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Alarm ertönt in der frühen Morgenstunde des 1. September 1939. Die Männer der deutschen Luftwaffe eilen zu ihren Sturzkampfbombern. Unter ihnen befindet sich auch der Kriegsbericht-erstatter Peter Bohlscheid, der vom ersten Bombenangriff auf Polen berichten soll. Wenige Minuten später brüllen die Motoren der Flugzeuge mit Vollgas auf und steigen in den strahlend blauen Himmel Richtung Osten. Peter Bohlscheid sitzt neben dem Flugzeugführer und fiebert dem Augenblick des Bombenabwurfs entgegen. Vor sich sieht er den Beobachter schussbereit am MG in der Bugkanzel liegen. Als er plötzlich das Knallen von Schüssen hört, wird ihm bewusst, dass sie sich über Feindesland befinden und von polnischer Flak beschossen werden. Kurz darauf geht ein Rucken durch das Flugzeug. Die Bomben haben die Maschine verlassen und torkeln eine nach der anderen ins Bodenlose. Das Flugzeug dreht in eine scharfe Kurve und Peter Bohlscheid sieht, welche verheerende Wirkung die schweren Bomben haben.
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Seitenzahl: 256
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Mit Bomben und MGs über Polen
PK-Kriegsberichte der Luftwaffe
von
Josef Grabler
_______
Erstmals erschienen im:
Verlag C. Bertelsmann,
Gütersloh, 1940
__________
Vollständig überarbeitete Ausgabe.
Ungekürzte Fassung.
Klarwelt-Verlag, Leipzig, 2022
© Alle Rechte vorbehalten.
www.klarweltverlag.de
Generalfeldmarschall Göring bei seinen Fliegern an der Front
Wir stoßen unsre Schwerter
nach Polen tief hinein.
Die Hand wird hart und härter,
das Herz wird hart wie Stein.
Wir tragen unsre Fahnen
still in die Nacht hinein,
das Blut auf unsern Bahnen
ist unser Frührotschein.
Durch Polen möchte‘ ich nahen,
bis mir das Blut erglüht.
Das kommt vom Gräbergraben,
das macht die Hände müd‘.
Bei Schwertern und bei Fahnen
schlief uns das Lachen ein.
Wen schert’s! — Wir soll’n die Ahnen
lachender Enkel sein.
Walter Flex
Inhaltsverzeichnis
Titel
Die neue Waffe, von Josef Grabler.
„Wir sind bereit . . .“, von Hans Theodor Wagner
Luftwaffe sprungbereit, von Josef Grabler.
„Wir greifen an“, von Hans Theodor Wagner
Erster Bombenangriff auf den Korridor, von Peter Bohlscheid
Erster Einsatz, von Wulf Bley
Nach dem Angriff, von Heinz Matthias
Feindflug gegen Bromberg, von Benno Wundshammer
Bomben auf den polnischen Rückzug, von Wilhelm Renner
„Raus mit allem, was du drin hast!“, von Hans Theodor Wagner
Sturzkampf-Angriff auf Hela, von Wolf Bley
Wegen Tapferkeit befördert, von Wulf Bley
Der Führer an der Front, von Wilhelm Renner
Auf der Suche nach Zielen, von Wilhelm Renner
1000 Meter über dem Korridor, von Benno Wundshammer
Das Geschwader marschiert, von Heinz Matthias
Endlich Luftkampf!, von Hans Theodor Wagner
Mit Bomben und MGs auf die flüchtenden Polen, von Carl Franz
Stukas im Einsatz, von Günther Kleingärtner
Deutsche Jäger schützen den Führer, von Karl Heinz Christiansen
Flucht durch die polnischen Linien, von Hans Theodor Wagner
Der Einsatz der Luftwaffe in der großen Entscheidungsschlacht um Warschau, von Hans Theodor Wagner
Die erfolgreichste Jagdgruppe und ihr erfolgreichster Jäger — ein Gefreiter, von Hans Theodor Wagner
Abschuss von Zeugen bestätigt . . ., von Karl Heinz Christiansen
Flugwetter und Fliegerwetter, von Wilhelm Renner
Das Beweisstück, von Wilhelm Renner
Wettlauf im Äther, von Wilhelm Renner
Eine Stuka-Besatzung schlägt sich durch die feindlichen Linien, von Günther Kleingärtner
Einsame Kämpfer, von Josef Grabler
Luftwaffe sichert Nachschub, von Hans Theodor Wagner
Wir suchen die polnische Armee, von Josef Grabler
„Auftrag ausgeführt!“, von Wilhelm Renner
Durch die polnischen Linien, von Joses Grabler
Wiedersehn: mit Wolyhnien, von Wilhelm Renner
Luftnachrichtentruppe tief in Polen, von Joachim Paltzo, Gaupropagandaleiter Ostpreußen
Stukas zerstörten polnische Bunkerlinie, von Joachim Paltzo
Die Schläge der Luftwaffe, von Carl Cranz
Kampfkameradschaft zwischen Fliegern und Erdtruppe, von Joachim Paltzo
Mit der Kamera an den Feind!, von Ed. A. Amphlett
So endete ein Panzerzug, von Karl Heinz Christiansen
Im Feuer vor Warschau, von Karl Heinz Christiansen
Schüsse in der Nacht, von Karl Heinz Christiansen
Die Luftwaffe braucht den Wetterdienst, von Heinz Matthias
Für seine Kameraden in den Tod, von Heinz Matthias
Verwundete Soldaten werden mit Flugzeugen in die Heimat gebracht, von Hans Theodor Wagner
Das Kind der Staffel, von Karl Heinz Christiansen
Stuka-Einsatz über Warschau, von E. Hesse
Das Wolkenloch über Warschau, von Wilhelm Renner
Sturzkampfflieger über Warschau, von Carl Cranz
Schwierige Fahrt der Nachschubkolonnen, von J. Paltzo
Bomben auf das brennende Warschau, von Karl Heinz Christiansen
Das Tempo der Luftwaffe, von Wilhelm Renner
Über Warschau, von Hans Theodor Wagner
In Warschau ist die Hölle, von Benno Wundshammer
Generalfeldmarschall Göring bei seiner Luftwaffe, von Heinz Matthias
Strafgericht über eine verlorene Stadt, von Josef Grabler
Und wieder: Gut gezielt!, von Günther Kleingärtner
Die letzten Tage, von Benno Wundshammer
Die Feuerprobe der Luftwaffe, von Josef Grabler
Der Inhalt dieses Buches ist unter Voraussetzungen entstanden, wie sie sowohl in der Kriegsgeschichte wie in der Journalistik erstmalig sind. Noch im Weltkriege war es üblich, dass die großen Zeitungen ihre Berichterstatter aus eigenem Antrieb an die Front schickten, weil es eine amtlich gesteuerte Kriegsberichterstattung damals ja nicht gab. über die Etappe sind diese Herren aber selten hinausgekommen. Ihre Berichte haben sie meist aus Erzählungen von Soldaten zusammengestellt, so dass der Leser das Fronterlebnis nur aus zweiter Hand bekam. Überdies verfügten die wenigsten dieser „Kriegsberichterstatter“ über militärische Erfahrungen. Unrichtige Darstellungen und Ausdrücke waren die Folge. Der Soldat aber ist ein unerbittlicher Kritiker. Ein schiefer Ausdruck entwertet für ihn die beste Schilderung.
Diese Missstände sollten nach dem Willen des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht, der sie im Weltkriege selbst erlebt hat, für einen etwaigen zukünftigen Krieg abgestellt werden. Zudem hatte sich die Kriegsberichterstattung durch das Hinzutreten des Rundfunks und des Films — der im Weltkriege noch in den Anfängen steckte — bedeutend erweitert, so das; schon aus diesem Grunde eine Zusammenfassung notwendig erschien.
So wurde die gesamte Kriegsberichterstattung in einer Weise geordnet, die völlig neuartig ist. Im polnischen Feldzug ist sie zum ersten Mal eingesetzt worden, und sie hat sich bei der Luftwaffe über alle Erwartungen hinaus bewährt.
Berichter der vier Sparten: Wort, Bild, Film, Funk, wurden mit dem erforderlichen Hilfspersonal, Schreibern, Pressestenographen, Laboranten, Assistenten, Funkleuten, Kraftfahrern usw., zu Sonderformationen zusammengefasst. Die militärische Ausrichtung dieser Männer sollte die Fehler der Vergangenheit beseitigen — und sie hat sie beseitigt. Die Berichter waren nicht mehr lästige Zivilisten, überall im Wege, überall misstrauisch beäugt; sie waren Soldaten. An den meisten Aufklärungs- und Angriffsflügen haben sie teilgenommen. Und nicht als überflüssiger Ballast, für dessen Gewicht die Besatzung lieber Bomben mitgenommen hätte. Sie flogen als MG-Schützen, als Mitglieder der Besatzungen. Und wenn etwas für den Angriffsgeist der Berichterformationen spricht, dann der ständige Drang nach dem nächsten Feindflug.
Es war der gleiche Geist, den alle unsere Flugzeugbesatzungen im polnischen Feldzug bewiesen haben. Das Draufgängertum der als Kriegsberichterstatter eingesetzten 0ffiziere und Soldaten beweist nichts besser als die Tatsache, dass verhältnismäßig viele im Dienst der neuen Waffe den Heldentod für Führer und Reich gefunden haben.
Mögen sie auch ihre MGs gegen polnische Jäger und Kolonnen bedient haben, ihre eigentlichen Waffen waren andere, waren Feder und Objektiv, waren Filmkammer und Mikrofon. Was sie mit Film und Funk leisteten, haben die Wochenschauen der Lichtspielhäuser und die Rundfunksendungen gezeigt. Die Auswertung des umfangreichen und einzigartigen Bildmaterials soll gesondert erfolgen. Eine Auswahl der Wortberichte einer dieser Luftwaffenformationen aber soll in diesem Buch erstmalig veröffentlicht werden.
Irgendwo im pommerschen Grenzland. Ein paar hundert Meter abseits der großen Straße geht bedächtig ein Posten auf und ab. Der Soldat beobachtet den Himmel — schwach leuchtet der glutrote Sonnenball in dieser frühmorgendlichen Stunde durch die Nebelschwaden, die noch über den Wiesen und Äckern liegen. Tiefe Stille ringsum. Jetzt wird kein Flugzeug kommen — kein Mensch würde etwas erkennen können. Nur die Baumspitzen ragen aus dem Nebelmeer, in dem sich die Bauernhäuser, die Gehöfte und drüben die weite Wiese versteckt haben.
Der Soldat in der grau-blauen Luftwaffenuniform bewacht hier vorn an der großen Hauptverkehrsstraße die Zufahrt zu dem riesigen Flugplatz, der hinter einem Wäldchen beginnt. Ein paar Maschinengewehrnester, kaum erkenntlich selbst für den, der dicht davor steht, leichte Flakgeschütze, die auf den Dächern einiger „Bauernhäuser“ aufgestellt sind, und im Hintergrund auf einem Hügel eine Batterie schwerer Flut.
Ein Gewirr von Leitungen, Kabeln, dicken Rohren liegt im Erdboden vergraben. Am Rande des Rollfeldes sind rund um den ganzen Platz die schnellen Kampfflugzeuge aufgebaut. Neben den Führerflugzeugen befinden sich die Schlafzelte der Staffelkapitäne. Die Offiziere, das Bombenpersonal, die Flieger und Funker schlafen in unmittelbarer Nähe ihrer Maschinen. Die Telefone stehen neben den Schlafplätzen; Uniformen, Ausrüstungen liegen griffbereit daneben. Vor den Flugzeugen aber flattern kleine bunte Fähnchen, die in den Erdboden gerammt sind, ein untrügliches Zeichen für alle: die Kampfflugzeuge sind beladen. In den Schächten der Flugzeuge sind die schweren 50- und 250-Kilogramm-Bomben aufgehängt, die Klappen sind verschlossen, die Maschinengewehre geladen, Munitionstrommeln liegen übereinander, zu riesigen Stapeln zusammengefasst — der Heckschütze unten am Boden des Kampfflugzeuges braucht seine Hand nur einen Viertelmeter auszustrecken, und schon hält er eine neue, gefüllte Trommel mit
MG-Munition in der Hand, er kann sie sekunden- schnell einsetzen und weiterfeuern———
6,30 Uhr früh. Auf dem Flugplatz hat sich wenige Sekunden nach dem Wecken bereits ein mächtiger Betrieb entwickelt. Die Männer haben sich schon gewaschen — drüben im Wäldchen haben sie sich eine eigene Freiluft-Waschanlage eingerichtet, der heiße Kaffee dampft noch in den Feldflaschen, die Zelte sind in Ordnung gebracht. Der Oberwerkmeister der Flugbetriebskompanie geht prüfend von Flugzeug zu Flugzeug, hier und da macht er sich Notizen. Von den gewaltigen Munitionsbunkern, die am Rande des Rollfeldes liegen, klingt Musik. Ein Staffelkapitän hat hier seine Männer um einen kleinen Rundfunk-Kofferapparat versammelt. Denn die erste Frage beim Aufstehen ist stets: Was gibt es Neues? Wird es losgehen? Und damit beginnen die Diskussionen, beginnt ein leidenschaftlicher Meinungsaustausch über die politische Lage. Im Herzen eines jeden Soldaten aber steht der eine Satz, klar, deutlich, kompromisslos: Wir sind bereit— ganz gleich, wann und wie und ob ein Befehl zum Einsatz kommt, wir werden freudigen Herzens unsere Pflicht erfüllen.
Die „alten“ Kameraden, diejenigen, die schon in Spanien waren und als Freiwillige der Legion Condor mitgekämpft und der Welt immer wieder bewiesen haben, wie kraftvoll und stark, wie unbesiegbar die deutsche Luftwaffe ist, diese alten Feldsoldaten also werden jetzt wieder beneidet um ihre Erfahrungen, um das, was sie unter Spaniens heißer Sonne erlebt haben.
7 Uhr früh: die ganze Staffel hat sich um den Kofferapparat versammelt, lagert im taufrischen Gras, während der Staffelkapitän sein Gerät auf „Vollgas“ einstellt. Und nun tönt es aus dem Lautsprecher: „Sie hören jetzt die Nachrichten des Drahtlosen Dienstes.“ In gespannter Erwartung hören die Soldaten die Frühnachrichten, blitzschnell überlegen sie, ob und was sich nun ereignen könnte — und dann, wenn wieder einmal die Nachrichten vorbei sind, beginnt der normale Dienstbetrieb, der hier genau wie auf dem Heimatflughafen durchgeführt wird. Exerzieren, Unterricht, Waffenreinigen ———
Funksprüche jagen durch den Äther von Berlin zu den Luftflottenkommandos und weiter zu den einzelnen Divisionen, chiffrierte Nachrichten werden gesendet und empfangen. Die Männer von der Luftnachrichtentruppe haben alle Hände voll zu tun. Sie bewältigen den umfangreichen Nachrichtenverkehr, sie bauen neue Feldkabelleitungen auf, richten weitere Stationen ein, überall befinden sich Fernsprechanschlüsse, in den Zelten und Unterkünften, und selbstverständlich bei den Stäben und bei den einzelnen Dienststellen. Es braucht nur ein Stichwort gegeben zu werden, und ein paar Minuten, nachdem der Befehl in Berlin unterzeichnet wurde, klingeln hier an den Flugzeugen die Telefone, dann springen die Männer auf und klettern in ihre Maschinen, die Motoren werden angeworfen, und wieder einige Minuten später sind die ersten Ketten gestartet, kurbeln sich hinauf, immer höher in den strahlend blauen Himmel, bis sie in mehreren tausend Metern Höhe mit 400 Stundenkilometer Geschwindigkeit den befohlenen Zielen zusagen—
Aber es ist ja nichts „los“. Es wird nur exerziert, die Männer der Flugbetriebskompanie führen an einer dreimotorigen Transportmaschine eine „Zehnstunden-Kontrolle“ durch. Die Ventile werden nachgesehen, die Zündkerzen herausgeschraubt, kleine Reparaturen werden ausgeführt und die Flugzeuge tadellos zurechtgemacht. Ein riesiger vierachsiger Zugwagen rattert, gezogen von einem schweren Trecker, zu einer der unterirdischen Tankanlagen. Auf dem Zugwagen steht ein ganzer Eisenbahnwaggon, und der birgt in seinem Bauch 20 000 Liter Benzin. Die Tankanlagen werden aufgefüllt, und der Eisenbahnwaggon auf diesem seltsamen Fahrzeug rollt wieder zurück zur nächsten Eisenbahnstation.
Vor den Eingängen der unterirdischen Bunker laden die Soldaten die Holzkisten auf und bringen den Inhalt — jedes Mal einen „dicken Brocken“ in Gestalt einer 250-Kilogramm-Bombe — zu einem Stapelplatz unmittelbar in die Nähe der abgestellten Flugzeuge.
Wenn die Flugzeuge von einem Feindflug zurückkämen, so würde das Beladen mit neuer Bombenmunition und das Tanken wiederum nur wenige Minuten dauern, und die Flugzeuge könnten von neuem starten.
Heiß brennt die Sonne auf die braungebrannten Soldaten herab. Sie arbeiten an den Flugzeugen nur in Badehosen. Die Mannschaften an den Flak-Geschützen tragen ebenfalls nur Badehosen. „Das könnte direkt schon Spanien sein“, meinen lachend die Spanienkämpfer, „so habt ihr anderen doch wenigstens einen kleinen Vorgeschmack von einem Kampf unter glutheißem Himmel——“
Sie sind alle bereit. Die große Organisation der Luftwaffe steht. Auch die kleinsten technischen Einzelheiten sind gut vorbereitet und durchdacht. Und die Männer, die diese Flugzeuge fliegen, die diese besten Flak-Geschütze der Welt bedienen, und ihre Kameraden von den Nachrichten-Abteilungen sind zu jeder Sekunde einsatzbereit. Die Bevölkerung, die Bauern und Dorfbewohner, die Jugend und alle, die mit den Soldaten in Berührung kommen, blicken mit stolzer Zuversicht auf die Männer, die den Schutz ihrer Heimat vorbereiten. Sie alle, Bauern und Soldaten, verfolgen mit ungeheurer Spannung die Entwicklung der politischen Lage und vertrauen zugleich der Staatskunst des Führers und seinem Willen, die Ehre des deutschen Volkes und seine heiligen Interessen zu vertreten. Sie alle wünschen den Frieden - aber sie werden wie ein Mann hinter dem Führer stehen, wenn es nicht gelingen sollte, den Frieden zu wahren. Denn uns beseelt der stolze Gedanke: Wir sind bereit!
Wäre nicht das MG in dem Kartoffelfeld seitwärts der Straße, besetzt mit zwei Mann, von denen einer ständig den Horizont unter Beobachtung hält, man führe vorbei, ohne zu ahnen, dass zwischen Straße und Wald ein vollbesetzter Flugplatz liegt. Solcher Erdlöcher gibt es viele in der Umgebung des Hafens, und nicht wenige sind mit leichter Flak bestückt.
Von einem Flugplatz indes ist nichts zu sehen. Man muss schon sehr nahe an den Waldrand herangehen, um Flugzeuge zu erkennen. Die Tarnung ist, begünstigt durch den Wald, vollkommen. Schwanz voraus, haben sie die schweren zweimotorigen Flugzeuge in den Wald geschoben, so dass kaum die Bugkanzeln herausschauen. Wo Bäume im Wege waren, wurden sie gefällt. Über das Ganze sind Tarnnetze gebreitet, bedeckt mit den Zweigen der geschlagenen Bäume.
Weiter waldeinwärts stehen die grün-grauen Zelte der Besatzungen und des Bodenpersonals. Nur wenige Soldaten sind zu sehen, es ist Mittagszeit. Hundert Schritte weiter steht am Rand einer kleinen Lichtung der Wagen mit der hoch oben stehenden Feldküche. Und hier endlich ist Leben. Die Männer tragen nur Laufschuhe und Sporthose, es ist glühend heiß. Die Sonne zeichnet warme Lichter auf die braungebrannten Körper, wie sie an der Küche vorbeigehen und ihren Schlag in Empfang nehmen. Es gibt Nudeln mit Gulasch, und zufriedene Gesichter beweisen, dass das ein sehr geschätzter „Fraß“ ist. Und dann sitzen sie rundum im Waldschatten und essen. Viel mehr als das Klappern der Gabeln im Kochgeschirr ist nicht zu hören. Eine „gefräßige Stille“. Wenn der Soldat isst, dann isst er. Das ist eine fast sakrale Handlung, besonders wenn das Essen so gut ist wie heute.
Wüsste man nicht, wozu diese jungen Männer hier sind, man wäre versucht, sich in ein Sportlager versetzt zu glauben, so friedlich scheint alles. Aber es scheint eben nur. Das hier sind keine Leichtathleten im Trainingslager, — das sind Flugzeugführer und Hilfsbeobachter, Funker und Männer vom Bombenpersonal; drin sind Kraftfahrer und Fliegerschützen und Bordmechaniker, und wie sie alle heißen.
Und wenn sie erst die Fallschirmgurte angelegt und die Riemen der Fliegerhaube festgeschnallt haben, wenn sie in ihre Flugzeuge steigen, dann wird in diese jetzt lachenden Gesichter ein verwegener, trotziger Ausdruck treten, und diese fröhlichen jungen Männer werden für den, der das Unglück haben wird, ihr Feind zu sein, zu apokalyptischen Reitern.
Die Nacht zum 1. 9. 1939 vor dem ersten Feindflug gegen Polen. Mit einem Skat vertreiben sich die alarmbereiten Besatzungen die endlose Wartezeit.
Flugzeugerkennungsdienst im Sande. Vor Ausbruch des Polen-Feldzuges vertrieben sich die an der Ostseeküste liegenden Flieger die Zeit mit der Darstellung polnischer Flugzeugtypen.
Luftbild eines abgeschossenen polnischen Kampfflugzeuges modernster Bauart.
Das von polnischen Mordbrennern in Brand gesteckte Gehöft eines Volksdeutschen.
Telefonapparate surren. Ordonnanzen springen auf, Motoren werden angeworfen.
Alarm.
Es ist spät in der Nacht. Weiße Nebelschwaden liegen träge und unbeweglich über Straßen, Häusern und Wiesen. Zuweilen bohren sich die glühend weißen Lichter eines Scheinwerfers durch den Nebel, wie gespenstige Schatten haschen die Kraftfahrzeuge im Nebel vorbei.
Alarm.
Und man sitzt am Telefon und wartet, rast dann hinüber zum Flughafen und beobachtet die letzten Vorbereitungen, die zum Schutz unseres Landes getroffen werden. Alle Posten sind besetzt, die Flakgeschütze sind ja schon längst, seit vielen Tagen, feuerbereit. Es sollte nur einem einzigen polnischen Flugzeug einfallen, sich blicken zu lassen. Die Flugmeldeposten, die Männer der Nachrichtenabteilungen, die Bedienungsmannschaften an den Abwehrgeschützen stehen bereit.
Alarm.
Das kleine Dorf ist plötzlich aus seiner mitternächtlichen Ruhe aufgeschreckt. Die Soldaten — Flieger, Funker, Kanoniere — wurden auf ein Stichwort geweckt und aus ihren Bürgerquartieren geholt. Die Bauern, bei denen wir nun bald schon eine Woche in Quartier lagen, drückten uns noch ein paar Stullenpakete in die Hand. Wir gaben Ihnen rasch die Hand und lauschten nach oben: dumpfen Motorendonnern klang von fern her — unsere Kameraden waren also schon unterwegs, die benachbarten Jagdstaffeln bewachten bereits den Grenzabschnitt.
Die Bauern wollen uns allen noch schnell etwas sagen, wollen uns zeigen, wie dankbar sie dem Führer für den befohlenen Einsatz, für diesen Schutz unserer Heimat sind. Etwas unbeholfen klingen die Worte, die der alte Bauer da sagt, aber man hört Aus jedem Wort den unbändigen Stolz heraus, den sie für die deutsche Luftwaffe empfinden. Sie blicken immer wieder nach oben und versuchen im nächtlichen Dunkel irgendein Flugzeug zu erkennen, dem sie zuwinken könnten ——
Die einzelnen Kampfstaffeln liegen rund um das riesige Rollfeld verteilt. Die Besatzungen sind schon auf den Beinen, das Bodenpersonal, die Männer von der Flugbetriebskompanie haben die Hüllen von den Motoren gerissen, sie sehen zum allerletzten Male alles nach: jawohl, es ist genügend Brennstoff für einen Flug von einigen tausend Kilometern vorhanden; jawohl, die Schächte sind mit schweren und schwersten Bomben gefüllt; jawohl, die Trommeln der Maschinengewehre liegen griffbereit neben den MG-Schützen. Der Staffelkapitän der Ersten, ein alter Spanienflieger, lacht: es sei doch grotesk, wenn die Polen diese herrlichen He 111er angreifen wollten — denn die polnischen Jäger mit ihren aus der ganzen Welt zusammengepumpten Jagdflugzeugen sind langsamer als unsere Kampfflugzeuge. Und gegenüber unseren Jägern und Zerstörern besitzen sie eine Geschwindigkeit, die bis zu 200 Stundenkilometer geringer ist—— sie könnten höchstens aus großer Höhe angreifen und dann nur einen einzigen Angriff ausführen, weil sie den Verlust an Höhe dann nicht mehr rechtzeitig ausgleichen könnten. Dann aber würden sie sogleich in den Bereich unseres Jagdschutzes kommen, sie werden in den rasend schnellen deutschen Jägern einen Gegner kennenlernen, vor dem sich schon ganz andere beugen mussten— — Immer noch dieser verdammte dicke Nebel. Man sieht kaum die andere Seite des Rollfeldes. Himmelherrgottsakra, flucht der Staffelkapitän, wir wollen jetzt starten.
Dieses Warten ist zermürbend. Aber es muss eben gewartet werden, bis sich die Wetterlage über dem Feindgebiet geklärt hat, es soll ja nicht nur angegriffen, sondern auch getroffen werden. Ein Aufklärer erhält den Befehl, loszufliegen und zu melden, wie die Wetterlage über dem Korridor ist. Inzwischen versammeln die Führer der einzelnen Staffeln noch einmal ihre Männer. Die Karten werden zum letzten Mal studiert: wir fliegen Kurs soundsoviel Grad, dann kommt hier die Eisenbahnkreuzung; falls wir Flakfeuer bekommen sollten, kurbeln wir noch ein bisschen höher, und dann hier heran. Wenn eine Kette nicht beim ersten Anflug werfen kann, dann bitte nochmals anfliegen, wir warten in diesem Abschnitt und fliegen dann über diesen Kurs zurück. Es gilt, die polnischen Flughäfen X und V zu zerstören.
Der Staffelträger telefoniert zum achten Male mit dem Gruppenkommandeur. Nein, immer noch ist der Start verschoben. Die dicken Pelzkombinationen werden also wieder ausgezogen, denn diese Hitze kann kein Mensch aushalten. Ein Zug der Flugbetriebskompanie schafft bereits die nächste Bombenladung heran.
Aus dem großen Mannschaftszelt läuft ein Oberfeldwebel heraus, schrilles Pfeifensignal: alle sofort herkommen! Die Besatzungen und was hier herumsteht und wartet, rennt hinüber. In dem Zelt steht der Kofferrundfunkapparat des Staffelkapitäns — Berlin meldet sich, die Krolloper, der deutsche Reichstag ist zusammengetreten. Man hört die Stimme des Oberbefehlshabers der Luftwaffe. Der Generalfeldmarschall eröffnet diese historische Reichstagssitzung. Und dann hören wir den Führer.
Wir liegen eng zusammengekauert im Zelt und lauschen der Stimme dieses Mannes, auf den wir unseren heiligen Soldateneid geleistet haben. Atemlose Spannung liegt über uns allen. Adolf Hitler spricht zu uns, zu seinen Soldaten. Niemals werden wir diese Vormittagsstunde des 1. September 1939 vergessen. Der Führer spricht über unseren befohlenen Einsatz. Nur militärische Ziele sollen angegriffen werden. Wenn aber der Pole es wagen sollte, diesen Krieg mit unhumanen Mitteln zu führen, dann wird er eine Antwort bekommen, dass ihm Hören und Sehen vergeht.
Und jedem einzelnen unter uns ist so, als wenn der Führer zu ihm selbst spräche, als wenn er mitten unter uns weilte, und wir hängen an jedem Wort, das Adolf Hitler spricht. Als aber der Führer das sagt: „Ich will nichts anderes sein als der erste Soldat meines deutschen Volkes“, da müssen wir unsere Hände vor die Augen nehmen — verdammt, wir sind Männer und deutsche Soldaten und schämen uns nicht, wenn unsere Augen feucht werden, denn in dieser Sekunde soll es jeder wissen, mit welch freudigem Einsatz jeder einzelne von uns, die wir die stolze Uniform der deutschen Luftwaffe tragen, sich für den Führer in Stücke reißen lässt, wenn wir damit unserem Volk und unserer Heimat helfen können.
Deutschland, Deutschland über alles! klingt es herüber durch den Äther in unsere Herzen. Wir sind aufgesprungen, haben die Hauben und Mützen abgerissen und strecken die Hände zum deutschen Gruß empor. Und da hören wir das tiefe Brummen unseres Aufklärers plötzlich wieder, die schnelle Maschine ist von ihrem ersten Feindflug zurückgekehrt und meldet gutes Wetter, gute Sicht — — hurra, wir können starten! Wenige Minuten später sind die Männer an ihren Maschinen. Der Kommandeur erscheint, begibt sich zu seinem Flugzeug. Und nun springen die Motoren an. Kette auf Kette rollt zum Startplatz, laut brüllen die Motoren mit Vollgas auf, und die Gruppe rast los, steigt hinauf in den strahlend blauen Himmel, fliegt gen Osten.
Wir bleiben zurück, beneiden unsere Kameraden, die diesen ersten Feindflug unternehmen dürfen, die das erste Mal dabei sein dürfen, da es unser neues Reich zu verteidigen und zu schützen gilt.
Das tiefe Brummen der Flugzeugmotoren ist verstummt. Einsam und verlassen liegt der ganze Flughafen da. Wir diskutieren und überlegen und stellen nutzlose Fragen, auf die uns im Augenblick niemand antworten kann. Minute auf Minute verrinnt. Eineinhalb Stunden kann die Gruppe wegbleiben. Wir vergleichen die Uhren, also muss die Gruppe um 13.45 Uhr wieder zurück sein —— Eine halbe Stunde vergeht und noch eine halbe. Wir springen bei jedem Geräusch auf, blicken alle paar Sekunden nach den Uhren. Jetzt müssten sie kommen ——— und sie kommen! Sie kehren wieder zurück, da ist die erste He 111, dort drüben halb rechts die zweite, halb links die dritte ——— Gottseidank — und wir zählen die einzelnen Maschinen, eine nach der anderen —— ob irgendein Flugzeug fehlt?
Im Tiefflug rast die erste Kette über den Platz — wir winken, und die Besatzungen winken zurück, wir sehen ihre lachenden Gesichter, das bedeutet: Auftrag ist ausgeführt —— Sieg — Sieg — Sieg — und nun landet die erste Kette, wir springen in die Kraftwagen und rasen hinüber, einer von uns macht die Bodenklappe auf, während noch die beiden Motoren laufen. Ich klettere hinein, entdecke leere Patronenhülsen —— und meine erste Frage: seid ihr beschossen worden? Wurdet ihr angegriffen?
Und hier die Antworten auf alle unsere Fragen: „Wir haben kein Abwehrfeuer bekommen — wir wurden nicht ein einziges Mal beschossen — wir haben unsere Bomben auf diejenigen militärischen Ziele abgeworfen, die uns befohlen waren!“ Und einer berichtet: „Ja — ganz weit weg von uns kurvte wohl ein polnischer Jäger, aber der traute sich nicht heran an uns. Wir flogen dauernd in Erdsicht, konnten an der Grenze die polnischen Schützengräben erkennen —— aber nicht ein einziges polnisches Flak-Geschütz hat sich gemeldet ——“ Und die leeren Patronenhülsen? Die MG-Schützen lachen: „Wir haben nur mal probiert, ob alles klar ist ——“
Die ganze Gruppe ist gelandet. Alle Flugzeuge, ohne Ausnahme, sind wieder da. Sie rollen zu den Tankanlagen, werden aufs Neue mit Bomben beladen und startfertig gemacht. Die Besatzungen aber warten auf neue Befehle und hoffen, recht bald wieder eingesetzt zu werden, damit in kürzester Frist dem polnischen Spuk ein für alle Mal ein Ende bereitet wird.
Heute, Freitag, am frühen Morgen, nach der spannungsreichsten Nacht dieser Krisentage, in der sich die Meldungen von weltpolitischer Tragweite überschlagen und den Äther erfüllten, führten Kampfverbände den ersten vernichtenden Bombenangriff auf ein militärisches Kraftzentrum des polnischen Staates durch. In den ersten Morgenstunden starteten die Staffeln nach Osten. Die tiefen Strahlen der aufgehenden Sonne warfen warme Lichter auf die tarnfarbenen Flächen der schweren Kampfflugzeuge. Bald aber verschwand die Sonne wieder hinter einer Nebelwand, die sich drohend vor den heranstürmenden Flugzeugen auftürmte. Erst nach einem ausgesprochenen Schlechtwetterflug, der an Flugzeugführer und Funker, an Beobachter und Bordschützen schwere Anforderungen stellte, erreichte der Verband den polnischen Land- und Seeflughafen Putzig. Es war ein freundliches Spiel des Wetters, „das gerade über Putzig die Sicht besser geworden war. Das Ziel konnte auch aus großer Höhe einwandfrei ausgemacht werden.
Ich sitze neben dem Flugzeugführer auf dem gerade freien Sitz und fiebere dem Augenblick entgegen, in dem wir unsere todbringende Last abwerfen. Vorn in der Bugkanzel liegt der Beobachter, griffbereit das Maschinengewehr vor sich, und peilt das Ziel an.
Soeben glaubte ich etwas gehört zu haben, was wie ein Schuss und gleich darauf wie mehrere geklungen hatte. Ob die Polen nach uns schießen? Bis jetzt war mir noch gar nicht so recht zum Bewusstsein“ gekommen, dass ich mich an Bord eines Flugzeuges befinde, das über Feindesland fliegt. Wie ich noch überlege, stößt der Flugzeugführer mich an und hebt den Zeigefinger hoch: auch er hat das trockene Knallen gehört. Wir werden also doch von polnischer Flak beschossen. Ich bin beinahe befriedigt darüber, denn was wäre ein Angriffsflug ohne feindliche Einwirkung!
Plötzlich geht ein Rucken durch das Flugzeug. Die Bomben haben die Maschine verlassen. Ich schaue seitwärts, rückwärts hinaus und sehe sie eben noch ins Bodenlose torkeln, nicht anders wie etwa Bierflaschen, die man von hoher Brücke ins Wasser wirft.
Wieder pufft der Flugzeugführer mich in die Seite und deutet auf den Höhenmesser. Wir sind 5000 Meter hoch, und ich friere trotz der dicken Pelz-Sonderkleidung. Ich kann kein Thermometer entdecken, bin aber überzeugt, dass wir mindestens zehn Grad unter Null haben.
Angestrengt spähen wir alle nach unten. Der Flugzeugführer und mit ihm die ganze Kette hat eine Linkskurve eingeleitet, die uns aus der für den Bombenwurf erforderlichen geraden Anflugrichtung herausbringen und den Anblick der einschlagenden Bomben ermöglichen soll. Und, hurra! da unten blitzt es auf, an vielen Stellen in den Hafenanlagen. Einige scheinen ins Wasser gegangen zu sein, riesige Fontänen spritzen hoch. Mitten aus irgendwelchen großen Hallen blühen die Sprengwolken unserer Bomben auf, werden größer, breiten sich aus. Unser Angriff sitzt im Ziel.
Während wir in weit ausholender Kurve zu neuem Anlauf auf das Ziel ansetzen, lege ich die Sauerstoffmaske wieder an und ziehe die Riemen meiner Haube fester. Es ist eisig kalt, und gerade jetzt, nach dem Höhepunkt unseres Fluges, kommt mir die Kälte so recht zum Bewusstsein.
Ein Blick nach hinten zeigt weitere Ketten unseres Verbandes, die nach uns ihren Segen abladen. So unsanft werden sie noch nie geweckt worden sein, die Kasimirs. Wieder geht es auf das Ziel zu, wieder knallt es irgendwo, aber weit weg; wieder geht das Rucken durch die Maschine, und noch einmal kullern die 50-Kilogramm-Bomben aus dem Schacht. Wiederum blitzt es unten auf, und zum zweiten Mal stellen wir freudestrahlend fest, dass der Reihenwurf im Ziel sitzt. Ich schaue den Flugzeugführer an und er mich. Ein Auge kneift er zu, pliert mich mit dem andern an. Das heißt so viel wie: Mensch, das hat hingehauen!
Jetzt drehen wir endgültig ab, Richtung Heimat. Die Nebelwand hat sich gehoben oder aufgelöst, — ich weiß es nicht. Es ist so gleichgültig angesichts des erhebenden Bewusstseins, am ersten Angriffsflug der deutschen Luftwaffe gegen Polen teilgenommen zu haben.
Die Sonne ist durchgebrochen, scheint durch die Glasverkleidung des Führersitzes und der Bugkanzel.
Im Kopfhörer, der bis dahin nur kurze, knappe Bemerkungen von sich gegeben hatte, wie sie die Durchführung des Unternehmens mit sich brachten, in diesem Kopfhörer ertönt jetzt der Schlachtruf der Staffel: Hua-hu! Und alle brüllen wir begeistert, und die Kehlkopfmikrofone geben es allen Kameraden an Bord weiter: Hua-hu, das hat geschlumpt, meine Herren!
Ein Fliegerhorst in der Nähe der Grenze zum sogenannten polnischen Korridor. Über dem Platz liegt eine Spannung, die sich nicht in irgendwelcher Tätigkeit oder Handlung äußert, sondern die uns anmutet wie Ruhe vor dem Sturm. Tatsächlich liegt die Sturzkampfgruppe, deren Einsatzhafen dieser Horst ist, seit dem Morgengrauen in einer Alarmbereitschaft, die durch nacheinander erfolgte Befehle sich bis zur unmittelbaren Startbereitschaft verschärft hat. Ursprünglich war der Einsatz mit dem Frühesten des Tages geplant, aber ein dichter Nebel, der kaum zehn Meter Sicht gestattete, lag über der ganzen Landschaft. Dann wich er durch die Sonneneinstrahlung, zugleich aber bildeten sich schwere örtliche Gewitter, die nun ihrerseits eine Startverzögerung mit sich brachten.
Die Wetterlage hat sich in der letzten halben Stunde überraschend schnell geändert. Nachdem die Gewitter niedergingen, bildeten sich Haufenwolken, die von etwa 2000 bis 4500 Meter Höhe hinauf reichten: mit dem dazwischen herrlich blauenden Himmel ein wundervolles Wetter für den Sturzkampfflieger, der nun, ohne vorzeitig vom feindlichen Meldedienst erkannt und gemeldet zu werden, überraschend sein Bombenziel anfliege und zum Angriff schreiten kann.
Die ersten Motoren laufen an, mehr und mehr verstärkt sich dieser Lärm zu einem Brausen. Die Warte lassen die Motoren sämtlicher Flugzeuge der Sturzkampfgruppe warmlaufen. Jeden Augenblick kann der Gruppenkommandeur mit seinen Staffel-führern kommen. Die Besatzungen, denen Bettruhe befohlen war, damit sie gut ausschlafen und im Vollbesitz ihrer Nervenkräfte sind, werden geweckt und legen ihre Fliegerbekleidung an. Bei jedem Flugzeug warten zwei Mann auf den Flugzeugführer und MG-Schützen mit bereitgehaltenen Fallschirmen, damit das Anlegen dieses Rettungsgeräts der Luft sich mit Sekundenschnelle vollziehen kann. Die Bomben sind bereits vor einer Stunde eingehängt worden. Es bedarf nur noch eines Befehls, und dann ist wenige Augenblicke später die ganze Gruppe startklar.
Soeben kommt der jüngste Leutnant der Gruppe vorbei. Auch er fiebert vor Angriffsgeist. Lange — wie es ihnen mitunter schien, allzu lange — haben diese Männer der deutschen Fliegertruppe den Augenblick herbeigesehnt, da es endlich heißen würde: Ran an den Feind!
Jetzt startet die erste Kette. Trotz der schweren Bombenlast — die Maschinen sind voll beladen — vollzieht sich der Start mit einer Präzision, die an den Ablauf eines Uhrwerks gemahnt. Motor auf Motor braust mit Vollgas auf, nur ein kurzes Heranrollen, und dann sind die Flugzeuge frei. Während der Bleistift über das Papier eilt, um dieses mitreißende Bild festzuhalten, während soeben noch die erste Maschine startete, jagt nun schon oben die erste Kette, die erste Staffel der Gruppe in geschlossener Formation feindwärts. Und Kette auf Kette folgt. Jetzt wieder startet eine Kette geschlossen, dann noch eine — und wieder und wieder.