in Millionenhöhe nur unter der Bedingung auszahlt, dass sie mindestens drei Monate lang verheiratet ist. Doch nach einer schlimmen Trennung hat sie romantischen Beziehungen für immer abgeschworen. Da scheint es ein Wink des Schicksals zu sein, als der attraktive Tristan Dubrow bei einer Charity-Auktion ein Date mit ihr ersteigert. Und es schadet auch nicht, dass Tristan unbedingt ein Geschäft mit ihrem Vater abschließen will. Mit einer Scheinehe auf Zeit wäre also beiden geholfen. Es sind ja nur drei Monate, in denen Parker Tristans glühende Blicke ertragen muss – und diese unwiderstehliche Anziehungskraft zwischen ihnen …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

1. KAPITEL

PARKER

Nur zwei Dinge im Leben waren besser als Schokorosinen: zu meinem wunderschönen, wenn auch geliehenen, feuerroten Abendkleid passende High Heels anzuziehen und Spenden für eine Organisation zu sammeln, die kranken Kindern und ihren Familien half. Alle drei Dinge auf einmal waren die reine Wonne. Während ich mir eine weitere Handvoll Schokorosinen nahm und gleichzeitig den riesigen Ballsaal inspizierte, der vor mir lag, erlaubte ich mir drei Sekunden tiefer Zufriedenheit. Schließlich musste ich noch einmal die Auktionslose für die Artikel, die zur Versteigerung standen, überprüfen, um sicherzugehen, dass alles seine Ordnung hatte. Danach würde ich in der Küche nach dem Rechten sehen, und wenn alles fertig war, würde ich mich endlich umziehen.

Laut knarrend öffnete sich eine der großen Türen zum Ballsaal, und meine beste Freundin Sutton schlüpfte herein. Ich hatte sie dazu überredet, mir zu helfen. »Das ist ja riesig hier«, sagte sie.

»Mehr Menschen bringen mehr Geld.«

»Ist das hier der Auktionstisch?«, fragte sie. Ich hatte sie beauftragt, den Gästen bei der Ankunft die Objekte zu zeigen und sie zum Bieten zu ermutigen.

»Ja. Von allem, was richtig teuer ist oder nicht auf den Tisch gestellt werden kann, weil es eine Urlaubsreise ist oder Ähnliches, gibt es ein Bild. Aber die Details stehen im Auktionskatalog. Davon liegt einer auf jedem Stuhl, und unter diesem Tisch befindet sich noch ein Stapel, falls Nachschub gebraucht wird.« Ich deutete auf einen Tisch an der Seite, der mit einer bodenlangen Tischdecke bedeckt war und auf dem ein leicht überdimensioniertes Blumengesteck stand. Als Verantwortliche für diese Gala hatte ich an alles zu denken versucht, einschließlich des besten Verstecks für notwendiges Veranstaltungsmaterial. Bei einem Event, das für unseren Erfolg derart wichtig war, kam es auf jedes Detail an.

»Ich lege noch welche hierher, damit die Leute sie mitnehmen können.« Sie zog ein paar Kataloge unter dem Tisch hervor und legte sie darauf.

Mein Ziel war es, durch die Auktion rund fünfzigtausend Pfund einzunehmen, zuzüglich fünfzigtausend durch den Ticketverkauf. Mein Magen rumorte, wenn ich daran dachte, was auf dem Spiel stand. Die freudige Zufriedenheit, die mich nur eine Minute zuvor noch erfüllt hatte, verschwand und verwandelte sich in abgrundtiefes Grauen.

»Wie genau hast du es noch mal geschafft, mich zu überreden?«, fragte ich Sutton und bereute zutiefst, dass ich mich bereit erklärt hatte, auf einem der Auktionslose zu stehen … und auf der Bühne wie eine Art Wellness-Geschenkkorb.

»Ich habe rein pragmatisch gehandelt. Du bist schön. Bei dieser Auktion wird jeder Mann darauf bieten wollen, mit dir essen zu gehen. Und das bedeutet mehr Geld für die Kinder.«

Ich atmete tief durch. Sie hatte recht und gleichzeitig unrecht. Zweifellos würden einige Typen auf ein Date mit mir bieten, aber nicht, um einen Abend in meiner Gesellschaft zu verbringen. Nein, sie würden bieten, um meinem Vater zu schmeicheln. Als Vorstand einer der größten Investmentbanken der Welt war mein Dad seit Jahrzehnten ein Titan der Finanzwelt und übte eine Art von Macht aus, die im Grunde keinen Sinn ergab. Für mich war er nur mein Dad. Sutton hatte recht … heute Abend ging es nur um die Spenden, und es sollte mir komplett egal sein, warum die Leute auf die verschiedenen Objekte boten. Hauptsache, sie taten es.

»Wann ziehst du dich um?«, fragte meine Freundin und musterte mich von oben bis unten.

»Wie meinst du das? Gefällt dir mein Kleid etwa nicht?« Meine Frisur und das Make-up waren fertig, aber ich trug noch mein zitronengelbes Shirtkleid von Zara. Ich grinste sie an und sagte: »Ich ziehe mich erst um, wenn ich alles andere erledigt habe, so spät, wie es nur geht. Denn sonst kleckere ich mich garantiert mit irgendetwas voll. Apropos kleckern: Ich sehe mal rasch in der Küche nach dem Rechten.« Ich schaute auf die Uhr. Jeden Moment würden die ersten Gäste ankommen.

»Okay, dann zisch ab«, sagte Sutton. Ich hatte den Raum bereits zur Hälfte durchquert, als sie hinzufügte: »Und viel Glück!«

Ich stieg die Treppen neben der Bühne hinauf und schlüpfte hinter den Vorhang. Es herrschte das reinste Chaos. Irgendwelche Leute trugen Zeug von links nach rechts und von rechts nach links, jemand stand auf einer Leiter und hantierte mit Elektrokabeln. Ein anderer probierte die Mikrofone aus, die hin und wieder schrille Töne von sich gaben. Ich trat einen Schritt zurück, als jemand mit einem Headset-Mikrofon an mir vorbeieilte, als wäre ich gar nicht da.

Ich suchte den Blick der Eventmanagerin des Hotels. Sie nickte energisch und hob beide Daumen. Das konnte nur bedeuten, dass dieses Pandämonium tatsächlich Teil ihres Plans war. Falls sie mir schlimme Nachrichten überbringen musste – zum Beispiel, dass die Band im Stau stand oder der Koch in einen Streik getreten war –, hatte ich ihr die Gelegenheit dazu gegeben, und sie hatte sie nicht genutzt. Ich verbuchte es als Sieg. Nächster Halt: die Küche.

Ich bahnte mir einen Weg durch das geschäftige Treiben und hinaus auf den Flur. Als ich die Tür zur Küche öffnete, schrie jemand: »Raus hier!« Der Koch war recht temperamentvoll, um es diplomatisch auszudrücken, aber sein Essen war köstlich. Ich näherte mich Metual, dem Oberkellner. »Läuft alles wie geplant?«

»Na ja, wir haben zu wenig Platz. Und die Desserts schmelzen, weil es hier drinnen so heiß ist. Darum bringen wir sie in den leeren Konferenzraum.« Kellner mit Metalltabletts huschten an mir vorbei.

»Gib mir auch eins. Ich muss mich noch umziehen, und der Konferenzraum liegt auf dem Weg.«

»Danke«, sagte Metual und reichte mir ein Tablett.

Die Desserts sahen unfassbar lecker aus, eine Kreation aus Blätterteig, Sahne und Haselnuss. Ob es wohl jemandem auffallen würde, wenn eins fehlte?

Er hielt mir die Tür auf, und ich reihte mich in die Schlange der Kellner ein, die zum Konferenzraum strebten.

»Parker«, sagte Paddy aus meinem Team, der aus der entgegengesetzten Richtung auf mich zukam. »Möchtest du Musik haben, wenn die Gäste kommen?«

»Ja, diese Big-Band-Sachen, über die wir geredet haben.«

Paddy fuhr sich mit der Hand durchs Haar, als hätte ich ihn gerade gebeten, eine aus Giraffen bestehende Blaskapelle aus dem Hut zu zaubern, und eilte davon.

Die Kellnerparade war mit den restlichen Tabletts in einem Flur verschwunden, der, soweit ich wusste, noch tiefer ins Innere des Hotels hineinführte. Ich beschloss, mit meinem Tablett eine Abkürzung durch die Lobby zu nehmen. Ich musste mich konzentrieren, sonst war das Dinner fast zu Ende, ehe ich mich auch nur setzen konnte. Ich beschleunigte den Schritt und steuerte auf den Konferenzraum zu.

Bevor ich mich umgezogen hatte, wollte ich niemanden begrüßen, darum starrte ich auf mein Tablett und vermied in der Lobby jeden Blickkontakt, nur für den Fall, dass sich dort Gäste der Gala aufhielten.

Dann – wumms! – lief ich gegen eine Wand.

Das Tablett kippte und traf mich an der Brust, nur knapp an meinem Gesicht vorbei … Gott sei Dank. Ich hatte keine Zeit, mein Make-up zu erneuern und mir noch einmal die Haare zu machen.

Als das Tablett auf den Boden fiel, blieben sämtliche Desserts an mir kleben. Ich sah aus wie ein mit Blätterteig und Sahne dekorierter Weihnachtsbaum. »Und deswegen ziehe ich mich erst in letzter Minute um«, sagte ich zu mir selbst.

Ich blickte auf und stellte fest, dass ich nicht gegen eine Wand, sondern gegen einen sehr groß gewachsenen Mann gelaufen war. Einen wirklich sehr großen Mann, der sich wie eine Wand anfühlte.

»Alles okay mit Ihnen?«, fragte er und blickte aus leuchtend blauen Augen amüsiert auf mich herab. »Tut mir leid, ich habe Sie da unten gar nicht gesehen.«

Da unten? Okay, ich bin nur eins achtundfünfzig groß, aber aus seinem Mund klang es, als wäre ich kleinwüchsig.

»Alles gut«, versetzte ich und löste ein Stück Blätterteiggebäck von meiner Brust. Es war ein wenig zerdrückt, sah aber immer noch köstlich aus. Das würde doch jetzt bestimmt niemand mehr essen, oder? Und ein kleiner Snack war schließlich nie verkehrt. Ich meine, vielleicht würde er meine Nerven ein bisschen beruhigen. Ich biss hinein.

»Mmmh.« Es schmeckte himmlisch. Ich schluckte den Bissen hinunter und bot das Gebäckstück dem Mann vor mir an. »Auch mal probieren?«

Er lachte leise in sich hinein, und mich überkam der Drang, Sahne auf die Lachfalten um seine Augen herum zu schmieren und sie abzulecken. »So gern ich auch ja sagen würde … vielen Dank, ich passe.«

War doch klar, dass der Typ kein Dessert essen würde. Einen solchen Körper bekam man nicht von Blätterteig und Sahne. Ich war in einen Berg aus harten Muskeln gerannt.

»Hey«, sagte er und deutete mit zwei Fingern auf sein Gesicht. »Meine Augen sind hier oben.«

Ich musste lachen. Wahrscheinlich hatte ich gerade versucht, mit einem Röntgenblick herauszufinden, wie seine Brust unter dem Jackett aussah. »Keine Witze über meine Größe, bitte. Ich schaue direkt geradeaus.«

Ein paar Hotelangestellte drängten sich um uns, um die Explosion von Blätterteig und Sahne zu entfernen. »Tut mir wirklich leid«, sagte ich und sah aus dem Augenwinkel, wie mein Vater das Hotel betrat. Das bedeutete, dass ich zu spät kam.

»Ich muss los!«, sagte ich, drehte mich um und rannte aus der Lobby, wo ich eine Spur der Verwüstung und einen sehr heißen Mann zurückließ.

2. KAPITEL

TRISTAN

Eigentlich war ich kein Fan von Partys. Ich mochte meine Arbeit, meine Freunde und Frauen. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Belanglose Anekdoten mit Menschen auszutauschen, die ich nie mehr wiedersehen würde, stand ziemlich weit unten auf meiner Liste, aber es gab nur wenig, was ich Arthur Frazer abschlagen würde. Ohne ihn hätte ich niemals Karriere in der Cybersecurity gemacht. Ohne ihn würde ich immer noch nur zum Spaß den MI6 hacken. Ohne Arthur stünde ich jetzt nicht in meinem selten getragenen Jackett in der Lobby eines Hotels, um an einem Benefizdinner teilzunehmen. Und ganz sicher wäre ich nicht von einer Sahnetörtchen liebenden Fee gerammt worden. Von einer wunderschönen Fee mit einem hellroten Kussmund. Wäre sie doch nur nicht so schnell davongelaufen wie ein mit Sahne beschmiertes Aschenputtel. Ich hatte die ganze Woche vor meinen Bildschirmen verbracht und nur dann einen Hauch Frischluft bekommen, wenn ich das Fenster öffnete. Keine Chance also, mich ein bisschen im Flirten zu üben. Ich würde nach ihr Ausschau halten. Vielleicht war sie ebenfalls bei diesem Dinner zu Gast. Oder sie arbeitete hier als Kellnerin. Vielleicht würde mir das helfen, an diesem Abend mit den Gedanken bei der Sache zu bleiben.

Ich ging zu meinem Tisch ganz vorn im Saal und entdeckte mein Namensschild neben dem meines Mentors. Mir war durchaus bewusst, dass es eine Ehre war, neben Arthur zu sitzen. Jeder in diesem Raum würde sich fragen, womit ich diese Auszeichnung verdient hatte. Aber es bedeutete auch, dass ich den ganzen Abend den Drang unterdrücken musste, mein Handy zu checken. Ich würde dem Scheinwerferlicht nicht entkommen können und wollte auf keinen Fall unhöflich wirken. In meinem Job konnte es innerhalb von Sekunden zur Katastrophe kommen, darum machte es mich nervös, auch nur wenige Stunden offline zu sein.

Außer Arthur kannte ich hier niemanden, aber das machte nichts. Ich musste nur essen, großzügig spenden und dann wieder nach Hause gehen.

Ich sah mich in dem Ballsaal um, der sich stetig mit Menschen füllte. An den Wänden waren in gleichmäßigen Abständen Transparente mit unterschiedlichen Bildern von Säuglingen oder Kindern in Krankenhausbetten aufgestellt. Die jungen Patienten lächelten, als machten ihnen die Schläuche und Maschinen um sie herum überhaupt nichts aus. Am unteren Ende jedes Transparents war der Name der Organisation zu lesen: Sunrise –StiftungfürKindermitangeborenemHerzfehler. Mein Magen rebellierte. Mist. Warum hatte ich nicht vorher nachgeguckt, worum es an diesem Abend ging? Ich hatte gesehen, dass die Einladung von Arthur kam, und sie angenommen, ohne weiter darüber nachzudenken. Wenn ich das gewusst hätte …

Nicht, dass es keine gute Sache war, Spenden für Kinder mit angeborenem Herzfehler zu sammeln … das war es absolut, wie ich aus eigener Erfahrung wusste. Mir gefiel nur die Aussicht nicht, den ganzen Abend in Erinnerungen an meine kleine Schwester zu versinken. Ich würde mir eine Entschuldigung ausdenken müssen, einen großzügigen Scheck ausstellen und diesen Raum mit seinen Bildern von glücklichen Kindern auf dem Weg der Besserung künftig meiden.

Arthur tauchte auf, dicht gefolgt von mehreren Leuten, die ein paar Sekunden seiner Zeit und Aufmerksamkeit wollten. Er begrüßte mich mit einem Handschlag und dankte mir für mein Erscheinen. Weiter kamen wir nicht. Eine Unterbrechung jagte die nächste, denn immer mehr Menschen näherten sich ihm, stellten sich vor, erzählten ihm von Einladungen oder E-Mails, die sie ihm geschickt hatten, oder fragten, ob er nicht über diese Geschäftsmöglichkeit reden oder zu jenem Lunch kommen wolle. Es war, als säße ich neben dem Papst oder so. Alle wollten seinen Segen oder seinen Rat.

Beim Essen wurden die Unterbrechungen seltener, hörten aber nicht auf.

»Na, Tristan, wie geht es dir?«, fragte mich Arthur in einem der seltenen ruhigen Momente.

»Gut. Ich bin sehr beschäftigt, aber es geht mir gut.«

»Freut mich, dass du dir heute Abend Zeit nehmen konntest. Meine Tochter hat diese Veranstaltung organisiert. Sie setzt sich mit Leidenschaft für diese Sache ein.« Sein Seufzer verriet, dass es da etwas gab, das er nicht aussprach.

»Diese Veranstaltung dient einem edlen Zweck. Vielen Dank für die Einladung.«

»Alles, wofür Parker sich einsetzt, ist edel. Und sie neigt dazu, sich kopfüber in ihre wohltätige Arbeit zu stürzen.« Arthur nippte an seinem Wein. »Sie ist sehr gutmütig. Und großzügig. Ihr wundervolles Wesen bringt manche Menschen in Versuchung, sie auszunutzen.«

Ehe ich weiter nachfragen konnte, unterbrach uns ein Mann, der mir bekannt vorkam … ein Kabinettsmitglied, wenn ich mich nicht irrte.

In meiner Hosentasche das Handy. Es vibrierte dreimal, also war es wichtig.

Ohne dass Arthur und der Minister es bemerkten, verließ ich den Raum. Auf dem Weg zum anderen Ende des Saals hielt ich nach einer gewissen sahnebeschmierten Fee Ausschau. Sie war nirgends zu sehen.

Das dreifache Vibrieren stellte sich als Fehlalarm heraus, aber nun war ich in der Lobby und konnte meine Benachrichtigungen durchscrollen, um sicherzugehen, dass alles unter Kontrolle war.

Bei meiner Rückkehr in den Ballsaal hatte sich die Stimmung deutlich belebt. Ein Auktionator stand auf der Bühne, neben sich eine kleine Frau, die mir sehr bekannt vorkam.

Die Fee mit den roten Lippen.

Ohne die Sahnetörtchen sah sie sogar noch appetitlicher aus. Ihr Kleid war so rot wie ein Feuerwehrwagen, schmiegte sich eng an ihre sehr schmale Taille und passte perfekt zu ihren Lippen. Mit dem glatten schwarzen Bob und ihrer winzigen Größe war sie eigentlich nicht mein Typ, aber sie war zweifellos schön. Sie hatte eine Hand in die Hüften gestemmt und ein gezwungenes Lächeln im Gesicht.

»Fünfzehnhundert«, sagte der Auktionator. »Wer bietet sechzehnhundert?«

Mehrere Bietertafeln schnellten hoch, und mir fiel auf, dass die meisten nicht etwa zur Bühne oder zum Auktionator zeigten, sondern zu Arthur. Handelte es sich um seinen Beitrag zur Versteigerung?

Sicher war es ihm unangenehm, ständig von allen angestarrt zu werden. Ich selbst war in gewissen Kreise zumindest namentlich bekannt … Immerhin war ich der Beste, wenn es darum ging, die Onlinepräsenzen sehr großer Firmen und sehr reicher Personen zu schützen. Aber glücklicherweise kannten nur die wenigsten mein Gesicht.

»Wollen Sie mitbieten, Sir?«, fragte eine Frau hinter einem auf Böcken stehenden Tisch neben der Tür.

»Was haben Sie denn im Angebot?«, fragte ich.

»Ein Date mit der wunderschönen Frau auf der Bühne da vorn«, antwortete sie.

Ich musterte sie aus schmalen Augen. Das Sahnetörtchen wurde hier versteigert? »Können Sie mir bitte eine Bietertafel geben?«

Sie reichte mir etwas, das wie ein Tennisschläger aussah, und ich ging in Richtung Bühne, während die Gebote für ein Date mit dem Sahnetörtchen in Hundert-Pfund-Schritten stiegen. Als der Auktionator nach zweitausend Pfund fragte, kamen die Reaktionen bereits zögerlicher.

»Fünfundzwanzigtausend!«, rief ich und hob meine Tafel.

Die Leute im Saal schnappten nach Luft, und ich spürte, wie sich tausend Blicke von Arthur lösten und auf mich richteten. Das Sahnetörtchen schaute blinzelnd zu mir herüber, um zu sehen, mit wem sie demnächst ausgehen musste, aber die Scheinwerfer der Bühne waren direkt auf sie gerichtet – sie konnte den Mann, den sie früher an diesem Abend angestarrt hatte, also unmöglich erkennen.

Ich ließ mich wieder auf dem Stuhl nieder und nannte der Frau mit dem Klemmbrett, die zwecks Klärung der Details zu mir gekommen war, meinen Namen.

»Interessant«, sagte Arthur neben mir. »Ein Date mit meiner Tochter hättest du auch umsonst bekommen können.«

Mir rutschte das Herz in die Kniekehlen. Das Sahnetörtchen war Arthurs Tochter? »Ich hatte keine Ahnung, dass du ihr Vater bist, Arthur. Entschuldige bitte, natürlich werde ich nicht mit ihr ausgehen. Der Zweck dieser Versteigerung ist großartig, und mir ging es um die Spende, nicht darum, ein Date zu ersteigern.« Nun war mir auch klar, warum während der Versteigerung alle Arthur angeschaut hatten. Sie wollten ihn beeindrucken.

»Ich hoffe doch sehr, dass du jetzt keinen Rückzieher machst. Es wird Zeit, dass Parker einfach mal das Leben genießt, anstatt immer die Welt retten zu wollen. Es wird ihr guttun.« Er drehte sich zu mir und klopfte mir auf die Schulter. »Und dir auch, denke ich. Sorg dafür, dass ihr euch amüsiert.«

»Ich werde sie mit Samthandschuhen anfassen, Arthur, darauf gebe ich dir mein Wort.«

Ein Abendessen mit Arthurs Tochter wäre gar nicht so übel … allerdings wäre es mir lieber, ich fände sie ein bisschen weniger attraktiv. Ich würde mich einfach beherrschen müssen, damit nach dem Dinner auch das Date zu Ende war. Kein Problem …

… Solang sie sich nicht mit Sahne bedeckte und mich in Versuchung führte, sie abzulecken.

3. KAPITEL

PARKER

Fünfundzwanzigtausend Pfund? Für ein Date mit mir? Ich war verwirrt und gleichzeitig frustriert, weil ich den Mann, der das Gebot abgegeben hatte, nicht erkannt hatte. Die Scheinwerfer hatten mich dermaßen geblendet, dass ich praktisch nichts hatte sehen können.

Als ich backstage beim Abbau half, kam Sutton zu mir geeilt. »War ja klar, dass der heißeste Typ im Saal auf dich bietet.«

»Ach ja? Hast du ihn erkannt?« Ich fand es schon irgendwie nett, dass ein attraktiver Mann mitgeboten hatte. Vielleicht wäre es sogar lustig, sich unter diesen Umständen auf ein Date einzulassen … denn es hatte nichts mit gegenseitiger Anziehung oder der Möglichkeit einer Beziehung zu tun. Stattdessen ging es ausschließlich um Sunrise, die Stiftung.

»Ich habe erkannt, dass ich ihn besteigen möchte wie einen Berg, zählt das auch?«

Ich stieß ihr den Ellbogen in die Rippen. »Vielleicht solltest du lieber mit ihm ausgehen.«

»Apropos.« Sie erwiderte den Stoß und deutete mit einem Nicken zur Tür, wo der Muskelberg stand, in den ich zuvor hineingerannt war. Ich blickte wieder Sutton an. »Das ist der Typ?« Vielleicht hatte es ja doch etwas gebracht, mich während einer der wichtigsten Veranstaltungen meines Lebens mit Sahne zu bekleckern.

Unsere Blicke trafen sich, als der Mann auf mich zukam, und die sexy Lachfalten um seine Augen herum brachten meinen Magen zum Rebellieren. Genau in diesem Moment rief mein Vater: »Parker! Ich möchte dir den Mann vorstellen, mit dem du zum Dinner ausgehen wirst. Dies ist Tristan Dubrow, ein sehr guter Freund von mir.«

Mein Herz, das sich bisher angefühlt hatte, als hinge es an einhundert mit Helium gefüllten Luftballons, landete mit einem dumpfen Schlag wieder auf dem Boden der Tatsachen. Natürlich. Der tolle Typ kannte meinen Vater und hatte ihn zweifellos mit einem hohen Gebot beeindrucken wollen.

»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich und lächelte gezwungen.

»Die Freude ist ganz meinerseits.« Er griff nach meiner Hand, und ich nahm überdeutlich wahr, wie klein sie im Vergleich zu seiner Pranke wirkte. Wenn er fest genug zupackte, könnte er meine Knochen zu Mehl verarbeiten. »Ich bin Tristan und freue mich schon sehr auf unser Abendessen.«

Ich seufzte. Er hatte die Auktion gewonnen und meinen Vater beeindruckt. Er konnte jetzt einfach aufhören. Auf keinen Fall würde diese Sache über ein Dinner hinausgehen. Ich war nicht grundlos seit drei Jahren Single, sondern ich hatte die Nase voll von Typen, die vor allem an einem Date mit der Tochter von Arthur Frazer interessiert waren, mit allen Vorteilen, die das mit sich brachte. »Oh, eigentlich gibt es keinen Grund, die Sache wirklich durchzuziehen. Sie haben doch sicher Ihre Bankverbindung angegeben, oder?«

»Dazu gibt es jeden Grund!«, widersprach mein Vater. »Dieser Mann hat fünfundzwanzigtausend Pfund für die Ehre gezahlt, einen Abend mit dir verbringen zu dürfen. Du solltest lieber dafür sorgen, dass es sich für ihn lohnt.«

Tristan räusperte sich.

»Dad«, sagte ich mit dieser Mein-Gott-bist-du-peinlich-Stimme, die ich das letzte Mal als Teenager benutzt hatte. »Was du da sagst, klingt, als wäre ich eine Prostituierte. Im Auktionskatalog steht nicht, dass ich mein Date auch noch gut unterhalten muss.«

»Um Himmels willen, Parker. So meinte ich das doch nicht. Aber Tristan hat strikte Anweisung, dich auszuführen und dafür zu sorgen, dass ihr euch amüsiert.«

Ich verdrehte die Augen. Mein Vater, der Schlimmste von allen. »Na schön, Dad.«

Zum Glück unterbrach ihn jemand, ehe er etwas noch Unpassenderes sagen konnte. Er winkte uns zum Abschied nur zu und ließ sich zurück in den Ballsaal führen.

»Okay«, sagte ich und legte den Kopf zurück, um Tristan ins Gesicht sehen zu können. »Dann gehen wir also zusammen essen. Irgendwohin, wo wir sitzen können, sonst bekomme ich nämlich einen steifen Nacken.«

Er lachte leise. »Wirst du öfter mal in Restaurants eingeladen, in denen man nicht sitzen kann?«

»Bisher habe ich mich strikt auf Lebensmittelmärkte beschränkt.«

»Ich glaube, da habe ich Besseres zu bieten. Gib mir dein Handy.«

Ich gab es ihm, und er tippte ein paar Zahlen ein. Auf einmal erklang eine Benachrichtigung. »Gillian möchte wissen, ob du morgen zum Pilates kommst«, sagte er.

»Hey, nicht meine Nachrichten lesen!«

Er lachte. »Dann gib einem Fremden nicht dein Handy.«

»Du hast mich doch darum gebeten!« Wer war dieser Typ?

»Oh, und was ist das?«, fragte er und fuhr mit dem Daumen über das Display. »Oblix Holdings hat gerade siebenundsechzig Pfund von deinem Konto abgebucht.«

Ich stöhnte. »Nicht schon wieder.« Ich nahm ihm das Handy wieder ab. »Siebenundsechzig? Das wird ja immer schlimmer.« Ich öffnete die Nachricht, und tatsächlich war das Konto der Stiftung erneut von einer Firma belastet worden, deren Namen ich noch nie gehört hatte.

»Alles in Ordnung?«, fragte Tristan. »Du siehst aus, als müsstest du mit Fremden ausgehen, um an Geld zu kommen.«

Er hatte den Mund zu einem schiefen Lächeln verzogen, und auch die nahezu unwiderstehlichen Lachfalten waren wieder da.

»Ich komme schon klar. Aber irgendwie wird ständig Geld von meinem Konto abgebucht, und ich habe keine Ahnung, warum.«

»Die Zahlungen sind nicht autorisiert?« Er nahm mir das Smartphone wieder aus der Hand. »Hast du schon mit der Bank gesprochen?«

»Ja!« Ich versuchte, das Handy zurückzuerobern, aber er hielt es einfach so hoch, dass ich nicht mehr drankam.

»Wie oft ist so etwas schon vorgekommen?« Seine Stimme klang auf einmal tief und ernst. Ich versuchte, das Vibrieren zwischen meinen Beinen zu ignorieren, das diese Stimme ausgelöst hatte.

»Das geht dich nichts an. Gibt mir bitte mein Handy zurück. Es ist mein Problem. Nicht deins.«

Er warf mir das Handy zu, und ich fing es auf. »Du könntest es aber zu meinem Problem machen«, sagte er. »Ich arbeite nämlich auf diesem Gebiet.«

Warum glaubten die Typen eigentlich immer, alles besser zu wissen als ich?

»Danke, aber ich habe die Sache im Griff.« Hatte ich nicht. Und ich glaubte auch nicht, dass meine Bank sie im Griff hatte, aber es war besser, nichts zu tun, als einem komplett Fremden Fragen zu beantworten, die ich nicht beantworten wollte.

»Ruf mich an, wenn ich dir helfen soll. Ansonsten schick mir einfach deine Adresse, und ich hole dich am Samstagabend um sieben Uhr ab.« Er drehte sich um und ging davon.

»Moment mal«, rief ich ihm hinterher. »Ich lade dich zum Dinner ein, nicht umgekehrt. Und am Samstag habe ich keine Zeit.«

»Natürlich hast du Zeit«, sagte er und ging weiter, ohne sich umzudrehen. »Ich habe deinen Kalender gesehen. Von jetzt bis Weihnachten hast du an keinem Samstag etwas vor.«

Wie konnte ein Mann dermaßen nervtötend sein und gleichzeitig die Lust zwischen meinen Schenkeln jäh auflodern lassen?

Ich drehte mich um und sah Sutton neben mir stehen. »Ist das zu fassen, was dieser Typ sich rausnimmt?« Meine Entrüstung war komplett gespielt. Nur wenige Männer sprachen auf die Art mit mir, wie Tristan es getan hatte. So war das eben, wenn man die Tochter eines Mannes wie Arthur Frazer war. Jeder Mann, mit dem ich je ein Date gehabt hatte, war entweder mit mir ausgegangen, weil ich Arthurs Tochter war, oder er hatte es sehr schnell herausgefunden und war dann weiterhin mit mir ausgegangen, weil ich Arthurs Tochter war. In beiden Fällen hatte es dazu geführt, dass ich in meinen romantischen Beziehungen die Bedingungen selbst diktiert hatte. Meine Partner hatten mir nie widersprochen und nie etwas abgeschlagen.

Mein Vater trug vielleicht keine Krone, aber er war ein König, und darum wurde ich wie eine Prinzessin behandelt. Theoretisch eine tolle Sache, aber alles andere als hilfreich, wenn ich herausfinden wollte, ob mein Partner mich als Person oder nur die vorteilhafte Verbindung mit meinem Vater mochte, die unsere Beziehung ihm ermöglichte. Erfahrungsgemäß lockten die Macht und der Reichtum meines Vaters die schlimmsten Typen an wie Ameisen, die einer Zuckerspur folgten.

Obwohl Tristan eindeutig nur mitgeboten hatte, um meinen Vater zu beeindrucken, schien er anders als die anderen zu sein. Aber er würde mir zweifellos bald das Gegenteil beweisen.

»Der Typ ist total heiß, und du darfst einen Abend mit ihm verbringen. Außerdem hat er fünfundzwanzig Riesen für die Stiftung gespendet. Du hättest ruhig netter zu ihm sein können.«

Sutton hatte recht. Ich hätte netter zu ihm sein sollen … er war einer der Hauptspender an diesem Abend. Was mich daran erinnerte, dass ich noch überprüfen musste, ob wir sein Geld bereits erhalten hatten. Ich wollte nicht, dass er es sich anders überlegte und einen Rückzieher machte. »Vermutlich hast du recht. Aber wenn er nur wegen meines Dads mit mir ausgeht – was ja offensichtlich der Fall ist –, halte ich es nicht für die beste Strategie, ihm Einblick in meine Angelegenheiten zu gewähren.«

»Vielleicht ist er einfach nur er selbst … im Gegensatz zu den Arschkriechern und Hochstaplern, mit denen du sonst ausgehst. Vielleicht ist er anders. Vielleicht ist er der Mann, den du heiraten wirst.«

Arrrgh. Ich wünschte, Sutton würde endlich mit ihren unausgegorenen Verkuppelungsversuchen aufhören. »Mach dich nicht lächerlich. Ich sagte bereits, dass ich nicht heiraten werde, nur um an meinen Treuhandfonds zu kommen.« Früher hatte ich geglaubt, dass ich als Twen den Mann meiner Träume heiraten würde … nicht nur, um an mein Geld zu kommen, sondern auch, weil ich den Mann liebte, der um meine Hand angehalten hatte. Aber dieser Zug war längst abgefahren.

»Sei doch nicht so stur. Heiraten wäre eine recht einfache Methode, um das Geld für das Pflegepersonal- und Elternprogramm aufzubringen, das du einrichten willst.«

Ich seufzte. Die fünfundzwanzigtausend Pfund, die Tristan gespendet hatte, waren eine Menge Geld, aber es reichte trotzdem nicht. Dieser Abend würde Sunrise, der Wohltätigkeitsorganisation, in die ich in den letzten drei Jahren so viel investiert hatte, weitere hunderttausend Pfund einbringen. Es war ein riesiger Batzen Geld, aber nichts im Vergleich zu den fünfundzwanzig Millionen, die ich spenden konnte, sobald ich an meinen Treuhandfonds kam. »Lieber, als jemanden zu heiraten, überrede ich Dad, die Regeln für den Treuhandfonds zu ändern. Ich gebe meinen Nachnamen für niemanden auf.« Ich hatte meine Lektion gelernt. Diesen Fehler würde ich nicht begehen.

»Nur weil du heiratest, musst du doch nicht deinen Nachnamen ändern. Schließlich sind wir nicht mehr in den Fünfzigern. Aber darum geht es im Augenblick gar nicht. Du willst die fünfundzwanzig Millionen, und du versuchst schon seit drei Jahren, deinen Dad dazu zu bringen, die Bedingungen für den Fonds zu ändern. Wenn er das wollte, hätte er es längst getan. Sieh endlich der Tatsache ins Auge, dass du heiraten musst. Es ist deine einzige Chance.«

»Ach ja? Soll ich vielleicht den Nächstbesten heiraten, der mir auf der Straße begegnet?«

Sie zuckte mit den Schultern, als wäre es eine realistische Möglichkeit, mit einem völlig Fremden vor den Altar zu treten. »Vorher müsstest du natürlich einen Ehevertrag aufsetzen lassen.«

»Sutton!«

»Es ist eine Win-win-Situation. Angenommen, Hottie McGorgeous versucht wirklich nur, deinen Dad zu beeindrucken. Wie könnte ihm das besser gelingen, als wenn er dich heiratet? Das einzige Problem, das ich dabei sehe …«

Bei dem Gedanken, dass es bei ihrem haarsträubenden Plan tatsächlich ernst zu nehmende Hindernisse geben könnte, verspürte ich einen Anflug von Bedauern. Nicht, dass ich ernsthaft in Betracht zog, Tristan zu heiraten. »Was denn?«

»Ihr würdet zusammen ein bisschen komisch aussehen. Er ist fast einen halben Meter größer als du.«

»Jetzt übertreib mal nicht. Er ist doch höchstens eins neunzig. Das sind gerade mal dreißig Zentimeter.«

Der Gedanke ließ mich schaudern, obwohl es eigentlich albern war. Wahrscheinlich konnte er mich mit einer Hand hochheben, und ich bezweifelte, dass ich dagegen etwas einzuwenden hätte.

4. KAPITEL

PARKER

Hinter mir lag ein langer Monat. Ich hatte unfassbar viele Stunden in die Vorbereitung der Sunrise-Gala gesteckt, und jetzt war alles vorbei. Unser Ziel von hunderttausend Pfund hatten wir bei Weitem übertroffen … es waren zwanzigtausend mehr geworden. Ich würde meinen freien Freitagabend in vollen Zügen genießen.

In meinem Lieblingsschlafanzug – der mit den Kühen – tappte ich durch die Wohnung und ließ eine Gesichtsmaske einwirken, die jugendlich strahlende Haut versprach. Ich hätte hohe Beträge darauf verwettet, dass Tristan zwischen zahlreichen Frauen mit jugendlich strahlender Haut wählen konnte, die dazu keine Gesichtsmaske brauchten. Ich stand zwar nicht mit ihnen in Konkurrenz, wollte aber auch nicht, dass er am nächsten Abend nur aus Mitleid mit mir ausging. Okay, vielleicht hatte er mich nur ersteigert, um meinen Vater zu beeindrucken, aber ich würde ihn schon rumkriegen … nicht zu einer Hochzeit, wie Sutton gemeint hatte, aber zumindest würden wir einen netten Abend miteinander verbringen. Ich würde ihm zeigen, dass sich ein Date mit mir auf jeden Fall lohnte, egal wer mein Vater war.

Ich hatte gerade einen besonderen Ingwer-Kurkuma-Tee aufgebrüht, der mir das Immunsystem eines Fußböden leckenden Kleinkinds versprach. Fehlten nur noch ein paar Folgen Cheer auf Netflix, und das Leben würde einen Gang hochschalten und absolute Grandiosität erreichen. Wenn ich erst die Schüssel voller Schokorosinen verspeist hatte, die etwas wackelig auf der Sofalehne stand, würde ich vermutlich im Nirwana landen.

Ich hatte gerade nach der Fernbedienung gegriffen, da klopfte es. Niemand besuchte mich einfach so in meiner Wohnung, es sei denn, es gab einen Notfall. Ich rannte zur Tür, riss sie auf, und davor stand kein anderer als … Tristan.

Er stupste mein Gesicht an. »Die Sahne mochte ich lieber.«

Ich schob seinen Finger zur Seite. »Was machst du hier?« Wie war er nur an der Security am Empfang vorbeigekommen?

»Die Sicherheit in diesem Gebäude ist unter aller Sau«, sagte er. »Ich bin mit einem Funkschlüssel reingekommen, den ich im Internet bestellt habe. Echt übel.«

Warum war er überhaupt hier? Hoffentlich wollte er unser Date nicht vorverlegen. Und in meinem neuen Schlafanzug und mit Gesichtsmaske hätte er mich überhaupt nicht sehen sollen.

»Vielen Dank für dein Feedback.« Ich machte Anstalten, die Tür zu schließen, aber er hielt sie einfach mit einer Hand auf. Diese großen, starken Hände, mit denen er meine Knochen zu Staub zermahlen könnte. Ich würde später darüber nachdenken, warum mir diese Vorstellung so gut gefiel.

»Hey, ich habe ein paar Fragen zu den nicht autorisierten Abbuchungen von deinem Konto.«

»Stopp. Erst mal sagst du mir, woher du meine Adresse hast. Dann erklärst du mir, warum zum Teufel du hier bist, und dann verschwindest du wieder. Exakt in dieser Reihenfolge.«

»Habe ich dir doch gesagt. Es geht um die Abbuchungen. Ich glaube, ich habe mir den Namen falsch gemerkt. Wenn ich danach suche, kommt nichts.«

Hatten sie das Leitungswasser im Haus mit Wodka gestreckt? War ich besoffen auf dem Sofa eingeschlafen, und alles war nur ein schlimmer Traum? Es musste doch eine Erklärung für diese Unterhaltung direkt aus der Twilight Zone geben, die ich hier gerade führte.

»Wonach suchst du und warum?«

»Nach den fehlerhaften Abbuchungen von deinem Konto, weil das mein Job ist. Sozusagen.«

Auf einmal ergab alles Sinn. Tristan gehörte zu den Gefolgsleuten meines Dads, der vermutlich dafür gesorgt hatte, dass Tristan mich ersteigerte. Und dann hatte er ihn als eine Art Wachmann eingestellt. »Mein Dad hat dich geschickt?«

Er starrte mich an, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass ich gern auf einem Elefanten über die Regent’s Street zur Arbeit ritt.

»Dein Vater? Was hat der denn damit zu tun? Ich bin vorbeigekommen, weil auf deinem Handy diese Zahlungen eingeblendet wurden. Ich wollte dich nicht anrufen oder dir schreiben, weil wir nicht genau wissen, was es damit auf sich hat. Wenn ich mir den Namen richtig gemerkt habe, dann hat die Firma, die von deinem Konto abbucht, ihre Spuren gründlich verwischt. Sie sollen nicht wissen, dass wir ihnen auf den Fersen sind.«

»Okay«, sagte ich gedehnt, obwohl das meiste von dem, was Tristan gerade gesagt hatte, absolut nicht okay klang. »Das heißt, du versuchst mir zu helfen?«

Seine Augen weiteten sich, und er nickte, als wäre ich gerade vom Planeten Stupido eingeflogen.

»Wie hast du meine Adresse herausgefunden?«

»Ich bin Experte für Cybersecurity. Wenn ich nicht in der Lage wäre, anhand deines – übrigens sehr leicht zu verfolgenden – digitalen Fußabdrucks deine Adresse herauszufinden, dürfte ich mich nicht als Fachmann bezeichnen.«

»Das heißt, es ist tatsächlich dein Job, dich um meine Bankprobleme zu kümmern?«

»Natürlich. Was dachtest du denn, was mein Job ist?«

Ich beschloss, diese Frage zu ignorieren. »Das macht mir ein bisschen Angst«, gab ich stattdessen zu. Der Typ hatte zwar noch nicht versucht, die Schwelle zu meiner Wohnung zu überqueren, aber es war auch nicht normal, dass ein nahezu Fremder einfach unangekündigt auf der Matte stand und dir erzählte, dass er deine Adresse online gefunden hatte.

»Dazu hast du möglicherweise auch allen Grund. Leute, die solche betrügerischen Abbuchungen vornehmen, können zur russischen Mafia oder sogar zum IS gehören.«

»Ich meine dich, Tristan. Du machst mir ein bisschen Angst.«

»Das musst du gerade sagen, mit diesem …«, er musterte mich von oben bis unten, »… mit diesem Gesicht. Und den Kühen.«

»Aber ich bin nicht einfach bei dir zu Hause aufgetaucht, ohne Einladung und ohne dass du mir deine Adresse gegeben hättest.«

»Oh, ich verstehe, was du meinst. Aber ich tue dir nur einen Gefallen. Normalerweise kümmere ich mich nicht um solchen Kleinkram. Ruf deinen Vater an, er wird bezeugen, dass ich die Wahrheit sage.«

Ich nahm mein Handy vom Konsolentisch an der Tür und rief meinen Vater an. In sein eigenes Handy vertieft wartete Tristan geduldig ab, bis ich meinem Dad erzählt hatte, dass er mir wegen dieser mysteriösen Abbuchungen helfen wollte. Nachdem Dad mir versichert hatte, dass er Tristan nicht nur mein Leben, sondern auch all sein Geld anvertrauen würde, war ich beruhigt.

»Dann kommst du wohl besser mal rein.«

»Einverstanden«, sagte er.

»Warte einen Moment, ich muss mich noch kurz umziehen und mir das Gesicht waschen.«

»Mach dir keine Umstände. Ich habe nur ein paar Fragen, dann bin ich wieder weg.« Er betrat meine Wohnung, folgte mir aber nicht, als ich in Richtung Wohnzimmer ging. Ich drehte mich um und wartete darauf, dass er von seinem Handy aufblicken würde.

Okay, ich würde diesem ultraheißen Typen also in meinem Kuhschlafanzug und mit einer Maske im Gesicht gegenübersitzen müssen. Nachdem ich nun wusste, dass er kein bizarrer Stalker war, hätte ich ihn gern auf unserem Date am nächsten Abend beeindruckt. Aber dieser Zug war abgefahren. Die Kuh hatte gemuht.

»Kann ich mir dein Konto ansehen, um mich zu vergewissern, dass ich den richtigen Namen habe?«, fragte er. Pflichtbewusst öffnete ich die Bank-App auf meinem Handy und zeigte ihm die Zahlungen. »Und wie viele davon sind durchgegangen?«

»Ungefähr vor einem Monat fing es an. Nur ab und zu mal ein Pfund oder so. Aber der Betrag wird alle paar Tage höher.«

Tristan nickte, auf seiner Nasenwurzel erschien eine kleine Falte. Was war nur dran an diesem Mann und seinen Falten, dass ich solche Schmetterlinge im Bauch bekam? »Diese Firma ist gut geschützt. Die meisten Buchungen kommen von Unternehmen, die innerhalb einer Woche wieder verschwinden. Man kann mühelos herausfinden, wer sie sind, es ist, als ob sie einem den roten Teppich ausrollen. Die Leute, die es auf dich abgesehen haben, scheinen da ein bisschen ausgefuchster zu sein.«

»Kannst du dafür sorgen, dass sie aufhören?«

Er nickte. »Klar.«

»Super. Dann tu das, und das Problem ist gelöst.«

»Ich kann eine Software installieren, die diese Firma blockiert, sodass sie nichts mehr abbuchen kann. Die Bank hat die Software auch, ich frage mich, warum sie das Programm noch nicht aktiviert haben. Aber ich erledige das jetzt.«

»Danke. Das ist sehr nett von dir.«

»Natürlich. Du bist Arthurs Tochter.«

Ich versuchte meine Irritation zu verbergen. »Okay, Arthurs Tochter bedankt sich bei dir.«

Er zog die Brauen zusammen und sah leicht verwirrt aus, fragte aber nicht weiter nach. »Also, ich bin fertig. Aber behalte auch Zahlungen an andere Firmen im Auge, die du nicht in Auftrag gegeben hast. Wenn sie es speziell auf dich abgesehen haben, werden sie zurückkommen.«

Er hob den Kopf, unsere Blicke trafen sich, und ich stöhnte innerlich auf, weil ich eine Gesichtsmaske trug, mit der ich aussah wie das Experiment eines Serienmörders. »Wir sehen uns dann morgen.« Er drehte sich um und öffnete die Tür. Große Hände und ein süßer Hintern. Vielleicht würde unser Date sogar richtig Spaß machen.

»Okay«, sagte ich, aber er war schon fast bei den Fahrstühlen und hörte mich nicht mehr. Nach meiner Adresse musste er mich also offensichtlich nicht fragen. Was wusste er sonst noch über mich, was ich ihm nicht erzählt hatte? Um das herauszufinden, würde ich bis zum nächsten Abend warten müssen.

5. KAPITEL

PARKER

Ein Date am Samstagabend war ungewöhnlich für mich. Aber ein Date mit einem heißen Typen, der ein Kribbeln zwischen meinen Beinen auslöste, wenn er mir nur in die Augen sah – egal ob mit oder ohne Gesichtsmaske – war geradezu unerhört. Nur wenige Menschen waren in der Lage, mich aus der Fassung zu bringen, aber das hier war berauschend. Ich sagte Tristan, dass ich arbeiten musste und vom Büro aus zu unserem Date kommen würde. Auf diese Art musste ich ihn nicht noch einmal vor meiner Tür begrüßen. Ohne den Liebestöter von Schlafanzug und die Maske im Gesicht würde ich ihn womöglich einfach hereinzerren und mich auf ihn stürzen.

Ich war ein bisschen überrascht, als er mir die Adresse eines Restaurants schickte, das nur etwa dreihundert Meter von meiner Wohnung entfernt war. Männer, die mich wegen meines Vaters beeindrucken wollten, suchten sich normalerweise edle Restaurants im Stadtzentrum aus. Einer war mit mir sogar in seinem Privatjet nach Paris geflogen. Tristan Dubrows Geschmack war in dieser Hinsicht offenbar bodenständiger. Was dazu führte, dass wir zu meinem Lieblingsitaliener gingen.

Ich saß noch nicht, da wusste ich bereits, was ich bestellen wollte.

Es führte außerdem dazu, dass ich mich nicht auftakeln musste. Meine Lieblingsjeans und eine rote Bluse mit Rüschenkragen verrieten, dass ich mir zwar durchaus ein wenig Mühe gegeben hatte, aber nicht zu viel. Mein größtes Zugeständnis bestand darin, dass ich High Heels trug. Ich war fest entschlossen, den Größenunterschied zwischen uns zu verringern, auch wenn wir die meiste Zeit sitzen würden.

Durch die mit Aufklebern bedeckte Scheibe der Restauranttür erhaschte ich einen Blick auf Tristan. An dem winzigen Tisch für zwei Personen in der Ecke vor der Küche sah er riesig aus. Riesig und unbestreitbar attraktiv. Er trug ein blaues Hemd, das an den Oberarmen leicht spannte, und sein zerzaustes Haar war an den Spitzen ein wenig heller, so, als wollte es sich noch nicht endgültig von einem unvergesslichen Sommer verabschieden. Sein Kinn war von Bartstoppeln übersät, und für eine Sekunde fragte ich mich, wie die sich wohl an meinen Schenkeln anfühlen würden. Wäre das hier ein echtes Date, würde ich mich auf den Abend freuen.

Ich öffnete die Tür, und unsere Blicke trafen sich.

Ich winkte Antonio zu, der hinter der Kasse stand, und ließ mich auf dem Stuhl gegenüber meinem heißen Date nieder.

»Interessante Restaurantwahl«, sagte ich.

»Du siehst schön aus.« Die Stimme kam tief aus seiner Kehle … eine raue, animalische Reaktion.

»Ich mag dein Hemd«, sagte ich lächelnd.

Er starrte mich an, als hätte er mich nicht gehört, und ich sah zur Seite, weil mich die Intensität seines Blicks verunsicherte.

»Lassen wir uns die Karte bringen?«, schlug ich vor.

Tristan räusperte sich, als koste es ihn Mühe, in die Realität zurückzukehren. »Ich habe schon bestellt.«

Ich verzog das Gesicht wie ein Kleinkind, dem man gerade den Ball weggenommen hat. Ich liebte die Ravioli mit Krabbenfüllung und das Hähnchen à la Parmigiana, ich hatte mich darauf gefreut.

»Möchtest du Wein?«, fragte er.

»Jetzt fragst du wenigstens«, versetzte ich. »Öfter mal was Neues.« Ich war noch nie gut darin gewesen, meine Gedanken zu verbergen.

»Vertrau mir.« Er winkte eine der Kellnerinnen heran und bestellte eine Flasche Franciacorta.

»Kein Fan von Prosecco?«, fragte ich und überlegte, ob er mich beeindrucken wollte.

»Ich hasse das Zeug. Meistens trinke ich Bier, aber zu einem Abendessen mit einer schönen Frau darf es ruhig ein bisschen mehr sein. Und ich würde lieber Kuhpisse als Prosecco trinken.«

»Dann haben wir etwas gemeinsam.«

Er nickte, als hätte ich ihm nichts Neues erzählt. »Dachte ich mir.«

»Du weißt schon, dass das hier kein Date ist, oder? Ich meine, du musst mich nicht beeindrucken.«

»Ich habe für diesen Abend fünfundzwanzig Riesen bezahlt. Wenn es kein echtes Date ist, will ich mein Geld zurück.« Die Art, wie er den Mund schürzte, verriet mir, dass er sein Geld definitiv nicht zurückwollte.

»Und warum dieses Restaurant? Wohnst du hier in der Gegend?«

»Ich wohne in Notting Hill, aber dieses Lokal ist für dich gut zu erreichen, und es hat einen hervorragenden Ruf. Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass du schon mal hier warst und es dir gefallen hat. Oder liege ich da falsch?«

Ich schüttelte den Kopf. Gegen diese Logik hatte ich nichts einzuwenden. »Ich liebe dieses Restaurant.« Ehrlich gesagt fand ich die vielen Gedanken, die sich Tristan gemacht hatte, viel beeindruckender als einen Privatflug nach Paris. Jeder konnte seiner Sekretärin auftragen, einen Tisch zu reservieren und ein Flugzeug zu chartern. Tristan hatte tatsächlich überlegt, was mir gefallen könnte.

Aber in diese Falle würde ich nicht tappen. Wie allen anderen ging es auch Tristan darum, meinen Vater zu beeindrucken, nicht mich. Er wollte entweder eine intensivere Geschäftsbeziehung zu ihm aufbauen oder an sein Geld herankommen. Ich wollte so schnell wie möglich herausfinden, welche dieser beiden Varianten es war.

»Erzähl mir, woher du meinen Vater kennst.«

Tristan zuckte mit den Schultern, als gäbe es da nicht viel zu erzählen. »Er war mein erster Investor. Hat wahrscheinlich Potenzial in mir gesehen. Ich habe die Cybersecurity für seine Bank geregelt und … na ja, um es kurz zu machen: Ich habe ihm meine Karriere zu verdanken.«

Das klang, als wäre er meinem Dad einiges schuldig. Ich konnte zwar den leichten Stich in der Herzgegend nicht ignorieren, der mir verriet, dass es mir besser gefallen hätte, wenn mein Vater ein Unbekannter für ihn wäre. Aber ich bewunderte ihn dafür, dass er kein aufgeblasenes Ego zu haben schien. Die meisten Männer würden niemals zugeben, dass sie für ihren Erfolg nicht allein verantwortlich waren. Vielleicht sahen sie ein, dass man ihnen geholfen hatte. Aber zuzugeben, dass er meinem Vater seine gesamte Karriere zu verdanken hatte? Irgendwie war es sexy, dass er wusste, auf wessen Schultern er stand.

Die Vorspeisen wurden gebracht, und jeder von uns bekam einen Teller Ravioli mit Krabbenfüllung.

Ich blickte Tristan ins Gesicht. Als hätte er meine Gedanken gelesen, erklärte er: »Antonio hat mir gesagt, dass du die am liebsten isst. Sieht wirklich gut aus.« Er griff nach seiner Gabel, wartete aber mit dem Essen, bis ich meine ebenfalls in die Hand genommen hatte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob es übergriffig oder aufmerksam von ihm war, meine Vorlieben zu recherchieren. Ich wusste nur, dass ich in meinem Lieblingsrestaurant saß und mein Lieblingsgericht aß. Vielleicht hatte Sutton recht, und ich musste mich einfach mal ein bisschen locker machen.

»Schmeckt köstlich. Liegt bestimmt an der Zitrone«, sagte er nach dem ersten Bissen.

Die Art, wie er köstlich sagte, hallte in meinem Kopf wider und ließ mich erschauern, als hätte er nicht die Ravioli, sondern mich gekostet.

»Ich bin überrascht, dass dieser Laden dir gefällt«, sagte ich.

»Wie bitte? Großartiges Essen, großartiger Wein, großartige Gesellschaft. Ja, echt komisch, dass es mir hier gefällt.«

Ich lächelte, und er sah mich unter dichten Wimpern hinweg an. Er aß noch einen Bissen Ravioli, und für den Bruchteil einer Sekunde fragte ich mich, wie seine Lippen sich auf meinem Hals anfühlen würden. Oder seine Hände, wenn sie meinen Körper liebkosten. Ich musste meine Fantasie im Zaum halten. Mir ins Gedächtnis rufen, warum wir hier waren.

»Nach der Aktion mit den fünfundzwanzig Riesen hätte ich eigentlich erwartet, dass du es ein bisschen protziger magst.«

Er lachte leise in sich hinein. »Ich bin jetzt pleite. Mein Konto ist leer gefegt. Du kannst froh sein, dass wir nicht auf einer Parkbank sitzen und Fish and Chips essen.«

»Ich mag Fish and Chips.«

»Ich auch.«

Da ich nicht einschätzen konnte, ob er es ernst meinte, fühlte ich mich schlecht. »Echt jetzt? Hat diese Spende dich …«

Er lachte, als wäre ich Ricky Gervais, der Comedian. »Keine Sorge, ich bin durchaus noch liquide. Ich bin nur nicht …« Er verstummte, schien nach den passenden Worten zu suchen. »Bei passender Gelegenheit habe ich nichts gegen ein bisschen Luxus, aber nicht jeden Tag. Außerdem bist du Arthurs Tochter. Du hast schon so viel Luxus gesehen, dass ich dich damit sowieso nicht beeindrucken könnte. Deswegen wollte ich irgendwo hingehen, wo es dir gefällt. Oder sehe ich das falsch?«

Mir fiel nichts ein, das weniger falsch sein könnte als dieser Abend. Wenn ich mein perfektes Date beschreiben müsste, wäre dieses verdammt nah dran.

Als die Vorspeise abgeräumt wurde, hätte es mich nicht überraschen sollen, dass der Kellner sie durch einen Teller Hähnchen Parmigiana ersetzte. Tristan bekam das Gleiche. »Hat Antonio dir das auch verraten?«, fragte ich und deutete auf meinen Teller.

Tristan nickte. »Sieht fantastisch aus.«

»Was genau macht ein Cybersecurity-Spezialist eigentlich? Dafür sorgen, dass alle ihre Passwörter ändern und so?«

Tristan lachte in sich hinein, schob sich eine Gabel Hähnchenbrust in den Mund und nickte. Er schluckte, dann sagte er: »Ganz genau. Ich stelle sicher, dass all meine Kunden regelmäßig ihre Passwörter wechseln.«

Er war eindeutig sarkastisch, aber ich hoffte tatsächlich, dass er mir mehr darüber erzählen würde. »Und wer sind deine Kunden? Firmen? Oder Leute wie mein Vater?«

»Sowohl als auch. Jeder, der weiß, wie wichtig Cybersecurity ist.«

Warum war er nicht wie andere Männer und gab einfach damit an, wie wichtig und erfolgreich er war? »Und Cybersecurity bedeutet …?«

»Ich schütze Daten.«

»Daten auf Computern?«

»Ja.«

»Daten auf Handys?«

»Auch. Heutzutage werden die meisten Daten elektronisch gespeichert. Also eigentlich alle.«