Mit Charme gewinnen - kämpfend vorangehen - Karl Graf - E-Book

Mit Charme gewinnen - kämpfend vorangehen E-Book

Karl Graf

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Beschreibung

Eine Frau und ein Mann im Gespräch über ihre Spiritualität: Teresa von Ávila mit jüdischen Wurzeln und Ignatius von Loyola aus adligem Geschlecht. Worin sie sich sehr nahe sind, ist ihre radikale spirituelle Suche. Und beide durchbrechen traditionelle Rollenerwartungen und die vorherrschenden theologischen Konzepte. Im fiktiven Gespräch entdecken Teresa und Ignatius aber auch, wie dabei ihr Mann- bzw. Frausein und ihre unterschiedliche Herkunft ihre Lebens- und Handlungsmöglichkeiten prägen und sich in ihrer Spiritualität niederschlagen. Ein Lesegenuss für heutige Menschen bei ihrer Suche nach einer authentischen Spiritualität.

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Karl Graf und Theres Spirig-Huber

Mit Charme gewinnen – kämpfend vorangehen

Teresa von Ávila und Ignatius von Loyolaim Gespräch über Geschlecht und Spiritualität

Ignatianische Impulse

Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ

und Stefan Hofmann SJ

Band 87

Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

Karl Graf undTheres Spirig-Huber

Mit Charme gewinnen – kämpfend vorangehen

Teresa von Ávila undIgnatius von Loyola im Gesprächüber Geschlecht und Spiritualität

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

ISBN

978-3-429-05485-4

978-3-429-05091-7 (PDF)

978-3-429-06486-0 (ePub)

Inhalt

Einleitung

I. Biografischer Zugang

1. Warum wir geschrieben habenDas Buch meines Lebens — Der Bericht des Pilgers

2. Wie wir aufgewachsen sind und was uns als junge Erwachsene geprägt hatDas Leben im Kloster — Die Karriere am Hof

3. Grenzerfahrungen in der Lebensmitte und was darin gewachsen istHerumgetrieben auf dem stürmischen Meer – Die Verwundung und die Folgen

4. Spiritueller AngelpunktBei Christus verweilen wie bei einem Freund – Gott und seinen Willen suchen und finden

5. Krisenerfahrungen: Skrupel und ÄngsteUnwürdig für das innere Beten – Rigorismus als Versuchung

6. Durchbruchserfahrungen durch mystische HeimsuchungDer leidende Christus — Der Blick in den Fluss

7. Theologie und SpiritualitätDie Bibliothek von Onkel Petro – Latein pauken und Theologie studieren

8. Freundinnen und GefährtenDer revolutionäre Zirkel in der Klosterzelle – Die Gefährten an der Universität

9. Neuanfänge und wie alles anders kamDer wankelmütige Obere — Das Schiff, das nicht fährt

10. Spiritualität und gemeinsames LebenJe zwei Stunden für Kontemplation und Austausch – contemplativus in actione

11. Engagement und Apostolat»Die Welt steht in Flammen« – Seelen retten«

12. Umgang mit Widerständen und GrenzenHäuser besetzen – Sich gegenüber der Inquisition verteidigen

13. Beziehung zum andern Geschlecht»Nicht alle Nonnen dürfen das« – Vorsicht ist geboten

14. Auf den Tod zugehen, sterbenSterben in den Armen der Freundin – Der einsame Tod

II. Schwerpunkte der teresianischen und der ignatianischen Mystik

Einleitung

1. Gottes- und MenschenbildInnere Burg – Fundament

2. Christusbeziehung und NachfolgeEntschlossene Entschlossenheit – Entscheidung für das Banner Christi

3. Selbsterkenntnis und FreiheitHühnerschritte – Ungeordnete Neigungen

4. Reifung und WandlungVom Samenkorn zum Schmetterling – Hineinwachsen ins Leben mit Christus

5. Auferstehung und neues LebenGenährt von göttlichen Brüsten – Gottes Wirken in allem

Anmerkungen

Einleitung

Sie lebten beide im 16. Jahrhundert in Spanien, die Mystikerin Teresa von Ávila und der Mystiker Ignatius von Loyola, sind sich jedoch zu Lebzeiten nicht begegnet. Und beide sind sie heute topaktuell, wenn es um die Frage geht, wie Spiritualität im Alltag konkret gelebt werden kann bzw. genauer, ob und wie sich das Frau- bzw. Mannsein und die soziale Herkunft auf die spirituelle Biografie von Männern und Frauen auswirken.

Zu diesen Fragen treffen sich Teresa, die jüdische Wurzeln hatte und als Frau nicht Theologie studieren konnte, und Ignatius, der einer adligen »altchristlichen Familie« entstammte und nach einer gescheiterten politisch-militärischen Karriere Theologe geworden war.

Vieles verbindet die beiden. Sie haben beide mutig Traditionen und Rollenmuster durchbrochen sowie Orden gegründet, in denen sie auf eine neue Weise Kontemplation und Engagement verknüpften. Doch in manchem unterscheiden sie sich. In diesem Buch treffen sich die beiden – sozusagen posthum – im 21. Jahrhundert an einem fiktiven Ort zu einem fiktiven Gespräch. Sie reden als »Kinder unserer heutigen Zeit« im Rückblick auf ihr Leben in Spanien im 16. Jahrhundert. Da sie jedoch die Schriften beider kennen, können sie ihre Aussagen immer unterlegen, ja manches direkt vorlesen. Im ersten Teil erzählen sie sich ihre Lebensgeschichten mit den je eigenen Gewichtungen und stellen Bezüge zu ihrer Spiritualität her. Im zweiten Teil besprechen sie grundlegende spirituelle Themen und klopfen dazu ihre Schriften auf biografische Prägungen hin ab. Da und dort ergeben sich wie selbstverständlich Bezüge zu Ereignissen nach ihrem Tod oder zu heute aktuellen Fragestellungen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und Entdeckungen, die Ihre persönliche Spiritualität bereichern.

Folgende Abkürzungen werden verwendet:

Schriften von Teresa von Ávila (übers. von Ulrich Dobhan OCD und Elisabeth Peeters OCD)

V

Das Buch meines Lebens

CC

Geistliche Erfahrungsberichte

CE

Weg der Vollkommenheit(Manuskript vom Escorial)

CV

Weg der Vollkommenheit(Manuskript von Valladolid)

Ct

Briefe (übersetzt von Erika Lorenz)

F

Das Buch der Gründungen

M

Wohnungen der inneren Burg

P

Gedichte

Schriften von Ignatius von Loyola

EB

Geistliche Übungen,übers. von Peter Knauer SJ

PB

Bericht des Pilgers,übers. von Michael Sievernich SJ

BU

Briefe und Unterweisungen,übers. von Peter Knauer SJ

GT

Geistliches Tagebuch,übers. von Peter Knauer SJ

I. Biografischer Zugang

1. Warum wir geschrieben habenDas Buch meines Lebens –Der Bericht des Pilgers

Teresa

Wie schön, lieber Ignatius, dass wir uns begegnen können. Deine Mitbrüder, die Jesuiten, waren für mich wichtige Wegbegleiter und haben mir mit ihrer Spiritualität und ihrer Gabe der Unterscheidung wichtige Impulse gegeben. Wir lebten ja in einer verrückten Zeit. Du wurdest zwar ein Vierteljahrhundert vor mir geboren, aber wir erlebten beide die Zeit der Renaissance mit all den gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen in Spanien. Vor unseren Augen entstand ein geeintes, mächtiges spanisches Königreich. Allerdings um den Preis der Vertreibung der jüdischen und der maurischen Bevölkerung und ein paar Jahrzehnte später der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung in Amerika. Kolumbus war ja kurz nach deiner Geburt 1491 nach Amerika aufgebrochen und – stell dir vor – auch meine Brüder schifften sich später ein, um zum neuen Kontinent aufzubrechen. Eine faszinierende, aber auch schreckliche Zeit …

Nun aber zu uns selber, zu unseren Lebensgeschichten. Von uns beiden gibt es ja autobiografische Berichte. Deiner heißt »Pilgerbericht«. Wie kamst du, Ignatius, eigentlich dazu, deine Biografie zu erzählen und aufschreiben zu lassen – und unter den Titel »Pilgerbericht« zu stellen?

Ignatius

Gute Frage, Teresa, denn meine Biografie interessierte mich nie besonders. Es ging mir vielmehr immer darum, täglich dankend zurückzuschauen und nach dem Weg zu fragen, den Gott mit mir vorhatte, anders gesagt, nach dem »Willen Gottes zu suchen«. Es ging mir nie um ein biografisches Kreisen um meine eigene Person. Meine Mitbrüder drängten mich jedoch gegen Ende meines Lebens dazu, meinen Weg zu erzählen. Sie wollten so das Wirken Gottes in meinem Leben deutlicher erkennen und waren überzeugt, das helfe ihnen, den eigenen Weg mit Gott zu suchen und zu gehen. Das überzeugte mich, und so erzählte ich kurz vor meinem Tod meinem Mitbruder Luís Gonçalves da Câmara wichtige Stationen meiner Lebensgeschichte, und zwar aus der Perspektive eines Pilgers, der seinen Weg sucht und sich darin von Gott geführt und begleitet erfährt. Mein Mitbruder schrieb auf, was ich erzählte. So entstand eben weniger eine Autobiografie als vielmehr ein »Pilgerbericht«, mein Zeugnis vom Wirken Gottes in meinem Leben.

Aber wie war es denn bei dir, Teresa? Du hast in deinen Büchern ja viel aus deinem Leben erzählt, ja gar selber deine Vida, deine spirituelle Autobiografie, geschrieben. Ich gebe zu, dass ich vorerst – aufgrund meiner eher nüchternen Art vielleicht – mit deinem weitausholenden Erzählen meine liebe Mühe hatte. Aber je länger ich mich in deine Bücher vertiefte, desto mehr zog mich deine leidenschaftliche Gottsuche in Bann. So frage ich nun gerne dich: Wie kamst du dazu, von deinem Leben zu erzählen und gar deine Vida, »Das Buch meines Lebens«, zu schreiben?

Teresa

Auch ich wäre nie selber auf die Idee gekommen, meine Biografie aufzuzeichnen. Aber meine ersten geistlichen Begleiter, denen ich meine intensiven spirituellen Erfahrungen anvertraute, reagierten misstrauisch. Ich glaube, sie wussten nicht recht, was sie davon halten sollten. So trugen sie mir auf, meine Lebens- und Glaubenserfahrungen detailliert niederzuschreiben. Dadurch sollte klar werden, ob ich mich auf meinem spirituellen Weg im Rahmen des kirchlich Erlaubten bewegte. Sie forderten mich dadurch auch heraus, Sprache zu finden für die mystischen Erfahrungen, die mich oft überwältigt haben. Das war sehr schwierig. Wie sollte ich diese Erfahrungen für mich selber in Worte fassen? Wie sollte ich gar eine Sprache finden, die diese Erfahrungen andern vermitteln konnte?

Am leichtesten fiel mir immer das Erzählen – vor allem meinen Mitschwestern gegenüber –, das ich dann niederschrieb, quasi frisch von der Leber weg, ohne theologische Systematik. Für meine spirituellen Impulse brauchte ich am liebsten Bilder und Gleichnisse oder ich erzählte von eigenen Erfahrungen. Mir lag es immer daran, möglichst konkret zu reden oder zu schreiben. Ich konnte gar nicht anders. Und so verstanden mich auch die Schwestern am besten, unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig davon, ob sie gebildet waren oder Analphabetinnen. Meine Vida ist somit ebenfalls weniger eine Autobiografie als ein Erzählen meiner inneren und äußeren Erfahrungen, vor allem auch meiner oft schmerzhaften Suche nach Gott. Darin ist sie wohl deinem Pilgerbericht recht nahe, obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass dir mein Stil fremd ist und ab und zu Mühe macht. Denn im Unterschied zu meinem spontanen, erzählenden Stil hast du deine Briefe und Texte mehrfach überarbeitet, bis sie deinem hohen Anspruch genügten. Deine Mitbrüder haben dann nach deinem Tod deine geistlichen Tagebucheinträge veröffentlicht und uns damit ein eindrückliches Zeugnis deines spirituellen Weges geschenkt. Das hat mich besonders berührt, weil auch du darin sehr persönlich von deinem spirituellen Suchen berichtest.

Doch nun möchte ich mich noch über unsere Herkunft, unsere Kindheit und Jugendzeit unterhalten. Das hilft bestimmt, uns besser zu verstehen.

2. Wie wir aufgewachsen sind und was uns als junge Erwachsene geprägt hatDas Leben im Kloster – Die Karriere am Hof

Ignatius

Gern, liebe Teresa. Also: Ich hatte eindeutig bessere Startbedingungen als du, nicht nur weil ich ein Junge war, sondern auch, weil ich einer alten Adelsfamilie mit tadellosem altchristlichem Stammbaum entstammte, einer Familie »reinen Blutes«, wie es damals hieß. Das war für dich anders und du weißt wohl nur zu gut, welches Privileg meine Herkunft bedeutete. Du wurdest ja 1515 als Nachfahrin eines Conversos, also eines neubekehrten Juden, geboren.

Teresa

Ja, mein Großvater väterlicherseits war Jude und hatte gemäß dem Gesetz des »reinen Blutes« die Wahl, sich zu bekehren, auszuwandern oder des Landes verwiesen zu werden. Also ist er mit seiner Familie zum katholischen Glauben übergetreten. Später mehr dazu, was das für mich bedeutete.

Ignatius

Also, zurück zu mir: Ich war das jüngste von 13 Kindern und erhielt im Schloss meines Vaters in Loyola eine gute Erziehung. Ich konnte dank der Beziehungen meines Vaters schon mit 16 Jahren am Hof des königlichen Großschatzmeisters Velázquez de Cuellar in Kastilien meine höfische Beamtenkarriere beginnen. Dort lernte ich Verwaltungsaufgaben und Verhandlungsführung kennen. Diese Fähigkeiten kamen mir später sehr zugute. Wir Pagen wurden zudem mit der ritterlichen Kultur vertraut gemacht, was mich begeisterte. Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass mein Leben ziemlich abenteuerlich war. Juan de Polanco, mein Sekretär, schrieb später über mich: »Er hütete sich nicht vor Sünden, sondern war besonders ausgelassen im Spiel und in Frauenabenteuern, in Raufereien und Waffenhändeln.«1 Meine Nachfolger in der Leitung der Gesellschaft Jesu hatten später ihre liebe Mühe mit solchen Schilderungen. Allerdings nicht nur sie. Ich selber konnte mich innerlich immer weniger mit der Kultur der Loyolas identifizieren, die, zusammenfassend auf den Punkt gebracht, patriarchal, an männlich-ritterlichen Idealen orientiert, kriegerisch und auf Ehre (honra) fixiert war. Ich hatte noch einen sehr langen und schwierigen Weg vor mir, um mich selber und meine Berufung zu finden. Aber davon später mehr. Vorerst bin ich gespannt zu erfahren, woher du stammst und wie die Anfänge deines Lebens verlaufen sind.

Teresa

Gerne. Meine Herkunft unterscheidet sich deutlich von der deinen, Ignatius. Das hast du ja schon erwähnt. Deine Kindheit und Jugend scheint problemlos und gleichzeitig abenteuerlich gewesen zu sein. Vor allem öffnete dir deine Abstammung aus einer altchristlichen Adelsfamilie viele Türen wie zum Beispiel die zur Ausbildung am Königshaus in Kastilien. Bei mir wäre das undenkbar gewesen. Mein jüdischer Großvater war mit seiner Familie nach seiner Konversion von Toledo nach Ávila gezogen, um dort nicht erkannt zu werden und der Ausgrenzung zu entgehen. Den konvertierten Juden und Jüdinnen wurde nämlich unterstellt, dass sie weiterhin im Verborgenen ihren jüdischen Glauben praktizieren. Kannst du dir vorstellen, was es bedeutete, Enkelin eines Conversos