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Ein gemeinsamer Urlaub auf Mallorca - was kann da schon schieflaufen? Milo reist mit seinen beiden Schwestern und deren Anhang in ein 4-Sterne-Hotel an der Playa. Sonne, Strand, All-Inclusive. Eigentlich ist alles perfekt. Wäre da nicht der Alkohol, die unterschwelligen Spannungen, das unausgesprochene Zeug aus der Vergangenheit - und ein Spanier, der Loris' Welt ziemlich ins Wanken bringt. Zwischen Frühstücksbüfett, Übelkeit, Missverständnissen und kurzen Glücksmomenten versuchen vier Menschen, zwölf Tage lang miteinander klarzukommen. Spoiler: Es klappt nur bedingt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Mojito 1.
Mojito 2.
Mojito 3.
Mojito 4.
Mojito 5.
Mojito 6.
Mojito 7.
Mojito 8.
Mojito 9.
Mojito 10.
Mojito 11.
Mojito 12.
Mojito 13.
Mojito 14.
Mojito 15.
Mojito 16.
Mojito 17.
Mojito 18.
Mojito 19.
Mojito 20.
Mojito 21.
Mojito 22.
Mojito 23.
Mojito 24.
Mojito 25.
Mojito 26.
Mojito 27.
Mojito 28.
Mojito 29.
Mojito 30.
Mojito 31.
Mojito 32.
Mojito 33.
Mojito 34.
Mojito 35.
Mojito 36.
Mojito 37.
Mojito 38.
Mojito 39.
Mojito 40.
Mojito 41.
Mojito 42.
Mojito 43.
Mojitos
unter Palmen
OLLI SHARK
Impressum: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB
1. Auflage, Juni 2025, Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2025 Infinity Gaze Studios
Texte: © Copyright by Olli Shark
Lektorat, Korrektorat: @kommakabinett
Cover & Buchsatz: V.Valmont @valmontbooks
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von Infinity Gaze Studios AB unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.
Infinity Gaze Studios AB, Södra Vägen 37, 829 60 Gnarp
Schweden, www.infinitygaze.com
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
MILO
Montag:
Tatsächlich waren wir zusammen verreist. Nach Mallorca. Genauer gesagt: nach Playa de Mallorca.
Der Alkohol vom gestrigen Abend rauschte immer noch durch mein Blut, während ich die morgendliche frische Brise des türkisblauen Meeres durch meine Lungen sog.
Ich konnte es immer noch nicht begreifen, dass ich jetzt wirklich hier war. Dass wir jetzt wirklich hier waren.
Es war der erste gemeinsame Urlaub mit meinen beiden Schwestern – ohne unsere Eltern.
Nachdem Lori, meine ältere Schwester, diese 12-tägige Reise nach Mallorca bei irgendeinem Preisausschreiben gewonnen hatte – und das für vier Personen in zwei Doppelzimmern –, konnte ich nicht anders, als diese Anfrage ihrerseits zu bestätigen.
Unsere jüngere Schwester Elizabeth und deren Freund Liam erhielten die anderen beiden Plätze.
Was bedeutete, dass ich mir mit Lori ein Zimmer teilen musste. Aber das war nicht weiter schlimm, denn wir hatten zwei wahnsinnig große Suiten bekommen. Und das auch noch in einem 4-Sterne-Hotel, direkt an der Playa, mit einem atemberaubenden Blick aufs Meer.
Jeder neue Ausblick war faszinierender als der andere. Alle paar Stunden änderte sich die Farbe des Wassers.
Mal glitzerte es durch den Schein der Sonne, mal lag es einfach nur flach da und strahlte in einem majestätischen Blau.
Die Außentemperatur war schon am frühen Morgen auf über 20 Grad gestiegen. Was aber auch kein Wunder war, denn immerhin hatten wir Mitte Juni.
Ich spähte noch eine Weile am Strand und genoss meine innere Ruhe. Mit glasigen Augen blickte ich auf das Meer hinaus, ehe ich mich wieder zurück ins Hotel begab.
Während sich meine Augen vor Faszination hin und her bewegten, schaltete mein Gehirn für Bruchteile von Sekunden ab. Ich kam einfach runter.
Eine Gänsehaut breitete sich bei dem Anblick auf das funkelnde, himmelblaue Wasser auf meinem Rücken aus.
Der Sand unter meinen Schuhen fühlte sich weich an. Muscheln wurden an den Strand gespült.
Langsam kreiste ich meinen Kopf hin und her. Meine Haut fing an zu kribbeln, und ein stets zufriedenes Lächeln zierte mein Gesicht.
Ich konnte endlich einmal durchatmen. Den ganzen Stress hinter mir lassen, neue Kraft schöpfen und einfach nur den Moment genießen. Die Ruhe.
Zurück im Hotel – ich hatte das Gefühl, dass ich mich vom gestrigen Abend relativ gut erholt hatte – traf ich beim Frühstück auch schon auf die anderen. Gemütlich saßen sie an einem Tisch am Fenster, mit Blick auf den hoteleigenen Pool.
„Guten Morgen“, grüßte ich in die Runde, als ich mich auf den leeren Stuhl neben Liam platzierte.
„Wo warst du gewesen?“, fragte mich Lori mit einem verwunderten Blick, als sie einen großen Happen von ihrem Croissant nahm, den sie vorher noch in Nutella getunkt hatte.
„Ich war ein bisschen am Strand spazieren und habe die Ruhe genossen“, antwortete ich und atmete erleichtert aus.
„Aha“, kommentierte sie und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Und, waren schon viele Menschen dort?“, wollte Elizabeth, die wir alle nur Beth nannten, wissen.
„Nein, bis auf zwei weitere Typen, die sich in der Ferne wohl ein Wortgefecht geliefert haben, war der Strand menschenleer“, erklärte ich.
„Hast du mitbekommen, worum es bei dem Streit ging?“ Der Klang in Loris Stimme hatte etwas von Neugierde. Dabei schielte sie zu mir rüber.
„Nein“, schüttelte ich den Kopf. „Ich glaube, es waren Vater und Sohn. Und die Entfernung war auch viel zu weit. Mindestens zweihundert Meter.“
„Schade“, bemerkte Lori. Währenddessen rührte sie in ihrem mit Früchten und Samen gemischten Quark herum.
„Ja, sehr schade“, lachte ich und erhob mich wortlos von meinem Platz, um mir endlich mein Frühstück zusammenzustellen. Allein vom Zusehen, wie die anderen ihr Essen in sich hineinschaufelten, fing mein Magen an, die ganze Zeit seltsame Geräusche von sich zu geben. Denn mein Hunger wollte endlich gestillt werden.
Ein lautes Knurren drang währenddessen durch den Frühstücksraum, und meine Augen weiteten sich angsterfüllt – in der Hoffnung, dass keiner der anderen Gäste es bemerkt hatte.
Dann wanderte ich durch die Gänge und blickte erschrocken auf das Büfett. Es war gewaltig. Viel zu riesig für mich. Wo sollte ich hier bloß anfangen? Denn das, was sich hier vor meinen Augen liebevoll angerichtet präsentierte, ließ meinen Magen nur noch lautere Geräusche von sich geben. Teilweise lief mir schon das Wasser im Munde zusammen. Und das, obwohl ich morgens nie einen Bissen herunterbekam.
Ein paar Sekunden lang betrachtete ich regungslos das weit ausgedehnte Büfett und musste mir zuallererst einen Überblick über das Ganze verschaffen.
Und das war gar nicht so einfach, denn es verteilte sich in mehrere Stationen. Es gab sogar eine Station, an der zwei junge Köche warme Speisen vor den Gästen zubereiteten. Fasziniert schaute ich den beiden dabei zu, wie sie die Speisen teilweise auf Wunsch der Gäste anrichteten.
Trotzdem entschied ich mich für ein paar Brötchen und ein bisschen Obst. Der Ananassaft sollte das Ganze noch einmal mit seiner fruchtigen Note abrunden. Und dann marschierte ich wieder vollgeladen zurück an den Tisch.
„Und ... was wollen wir heute machen? Habt ihr für heute schon ein paar Pläne geschmiedet?“, fragte ich die anderen, mit Energie erfüllt, als ich mich mit zwei vollgepackten Tellern wieder auf meinen Stuhl setzte.
„Noch nicht“, antwortete Liam als Einziger, da meine beiden Schwestern zu sehr in ihrer Handywelt fokussiert waren.
„Mmh“, stieß ich einen leichten Seufzer aus. „Das ist ja nicht sehr viel.“
Nach einigen Sekunden der Stille, die über unseren Tisch hinweggezogen war, richteten sich Lori und Beth wieder auf.
„Oh, tut mir leid“, entschuldigte sich Lori, während sich ihre Lippen zu einem Lächeln formten. „Was hast du gesagt?“
„Ich habe gesagt“, antwortete ich kauend und machte eine kurze Pause. Nachdem ich mein Essen heruntergeschluckt hatte, ergänzte ich: „Ob ihr schon einen Plan geschmiedet habt, was wir heute so machen wollen!?“
Die Gruppe überlegte. Tiefe Furchen bildeten sich auf Loris Stirn. Beth und Liam zogen währenddessen nachdenklich ihre Augenbrauen zusammen.
„Gute Frage!“, sprach nach einer Weile schließlich Beth. „Ich würde mir ja gerne mal das Aquarium hier anschauen. Das soll wohl richtig schön sein.“ Sie schwärmte.
„Aquarium?“ Lori zog enttäuscht ihre Lippen nach unten.
„Ja, nicht?“
„Ich finde, das ist Tierquälerei!“
„Und was ist denn ein Zoo für dich?“, wollte ich wissen, als ich einen Schluck von dem Ananassaft nahm. Der fruchtige Geschmack entfaltete sich schlagartig und gab mir Lust auf mehr.
„Das ist was anderes“, versuchte sie sich zu rechtfertigen.
„Das ist genau dasselbe“, stammelte Beth und zog dabei provokativ ihre Brauen nach oben. „Und außerdem geht’s den Fischen dort im Aquarium teilweise besser als im verdreckten Meer.“
„Na ja, wenn du meinst?“, antwortete Lori mit einem Augenrollen.
„Was haltet ihr denn von einem Stadtbesuch in Palma?“, schlug ich vor. „Ich meine, wenn wir schon mal hier sind, möchte ich mir auch die Stadt anschauen und nicht nur den ganzen Tag hier im Hotel oder am Strand herumlungern.“
„Das klingt super, ich bin dabei“, stimmte Lori mir aufgeregt zu.
„Super, und was ist mit euch?“ Fragend schaute ich zu Beth und Liam.
„Also, ich bleibe beim Aquarium. Ich meine, heute ist Montag, und da wird die Stadt bestimmt richtig voll sein. Oder, Schatz?“ Mit diesen Worten wandte sie sich an ihren Freund, der gar nicht zu antworten wusste und nur stumm dreinblickte. In seinem Gesicht konnte ich etwas Nachdenkliches erkennen. Doch ich wusste, er würde sich für Beths Idee entscheiden.
„Also, ich würde gerne einmal zur Dracheninsel oder so eine Kajaktour machen. Heute ist ja Bombenwetter dafür“, presste er schließlich unerwartet aus seinen Lippen hervor. Mit einem verzerrten Blick starrte Beth ihn nur eindringlich an.
„Hmm“, räusperte sie grübelnd vor sich hin, die von einer unheimlichen Stille wieder heimgesucht wurde.
„Ich merke schon, dass wir so nicht weiterkommen“, lachte ich, um die nicht übereinstimmende Atmosphäre zwischen uns ein wenig zu lockern. „Aber wir können das ja alles noch machen. Immerhin fliegen wir erst nächste Woche Donnerstag wieder nach Hause. Das heißt, uns bleiben noch zehn volle Tage.“
Als ich meine Rede schließlich beendete, musterte ich jedes einzelne Gesicht. Und mir wurde schnell bewusst, dass sich unsere Gruppe für heute zumindest einmal spalten würde.
Schade, dachte ich mir innerlich und verengte unbemerkt und enttäuscht meine Augen. Aber wahrscheinlich wollte Beth auch nur ein bisschen Zeit mit ihrem Freund verbringen. Alleine.
Was ich auch gut nachvollziehen konnte, solange es nicht den ganzen Urlaub so gehen würde.
LORI
Während Milo und ich mit dem Bus in die Innenstadt nach Palma fuhren, wollten meine kleine Schwester Beth und ihr Freund Liam heute etwas alleine unternehmen.
Sie sehnten sich nach Zweisamkeit, und das war ihnen auch gegönnt. Denn nachdem sie gestern ihren Jahrestag im Flughafentrubel und im Flugzeug – wo sie noch nicht einmal zwei Plätze nebeneinander hatten – verbringen mussten, war es auch mehr als absehbar, dass die beiden nun etwas Zeit miteinander verbringen wollten. Und zwar alleine. Ohne uns.
Seit vier Jahren waren die beiden mittlerweile nun schon ein Paar. Ein wirklich süßes Paar.
Von Anfang an wusste ich, dass sie füreinander bestimmt waren – wie Pech und Schwefel. Wie die Faust aufs Auge passten sie einfach zusammen und ergänzten sich in allen unterschiedlichen Lebenslagen. Und das mit nur 23 Jahren.
„Noch mehr?“, stöhnte ich auf, als Milo und ich in dem ohnehin schon überfüllten, stickigen Bus standen und Mühe hatten, uns irgendwo festzuhalten. Aber hinfallen konnte man eh nicht, da wir von Dutzenden Menschen umzingelt waren – Menschen, deren Sprache wir teilweise gar nicht verstanden. Dennoch trafen wir hin und wieder auch auf deutsche Urlauber.
„Scheint wohl sehr begehrt zu sein, mit dem Bus in die Stadt zu fahren“, kommentierte Milo, dessen Worte in der Menschenmenge untergingen. Und er hatte definitiv recht. Denn für zwei Euro pro Fahrt konnten wir wirklich nicht Nein sagen – und anscheinend auch die ganzen anderen Urlauber nicht.
Eine gute halbe Stunde fuhr der Bus von Playa nach Palma durch beengte Straßen aus Kopfsteinpflaster und unebenem Asphalt. Die Busfahrt glich beinahe einer Achterbahnfahrt, bei der man ordentlich durchgerüttelt wurde. Aber wir erreichten unser Ziel – und das war das Mindeste.
Die Sonne brannte auf uns herab, als wir endlich aus dem Bus gestiegen waren. Wir schauten nach links und rechts und waren sichtlich erleichtert, endlich wieder durchatmen zu können.
„Endlich Luft zum Atmen“, freute ich mich. Meine Lippen formten sich zu einem Grinsen, meine Augen wanderten hinter der Sonnenbrille hin und her.
„Und wo wollen wir lang?“, fragte mich Milo, während auch er mich durch seine Sonnenbrille wie gebannt anstarrte.
„Keine Ahnung. Ich bin immer noch ein wenig geplättet, dass wir jetzt tatsächlich hier sind.“
„Okay, du Traumtänzerin, dann würde ich vorschlagen, wir gehen mal in die Zivilisation“, schlug Milo vor und deutete mit dem Finger in Richtung einer riesigen Statue.
„Bist du dir sicher, dass es dort entlanggeht?“ Nachdenklich runzelte ich die Stirn.
„Positiv“, versicherte er mir und ging voraus. Ich folgte ihm unweigerlich – und bekam den Mund vor Faszination gar nicht mehr richtig zu. Überall standen Palmen. Der Himmel war blau. Und die Häuser hatten einen besonderen alten Charme, der mich auf unerklärliche Weise in seinen Bann zog.
Trotz einiger Baustellen, die sich hier und da verteilten, fühlte ich mich immer noch pudelwohl.
„Das müsste das Rathaus sein“, vermutete Milo, als wir auf einer Art Marktplatz ankamen, der von einem gelb-orangefarbenen Gebäude umringt war.
„Das denke ich auch“, stimmte ich ihm zu. Währenddessen beobachtete ich die vielen unterschiedlichen Stände, bei denen es typisch spanische Dinge zu erwerben gab.
„Komm, lass uns weiter“, unterbrach Milo meine Gedanken, als ich die vielen verschiedenen Verkaufsstände betrachtete. Der warme Wind duftete nach Leben und Rosmarin. Kein Wunder, denn auf diesem Markt gab es genügend Stände mit Kräutern, was mich für einen kurzen Moment in meine Kindheit zurückkatapultierte, wo mich meine Großmutter des Öfteren zum städtischen Markt mitgenommen hatte. Milo war da noch ein Baby gewesen. Beth noch nicht einmal geplant. Ich glaube, ich war neun oder zehn Jahre alt. Und jetzt bin ich 39, frisch getrennt und möchte einfach nur die Zeit hier auf dieser Insel genießen.
Fix eilte ich Milo hinterher, als er schon ein paar Meter vorausgegangen war und ich anscheinend wieder mal nur gebummelt hatte. Manchmal war es gar nicht so einfach, mit seinem Tempo Schritt zu halten. In seinem Krankenhausjob als Pfleger musste er manchmal ziemlich weite Wege durch die vielen labyrinthartigen Gänge zurücklegen, während ich mir in meinem Bürojob bei einer Anwaltskanzlei eher den Hintern wund saß.
„Wow, schau mal“, schwärmte ich, als ich auf den Boden blickte und über die Gläser meiner Sonnenbrille lugte.
„Wohin?“
„Auf den Boden.“
„Oh ja, du hast recht. Der Untergrund sieht aus wie in einem Shoppingcenter“, stellte er fest. Dann blickte er ruckartig nach oben.
Ich tat es ihm gleich, denn ich wusste genau, warum er das tat.
„Kein Dach“, murmelte er vor sich hin. Ein Grinsen entwich dabei seinem Gesicht.
Nach einer guten halben Stunde gemütlichen Schrittes erreichten wir dann das wohl bekannteste Wahrzeichen von Palma de Mallorca: die Kathedrale. Majestätisch schön schimmerte sie im Licht der Sonne. Palmen wehten sachte im sommerlich warmen Wind und zogen viele Touristen an, die Erinnerungsfotos vor ihnen und dem gigantischen Bauwerk schossen.
Ein Staunen machte sich wieder in meinem Gesicht breit. Ich träumte vor mich hin und wäre am liebsten für immer hiergeblieben.
„Komm, mach mal bitte ein paar Fotos von mir. Am besten vor dieser Palme“, holte Milo mich zurück in die Realität – einer Palme, die sich direkt vor dem glänzenden heiligen Mauerwerk platziert hatte und elegant aus der Erde ragte.
„Klar, wie hättest du es denn gerne?“
„Na, ein ganz stinknormales Foto.“
„Sicher?“, wollte ich ihn spaßeshalber ein wenig verunsichern. Dabei schielte ich zu den anderen Touris hinüber, die teilweise wohl Stunden damit verbrachten, ein perfektes Foto zu knipsen.
„Was soll das denn heißen? Wir beide müssen jetzt hier nicht wie die Clowns irgendwelche Performances hinlegen.“
Ein wenig genervt flog seine Stimme durch die warme Luft zu mir rüber. Leise musste ich kichern. Ich glaube, er verstand nicht, dass ich mich einfach nur ein wenig über die anderen Leute, die sich um uns herum positioniert hatten, amüsierte.
„Hast du schon ein Bild gemacht?“, fragte er mich dann nach einigen Sekunden, während er immer noch mit seinem Peace-Zeichen zu mir in die Kamera blickte.
„Ja, gleich drei Stück.“
„Super“, pustete er erleichtert aus. Sein Kameragrinsen verblasste, und dann wackelte er gemütlich zu mir hinüber.
„Und jetzt ich“, stieß ich mit lauter Stimme aus meinem Mund.
Ich positionierte mich auf dieselbe Stelle und spürte dabei, wie mein sommerlich blaues Kleid und mein offenes blondes Haar sachte im Wind flatterten.
„Uh, la la la“, kommentierte ein plötzlich auftauchender, gut aussehender südländischer Typ meine Pose. Seine braune Haut glänzte golden im grellen Licht der heißen Sonne – die so heiß war wie er selbst. Seine schwarzen Haare lagen obendrein perfekt nach hinten gegelt.
„Du strahlst ja wie die Sonne – nur noch heller“, presste er aus seinem Mund, und die umwerfend dunkle Klangfarbe seiner Stimme bescherte mir ein leichtes Kribbeln im Magen. Wie eine Melodie rauschte sie einfach durch meine Ohren.
Sekundenlang starrten wir uns beide nur schweigend an, ehe er seine schimmernden Lippen, die von einem Dreitagebart umrandet waren, wieder öffnete: „Ich muss leider weiter, du Schönheit.“ Er verabschiedete sich mit einem markanten, männlichen Gesichtsausdruck und schaute dabei über die Gläser seiner Sonnenbrille.
Mein Herz bebte, und ich spürte das Blut in meinen Ohren pulsieren. Außerdem ließ sein spanischer Akzent mich wie eine Kugel Erdbeereis einfach dahinschmelzen. Seine Komplimente hallten immer noch in meinen Ohren, als ich ihm hinterherschaute. Irgendwann verblasste seine maskuline Silhouette in der Ferne, als er den Abhang hinabschlenderte. Und dann war er verschwunden. So, als hätte ich mir dieses Szenario gerade eingebildet, blieb ich wie gelähmt am selben Fleck stehen.
„Wow, hast du den gesehen?“, richtete ich mich, nachdem sich meine Gedanken wieder gesammelt hatten, an Milo.
„Ja, das habe ich. Du warst ja wie auf einem anderen Stern.“
„Ich hoffe, dem werde ich hier noch mal begegnen“, schwärmte ich, als ich wieder in die Richtung blickte, in die er verschwunden war.
„Hallo? Erde an Lori!“ Mit seinen Händen wedelte Milo vor meinem träumenden Gesicht herum und fächelte mir dabei ein wenig kühle Luft zu – und die konnte ich wirklich gut gebrauchen.
„Gott, war der heiß“, sagte ich zum Abschluss, als ich mich wieder komplett gesammelt hatte. „Ey, gut, dass wir nicht mit ins Aquarium gegangen sind“, stellte ich fest. „Weil hier laufen ja wenigstens richtige Fische rum.“
Erschrocken zog Milo seine Augenbrauen zusammen und betrachtete mich mit einem befremdeten Blick.
MILO
Wie hypnotisiert schwebte Lori von einem Bein auf das andere. Sie war wie gefangen. Wie in einer anderen Welt.
Seitdem sie diesem Typen an der Kathedrale in Palma begegnet war, schien sie ein anderer Mensch geworden zu sein. Sie hörte auf, an sich zu zweifeln, und schwärmte regelrecht von der Insel. Vielleicht war diese seltsame, kurze Begegnung mit dem plötzlich aufgetauchten Mann tatsächlich ein Segen für sie gewesen – ein Glückstreffer, der all ihre Skepsis genommen und vernichtet hatte.
All die Selbstzweifel, die sich in den letzten zwei Jahren in ihrem inneren Geist angestaut hatten, waren wie vom Winde verweht. Als hätte sie sie einfach ins Meer geworfen.
Denn dass sie mehrfach von ihrem Ex betrogen wurde, bis sie schließlich die Scheidung einreichte, war nicht spurlos an ihr vorbeigegangen – bis heute nicht. Auch wir, ihre Familie und Freunde, konnten dieses seelische Gefängnis, in das sie durch ihren Ex geraten war, irgendwann nicht mehr mit ansehen und ertragen. Doch schließlich zog sie die Reißleine und befreite sich von diesem Dreckskerl.
Dem Mann, der ihr Leben in reine Dunkelheit gehüllt hatte. Als hätte er sie in eine finstere Grotte geworfen, sie dort angekettet – und nie wieder herausgelassen.
Am frühen Abend trafen wir uns mit Beth und Liam zum Abendessen in einem netten Restaurant an der Playa. Dort gab es tatsächlich auch ein paar deutsche Gerichte – wie fast in jedem Restaurant. Dennoch entschied ich mich für einen Salat mit Hähnchenbruststreifen. Beth und Lori taten es mir gleich. Liam bestellte sich Spaghetti Bolognese.
„Und wie war euer Besuch im Aquarium?“, wollte ich schließlich wissen, als ich einen Schluck von meiner Cola nahm. In dem Moment wurde mir erst bewusst, dass ich heute noch gar keinen Alkohol zu mir genommen hatte.
Von einem anderen Restaurant dröhnte laute Schlagermusik zu uns herüber, die Lori leicht mitwippen ließ.
„Es war wirklich mal was ganz anderes als all die anderen Aquarien, die ich bisher besucht habe“, antwortete Beth beeindruckt.
„Oh ja, das war es wirklich“, bestätigte Liam, an dessen Nacken schon ein leichter Sonnenbrand zu erkennen war. Dass ausgerechnet er jetzt mit dem Rücken zur Sonne saß, machte es obendrein nicht besser.
„Das hört sich doch super an. Und was genau war so anders als bei den anderen Aquarien?“, fragte ich interessiert.
„Irgendwie alles. Allein schon, dass sie eine Außenanlage mit einem Rochenbecken hatten, war schon mehr als sehenswert.“
Aufmerksam lauschte ich ihren Worten. Meine Lippen formten sich zu einer schmalen Linie, und irgendwann zogen sich meine Mundwinkel nach oben, als sie weiter erzählte.
„Auch das Haifischbecken war viel größer als in den anderen Aquarien. Und durch riesige Bullaugen konnte man sogar hindurchschauen...“
Während sie weiter von ihrem Ausflug berichtete, wurde unser Essen serviert. Mein Magen knurrte, als ich auf den Salat blickte. An Dressing wurde auf jeden Fall nicht gespart – was mir positiv ins Auge stach.
Dann bestellten wir uns noch vier kleine Mojitos, die gerade in der Happy Hour waren, um unsere Mahlzeit noch einmal abzurunden.
Lustvoll begannen wir zu essen. Lori gab genüssliche Laute von sich. In ihrem Gesicht erkannte ich noch immer diesen wohlfühlenden Ausdruck, doch sie versuchte, sich gegenüber Beth und Liam nichts anmerken zu lassen. Auch ich wollte das Thema rund um ihre Begegnung nicht wieder aufgreifen. Doch ich war mir sicher, dass ihre Augen noch immer wie glühende Sterne unter ihren dunklen Brillengläsern funkelten. Eine rosarote Brille hätte in diesem Moment wohl eher gepasst als die schwarze Sonnenbrille.
„Boah, war das lecker!“, prustete ich los, als mein Teller wie leer gefegt war. Dann schlürfte ich an meinem Mojito. Der bitterliche Geschmack nach Limette und Minze brachte jede Faser meines Körpers zum Beben. Glücksgefühle stauten sich in meinem Inneren auf.
Lori knabberte währenddessen – in ihrem Stuhl nach hinten gelehnt – noch immer an ihrem Baguette herum.
„Auf uns“, sagte Liam, als wir eine weitere Runde Mojitos bestellten und unsere Gläser aneinanderstießen. Ein klirrendes Geräusch ertönte und rauschte durch meine Ohren.
„Cheers“, kommentierte ich daraufhin.
„Ja, auf unseren Urlaub“, entgegnete Beth und strahlte über beide Ohren.
„Ja, und auf die vielen heißen Gestalten, die hier rumlaufen.“
Erschrocken riss ich meine Augen sperrangelweit auf und hätte mich beinahe an dem wertvollen Alkohol verschluckt. Der bitterliche Geschmack setzte sich in meiner Nase fest. Loris Worte fingen wirklich all unsere Aufmerksamkeit ein. Verwunderte Blicke kamen aus der Richtung von Beth und Liam, die immerhin nicht das miterlebt hatten, was ich heute Mittag an der Kathedrale erlebt hatte.
„Bitte was?“ Ein überraschter Blick zierte das Gesicht unserer kleinen Schwester. Liam starrte sie nur entgeistert an.
„Oh, habe ich das etwa laut ausgesprochen?“ Peinlich berührt grinste Lori in sich hinein. Am liebsten hätte sie sich wohl unter dem Tisch verkrochen und die Worte zurückgenommen.