Mit Rucksack zu Fuß - Monika Laatsch - E-Book

Mit Rucksack zu Fuß E-Book

Monika Laatsch

5,0

Beschreibung

Liebe Lesende, 2012 hat mich der »Pilgervirus« zum ersten Mal erfasst. Trotz meines fortgeschrittenen Alters genieße ich seitdem die Zeiten auf dem Camino. Dieses Buch ist eine Zusammenfassung meiner Pilgerzeit auf dem Camino Francés und vom »Ende der Welt«, Finisterre und Muxía. Meine Schilderungen sind in keiner Weise konfessionell geprägt. Vielmehr berichte ich authentisch von den täglichen Erlebnissen und Herausforderungen auf einer solchen Pilgerreise. Mein Buch ist eine leicht zu lesende, humorvoll und beschwingt geschriebene Lektüre - für Jung und Alt - in Tagebuch-Form. Es ersetzt keinen Reiseführer! Begeben Sie sich mit mir noch einmal zurückblickend auf diesen landschaftlich abwechslungsreichen Pilgerweg. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.

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Monika Laatsch ist 1949 in Berlin geboren. Sie wohnt mit ihrem Mann im Süden Berlins.

2012 bricht sie zu einer Pilgerwanderung auf dem Caminho Português auf. 2013 erscheint ihr Buch „Langsam kommt man auch ans Ziel“.

Jetzt hat sie sich entschlossen, auch den Camino Francés zu erkunden. Sie macht sich allein auf den Weg.

Trotz zwischenzeitlichem Scheitern und durch Rückschläge lässt sie sich nicht entmutigen und geht den Weg erneut weiter. Sie nimmt die Herausforderung an und erreicht schließlich glücklich und zufrieden das angestrebte Ziel.

Humorvoll, selbstkritisch, emotional und auch kritisch berichtet sie von ihrer Zeit auf dem Camino, von der sie trotz aller Widrigkeiten nicht einen Tag missen möchte. Der Pilgervirus hält sie weiterhin im Bann.

So lange es ihre Gesundheit zulässt, wird sie immer wieder auf einen Pilgerweg gehen, denn das Pilgern macht süchtig und ist ihr Lebenselixier geworden.

Berlin, im März 2019

Monika Laatsch

Mit Rucksack zu Fuß

Pilgererlebnisse auf dem Camino Francés mit Finisterre und Muxía

in Tagebuch-Form

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2019

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2019) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

E-Book Herstellung Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

ISBN 9783961458073

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Es ist die Anstrengung

Anfang Januar 2014

„Bin noch mal weg“

Freitag, 15. August 2014

Samstag, 16. August 2014

Sonntag, 17. August 2014

Montag, 18. August 2014

Dienstag, 19.August 2014

Mittwoch, 20. August 2014

Abendgebet der Pilger

„Auf nach Finisterre und Muxía 2017“

Donnerstag, 20. April 2017

Freitag, 21. April 2017

Samstag, 22. April 2017

Sonntag, 23. April 2017

Montag, 24. April 2017

Dienstag, 25. April 2017

Mittwoch, 27. April 2017

Donnerstag, 27. April 2017

Man sieht auf offenen Straßen

„Pilgern mit Oma-Bonus“

Donnerstag, 22. März 2018

Freitag, 23. März 2018

Von Burgos nach Santiago de Compostela

Mittwoch, 8. August 2018

Donnerstag, 9. August 2018

Freitag, 10. August 2018

Samstag, 11. August 2018

Sonntag, 12. August 2018

Montag, 13. August 2018

Dienstag, 14. August 2018

Mittwoch, 15. August 2018

Donnerstag, 16. August 2018

Freitag, 17. August 2018

Samstag, 18. August 2018

Sonntag, 19. August 2018

Montag, 20. August 2018

Dienstag, 21. August 2018

Mittwoch, 22. August 2018

Donnerstag, 23. August 2018

Freitag, 24. August 2018

Samstag, 25. August 2018

Sonntag, 26. August 2018

Montag, 27. August 2018

Dienstag, 28. August 2018

Mittwoch, 29. August 2018

Donnerstag, 30. August 2018

Freitag, 31. August 2018

Samstag, 1. September 2018

Resümee

Pilgergebet

Symbol Jakobsmuschel

Rezept für eine Empanada, hier mit Thunfisch

Irisches Pilgerlied

ES IST DIE ANSTRENGUNG

Es ist die Anstrengung, sagt der Verstand.

Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.

Es kann gar nicht sein, sagt die Hoffnungslosigkeit.

Es ist nicht vorhanden, sagt die Verbitterung.

Es darf nicht sein, sagt die Angst,

die Angst vor mir selbst.

Es hat doch keinen Zweck, sagt die Verzweiflung.

Es ist nicht auszuhalten, sagen die Schmerzen.

Es ist bei allen so, sagt die Genugtuung.

Es lässt mich erstarken, sagt die Hoffnung.

Es ist Vertrauen auf die Kraft, sagt der Mut.

Es verbindet uns Menschen für immer,

sagt die Freundschaft.

Es war, wie es war; es bleibt, wie es bleibt

und es ist, wie es ist, sagt die Liebe;

das tut gut!

(frei nach Bernhard Schürkens)

Es ist ein kühler, nebliger Tag

ANFANG JANUAR 2014.

Gerade habe ich die Sachen in die Waschmaschine getan, die wir auf unserem Kurztrip dabei hatten. Den Jahreswechsel hatten wir diesmal in Budweis verbracht. Des Bieres wegen. Wir waren in einem netten Hotel untergebracht und hatten angenehme Tischnachbarn.

Denen hab' ich von meinen Pilgererlebnissen auf dem Portugiesischen Weg von vor zwei Jahren vorgeschwärmt. Ich habe sofort gemerkt, wie sehr ich mich da hinein gesteigert habe. Es war eine wunderschöne Zeit damals.

Alles war sofort wieder präsent: der schöne Weg, die vielen netten Leute und das herrliche Sommerwetter. Pilgern ist eben besonders!

Nur mal so kurz schalte ich jetzt den Computer an und klicke unverbindlich auf die „Flüge-Seite“. Aha! Schon für unter hundertfünfzig Euro kommt man zum Beispiel nach Bilbao. Von dort würde es mit dem Zug und dann mit dem Bus weiter gehen bis zum Ausgangspunkt im Baskenland, dem Navarrischen Pilgerweg. Dessen idyllisch gelegene kleine Hauptstadt ist Saint-Jean-Pied-de-Port. Dieser Weg geht dann über die Pyrenäen bei Puente la Reina in den Französischen Weg über, den Camino Francés.

Gute 800 Kilometer sind das bis Santiago de Compostela, und zum Kap Finisterre – ans Ende der Welt – nochmals ungefähr neunzig Kilometer.

Dafür müsste ich gute sieben Wochen einplanen.

Nach ein paar weiteren Klicks bin ich auf der Fotoseite von Harald, der vor zwei Jahren zum Mitglied unserer kleinen Pilgerfamilie gehörte und der mir seine Fotos vom Camino Francés geschickt hat. Er ist im letzten Frühjahr diesen Weg gelaufen und war ganz begeistert.

Ganz versunken bin ich in diese Fotoserie, die bestimmt an die tausend Bilder beinhaltet.

Ich gehe in Gedanken den Weg mit.

Das Rumpeln meiner Waschmaschine, die jetzt den Schleudergang eingelegt hat, lässt mich hoch schrecken. Ich schalte den Rechner schnell wieder aus und widme mich wieder meinem Tagewerk.

„Sag mal“, frage ich meinen Göttergatten später, „wir kommen doch Mitte Juli aus der Toskana zurück. Du weißt ja, dass ich gerne noch einmal auf einen Pilgerweg gehen möchte. Was würdest Du denn dazu sagen, wenn ich mich ein paar Wochen später noch einmal auf einen Camino begeben würde, wäre das okay für Dich?“

Was soll er dazu sagen? Nach so vielen gemeinsam verbrachten Ehejahren sieht mein Mann es meinem Gesichtsausdruck sofort an. Er weiß schon lange, dass ich noch einmal allein loswandern möchte. Als ob die Frage längst fällig war, antwortet er: „Wenn Du das unbedingt machen willst, dann tue es bald, wir werden schließlich nicht jünger.“

Zum Glück hat er „wir“ gesagt und nicht „du“!

Ein bisschen schlucken muss ich da schon, aber das ist ja wahr. Und wer weiß, vielleicht würde ich in zwei, drei Jahren gar nicht mehr in der Lage sein, 800 bis 900 Kilometer zu Fuß zu bewältigen.

Noch habe ich die Traute dazu und fühle mich wie Mitte vierzig – meistens jedenfalls!

Da gibt es jetzt nicht mehr lange etwas zu überlegen. Ein paar Tage später habe ich den Hinflug für den 14. August und den Rückflug für den 30. September gebucht. Die Zeit müsste ausreichen, um die Strecke von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela zu gehen.

Das sind sechsundvierzig Tage – inklusive Flugtage.

Übers Internet suche ich mir dann noch die Mailadresse von der St. Jakobus-Gesellschaft-Berlin-Brandenburg heraus und stelle gleich fest, dass dort wieder die so genannten „Fastenwanderungen“ angeboten werden. Ich frage nach, ob ich mich dazu noch anmelden kann und kriege augenblicklich Treffpunkt und Uhrzeit übermittelt. Übrigens hat das in diesem Fall nicht zu bedeuten, dass man während der Wanderungen fasten muss, sondern nur, dass diese Wanderungen in der Fastenzeit stattfinden. Aber man kann natürlich gerne z.B. auf Süßigkeiten oder auf das Rauchen verzichten.

Ich verzichte schweren Herzens auf meine geliebten Gummibärchen.

An drei Samstagen (am vierten bin ich leider verhindert) marschieren wir, d.h. eine Gruppe von fast dreißig Leuten, durch unser schönes Brandenburger Umland Richtung Bad Wilsnack. Dort befindet sich die Wunderblutkirche, das ausgesuchte Pilgerziel.

Auch wenn es zwischendurch öfter etwas sehr windig und kühl ist, haben wir dennoch an allen Wandertagen gutes Wetter.

Wir sehen die Natur erwachen: Erste Schneeglöckchen und Veilchen schauen aus dem frischen, hellgrünen Gras hervor, und die Meisen und Spatzen zwitschern übermütig, als wollten sie uns auf die Schönheiten in der Natur aufmerksam machen.

Eine nette Gruppe Gleichgesinnter hat sich hier zusammengefunden: jung und alt, dick und dünn, so bunt gemischt, wie die Frühlingsfarben auf den Wiesen. So manches Kleinod entdecken wir, wie z.B. kleine liebevoll wieder restaurierte alte Dorfkirchen. Viel Engagement der Bewohner, die in ihrer Freizeit für ihren Ort tätig sind, macht das alles möglich.

In unserer Pilgergruppe ist eine Dame, die Kunsthistorikerin ist und uns auf viele Einzelheiten aufmerksam macht, die wir sonst sicher nicht bemerkt hätten. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus.

Ich muss gestehen, dass ich mich als „Wessi-Frau“ noch nie für Kirchen – schon gar nicht in Brandenburg – interessiert habe. So langweilig und öde, wie Brandenburg so oft dargestellt wird, ist es bei weitem nicht. Es bedarf nur einer gewissen Anleitung, und man muss eben nur genauer hinschauen, um all die Schätze zu entdecken. Schade bei allem Schönen ist für mich leider nur, dass sich mein lieber Mann nicht damit anfreunden kann, einmal mitzukommen.

Darum bleibt jedes Mal ein etwas schlechtes Gewissen, wenn ich so freudestrahlend zum Treffpunkt aufbrechen möchte. Und auch an den Nachmittagen, wenn ich voller schöner Eindrücke zurückkomme in die Stille, die zu Hause herrscht, weil mein Gatte ja vor dem Rechner sitzt und deswegen kaum ansprechbar ist, ist das jedes Mal wie ein Stich ins Herz. Aber damit muss ich mich wohl leider auch abfinden. –

Monat für Monat vergeht, und täglich werde ich mit Gedanken an meinen geplanten Weg wach.

Die meisten Dinge für solch eine Pilgerreise habe ich ja schon vor zwei Jahren angeschafft. Eine schnell trocknende Bluse und eine lange schwarze Wanderhose lege ich mir aber dann doch noch zu.

Mit meinem Herzallerliebsten geht es Anfang Juli für zehn Tage in die Toskana. Dort ist es herrlich, und ich befasse mich wenigstens nicht unentwegt mit meinem späteren Vorhaben. Aber so ganz genießen kann ich diese Urlaubszeit dort dennoch nicht.

Stets denke ich doch z.B. daran, auf meine Füße schon regelmäßig Hirschtalg aufzutragen. Und den ganzen Sommer über gehe ich nicht barfuß oder in einem See baden, damit ich mir nicht etwas eintrete. Auch trage ich möglichst keine Schuhe mit hohem Absatz mehr, um nicht möglicherweise umzuknicken.

Um meine Füße an die richtige Haltung während der Strapazen zu gewöhnen, lasse ich mir vom Orthopäden Einlagen verschreiben, die in die Wanderschuhe kommen.

Ende Juli bekomme ich mit einem Mal Zahnschmerzen. Sie werden Tag für Tag merklich intensiver. Es muss mir doch tatsächlich noch ein Backenzahn gezogen werden. Deshalb muss ich auch vorübergehend mit meinem Lauftraining ein bisschen kürzer treten.

Ein paar Mal gehe ich auf das Tempelhofer Feld, das große Areal des ehemaligen Flughafens. Einmal ganz herum gelaufen sind das immer sechs Kilometer. Meinen Rucksack fülle ich dazu schon mit zirka sieben Kilo. Auch laufe ich öfter zu unserem Garten und wieder zurück, das sind zwölf Kilometer.

Tagesausflüge ins nahe gelegene Umland, bei denen ich auf gut zwanzig Kilometer komme, runden meine Vorbereitungen ab.

Ich fühle mich eigentlich ziemlich fit. Aber ich merke, dass ich sehr angespannt bin. Ich bekomme regelrechte Panik und Respekt vor dem Weg und der großen, bald zu bewältigenden Kilometerzahl.

Nur gut, dass ich die Flüge schon rechtzeitig gebucht habe, sonst würde ich jetzt vielleicht kneifen und es mir doch noch anders überlegen.

Immer wieder male ich mir aus, wie es auf dem Weg sein wird: Ob der Weg schwierig ist, ob die Herbergen gut sein werden und ob ich nette Menschen kennen lernen werde. Angst und Vorfreude wechseln sich ab.

Mein gelber Reiseführer ist ab jetzt meine Hauptlektüre.

„Wohin du auch gehst,

geh' mit deinem ganzen Herzen“

(Konfuzius)

„BIN NOCH MAL WEG“

„Das wichtigste Stück des Reisegepäcks

ist und bleibt ein fröhliches Herz“

(Hermann Löns)

Donnerstag, 14. August 2014

Endlich ist der Tag der Abreise gekommen.

Meine Freundinnen und Bekannten verabschieden mich ganz herzlich und wünschen mir viel Glück.

Wie schön, so gute Freundinnen zu haben und zu wissen, dass sie an mich denken.

Mein Mann und mein Sohn begleiten mich wie Bodyguards zum Flughafen Tegel: einer rechts, der andere links von mir.

Mein Rucksack erscheint mir sehr schwer. Was ich so alles mit schleppe! Aber ich denke, dass ich alles Mitgenommene brauchen werde.

Die Abfertigung am Flugschalter geht schnell. Eingewickelt in Klarsichtfolie verschwindet mein großer Rucksack auf dem Laufband. Mein Flug wird über Palma de Mallorca nach Bilbao im Baskenland gehen.

Ich bin durch die Sicherheitskontrollen gegangen und sitze jetzt gefühlt mutterseelenallein auf einem dieser sehr unbequemen Stühle im Terminal C. Der Flug nach Mallorca ist dann schon das halbe Reisegeld wert. Ich habe einen Fensterplatz und kann

wunderbar die dick und prall aufgeschichteten Wolkenschichten sehen und auch die verschneiten Berggipfel der Alpen, deren Spitzen über den gewaltigen Wolkenmassen durch blinzeln.

Und dann, in 11000 Metern Höhe die Ozonschicht, die sich vom Blau der darunter liegenden Luftmassen abzeichnet! Eine leichte Erdkrümmung wird sichtbar und lässt mich das Gefühl haben, wirklich zu schweben.

Später dann, beim Landeanflug, die immer deutlicher werdenden Einzelheiten wie: in unterschiedlichsten Erdtönen gefärbte Felder, sich wie Würmer windende Flüsse und wie auf Modelleisenbahnanlagen angeordnete Häuserreihen.

Was haben doch Piloten für einen schönen Beruf!

Auf dem Flughafen von Palma de Mallorca herrscht emsiges Treiben. Alle laufen hektisch zu ihren Abflugterminals. Nur wenige der Mitreisenden sehe ich zu der Maschine nach Bilbao gehen. Die meisten bleiben anscheinend hier, um in der bekannten Ferienregion mit riesigen Hotelpalästen und überfüllten Stränden Urlaub zu machen.

Ich werde öfter mit einem mitleidigen bis irritierten Seitenblick bedacht, weil ich schließlich mit Wanderhosen und Wanderstiefeln hier herum laufe, während überwiegend Sandalen und Shorts angesagt sind. Irgendwie fühle ich mich deplatziert.

Der Lautsprecher verkündet gerade, dass sich der Abflug etwas verzögern wird. Mit Schweißperlen auf der Stirn warten wir in dem „Rüssel“, der an das Flugzeug andocken soll.

Kinder fangen an zu plärren und spanische Frauen werden langsam hysterisch. Aber schließlich dürfen wir dann doch für den Inlandflug in der Maschine Platz nehmen.

In Bilbao angekommen, nehme ich meinen Rucksack vom Transportband und sehe, dass zum Glück nur die Folie mächtig zerrissen ist.

Jetzt gilt es, den Bus vom Flughafen in die Innenstadt zu erhaschen.

Habe mich ein bisschen vorgedrängelt, um noch mitzukommen. Natürlich fällt mir da mein Portemonnaie herunter und einige Münzen rollen auf den Asphalt. Mehrere hilfsbereite Spanier helfen mir sofort beim Aufheben.

Wie die Ölsardinen stehen und sitzen wir in dem überfüllten Bus. Ein älterer Mann, der neben mir steht, hält seinen „Flüchtel“ fast über meinen Kopf und es riecht sehr streng nach Mensch.

Auf dem Busbahnhof schieben wir uns langsam aus dem Fahrzeug. Weil mehrere Busse gleichzeitig ankommen und abfahren, herrscht reges Chaos. Ich frage mehrere Passanten nach dem Weg zu meiner ausgesuchten Herberge und werde immer wieder in die falsche Richtung geschickt.

So laufe ich erst einmal ungefähr eineinhalb Stunden mit allem Gepäck kreuz und quer durch die Stadt.

Meine Schuhe drücken, die Füße sind geschwitzt und werden wund, ich bin erschöpft und komme mir so richtig heruntergekommen vor.

Ein junger Mann mit GPS auf seinem Mobiltelefon weist mich schließlich in die richtige Richtung. Also nochmals bergauf, und dann sehe ich schon in der Ferne die Leuchtreklame der Herberge.

Meine Reservierung nimmt man hier gar nicht so ernst. Es sind wohl genügend freie Betten vorhanden. Ewig stehe ich an der Rezeption. Der junge Mann dort hat immer wieder Schwierigkeiten beim Ausdrucken meiner Rechnung. Schließlich zahle ich weniger, als vorher per Mail vereinbart war. – Na, mir soll es recht sein. –

Ich kriege ein Bett im sechsten Stock, in einem Sechs-Bett-Zimmer mit direktem Blick auf die sechsspurige Autobahn, die Eisenbahntrasse und die parallel dazu verlaufende Hauptstraße, die in die Innenstadt führt.

Prost Mahlzeit! Das ist vielleicht ein Krach! Es ist gar nicht daran zu denken, bei geöffnetem Fenster zu schlafen. Alles ist sauber mit weißen Laken bezogen und es gibt Decken, die man extra in Laken einschlagen kann. Zwei junge Frauen, die den Camino del Norte gegangen und auf dem Rückweg sind, haben ebenfalls in dem Zimmer ihr Nachtlager gefunden. Sie versorgen ihre schlimm aussehenden Blasen an den Füßen.

Frühstück gibt es erst ab acht Uhr, da muss ich aber schon längst im Bus in Richtung Irun sitzen.

Jetzt erst einmal: Gute Nacht!

Freitag, 15. August 2014

Die Fahrkarte erhalte ich am Schalter schnell, doch der Bus lässt auf sich warten und niemand weiß, von welchem Haltepunkt er abfährt. Also laufe ich ständig hin und her, wie alle anderen auch.

Zum Glück habe ich mir ja – was von meinen Lieben daheim belächelt wurde – zwei Croissants von zu Hause mitgenommen, die ich jetzt als Frühstück verspeisen kann. Ein Schluck aus meiner Wasserflasche ersetzt den Morgenkaffee.

Endlich ist der Bus da, und er fährt über Irun gleich weiter über die französische Grenze nach Hendaye. Von hier aus sind es nur noch wenige Meter bis zum Bahnhof zu laufen.

Sehr nettes Personal steht dort bereit und ist bei der Fahrkartenwahl behilflich. Bezahlen geht allerdings nur an den Fahrkartenautomaten, und nur mit Visa- oder MasterCard. Zum Glück habe ich ja meine neue Karte dabei und sie kommt zu ihrem ersten Einsatz. Einige Pilger wollen bar bezahlen, weil sie keine solche Karte besitzen und können entsprechend nicht abgefertigt werden. Was aus denen geworden ist, würde mich interessieren. Eigentlich ist so etwas ja ein Ding der Unmöglichkeit.

Auf dem Weg nach Bayonne muss ich noch einmal den Zug wechseln und in einen kleinen Vorortszug umsteigen, der nach kurzer Wartezeit zum Glück auf demselben Gleis einfährt.

Im Zug setzt sich Susan aus Schweden zu mir. Bald kommen wir ins Gespräch. Wir haben ja das gleiche Ziel, das wir nach gut eineinhalb Stunden erreichen.

In Bayonne wartet schon ein Bus auf uns, der uns und andere Pilger, die sich nach und nach einfinden, bis ins malerische Saint-Jean-Pied-de-Port fährt.

Diese kleine Stadt ist der letzte Ort vor dem Gebirgspass von Roncesvalles und verdankt ihren Namen der Lage „am Fuße des Passes“. Dieses hübsche, typisch baskische Städtchen ist die Hauptstadt von Nieder-Navarra, eines historischen Territoriums, das sich in den westlichen Pyrenäen und an der Küste des Golfs von Biskya erstreckt. Der Jakobsweg berührt im spanischen Navarra die östlichen Randgebiete des baskischen Sprachraumes. Baskisch ist die älteste westeuropäische Sprache, eine vorindoeuropäische Sprache – wahrscheinlich der letzte Rest der Sprachen, die vor Jahrtausenden die ersten Europäer benutzten. – *

Schwüle Luft empfängt uns – und ungewöhnliche Wärme. Als wir das noch geschlossene Pilgerbüro erreichen, fängt es auch schon an zu regnen. Wir suchen Schutz in einem Hauseingang. Andere werden gleich ordentlich nass, denn so schnell konnte kaum jemand seinen Regenschutz hervorholen.

Es stehen schon ungefähr zwanzig Pilger hier, die auf den Einlass warten. Der kleine Ort ist übervoll mit Jakobspilgern, wie wir. Auch viele Touristen bevölkern diesen hübschen Ort.

Es sind hier in Frankreich und in Spanien Schulferien und außerdem ist auch Urlaubszeit.

Und es ist Wochenende.

Im Pilgerbüro hole ich mir nur meinen Stempel ab, denn meinen Pilgerausweis habe ich mir ja wieder von der St. Jakobusgesellschaft-Berlin-Brandenburg ausstellen lassen. Ich warte draußen auf Susan. Sie versucht jetzt, auch in Huntto, wo ich meine Übernachtung gebucht habe, noch ein Bett zu kriegen. Der nette Hospitalierokümmert sich persönlich um die Reservierung und so hat sie Glück.

Dann gehen wir anschließend gemächlichen Schrittes los. Bald wird der Fußmarsch ziemlich anstrengend. Es geht gleich schnurstracks bergauf auf einer breiten Asphaltpiste, eine Serpentine nach der anderen.

Als wir keuchend in Huntto ankommen, sind wir zufrieden, dass wir nicht noch weiter gehen müssen. Die resoluten, aber sehr netten Hospitalieras sprechen nur Französisch und ich krame alle Vokabeln aus meinem „Hinterstübchen“ hervor.

Zum ersten Mal in meinem Leben waren heute meine vier Jahre Schulfranzösisch nützlich. Weil Susan nur Schwedisch und Englisch spricht, und die Franzosen außerdem nur noch Baskisch, muss ich auch noch ein bisschen übersetzen.

Wir bekommen unsere Betten zugewiesen.

Bin in einem Sechs-Bett-Zimmer untergebracht mit fünf Franzosen, die einen Wochenendausflug hierher machen.