Mit der Waschmaschine durch Deutschland - Ludger Bücker - E-Book

Mit der Waschmaschine durch Deutschland E-Book

Ludger Bücker

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Beschreibung

»Normale Menschen machen so was nicht: Sich eine alte Waschmaschine schnappen und sie ›Mikaela‹ taufen, sie auf eine Sackkarre schnallen, alle Habseligkeiten in ihre Trommel werfen und sie vom Bodensee aus rheinabwärts bis in den Ruhrpott schieben. Insgesamt gut 1.200 Kilometer in 38 Tagen. Irgendwann in meinem Leben gab es einen Punkt, an dem ich das verrückte Gefühl hatte, genau das tun zu müssen. Und im Nachhinein kann ich sagen: Es war vielleicht die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.« Unterwegs hielt man Bücker für einen Hehler, einen Ehebrecher und einen Müllentsorger. Er trotzte Regen und Sturm, neugierigen Zollbeamten, schlammigen Abhängen und Schnaps trinkenden alten Damen – und eroberte mit seiner ›Mikaela‹ die Herzen der Bevölkerung im Flug ...

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 404

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Buch

»Normale Menschen machen so was nicht: sich eine alte Miele-Waschmaschine schnappen und sie ›Mikaela‹ taufen, sie auf eine Sackkarre schnallen, alle Habseligkeiten in ihre Trommel schmeißen und sie vom Bodensee aus rheinabwärts bis in den Ruhrpott schieben. Insgesamt gut 1 200 Kilometer in 38 Tagen. Irgendwann in meinem Leben gab es einen Punkt, an dem ich das verrückte Gefühl hatte, genau das tun zu müssen. Und im Nachhinein kann ich sagen: Es war vielleicht die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.« Ludger Bücker

LUDGER BÜCKER

Mit der

Waschmaschine

durch

Deutschland

Originalausgabe

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen1.

1. Auflage

Originalausgabe Januar 2016

Copyright © 2016 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München,

unter Verwendung eines Fotos der Agentur Bildschön und

Motiven von FinePic®, München

Lektorat: Doreen Fröhlich & Birthe Katt

DF ∙ Herstellung: Str.

Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-17061-5V001

www.goldmann-verlag.de

Besuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

Für Paulchen, Theo, Nic

und Renko.

Inhalt

Vorwort

Vorbereitung

Tag 1: Allensbach

Tag 2:Öhningen

Tag 3:Schaffhausen

Tag 4:Hohentengen

Tag 5:Waldshut

Tag 6:Murg

Tag 7:Bad Säckingen

Tag 8:Rheinfelden

Tag 9:Weil am Rhein-Haltingen

Tag 10:Steinenstadt

Tag 11:Breisach

Tag 12:Ottenheim

Tag 13:Marlen

Tag 14:Freistett

Tag 15:Rastatt-Plittersdorf

Tag 16:Leimersheim

Tag 17:Rheinhausen

Tag 18:Ludwigshafen-Mundenheim

Tag 19:Worms

Tag 20:Gimbsheim

Tag 21:Mainz-Hechtsheim

Tag 22:Bingen am Rhein-Kempten

Tag 23:St. Goar

Tag 24:Rhens (erster Tag)

Tag 25:Rhens (zweiter Tag)

Tag 26:Weißenthurm

Tag 27:Remagen-Oberwinter

Tag 28:Bornheim-Hersel

Tag 29:Köln-Mülheim

Tag 30:Dormagen-Stürzelberg

Tag 31:Düsseldorf-Wittlaer

Tag 32:Duisburg Alt-Walsum

Tag 33:Wesel

Tag 34:Schermbeck-Gahlen

Tag 35:Haltern-Flaesheim

Tag 36:Waltrop

Tag 37:Hamm-Bockum-Hövel

Tag 38:Lippetal-Herzfeld

Danksagung

Vorwort

In diesem Buch wird es vor allem um die Menschen gehen, die mir auf meiner Reise begegnet sind, um die Geschichten, die sie mir erzählt haben, und weniger um Sehenswürdigkeiten wie Burgen, Schlösser und andere historische Gebäude. Ich bitte daher um Verständnis, dass man dazu keine minutiösen Angaben finden wird. Ich stelle mir lieber vor, was sich im Laufe der Jahrhunderte dort ereignet haben mag.

Alle Leute, die in diesem Buch vorkommen, sind existent, und ich habe versucht, ihre Erzählungen nach bestem Wissen und Gewissen wiederzugeben. Ich habe jedoch alle Namen verändert, um die Anonymität zu wahren. Da ich oft in recht kleinen Ortschaften unterwegs war, deren Bewohner eine Person durch Kombination oder Vermutungen identifizieren könnten, habe ich fast alle Geschichten, die ich erlebt habe, vertauscht und ihnen andere Ortschaften zugeschrieben.

Bei dreien bin ich allerdings im richtigen Ort geblieben. Diese Menschen haben es besonders verdient, erkannt zu werden.

Dieses Buch ist teilweise auch eine Reise in meine Vergangenheit. Es enthält Geschichten, die davon erzählen, warum ich mit meiner Mikaela unterwegs war. Manchmal sind diese Geschichten traurig, manchmal lustig.

Wie das Leben nun mal so ist.

Ich wünsche euch viel Vergnügen bei meiner etwas ungewöhnlichen Reise durch Deutschland mit meiner schweigsamen, aber stets treuen Begleiterin.

Vorbereitung

Es ist Sommer, und ich stehe auf einem Schrottplatz in der Stadt. Ganz schön heiß ist es heute, auf meinem Kopf könnte man ein Spiegelei braten. Es wird endlich Zeit, sich zu entscheiden. Vor mir steht ein Elektroherd Marke Bauknecht. Er scheint noch gut in Schuss zu sein, aber die Backofenglasscheibe erinnert mich daran, dass ich dieses Gerät in den nächsten Wochen durch die Gegend ziehen oder schieben will – und Glas ist sicher nicht das Material, das auch mal einen kleinen Sturz oder andere mögliche Komplikationen übersteht. Schade. Der zweite Kandidat, den ich genauer unter die Lupe nehme, ist eine Kühlgefrierkombination von Liebherr. Das Ding ist zwar leichter, als es aussieht, aber viel zu sperrig. Wenn ich das vor mir herschiebe, werde ich gar nicht sehen können, wo es langgeht. Also Kandidat Nummer drei, eine Waschmaschine der Marke Miele. Schon allein der Begriff hört sich sauschwer an: Wasch-ma-schi-ne. Die Einfüllklappe sieht aber lustig aus, sie erinnert mich an einen dieser Gute-Laune-Smileys, die einen in jeder SMS angrinsen. Sie ist zwar auch aus Glas, dieses scheint mir aber wesentlich robuster zu sein als das vom Ofen, und außerdem ist es von der Türeinfassung geschützt. Ich versuche mal, sie etwas anzuheben. Ganz schön schwer, tatsächlich. Vielleicht würde es ja gehen, wenn ich ein paar Kleinigkeiten ausbaue?

Der junge Mann vom Schrottplatz sieht aus wie Karlsson vom Dach, nur ohne Propeller auf dem Rücken. Der Bursche trägt eine dunkelbraune Cordhose, die ihm allerdings unten etwas ausgegangen ist. Die Hosenbeine enden an den Waden und geben den Blick frei auf eine lange Unterhose, die irgendwann vielleicht mal weiß gewesen sein mag. Das Ganze wird durch Hosenträger sehr formschön gehalten. Obenrum trägt er einen Krabbenfischerpullover in Dunkelblau. Bei dreißig Grad im Schatten … gewagt. Aber womöglich ist er vollkommen unempfänglich für Hitze, wer weiß.

Ich rufe ihn zu mir. »Hallo! Ich interessiere mich für die Waschmaschine da hinten. Kann ich die wohl haben?«

»Die ist kaputt.«

»Ja, ich weiß. Aber ich brauche die für eine Wanderung. Kann ich die mitnehmen?«

»Die ist kaputt.«

»Habe ich mir schon gedacht. Aber das ist egal. Die muss nicht mehr laufen. Das mache ich ja schon, hahaha. Es geht mir nur um das Gehäuse. Kann ich die also haben?«

»Ja, ja, sicher. Die geht aber nicht mehr. Die ist kaputt.«

»Kannst du mir wohl kurz anpacken helfen, damit ich sie ins Auto bekomme? Ist ja doch etwas schwer, das Ding.«

»Ist ja auch ’ne Waschmaschine. Die sind immer schwer wie Mist. Die geht aber nicht mehr! Nicht, dass wir später ’ne Reklamation bekommen oder so.«

Ich belasse es dabei, und wir beide packen das Gerät in meinen Kombi. Was das Gewicht betrifft, da muss ich mir später noch was einfallen lassen. Ich drücke meiner Tragehilfe fünf Euro in die Hand, und der Bursche freut sich wie bekloppt. Als ich abfahre, klopft er noch mal an meine Scheibe und informiert mich darüber, dass die Waschmaschine aber nicht mehr laufen würde. Gut zu wissen.

Als ich so nach Hause fahre, schalte ich das Radio ein. Ich will es gerne zugeben, ab und zu höre ich im Radio alte Schlager. Vor ein paar Jahren hätte ich mich das nicht getraut, aber jetzt kurbele ich mein Fenster runter, höre laut »Ein Bett im Kornfeld« und mache mit meiner Ein-Euro-Sonnenbrille einen auf Jürgen Drews. Nur nicht im Sportwagen, sondern im dreißig Jahre alten Passat Kombi. Das rostige Klappergestell begleitet mich seit knapp drei Jahren, und ich danke meinem Kumpel Brocki heute noch auf Knien dafür, dass er mir dieses Schätzchen besorgt hat. Mit dem runtergelassenen Fenster, der Musik, der Sonne und der Wärme wünsche ich mir, ich hätte noch ein paar Haare übrig, die ich im Fahrtwind lässig mit meiner linken Hand (die zeitweise aus dem Fenster baumelt) aus meinem Gesicht streichen müsste, um was zu sehen.

Schon komisch, wie der Mensch so tickt. »Back to the roots« oder so ähnlich. Als ich etwa zehn Jahre alt war, haben wir zu Hause immer die »Hitparade« geguckt. Wir hatten Spaß daran, und nun, kein halbes Jahrhundert später, sitze ich in meinem uralten Auto und singe die Lieder wieder mit, die ich damals schon so gerne gehört habe. In der Zwischenzeit konnte ich dieses Gedudel nicht ertragen, doch in den letzten Jahren beobachte ich mich immer öfter dabei, meine doch eher unausgereifte Sangeskunst in der Öffentlichkeit lauthals von mir zu geben, ohne dass ich mich schäme oder mich die Meinung anderer interessiert.

Wir guckten damals also die »ZDF-Hitparade«, meine Schwester, meine beiden Brüder, meine Eltern und ich, einträchtig und wie die Orgelpfeifen auf dem Sofa nebeneinander. Wenn dieser komische Vogel Dieter Thomas Heck auf dem Bildschirm auftauchte und uns in seinem schrecklichen Anzug von der Farbe einer verwaschenen Mülltüte in einem Irrsinnstempo die Hits des letzten Monats näherbringen wollte, da wurden wir erst ganz still im Wohnzimmer, um die Songs dann umso lauter aus Leibeskräften mitzuschmettern. Natürlich konnte ich damals noch kein Englisch. Weder schreiben noch sprechen noch verstehen. Das kann ich heute übrigens auch noch nicht besonders gut. Was diese Schlagerfuzzis da inhaltlich von sich gaben, spielte aber erst mal keine Rolle. Hauptsache, wir konnten den Refrain halbwegs mitsingen, und das taten wir dann auch voller Inbrunst, ob nun zu Peter Kraus, Chris Roberts oder Bata Illic. Man muss sich das mal vorstellen! Der sang doch tatsächlich »Ich möcht’ der Knopf an deiner Bluse sein«. Und als Trio auftraten, lagen wir auf dem Boden und trällerten »Da da da« fehlerfrei mit.

Es sei denn, meine vierzehnjährige Schwester wollte ein Lied mit ihrem Kassettenrekorder aufnehmen. Dann mussten wir alle still sein und durften keinen Mucks von uns geben. Das alte Röhrengerät hatte natürlich noch keinen Anschluss für eine direkte Verbindung zum Kassettenrekorder, und so musste das kleine integrierte Mikrofon zur Aufnahme herhalten. Da es natürlich auch andere Geräusche aufnahm, hieß es damals also bei der »Hitparade« oft »Klappe halten«.

Schöne Erinnerung! Und wenn ich heute mal zufällig beim Zappen auf ZDFinfo hängen bleibe und die »Hitparade« läuft, gucke ich mir die an. Ohne Pathos, ohne Herzschmerz, einfach nur so, um der guten alten Zeiten willen und natürlich der alten Klamotten wegen: Hemdkragen, aus denen man heute einen ganzen Anzug schneidern könnte. Miniröcke, aus denen das eher weniger möglich war. Latzhosen oder Halbmeterschlaghosen fanden damals viele auch ziemlich geil. Ach nee, »geil« gab es ja noch gar nicht. Auch nicht schade drum.

Gerade läuft Bata Illic (lebt der eigentlich noch?) mit dem Schunkellied »Mikaela« im Radio. Ich singe lauthals mit und sehe im Rückspiegel meine Waschmaschine. Vielleicht kein schlechter Name für die Gute, und so kann ich sie wenigstens namentlich vorstellen, wenn ich gefragt werde. Und dann noch eine Miele! Mikaela Miele! Das hört sich doch richtig klasse an. Fast so, als wäre sie ein Musikstar oder eine Filmdiva. Super.

Zu Hause angekommen, stelle ich die Miele erst mal in meine Garage und betrachte das gute Stück. Keine Beule, keine Risse im Gehäuse, und der Lack sieht auch noch richtig gut aus. Als ich den Deckel abschraube, fällt mir sofort auf, was ich alles ausbauen kann. Der Motor? Raus. Die Schwunggewichte? Raus. Elektronik? Alles raus. Jetzt ist die Geschichte schon nicht mehr ganz so schwer. Ich schließe die Kiste und versuche sie mal anzuheben. Immer noch über sechzig Kilogramm. Aber das erscheint mir alles in allem machbar. Addiere ich hinzu, was ich noch mitnehmen muss, werde ich auf etwa siebzig bis achtzig Kilogramm kommen. Muss ich ausprobieren, aber ich denke, dass das klappen wird. Meine Sackkarre ist jedenfalls schon seit letzter Woche fertig. Die alte Karre ist sicher schon dreißig Jahre alt. Hat mein Vater noch gekauft, das gute Stück. Die musste ich natürlich umbauen. Die Stellplatte wurde vergrößert, die Holme mit den Handgriffen erst abgesägt und dann fast doppelt so breit wieder angeschweißt. Dadurch ist die Karre mit der Waschmaschine drauf viel besser zu händeln. Außerdem wurden die Holme um fast einen Meter verlängert, sodass das Gerät ein bisschen wie eine Rikscha aussieht. Das Ganze dann noch schick in Blau gestrichen, fertig. Ich versuche, die Waschmaschine auf die Karre zu wuchten und dann anzuheben. Klappt besser, als ich dachte, und vom Gewicht her geht das eigentlich auch. Danach bastele ich mir aus alten Fensterrolladengurten noch eine Art Zaumzeug. Sieht zwar etwas albern und laienhaft aus, funktioniert aber hervorragend. Meine Idee ist es zunächst, das Gefährt wie einen alten Ackergaul hinter mir herzuziehen. Mal schauen, wie das funktioniert.

Ich befestige die Maschine provisorisch mit Packbändern an der Sackkarre und drehe erst mal eine Proberunde durch die Bauernschaft. Sieht zwar scheiße aus, aber egal. Ist ja nur zur Probe. Ich komme mir schon etwas komisch vor, als mir die ersten Leute begegnen. Ich stehe ja bereits in Verdacht, nicht alle Latten am Zaun zu haben. Allerdings scheint sich jetzt die lange Zeit, die ich in der Psychiatrie gearbeitet habe, endgültig auf meinen Ruf auszuwirken.

»Wo willst du denn mit der Waschmaschine hin?« Margot, eine Bekannte von mir, ist mit ihrem Hund unterwegs und staunt nicht schlecht, als ich ihr auf einem kleinen Berg entgegenkomme. »Ziehst du um oder was?«

»Nee, nee, alles gut. Ich probiere nur was aus. Ich möchte mit dem Ding eine Wanderung unternehmen und gucke mal, wie ich damit um die Ecken komme.«

»Eine Wanderung? Mit einer Waschmaschine? Du bist ja bekloppt. Viel Spaß«, sagt sie und lacht sich kaputt.

Das ist die erste Begegnung zwischen meiner Wanderbegleitung und der normalen Welt. Margot ist eine Labertasche, in den nächsten Tagen wird das halbe Dorf Bescheid wissen. Aber dann ist es halt so. Muss ich das nicht mehr machen. Der Test läuft auf jeden Fall super. Jetzt muss ich nur sehen, wie ich die Maschine richtig an der Karre befestige. Ich bringe Schellen an den Sackkarrenholmen an. Diese schraube ich wiederum an der Rückwand der Waschmaschine fest. Ist zwar etwas »Fuckelarbeit«, was überhaupt nicht zu meinen Stärken gehört, aber nach einer Stunde kriege ich es doch hin. Hält und sieht ziemlich stabil aus.

Dann muss ich Mikaela nur noch zum Bodensee vorausschicken, wo ich sie abholen werde. Starten will ich eigentlich in Konstanz, aber trotz aller Bemühungen kann ich dort keine Bleibe ergattern. Das wundert mich, aber ich will mal hoffen, dass das eine Ausnahme ist und ich unterwegs bessere Karten haben werde. Also suche ich mit meinem Kumpel Jupp im Internet weiter nach einem Zimmerchen. Schließlich machen wir eine Pension in Allensbach klar, einem kleinen Dorf westlich von Konstanz. Die Dame dort rufe ich aber lieber zusätzlich noch an. Ich muss ihr ja erklären, dass ich vorhabe, meine Waschmaschine per Spedition vorzuschicken. Ein bisschen habe ich Bammel vor dem Gespräch. Die wird auf jeden Fall denken, ich spinne. Ich gebe mir einen Ruck und wähle die angegebene Nummer.

»Hallo, Frau Müller. Bücker mein Name, ich habe bei Ihnen ein Zimmer für den 10. 9. gebucht. Geht doch alles klar, oder?«

»Hallo, Herr Bücker. Ja sicher. Sie haben doch per Internet gebucht. Alles in Ordnung.«

»Prima, vielen Dank. Ich rufe vor allem deshalb an, weil ich Sie fragen wollte, ob es in Ordnung ist, wenn ich meine Waschmaschine per Spedition vorwegschicke? Sie haben da überhaupt keine Arbeit mit. Die kann draußen stehen bleiben. Ist nicht so schlimm, wenn sie nass wird. Für Sie fallen überhaupt keine Kosten an. Sie müssten sie nur annehmen und fertig.«

Stille am anderen Ende der Leitung. Frau Müller scheint zu grübeln. Vielleicht denkt sie auch, ich sei so eine Ulknudel aus dem Radio, die die Leute verarscht.

»Wie meinen Sie das? Waschmaschine?! Wie meinen Sie das?«

Ich erkläre der Dame, was ich vorhabe.

»Aber warum? Ich verstehe das nicht. Warum machen Sie so einen Quatsch?«

Ich hatte mir schon gedacht, dass diese Frage mich das eine oder andere Mal einholen würde, und habe mir eine Antwort zurechtgelegt, die ich in den nächsten Wochen wohl öfter erzählen werde. »Es gibt da einen englischen Schriftsteller, der mit einem Kumpel eine Wette eingegangen ist. Und zwar ging es darum, dass sein Kumpel nicht glaubt, dass er mit einem Campingkühlschrank in zwei Wochen an der Küste Irlands entlang trampen kann. Ohne dass er dabei irgendwelche Probleme bekommt. Tony Hawks, so heißt der Autor, gewinnt die Wette und beschreibt seine Erlebnisse und Begegnungen in einem Buch, das ich vor längerer Zeit gelesen habe.« Ich hole kurz Luft und erzähle dann weiter: »Die Geschichte hat mir gut gefallen. Außerdem wollte ich immer schon mal Deutschland richtig kennenlernen, und wie sollte das besser gehen als zu Fuß? Was der Engländer mit einem Kühlschrank kann, will ich mit einer Waschmaschine probieren.«

Stille am anderen Ende der Leitung. Immer noch Stille.

»Hallo, sind Sie noch dran?«

»Ja, ja, ich bin noch dran. Verrückt, was Sie da vorhaben. Aber machen Sie mal. Ich muss ja nicht mit. Verstehe ich trotzdem nicht. Verrückt!«

Mit diesen Worten legt sie auf, und ich frage mich, was die Dame wohl jetzt von mir denkt. Hält sie mich für total durchgeknallt? Bin ich es womöglich auch? Egal, ich ziehe das jetzt durch.

Die Reaktionen meiner Kumpels aus dem Sportverein fallen ähnlich aus. Aber was soll’s. Kumpel Nicky bietet mir immerhin tatkräftig an, eine Facebook-Seite für mich einzurichten, damit ich von unterwegs immer den aktuellen Stand der Dinge durchgeben kann. Außerdem meint er, ich solle meinen »Künstlernamen« auf die Waschmaschine malen, damit sich die Leute im Internet über mich informieren können. Ich bin kein Freund vom Internet, aber die Idee finde ich ganz gut. Auch deshalb, weil ich dann nicht immer und immer wieder am Telefon das Gleiche erzählen muss. Ich tippe mal, dass die Wanderung schon anstrengend genug wird, da kann ich sicher nicht alle naselang ans Telefon gehen. Will ich auch gar nicht. Also schreibe ich mit einem dicken Filzstift »luderleben« vorne auf die Maschine. Ich komme später noch dazu, warum es gerade dieser Name wurde.

Einen Tag, bevor die Spedition kommt, um Mikaela abzuholen, muss ich noch die Wäschetrommel befüllen. Ein großer Vorteil der Waschmaschine ist natürlich auch, dass man die Trommel als Stauraum nutzen kann. Meine komplette Regenbekleidung wandert hinein. Außerdem packe ich schon einmal eine große Ladung Mineralwasser, Kekse und Müsliriegel dazu. Wenn ich jeden Tag ein paar Stunden unterwegs bin, brauche ich viel zu trinken und zu essen. Vorsichtshalber nehme ich auch noch die Spanngurte mit. Es ist ja nicht ganz sicher, ob die Konstruktion auch hält oder in was für Notsituationen ich geraten werde. Außerdem noch einen Jutebeutel mit Werkzeug, man weiß ja nie. Habe ich alles? Ups, fast vergessen: Die Bücher, die ich unterwegs lesen möchte, kommen natürlich auch noch in die Trommel, und danach packe ich die ganze Chose in Folie ein. Sieht richtig professionell aus, meine Ladung. Meine Wäsche, Schuhe, Medikamente gegen Schmerzen und der restliche Kram kommen in meine rollbare Reisetasche, die ich mit in den Zug nehmen werde. Wenn ich loslaufe, werde ich die Tasche mit einer Gepäckspinne, bestehend aus mehreren elastischen Seilen und Haken, auf die Waschmaschine schnallen. Damit ich meine Klamotten nicht beim ersten großen Regenschauer auswringen muss, habe ich mir noch einen extra dickwandigen Müllsack besorgt, in dem ich die Tasche verstauen werde.

Als die Spedition am nächsten Tag vor der Tür steht, wird mir doch schon etwas anders. Langsam wird es wirklich ernst. Der Fahrer verfrachtet meine Waschmaschine, die auf der Europalette verpackt in der Garage steht, in seinen Lkw.

»Warum verschicken Sie denn eine defekte Waschmaschine zum Bodensee? Kaufen Sie sich doch da unten einfach eine neue! Wäre das nicht einfacher und auch logischer?«

Gregor, so heißt der Fahrer, hat eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Popeye, dem Seefahrer. Er ist recht klein, hat enorme Muskeln am ganzen Körper, eine Glatze und auf seinen extrabreiten Unterarmen sogar einen Anker tätowiert. Es fehlen eigentlich nur die Seemannsmütze und die Pfeife im Mundwinkel.

»Das könnte ich natürlich machen. Aber ich fahre der Waschmaschine ja hinterher und will sie dann zu Fuß wieder zurück nach Hause bringen.«

Gregor stutzt. »Das sind über die Autobahn etwas über sechshundert Kilometer. Das wollen Sie zu Fuß mit dem Ding zurücklaufen?«

»So ähnlich. Ich will am Rhein entlang und ab Wesel die Lippe wieder hoch bis hier vor die Haustür.«

»Das wären ja dann noch mal ein paar hundert Kilometer mehr?«

»Ja, tippe ich auch. Werden wohl so um die tausendzweihundert Kilometer werden. Wenn ich mich nicht verlaufe.«

»Seien Sie mir nicht böse, aber so was Verrücktes habe ich ja noch nie gehört. Ich glaube nicht, dass Sie das schaffen. Auf keinen Fall!«

»Vielleicht haben Sie recht. Aber versuchen werde ich es trotzdem.«

»Respekt! Viel Glück!«, wünscht mir Gregor und schließt die Ladeluke seines Lasters mit einem lauten Knall. Als er abfährt, winkt er noch mal. Mir wird schon etwas mulmig, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Mikaela ist auf dem Weg, und ich werde ihr morgen folgen.

Tag 1 Allensbach

Nun stehe ich hier vor meinem Zug, der mich zum Bodensee bringen wird. Ich bin ganz schön aufgeregt bei dem Gedanken, dass ich erst in fünf oder sechs Wochen wiederkommen werde. Meine Tasche habe ich gestern Abend noch mal platzsparender umgepackt, aber trotzdem habe ich das Ding kaum zubekommen. Beim Gedanken daran, jeden Morgen meine Sachen wieder neu zu packen und dabei noch jedes Mal ganz exakt vorgehen zu müssen, um alles reinzukriegen, habe ich mich dann dafür entschieden, doch lieber ein paar Dinge zu Hause zu lassen und noch etwas Platz zu haben. Für eventuelle Mitbringsel und wegen meiner Schludrigkeit, die sich sicherlich nach ein paar Tagen oder Wochen durchsetzen wird. Wenn ich genervt bin vom Wetter, mir die Knochen wehtun oder mir die Leute auf den Senkel gehen sollten, würde ich unaufmerksam werden. Ich kenne mich ja selbst am besten. Dann wird es so kommen, dass ich die ganzen Klamotten in den Sack stecke und nur noch weiterwill. Da lege ich dann sehr wenig Wert auf »Kofferpacken nach Knigge«. Also bleibt die zweite »Ausgehhose« im Schrank. Was soll ich abends denn schon viel unternehmen? Und wenn, dann gehe ich in meiner Jogginghose los. Mache ich doch hier auch fast jeden Tag. Also was soll es. Außerdem habe ich ja eine Jeanshose an, die muss reichen. Als ich die Tasche schließe, liegen auf meinem Tisch noch zwei Paar Strümpfe, ein Pullover, zwei Unterbuchsen, zwei T-Shirts, ein Buch, eine Ersatztube Sonnencreme und ein Paar Schuhe. Alles Sachen, die ich vermutlich nicht brauchen werde. Und sollte ich feststellen, dass ich mich da doch verschätzt habe, kann ich sie mir bei Bedarf unterwegs kaufen. Alles kein Problem.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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