Monas braune Augen - Lutz Hatop - E-Book

Monas braune Augen E-Book

Lutz Hatop

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Beschreibung

Mike lernt kurz vor seiner Hochzeit in Berlin die Afrikanerin Mona kennen. Die Liebe beider steht schnell vor einer ersten Bewährungsprobe: Absage der Hochzeit und Vorstellung von Mona in Mikes Familie. Monas Mutter Thelma verbirgt eine dunkle Vergangenheit, die sie nach 25 Jahren einholt und ihre Familie in den Abgrund zu reißen droht. Eine düstere Vergangenheit, in der sie als junges Mädchen in die Fänge eines Menschenhändlerringes geriet. Mit der Hilfe eines Mädchens konnte sie fliehen, fand in Deutschland eine neue Heimat. Dank ihrer Aussage konnte nun, 25 Jahre später, der Boss des Ringes verhaftet werden. Für die Verurteilung sollte sie vor einem Gericht in Windhuk aussagen. Der intrigante Stiefsohn bringt Thelma in Misskredit. Sie wird durch Initiative Mikes entlastet. Ihr Stiefsohn scheitert, muss gehen und schwört Rache. Er verrät seine Stiefmutter Thelma an die Organisation des Menschenhändlerringes. Und jetzt gerät nicht nur sie, sondern auch ihre Familie in das Visier dieser Organisation. Ein Anschlag geschieht in Berlin. Ihre Familie wird unter Polizeischutz gestellt. Mona und Mike begleiten Thelma nach Windhuk. Mike überlebt in der Namibwüste nur knapp einen Mordversuch und fällt ins Koma. Mona zerbricht fast an dieser Situation, wehrt selbst unter Einsatz ihres Lebens einen zweiten Anschlag auf ihn ab. Doch die Organisation greift zu immer drastischeren Mitteln: Thelma wird entführt.

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Lutz Hatop

MONAS BRAUNE AUGEN

Roman

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Covergestaltung Tino Hemmann unter Verwendung

Namib © TEMISTOCLE LUCARELLI - Fotolia.com

Augen © Jeanette Dietl - Fotolia.com

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Kapitel 1– Verliebt

Erste Begegnung

Mona

Mühsamer Beginn

Ein folgenreicher Anruf

Monas Familie

Angelika

Verschmäht und ausgeschlossen

Eine entwürdigende Erfahrung

Auftritt eines Rassisten

Letzte Hoffnung

Melanies Drohung

Thelma

Der Opernbesuch

Thelmas Geheimnis

Kapitel 2 - Vergangenheit

Eine verhängnisvolle Anschuldigung

Die Farben der Sonne

Rückhalt für Thelma

Eine unglaubliche Geschichte

Als alles begann

Martin

Die Nachfolgerin

Der Brief

Das Geständnis

Friederike

Eine dunkle Bedrohung

Endlich verbunden

Ein unerwartetes Bekenntnis

Die Prüfung

Kapitel 3– Vorsehung

Die Staatsmacht greift ein

Namibia

Wiedersehen mit einer Vertrauten

Liebeserklärung an zwei Frauen

Fluchtversuch

In den Dünen

Zwischen Himmel und Erde

Im Koma

Das Netz schlägt zurück

Ende der dunklen Zeit

Thelma wird verschleppt

Eine unheilvolle Nachricht

Die Staatsanwältin

Um Haaresbreite

Fast wieder vereint

Der Waterberg oder die Geschichte einer deutschen Kolonie

Alina

Die Fährte ist aufgenommen

Thandiwe

Ein unvergessliches Erlebnis

Ein Bad im Pool

Hinweise nach Tsumeb

Die Tankstelle in der Wüste

Zerbricht die Liebe?

Reißende Wasser

Abschied für immer

Kapitel 4– Vergebung

Zurück in Berlin

Der Bunker

Der letzte Abend

Heimkehr

Vergebung

Treffen im Kreuzgang

Denise

Ein Brief aus Namibia

Langersehntes Wiedersehen

Endlich Vater

Ein letzter Besuch am Grab

Ein unvergesslicher Markttag

Die Himbafrau

Aufnahme bei den Himba

Die Umstände verändern sich

Thambas Rückkehr

Vineta– Siedlung am Meer

Weihnachten am Meer

Das schönste Geschenk

Neue Heimat Berlin

Das Zerwürfnis

Eine neue Arbeit?

Letztes Aufbäumen

Schloss Wulkow

Ein neuer Anfang– oder ein neues Leben

KAPITEL 1– VERLIEBT

Erste Begegnung

Anfang Februar, kurz vor acht Uhr. Ein dunkler kalter Tag, das Thermometer zeigte sieben Grad Minus. Mike zog sich die Mütze einige Zentimeter tiefer ins Gesicht, klappte den Mantelkragen nach oben und streifte sich den Schal über den Mund. So geschützt verließ er die U-Bahn am Bahnhof Potsdamer Platz und erreichte nach langem Aufstieg die freie Fläche vor dem gläsernen Turm der Zentrale der deutschen Bahn. Kaum aus dem Schutz des Aufgangs gekommen, blies ihm der eiskalte Wind heftig ins Gesicht. Sein Atem stockte.

Sieben Grad, dass ich nicht lache, fühlen sich an wie fünfzehn Grad. Aber was macht man nicht alles für eine Frau. Eine Frau? Nein, seine zukünftige Frau, Angelika. Bei diesen Gedanken musste er unwillkürlich lächeln, vor seinen Augen entstand ihr Bild mit den langen rotblonden Haaren, die er so liebte.

Schnell lief er über die Straße, blieb kurz auf dem Mittelstreifen stehen und blickte zu einem Stern am Boden. Darunter stand: Marlene Dietrich. Also auch hier in Berlin, nach dem großen Vorbild Los Angeles: der Weg des Ruhmes. Das passte auch zum heutigen Tag, denn der Kartenverkauf für die Berlinale begann genau um neun Uhr. Endlich erreichte er die Potsdamer Platz Arkaden, ein typisches Einkaufszentrum nach amerikanischem Vorbild. Er drückte die große Glastür auf und betrat das Erdgeschoss.

Die Temperaturen waren jetzt mehr als erträglich, er nahm seine Mütze ab, stopfte sie in die linke Manteltasche und ging zielstrebig zum Ende einer der langen Schlangen, die sich schon jetzt, eine Stunde vor Öffnung der Kartenhäuschen in den Arkaden gebildet hatten. Er musste nur noch jemanden finden, mit dem er sich austauschen konnte. Das war nicht einfach, musste aber sein, benötigte er doch vier Eintrittskarten, denn nur zwei konnte er pro Film erwerben.

Mike fragte herum, wer noch zwei Karten mehr erstehen könnte, im Gegenzug bot er das gleiche an. Keiner, weder vor, hinter oder neben ihm ging auf sein Angebot ein. In diesem Augenblick wandte sich eine Frau, die gerade mal zwei Meter von ihm entfernt stand, um. Sie trug einen blauen Wintermantel, passend dazu eine adrette blaue Strickmütze mit rosa Band.

Seine Blicke trafen die ihren für wenige Sekundenbruchteile. Er musste schlucken. Was für eine Schönheit. Sie besaß eine fast schwarze Hautfarbe. Woher stammte sie, aus Ghana, Kenia oder gar Brasilien? Diese Gedanken kamen Mike in den Kopf. Schon hatte sie ihm wieder den Rücken zugewandt. Mike blieb stehen, versuchte sich wieder auf den Kartenkauf zu konzentrieren. Jedoch blickte er wieder und wieder verstohlen zu der Frau, die immer noch keine zwei Meter von ihm entfernt stand.

Auch sie versuchte mit den umstehenden Personen ins Gespräch zu kommen. Doch jeder schüttelte nur den Kopf oder verneinte. So wandte sie sich dem älteren Herrn direkt vor Mike zu, wollte wissen, ob er nicht ebenfalls zwei Karten für sie kaufen könnte. Als Mike das hörte, packte ihn eine leichte Nervosität.

Hoffentlich sagt er nein, dann kann ich mich anbieten. In seinem Eifer, seine Bereitwilligkeit zu zeigen, schubste er von hinten versehentlich den älteren Herrn. Der ließ vor Schreck seine gesammelten Prospekte und Broschüren fallen. Mike entschuldigte sich sofort und beeilte sich, diese wieder aufzusammeln. Die junge Frau half ihm dabei. Sie reichte Mike ihre aufgehobenen Prospekte. Bei der Übergabe berührte er ihre Hand.

In dieser Sekunde trafen sich ihre Blicke zum zweiten Mal. Für eine gefühlte Ewigkeit schauten sich beide tief in die Augen. Mike konnte seine Augen überhaupt nicht mehr von den ihren lösen. Wow, was für Augen! So was hab ich noch nie…

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen: „Entschuldigung, können Sie jeweils zwei zusätzliche Karten kaufen?“ Das war die Frage, die er sich vor wenigen Minuten noch gewünscht hatte. „Ja“, erwiderte er lachend. „Super, ich dachte schon, ich finde niemanden mehr. Klar kann ich!“

Auch sie lachte ihn an: „Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen.“

Mike stellte sich mit zu ihr in die Warteschlange, beide ließen dem Herrn den Vortritt.

„Da habe ich mich gerade wohl etwas ungeschickt angestellt. Es war aber keine Absicht.“ Die Antwort kam herausfordernd. „Wer weiß? Vielleicht war es ja doch Absicht und Sie wollten mich kennenlernen, oder warum haben Sie mich gerade so angestarrt, hm?“

Absichtlich blickte sie ihn direkt an. Und wieder, diese Augen faszinierten ihn unendlich, so hielt er ihren Blicken auch stand. Leise murmelte er vor sich hin: „Ich hatte auch gute Gründe.“

Ihr Blick wurde unsicher, schnell wechselte sie das Thema. „Sollen wir zuerst mal die Filme abgleichen?“

„Ja, natürlich. Ich habe ‚Barbara‘, ‚Coming home‘ und ‚Was bleibt‘. Welche haben Sie?“

„Die gleichen und noch ein paar andere!“

„Wie, die gleichen! Das gibt es doch nicht!“ Sie musste lachen.

„Doch, scheint so zu sein.“ Mike wurde immer unruhiger.

„Wenn wir jetzt noch die gleichen Uhrzeiten haben, war das wohl Schicksal!“

Auch bei ihr wuchs die Neugier. „Jetzt bin ich aber gespannt.“ Beide schauten gegenseitig auf ihre Listen und stellten aber nur eine Übereinstimmung bei zwei Filmen fest. Das war jedoch für die Kartenbeschaffung von großem Vorteil.

Die fünfzig Minuten Wartezeit, bis sie den Schalter erreichten, vergingen wie im Fluge. Beide tauschten sich über ihre Vorlieben bei den ausgesuchten Filmen und über ihre Interessen aus. Dabei stellten sie viele Gemeinsamkeiten fest. Sie kauften sämtliche Karten für alle Filme. Triumphierend nahm Mike die Karten in die Hand, ließ sie auseinanderfallen, sodass sich ein langes Band ergab und hing sich dieses wie einen Schal um den Hals.

„Na denn, danke für die Unterstützung“, hörte er die junge Frau sagen. In diesem Moment schoss ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: Sag irgendetwas, damit sie nicht einfach wegläuft. „Ähm, ich würde mit Ihnen gerne einen Film anschauen. Schließlich haben wir so viele gemeinsame Neigungen festgestellt. Und hinterher tauschen wir uns aus.“ Er machte eine kurze Pause. „Bei einem Glas Wein?“

Sie zögerte. „Hm, ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass die Idee so gut ist.“ In Mikes Gesicht schlich sich Enttäuschung. „Schade! Na dann,… ich sag mal…“

In diesem Augenblick trafen sich ihre Augen zum dritten Mal. Die junge Frau war irritiert. Was für ein helles Blau. Tu was, lass ihn nicht gehen. Bist doch sonst nicht so schüchtern. Sie ergriff die Initiative. „Warten Sie! Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Kaffee. Ich hätte nach der Ansteherei ziemlich Appetit darauf.“

Mike wusste nicht, wie ihm geschah. „Sehr gerne. Hier in den Arkaden ist da oben eine amerikanische Bar, die haben hervorragende Erfrischungsgetränke und guten Kaffee!“

„Auch Latte?“

„Auch Latte, aber ich lade Sie ein.… Wenn Sie schon nicht mit mir ins Kino wollen.“

Sie lächelte ihn an. „Einverstanden, ich gehe nämlich noch zur Schule.“

„Schule? Oder Uni?“

„Weder noch, Schauspielschule. Ich werde dieses Jahr fertig.“

„Da muss ich aber aufpassen, dass sie mir nichts vorspielen!“

„Vielleicht!“ Sie lachten.

Beide fuhren mit der Rolltreppe in die obere Etage und setzten sich an einen Zweiertisch. Mittlerweile war es halb zwölf. Mike und die junge Frau unterhielten sich angeregt. Berlinale, Filme, Vorlieben, Interessen, Hobbys, Schauspiel, Theater und vieles andere mehr. Sie fanden beinahe kein Ende. Und es war kein Monolog von einem der beiden, sondern ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Mittlerweile war die Zeit weit fortgeschritten. Verstohlen blickte die junge Frau auf ihre Uhr.

„Wow, wir sitzen schon seit drei Stunden hier. Danke, so gut habe ich mich schon lange nicht mehr unterhalten.“

„Das Kompliment kann ich zurückgeben.“

Mike merkte, dass die Zeit knapp wurde. So startete er einen neuen Anlauf, wusste er doch immer noch nicht wie sie hieß. „Jetzt sitzen wir hier schon so lange und ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen, außerdem sind wir immer noch beim Sie, sollen wir nicht Du zueinander sagen?“ Die junge Frau spürte, dass die Unverbindlichkeit der Unterhaltung verloren gehen könnte, schob ihre Bedenken dann jedoch schnell beiseite.

„Okay, warum nicht, ich heiße Mona!“ Fassungslos schaute Mike sie an. „W…w…wie b…bitte, Mona?“ Er kam ins Stottern und plusterte die Backen auf. Mona sah ihn überrascht und fragend zugleich an.

„Ist das schlimm, hast du ein Problem damit?“

„Nein, natürlich nicht, das ist aber eine andere Geschichte.“

„Eine andere Geschichte? Würdest du sie mir erzählen?“

Ihre noch vorhandenen Bedenken waren plötzlich weg, die Neugier hatte die Oberhand bekommen. „Schließlich heiße ich Mona. Und du bläst bei dem Namen die Backen auf. Ich glaube, ich darf erfahren, was es mit dem Namen auf sich hat. Meinst du nicht?“

Mike wurde verlegen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das tun soll, vielleicht lachst Du dann über mich.“ Er schaute sie dabei an, ihre Blicke begegneten sich zum vierten Mal. Aus ihren Augen blitzte der Schalk.

Mike wich ihren Blicken nicht aus, er konnte sich nicht genug satt sehen an diesen rehbraunen Augen. „Jetzt machst du mich aber richtig neugierig, warum sollte ich denn über dich lachen, hmm?“ Mike wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich selbst in diese Lage gebracht, entschied sich dann für die Wahrheit ohne Schönfärberei. „Vielleicht, weil ich dann ein Weichei für dich bin und kein richtiger Kerl!“

Mona verdrehte ihre Augen und stöhnte. Mike dachte für sich: Mist. Ist ja auch nicht wichtig, was soll’s, ich bin ja in einer festen Beziehung. In diesem Moment legte Mona ihre Hand auf die seine und sagte leise: „Unsinn! Glaubst du, dass ich keine Gefühle habe?“

„Nein, natürlich nicht“, beeilte sich Mike zu sagen, seine Hand aber zog er nicht weg. „Aber du machst mich ganz nervös!“

„Oh, das ist nicht meine Absicht und nein, ich werde dich nicht auslachen. Versprochen! Sag bitte endlich, was es mit meinem Namen auf sich hat.“ Mona schaute Mike lächelnd und unwiderstehlich an.

In diesem Augenblick kam die Kellnerin an den Tisch. „Darf ich Ihnen noch etwas bringen.“ Keine Reaktion, im Gegenteil die beiden ignorierten sie.

„Bitte, du hast mir doch schon so viel über dich erzählt, so schlimm kann es doch wohl nicht sein. Sag, wieso hast du mich denn vorhin so angeschaut, was für gute Gründe gab es denn?“

Diesmal blickte er ihr direkt in die Augen. „Ich konnte nicht anders, es war wie Magie. So was ist mir noch nie passiert.“ Er machte ein kurze Pause und blickte sie dabei direkt an: „Du hast hinreißend schöne Augen. Da leuchten zwei Sterne am Firmament.“

Mona senkte ihre Blicke. „Danke für das schöne Kompliment.“ Anstatt eine weitere Reaktion von Mona abzuwarten, redete Mike sofort weiter. „Stimmt, wir haben uns so gut unterhalten, also…“ Die Bedienung stand immer noch daneben, sah von einem zu anderen und trommelte mit den Fingern auf ihrem Tablett. Leicht genervt unterbrach sie Mike.

„Hallo, ihr beiden Hübschen, möchtet Ihr noch was haben?“ Aufgeschreckt schauten Mike und Mona auf. Mike war völlig aus dem Konzept. „Bitte wie?“

„Möchten… Sie… noch… etwas… bestellen?“ Sie betonte dabei Wort für Wort. Mona schaute verdutzt zuerst die Bedienung an und dann Mike, lachte kurz auf. „Danke für die freundliche Berliner Art, aber wir möchten nichts mehr.“

Sie wandte sich an Mike. „Wolltest du mir nicht noch etwas erzählen? Deinen Namen weiß ich auch noch nicht.“ Sie setzte einen Schmollmund auf. „Ähm ja, Mike.“

„Und weiter, ich warte, spann mich nicht so auf die Folter.“

Mike nahm Anlauf und sprach mit betont bedächtiger Stimme. „Sagt dir der Name Mike Batt etwas?“ Mona dachte kurz nach. „Nein, nie gehört.“

„Mike Batt ist Musiker und Songwriter von Pop Balladen insbesondere der achtziger Jahre. Und er hat ein sehr stimmungsvolles Musikstück namens Mona geschrieben.“

Erwartungsvoll schaute sie ihn an: „Ja und weiter, war das schon alles?“ Mike legte eine kurze Pause ein und antwortete leise. „Nein, das war ja auch der sachliche Teil.“

„Aha“, sagte sie mit der Betonung auf dem zweiten a. Sie stützte dabei ihr Kinn auf die Handfläche und schaute lächelnd dem unsicheren Mike dabei wiederum direkt in die Augen. Mit diesem Wissen spielend, setzte sie ihn ein bisschen unter Zugzwang. Er konnte sich diesen Augen beim besten Willen nicht entziehen.

Und das brachte ihn nur noch mehr durcheinander, so dass der nächste Satz des sonst so redseligen Mike „verhackstückt“ und mit vielen Räuspern daher kam. „Das ist so,… immer dann, wenn ich das Musikstück gehört habe,… ähm, habe ich mir diese Mona, oh je… wie soll ich sagen… vorgestellt.“ Mike wurde noch leiser, als ob es ihm unheimlich schwer fallen würde, den Satz zu vollenden… und mir insgeheim eine solche Mona gewünscht!“

Mike brachte keinen Ton mehr heraus. Er schaute auf sein fast leeres Glas. Ganz langsam hob er seinen Kopf, Mona lächelte ihn an, „und inwieweit kommen deine Vorstellungen nun der vor dir sitzenden Mona nahe?“, fragte sie ebenfalls leise Mike.

„Meine Vorstellungen haben aber auch gar nichts mit dir zu tun.“ Diesmal schlich sich in Monas Gesicht Enttäuschung. Typisch, wieder so ein blöder weißer Heini. Ich hätte es wissen müssen. Mike war aber noch nicht fertig und beendete seinen Satz kaum hörbar mit: „… soweit reichte meine Phantasie einfach nicht, um mir so was,… so etwas Schönes wie du es bist, vorstellen zu können.“ Überraschung stand in ihrem Gesicht, ihre Augen wurden noch größer. Mike blickte auf den Tisch, wagte es nicht, Mona direkt anzusehen.

Sie fasste seine Hand. „Kannst du mir diese Ballade vorspielen?“ Erst jetzt hob er seinen Kopf und blickte sie wieder an, lachte dabei. „Gerne, das würde ich sehr gerne. Hier kann ich es aber nicht. Ich hab sie im Handy nicht gespeichert, hab sie aber zuhause.“ Sie hielt seine Hand immer noch fest und blickte ihn an. „Spielst Du sie mir?“

„Wann?“ Sie lächelte und ließ seine Hand los. „Na, jetzt?“ Mike hatte sich wieder gefangen. Seine Augen leuchteten. „Sehr gerne, nichts lieber als das!“ Jetzt ging alles sehr schnell. Sie riefen nach der Bedienung, zahlten die Rechnung und machten sich auf den Weg.

Mona

Mike fuhr einen knallroten Citroen DS 3 mit Schachbrettdach in schwarz-gelb. Als sie auf das Auto zugingen, sagte sie überrascht: „Hey, ist das deiner und auch noch in Rot. Wow!“ Mona umrundete das Auto. Als Mike die Autotür öffnete, flippte sie fast aus. „Und innen schwarz-weiß, wie geil ist das denn?“ Am liebsten würde sie sich an das Steuer setzen, traute sich aber nicht, Mike zu fragen. Der ging zur Beifahrerseite, öffnete die Tür und schaute sie lachend an. „Möchtest du?“ Er hielt dabei den Autoschlüssel in die Höhe.

„Ehrlich, du lässt mich fahren? Sofort, gib her!… Ehe du dir’s anders überlegst.“ Mike schloss wieder die Tür, kam zu ihr auf die Fahrerseite und übergab den Schlüssel.

Mit dem Wagen fuhren sie zur Wohnung in Friedrichshain. Während der Fahrt dämmerte es Mike, dass er Karten für seine Verlobte Angelika und Freunde gekauft hatte. Nun saß Mona neben ihm auf dem Fahrersitz und bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Die unterschiedlichsten Gedanken kamen ihm in den Kopf. Was mach ich bloß, lasse eine wildfremde Frau mit meinem Auto fahren. Frauen und Autos tauscht man nicht. Ich muss dem ein Ende setzen.

Mona wiederum dachte an ihren Freund und daran, dass sie sich geschworen hatte, mit weißen Männern nie wieder etwas anzufangen. Was sollte sie also hier im Auto, aber ihr gefiel der junge Mann. Sie musste an die Begegnung in den Potsdamer Platz Arkaden denken. Noch nie hatte sie einen Mann beim ersten Mal so lange angeschaut, ohne etwas zu sagen. Sie musste an die dreistündige Unterhaltung im Café denken. Selten hatte sie sich so kurzweilig unterhalten und sie musste an den Vergleich mit der „Phantasiemona“ denken. Ihr lief noch jetzt ein wohliger Schauer über den Rücken. Wow! War das eine Bemerkung– So was Schönes– und damit hat er mich gemeint! Dann noch dieses Auto, ist genau mein Geschmack. Und er lässt mich auch noch fahren.

Außerdem wollte sie unbedingt diese Ballade kennenlernen. Ein lautes Knurren im Magen signalisierte ihr, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte und es zwischenzeitlich halb vier nachmittags war.

„Na, Hunger? Wenn du möchtest, koche ich uns was Leckeres. Was magst du denn besonders gerne?“

„Spaghetti“, war die kurze Antwort. „Sag mal, du kannst kochen?“

„Ich denke schon und auch recht gut, bilde ich mir jedenfalls ein.“

Mona schaute Mike von der Seite an und dachte für sich: Der Typ macht mich immer neugieriger, mal sehen ob das nur Sprüche sind und er kippt nachher die fertige Tomatensauce aus der Dose über die Nudeln.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie sich mit ihrem Freund Tom um sieben verabredet hatte. Sie musste sich entscheiden. Zu Mike oder mit Tom? „Ich muss mal schnell telefonieren.“ Sie fuhr an die Seite und rief ihren Freund an. „Hallo Tom, hier ist Mona. Du, ich muss heute Abend unser Date absagen. Habe heute eine ehemalige gute Schulkameradin getroffen, die ich schon ewig nicht mehr gesehen habe.… Nein, du kannst nicht dazu kommen.… Das ist ein Mädchenabend, da können wir keine Jungs brauchen… Tom, bitte beherrsch dich. Es reicht,… Ende der Durchsage!“ Sie drückte Tom weg. „So ein Blödmann“, murmelte sie. Was für ein Unterschied zwischen den beiden, dachte sie. Tom sieht zwar viel besser aus, kann aber wie es scheint mit Mike nicht mithalten. Diesen Mike, nahm sie sich vor, möchte ich besser kennenlernen.

Während dieses Telefonates bekam Mike erst recht ein schlechtes Gewissen gegenüber Angelika. Was würde er ihr wohl am Telefon sagen? Sie wohnte zwar 600 km entfernt von Berlin, was aber völlig zweitrangig war. Denn die Entfernung spielte in diesem Fall keine Rolle. Aber Mona schien es genauso zu gehen.

„Ein Date? Abgesagt? Wegen mir?“ Etwas unwirsch reagierte sie. „Kluger Junge, und?… Bild dir bloß nichts ein!“ In diesem Moment klingelte Mikes Telefon.

„Geh ruhig ran.“ Auf dem Display leuchtete der Name Angelika. „Deine Freundin?“, grinste sie.

„So ähnlich.“ Mike nahm das Gespräch an.

„Jaaa, Hallo Geli!“

„Hallo Schatz, hascht du die Karten für die Berlinale? Hat’s klappt?“

„Ja!“

„Was machscht du heut Abend, am liebschta wär ich jetzt bei dir. Weischt du, was ich jetzt gerne mit dir machen tät,… hallooo, bischt du noch da?“

„Ja“

„Hey, du bischt so einsilbig, ischt jemand bei dir?“

„Ja, Harald sitzt neben mir.“ In diesem Moment fing Mona an, leise zu kichern. „Ruhig!“, zischte Mike. „Du Geli, lass uns morgen weiter telefonieren, wir treffen uns gleich mit ein paar Leuten, ich ruf dich an, ja!“

„Wart a mal, des Lachen da hat sich aber grad nach einer Frauenstimme angehört?“

„Ja, in meinem Auto sitzen noch mehr Leute und fangen schon an mit lachen, bitte lass uns morgen weiterschwätzen. Ich ruf an, versprochen!“

„Wenn’s sein muss, bis Morgen, ade!“

Mona schaute Mike direkt an und sagte ganz langsam. „Na, gelogen? Wegen mir?“ Er drehte sich zu Mona. „Wir haben beide gerade unsere Partner angelogen, ist doch richtig oder? Tolle Voraussetzung!“

„Für was?“, ihre Augen funkelten. „Für den weiteren Abend.“ Seine Stimme wurde weich, „den ich trotzdem gerne mit dir fortsetzen würde.“

Oh, Sch…, was rede ich denn da, das wäre die Chance zum Abbruch gewesen. Wie wird sie wohl antworten? „Du möchtest den Abend also gerne fortsetzen, hmm?“ Sie machte eine kurze Pause um seine Reaktion abzuwarten. Mike blickte sie erwartungsvoll an, sie lächelte ihn an.

„Das möchte ich auch und ich würde gerne endlich das Lied hören. Außerdem hab ich Hunger. Lass uns einfach sehen, was aus dem Abend wird, wenn du dich nicht wohl fühlst, kannst du es jederzeit sagen.… Würdest du mich nach dem Essen dann nach Hause fahren?“

Mike wusste nicht wie ihm geschah, er war vollkommen durcheinander. Was mach ich hier bloß. Ich bin auf dem besten Weg, Angelika zu… Verdammter Mist, ich kann aber nicht nein sagen. Diese Frau fasziniert mich dermaßen. Geli, verzeih mir.

Schnell antwortete er: „Natürlich, selbstverständlich. Warum sollte ich mich nicht wohlfühlen, es geht mir bestens,… kann ja nicht anders sein,… neben dir!“ Mona lächelte ihn nur an. Nach weiteren fünfzehn Minuten kamen sie endlich vor dem Haus an. Es gab sogar einen freien Parkplatz.

Mikes Wohnung lag im zweiten Obergeschoss des Vorderhauses eines typischen Berliner Altbaus mit zwei Höfen aus der Jahrhundertwende. Von außen war nicht zu erkennen, wie groß diese Wohnung war. Vier Zimmer mit fast 140 Quadratmetern und zwei Balkonen. Der Zugang erfolgte über ein großes Treppenhaus, dessen Treppe um einen Aufzug herumlief. Dadurch fuhr der Aufzug in die jeweilige Etage und ermöglichte einen ebenen Zugang. Dieses Treppenhaus war besonders prächtig ausgestattet mit seinen Stuckdecken und dem mit zahlreichen Jugendstilsymbolen verziertem Geländer. Am aufwändigsten waren aber die Wohnungseingangstüren gestaltet mit sechs Feldern, darinnen Pflanzen- und Blumenmotive. Der Fahrstuhl selbst stammte noch aus der Erbauungszeit, sogar die alte hölzerne Fahrgastzelle war noch erhalten.

Die Wohnung selbst lag in der sogenannten Beletage, zur Erbauungszeit das bevorzugte Hauptgeschoss eines Gebäudes mit einer Raumhöhe von 3,50 Meter. Alle Innenräume besaßen noch die ursprünglichen Stuckdecken und Dielenböden. Eine große zweiflügelige Tür führte in den Hauptraum der Wohnung, dem ‚Berliner Zimmer‘. Dieser war besonders hervorgehoben durch einen schönen Kamin, einem riesigen über drei Meter hohen Fenster, welches zugleich Tür zu einem Balkon war und einer besonders reichhaltigen Stuckdecke.

Sie betraten die Wohnung. Mike half Mona aus dem Mantel. Sie nahm die Strickmütze ab und legte sie auf die Hutablage. Nun erst entdeckte er ihre ganze Schönheit: Ihre schwarzbraunen Haare waren zu zahllosen kleinen langen Rastazöpfen geflochten. Direkt am Kopf lagen sie jedoch dicht an, wie sauber aufgereihte Schnüre. Dadurch kam ihre Gesichtspartie voll zur Geltung. Er bewunderte die alles in ihren Bann ziehenden braunen Augen, ihre feine ebenmäßige Nase und ihren wunderbar geformten Mund mit den ausdrucksvollen Lippen. Ihre Haut schimmerte wie dunkler Samt.

„Was darf ich Dir anbieten?“, fragte Mike und führte sie in das Berliner Zimmer. Sie setzte sich in die Ecke des zweisitzigen Sofas, welches den direkten Blick auf den Kamin gestattete. „Machst du ihn an? So ein Feuer find ich urgemütlich.“ Während Mike sich noch mit dem Kamin beschäftigte, schaute ihn Mona genau an.

Er war kein Riese, 1,75 Meter groß, von schlanker Gestalt, dabei wirkte er sportlich trainiert. Dunkelblonde kurze Haare mit einer markanten natürlichen Locke über der Stirn setzten einen besonderen Akzent. Interessant machte ihn sein kurzer hellblonder Bart, der das eckige Gesicht einrahmte. Die Linien wurden dadurch weicher. Besonders gut gefielen ihr aber die hellen blauen Augen, die offen und neugierig in die Welt blickten. Sie fragte sich, was er wohl als nächstes tun würde.

Knisternd schlugen die Flammen aus dem Holz. Endlich konnte sich Mike wieder Mona zuwenden. „Was möchtest du trinken?“, seine Anspannung stieg. „Hast du einen Rotwein? Ich kann nachher auch mit dem Taxi nach Hause fahren, dann kannst du mit trinken. Legst du bitte erst mal die Musik auf?“

„Sofort, was für einen Wein trinkst du am liebsten?“

„Italiener aus der Toskana, keinen Chianti bitte“. „Damit kann ich dienen, wie wär’s mit einem Nobile di Montepulciano?“

„Super, einer meiner Lieblingsweine!“ Ihr schossen viele Gedanken durch den Kopf. Da lerne ich heute einen weißen Mann kennen mit so vielen Gemeinsamkeiten, guten Manieren, der vielleicht auch noch kochen kann? So übel sieht er nun auch nicht aus. Mal sehen, was noch so alles passiert, ich lass mich überraschen.

Nachdem Mike den Wein eingeschenkt hatte, legte er die CD von Mike Batt auf. Wo sollte er sich nun hinsetzen, zu Mona auf das Sofa oder in einen der beiden Herrensessel. Diese Entscheidung wurde ihm sogleich abgenommen. „Setzt du dich zu mir?“

„Ja, gerne!“ Mona lehnte sich zurück und schloss die Augen, gespannt wartend auf die Musik. Mike dagegen konnte nicht mehr die Augen von ihr lassen.

Endlich setzte die Musik ein. Mike merkte ihr an, dass sie die Musik sehr genoss. Ein wunderbares langes Gitarrensolo schloss das Musikstück.

Nachdem die Musik zu Ende war, schaute Mike Mona erwartungsvoll an. „Das war wunderschön!“, hauchte sie dahin. „Soll ich uns was kochen?“

„Nein, spiel den Song bitte noch einmal“, sagte sie ganz leise und etwas energischer: „Und bleib endlich sitzen!“

Nochmals setzte die Musik ein. Sie drehte ihren Kopf langsam zu Mike und kam ihm immer näher. Ihre Blicke begegneten sich wieder wie beim ersten Mal. Da spürte er ihre weichen Lippen auf den seinen. Er löste sich schnell von ihr, aber nur für wenige Sekunden. „Was machst du bloß mit mir?“, flüsterte er und nahm ihr Gesicht zärtlich in beide Hände, zog sie an sich. Es folgte ein langer leidenschaftlicher Kuss. Die Musik war längst verstummt.

„Das… das war traumhaft.“ Sie nickte. „Ja, das war es.“ Er hielt sie im Arm und schaute sie verliebt an. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Mona unschlüssig. „Mona, ich muss dich was fragen?“

„Ja?“, fragend blickte sie zu ihm. „Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick?“ Sie zögerte. „Nein, eigentlich nicht.“

„Ich tat es bis heute auch nicht, aber wenn ich dich so anschaue, ich glaube, ich habe mich…“

Mona legte ihren Zeigefinger auf Mikes Mund und schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt, küss mich bitte noch einmal.“ Mike drückte Mona förmlich auf das Sofa. Es wurde nicht nur ein Kuss, sondern viele. Hörte Mike auf, fing Mona wieder an und umgekehrt. Sie konnten beide nicht voneinander lassen.

Aber Mike hatte ein schlechtes Gewissen. Es war nun ja passiert. Er wusste, wenn es jetzt weiter geht, hatte das unabsehbare Folgen. „Mona? Ich will ehrlich zu dir sein, nicht wie vorhin im Auto am Telefon, das war echt besch…eiden. Ich bin seit zwei Jahren verlobt und seit vier Jahren mit einer anderen Frau zusammen.“

„Diese Geli?“

„Ja genau. Und das ist noch nicht alles! Wir wollen in drei Wochen heiraten!“

Mona schaute Mike fassungslos an. Vor ein paar Sekunden noch war sie sich fast sicher, diesen Mann lieben zu können. Innerhalb von Sekunden brach alles zusammen. Sie sprang auf, aber Mike ließ sich nicht beirren. Diese Frau bezauberte ihn dermaßen, dass er eine Entscheidung traf, an die er noch vor wenigen Stunden nie gedacht, geschweige denn sie ausgesprochen hätte.

Mona stand vor ihm, er sah ihren Zorn. Auch er erhob sich, fasste sie sanft an beiden Händen und blickte sie dabei dermaßen liebevoll an, dass ihr Zorn verflog. Was kommt denn jetzt, schau ihn dir an, sieh in seine Augen? Sie lügen nicht, er meint es tatsächlich ernst! Mona, warte ab. Mal sehen, was noch kommt.

„Ich bin mir jetzt sicher, dass ich Angelika nicht mehr heiraten kann und das auch nicht mehr will. Ich kann keine Frau heiraten, und ständig nur an dich denken, oder? Ich wollte dir das vorhin schon sagen, bin mir jetzt hundertprozentig sicher. Ich habe mich in dich verliebt!“ Das war für Mona „Achterbahn pur“. Sie brachte keinen Ton mehr heraus, schüttelte ihren Kopf. Lange Sekunden passierte nichts. Nie gekannte Gefühle überkamen sie und sie ließ sich mitreißen. Ihre Zweifel und ihr Zorn verflogen.

Sie umarmte Mike und flüsterte ihm ins Ohr. „Ich liebe dich auch. Bitte schlaf mit mir, jetzt! Ich will dich!“

„Und unser Essen?“

„Keinen Hunger.“ Mike musste schlucken. Er zögerte einige Sekunden, es gab kein Zurück mehr. „Ich will dich auch!“ Mona lachte Mike an. Er nahm ihre Hand und zog sie sanft in das Schlafzimmer. Im Kamin wurden die Flammen kleiner und kleiner.

Mühsamer Beginn

Am nächsten Morgen, es war ein trüber typischer Berliner Februartag, kalt und ungemütlich. Mike war bereits aufgestanden und hatte beim Bäcker frische Schrippen und Croissants geholt. Dann ging er ins Schlafzimmer. „Guten Morgen Mona, aufstehn, Frühstück ist fertig.“ Mike drückte Mona einen Kuss auf die Stirn und sie schnurrte wie eine Katze.

Der Frühstückstisch war bereits angerichtet, zwei Kerzen brannten, als Mona sich an den Tisch setzte. „Der ist aber schön gedeckt.“

„Das war die schönste Nacht meines Lebens,… bisher!“, betonte Mike. Mona lächelte und biss dabei genüsslich in einen Croissant mit Erdbeermarmelade. „Am kommenden Wochenende fahre ich nach Lorch und löse die Verlobung. Die Hochzeit sage ich auch ab! Es geht nicht anders.“ Mike schaute dabei Mona an, ihr Mienenspiel veränderte sich, während er sprach.

Ihr gingen so einige Gedanken durch den Kopf. Zweifel kamen in ihr hoch. Soll ich mich wirklich darauf einlassen? Es war schön, sehr schön sogar. Wenn er zu seiner Verlobten zurückfährt, werden alle auf ihn einreden und er wird schwach werden, das weiß ich. Das ist mal wieder die „A-Karte“ für mich. Da drüben steht das Bild von ihr, eine hübsche junge Frau mit langen rotblonden Haaren. Mona, spinnst du? Er hat dich fallen gelassen, eh du dich versiehst. Lass es einfach bleiben, lieber ein Ende jetzt, als später. Liebe hin, Liebe her. Später tut es dann wieder richtig weh. Nein, ich will das alles nicht noch einmal. Ich setz dem jetzt ein Ende.

„Äh, was ist, soll ich nicht?“

„Das musst du für dich entscheiden. Stimmt, es war eine schöne Nacht, gebe ich zu. Aber…“

„Was heißt hier aber?“, Mike wurde etwas lauter. „War das für dich nur ein One-Night-Stand?“ Mona stand auf und begann vor dem Tisch auf und ab zu gehen.

„Sieh mal, es war eine, ich betone, eine Nacht. Woher soll ich wissen wie das weitergeht, du bist weiß und ich bin schwarz, eigentlich steh ich nur auf Schwarze, deine Spezies hat mich bis jetzt nur enttäuscht. Ich habe keine Lust auf noch mehr negative Erfahrungen.… Da steht das Bild von deiner Verlobten. Das ist sie doch, oder? Schau sie dir an, die willst du aufgeben und gegen eine wie mich eintauschen? Wir kennen uns jetzt ein paar Stunden und du willst ernsthaft deine Hochzeit absagen? Nach einer Nacht? Denk an den Ärger, auch mit deiner Familie. Überlege dir genau, ob sich das lohnt.“ Sie machte eine kurze Pause. Mike schaute sie entgeistert an.

„Außerdem werden wir es auch in Zukunft nicht leicht haben. Wir werden angefeindet werden von Menschen, denen du das vorher nie zugetraut hast. Sie werden sich von dir abwenden. Ich weiß das von meinen Eltern. Meine Mutter ist auch Afrikanerin und mein Vater ein weißer Deutscher. Bei vielen Veranstaltungen ist sie bis heute nicht dabei. Ich muss als Frau sowieso besser sein als ein Mann und als Schwarze kommen noch mal einige Prozentpunkte dazu. Tu dir das nicht an. Vergiss die letzten vierundzwanzig Stunden. Es ist besser für uns beide.“ Mit ernster Miene blieb sie vor Mike stehen. „Es war schön, auch für mich, aber sieh es doch ein“, sie setzte sich wieder hin. Ansehen konnte sie Mike nicht.

Mike hatte ihre letzten Worte nur noch teilweise wahrgenommen, seine Gedanken kreisten um sich selbst. War es für sie nur ein Spiel. Ich habe mich doch nicht so getäuscht. So steigerte er sich immer mehr hinein. Sein Ton war brüsk, als es aus ihm herausbrach. „So, es war schön für dich. Was war es denn? Sex? Hat es wenigstens Spaß gemacht?“

Mona stand auf, ihr Blick verfinsterte sich. Ihre Stimme war leise und messerscharf. „Du bist genauso, wie ich mir das vorgestellt habe. Nein, falsch, viel schlimmer. Dein ganzes Gesülze. Alles nur Show, was? Deswegen lass es sein. Ich gehe!“ Sie machte eine schnelle Drehung, stand auf und ging zur Garderobe.

Mike sprang auf, rannte abkürzend durch die Küche und stellte sich vor die Eingangstür. Seine Wut war wie weggeblasen, jetzt hatte er nur noch Angst vor dem Verlust. Verzweiflung lag in seiner Stimme.

„Aber eins musst du dir noch anhören. Vorher kommst du hier nicht raus. Für mich war es nicht nur Sex, für mich war es Liebe. Sollte ich mich bei dir so getäuscht haben?“ In Monas Gesicht zuckte es. „Du willst es ganz genau wissen, was? Es war Sex, nichts weiter. Nur Sex!“ Sie begleitete dabei mit eindeutigen Bewegungen ihre Worte und lachte noch dabei.

Das machte Mike wütend. „Du solltest dich mal im Spiegel sehen.“ Er zeigte dabei auf den großen Wandspiegel im Flur und redete sofort weiter. „Hörst du dich da reden? Glaubst du, was du sagst? Das ist so ein dummes Zeug, auf schwäbisch ein ‚saudommes Lettagschwätz‘! Es ist mir völlig egal ob du lila, rot, gelb oder schwarz bist! Ich liebe dich, das merke ich jetzt besonders, wo du mir das Gegenteil einzureden versuchst. Dein Gerede von purem Sex kannst du dir sparen, du belügst dich nur selbst. Und wenn du mit anderen Zeitgenossen negative Erfahrungen gesammelt hast, weil… weil sie dich nur ins Bett kriegen wollten, so tut es mir echt leid.“

Monas Nasenflügel fingen an zu beben: „Ganz genau so ist es. So seid ihr weißen Typen nämlich. Kannst ja jetzt auch damit angeben, ich hab ’ne schwarze gef…“

Mike unterbrach Mona, das Blut schoss ihm in den Kopf. Zorn, Frust und Angst wechselten ab. „Das traust du mir zu? Habe ich einen solchen Eindruck bei dir hinterlassen?“ Mona wich zurück. Sie merkte, dass sie überzogen hatte, wollte jetzt endgültig einen Schlusspunkt setzen.

„Sonst kapierst du es ja nicht!“ Mike gab sich noch nicht geschlagen, ihn trieb die schiere Ausweglosigkeit. „Ich kapiere sehr wohl. Niemals werde ich über dich so reden, dafür war es viel zu schön. Vor was hast du Angst, vor einer Beziehung mit einem Weißen? Wir leben doch nicht mehr im 20. Jahrhundert.

Noch mal: ich will dich, nur dich, versteh das doch! Ich will und werde nicht zurück zu Angelika gehen, egal wie das Ganze jetzt endet. Warum bist du so hässlich zu mir, was habe ich dir getan?“

Er zitterte am ganzen Körper. Mona stand vor ihm. Lange blickte sie ihn wortlos an. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich wieder und völlig ruhig fragte sie Mike. „Meinst du das ernst mit der Absage? Du sagst wegen mir deine Hochzeit ab?“ Sie betonte dabei deutlich das „mir“. Mike nickte, die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Tränen. „Ich habe Angst, dass du jetzt hier raus gehst und ich dich nicht mehr wiedersehe.“ Sie kam ihm sehr nahe. „So schlimm?“ Wieder nickte Mike nur, er war außerstande, irgendetwas zu sagen.

Mona umarmte Mike und drückte ihn fest an sich. „Bitte verzeih mir, ich habe dich schlecht behandelt, sehr schlecht sogar. Ich habe dir wehgetan, das tut mir aufrichtig leid.… Auch bei mir ist es Liebe. Mir ging es wie dir, es war da, von Anfang an. Aber ich habe einfach Angst vor einer ernsthaften Beziehung und ich spüre deutlich, dass mit dir so was passieren wird. Ich habe auch noch nie so empfunden wie gestern Nacht, ich wollte mir das nur nicht eingestehen. Kannst du mir verzeihen?“ Mike nickte und flüsterte ihr zu: „Das kann ich.… Ich liebe dich.“

„Schsch, sei still.“

Sie küsste ihn, nahm seine Hände und zog ihn in das Schlafzimmer. „Komm, ich habe was gutzumachen.“ Mona drückte Mike sanft in das Bett, setzte sich auf ihn und begann sein Hemd aufzuknöpfen. „Bitte hör auf damit, ich kann nicht.“ Sie war betroffen von seiner Reaktion. „Was ist mit dir? Ich wollte dich nicht verletzen. Was soll ich tun? Bitte!“

Mike drehte den Kopf zu ihr hin und atmete tief durch. „Ich will einfach nur wissen, soll ich absagen oder nicht?“ Mona kniff die Augen zusammen, die Tonlage veränderte sich. „Wie soll ich das denn verstehen? Sag ich nein, hältst du sie dir warm, oder wie?“

Mike wehrte mit den Händen ab. „Nein, nein. Es geht einfach darum, ob ich jetzt am Wochenende nach Süddeutschland fahre und Nägel mit Köpfen mache. Ich will keinen schwebenden Zustand mit Angelika. Das halte ich nicht aus.“ Sie verstand ihn immer noch nicht. „Dann fahr und mach Schluss, ich hab nichts dagegen!“ Mike druckste herum. „So mein ich das nicht.“

Sie wurde sehr eindringlich, ihr Gesicht war Mike ganz nah. „Wie meinst du es dann? Hör auf, hier herum zu eiern. Was willst du dann, ich kann dir nicht folgen.“ Mike zögerte immer noch. „Was willst du? Rede!“

„Begleite mich!“ Ihre Augen wurden groß. „Dich begleiten? Hältst du das für eine gute Idee? Deine Verlobte wird sich freuen, wenn du den Grund für die Entlobung gleich mitbringst. Mike, denk bitte nach. Du gießt Öl ins Feuer.… Und fliegt uns beiden dann um die Ohren.“

„Ich weiß das auch. Aber vielleicht bist du die einzige Fürsprecherin, die einzige, an die ich mich hinterher wenden kann. Zu Angelika musst du auf keinen Fall mit, aber bei meinen Eltern will ich klare Verhältnisse. Sie müssen wissen warum und weswegen. Sie haben mich zu Toleranz erzogen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dich ablehnen.“

Mona dachte nach und legte sich neben Mike. „Hast du deine Verlobte in den Jahren, als ihr zusammen wart, mal betrogen?“ Mike richtete sich auf. Verständnislos blickte er sie an. „Was soll diese Frage? Nein, niemals!“

Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Dann nach einer kurzen Unterbrechung sagte er langsam. „Ich will ehrlich zu dir sein. Doch, ein einziges Mal habe ich sie betrogen. Mein Gewissen hat mich auch geplagt.“ Mona richtete sich auf. „Du warst ihr untreu? Ich will keinen Freund, der nicht treu ist.“ Während sie das sagte, ließ er sich zurückfallen und schaute dabei verträumt an die Decke.

„Sie war meine große Liebe. Nie zuvor hatte ich so gefühlt.“

„Sag mal, spinnst du? Und was bin ich jetzt?“

„Moment, du wolltest doch, dass ich ehrlich zu dir bin, oder?… Sie hatte wunderbare Augen, wie zwei Polarsterne.“ Mike blickte immer noch an die Decke und Monas Stirn zog sich langsam aber sicher in Falten.

Sie war kurz vor dem Aufspringen, so redete Mike schnell weiter. „Na ja, und sie war natürlich auch was ganz besonderes. Schon ein kleines bisschen eigensinnig und sie war“, Mike blickte ihr jetzt direkt in die Augen, „schwarz!“ Mona bekam große Augen und sprang wie eine Wildkatze auf Mike. „Ah, du Schuft, verkohlst mich hier die ganze Zeit. Na warte, mein Lieber.“ Der wehrte sich. „Wieso denn, ich habe nichts als die Wahrheit gesagt. Nichts war gelogen.“

Ihre Stimme wurde weich. „Kannst du das noch mal wiederholen?“

„Ich glaube nicht.“ Mona reagierte enttäuscht: „Und warum nicht?“

„Weil du das Gesülze nicht magst. Ich will’s mir mit dir doch nicht verderben.“ Mike grinste. Mona rollte aus dem Bett und ging ohne ein weiteres Wort ins Berliner Zimmer, nahm sich eine Decke und setzte sich in einen der Herrensessel. Mike blieb verdattert zurück, besann sich kurz und lief zu Mona.

Die hatte Tränen in den Augen. „Bist du jetzt zufrieden?“ Mike ging neben dem Sessel auf die Knie. „Tut mir leid. Ich hab das vorhin ernst gemeint. Du bist meine große Liebe. Deine Augen leuchten wie zwei Polarsterne, aber nur wenn sie glücklich sind. Mona, bitte sieh mich an.“ Mona drehte sich langsam zu ihm, umfasste ihn und rutschte aus dem Sessel. Keine Worte fielen mehr. Sie küssten sich.

Nach einiger Zeit sagte Mona leise zu Mike. „Ich fahre mit nach Süddeutschland. Außerdem habe ich keine Angst weder vor deiner Familie noch vor deiner Verlobten.“ Mike lächelte: „Ich bin froh, wenn du dabei bist. Übernachtet wird aber im Hotel!“

So geschah es. Mona wusste jetzt endgültig, das er es ernst mit der Auflösung der Hochzeit meinte.

Ein folgenreicher Anruf

Am Abend 19 Uhr. Mike hatte sich endlich durchgerungen, in Lorch anzurufen. Mona hatte bereits am Vormittag die Wohnung verlassen und war direkt in die Schauspielschule gefahren. Mike fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut, als er den Hörer abnahm und Angelikas Nummer wählte.

Vor allem: Es war das Festnetz und nicht die mobile Rufnummer wie sonst immer. „Hallo Marianne, Mike hier, ist Geli zu sprechen?“

„Ja, die ischt da, wieso rufscht du denn auf dem Feschtnetz an? Geeliii, kommscht du mal bitte ans Telefon, Mike ist dran!“ Angelika kam im Laufschritt an.

„Wieso denn am Telefon, hat der Hutsimpel meine Handynummer vergessa!“ Angelikas Mutter zuckte mit den Schultern. „Kei Ahnung.“ Sie reichte ihrer Tochter das Telefon. „So Mike, ich bin da. Was gibt’s, weischt du meine Handynummer nicht mehr, es sind grad einmal zwei Tag her.“ Mikes Stimme zitterte. „Geli, hör mir zu, ich komme am Samstag nach Lorch.“

„Wieso schwätzt du jetzt hochdeutsch mit mir?“

„Ich werde so gegen fünfzehn Uhr bei dir sein, bist du dann da?“

„Du hörscht dich so andersch an, sag a mal, hat’s mit der Hochzeit zum tun?“

„Ja, aber bitte nicht mehr am Telefon, ich will das persönlich mit dir besprechen, also dann bis Samstag!“

„Wart, halt…, so ein Grasdackel aber au.“

Mike hatte den Hörer schon aufgelegt und ging auch nicht mehr ans Telefon, obwohl es noch mehrere Male klingelte. Daraufhin schickte er noch eine SMS hinterher, dass er sich telefonisch nicht mehr melden und am Samstag alles persönlich erklären werde.

Der nächste Anruf galt seinen Eltern. „Hallo Mama, du ich wollt euch sagen, dass ich am Samstag nach Lorch komme. Ab fünf könnt ihr mit mir rechnen.“

„Oh, was für eine Überraschung, da freuen wir uns aber! Aber so kurz vor der Hochzeit, gibt es einen Grund?“

„Ja den gibt es, aber alles am Samstag, bis dann!“

Mike hatte mit seinen Anrufen für heftige Verwirrung und Spekulationen gesorgt. Angelika ahnte schlimmes, Christiane, Mikes Mutter, dagegen machte sich keine weiteren Gedanken, sie war glücklich, dass just an diesem Tag auch ihre Tochter Melanie mit Mann Michael auf ihrer Heimreise aus dem Winterurlaub kurz in Lorch Station machen wollten und so völlig überraschend die ganze Familie beisammen wäre.

Als Christiane Uwe, Mikes Vater, von dem Anruf erzählte, bemerkte dieser nur trocken. „Wenn der Mike mal nicht die Hochzeit absagen will.“

„Uwe, das glaube ich nicht, unser Sohn sagt nicht zwei Wochen vorher eine Hochzeit ab, die zwei mögen sich doch!“

„Vielleicht hat er eine andere gefunden, bei dem Wankelmut unseres Sohnes würde mich das nicht verwundern.“

„Du siehst Gespenster, ich kenne ihn, dass würde er uns niemals antun.“

„Er hat auch ohne Not einen guten Job aufgegeben um nach Berlin zu gehen. Dafür könnte ich ihn heute noch…“

Christiane unterbrach Uwe. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Er ist jung und da macht man eben manchmal Dinge, die den Eltern nicht gefallen. Eine Hochzeit ist was anderes. Alles ist organisiert und bestellt, alle Termine stehen. Da kann man nicht mehr absagen. Das ist genauso, wenn jemand vor dem Traualtar nein sagt. Ich habe so was bisher noch nicht gehört. So was gibt es nur in schlechten Filmen und noch schlechteren Büchern. Außerdem können sich so einen Mist nur Männer ausdenken.“

Damit war die Diskussion beendet. Für Christiane war die Bemerkung von Uwe außerhalb ihres Vorstellungsvermögens.

Monas Familie

Am Abend des gleichen Tages kam Mona heim ins Elternhaus. „Haus“ ist eine zu bescheidene Umschreibung für eine neobarocke Villa aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Die Villa lag in der Villenvorstadt Grunewald, einem noblen Wohngebiet im Westen des Bezirkes Wilmersdorf. Die gesamte Nachbarschaft bestand aus ähnlichen Gebäuden mit großen Grundstücken.

Fast die gesamte Familie Rösler saß beim Abendessen. Ihre Mutter Thelma, ihre Halbschwester Denise und ihr Halbbruder Kevin. Es fehlten ihr Vater Martin, der sich beruflich im Ausland aufhielt, und ihr Stiefbruder Kai.

Kai hasste seine Stiefmutter Thelma wie auch seine Stiefschwester Mona. Es war eine Mischung aus Neid, Arroganz und Fremdenhass. Mit ein Grund war aber das Verhalten seines Vaters Martin, der seine Geschwister, insbesondere Mona, ihm gegenüber immer als vorbildlich hinstellte. Er, der ewige Student, bekam weder die Stellung noch die Anerkennung bei seinem Vater, die er für sich als ältester Sohn beanspruchte.

Mona schloss die Tür auf, legte Mütze und Mantel ab und begrüßte fast überschäumend ihre Familie. Sie setzte sich mit an den Tisch. Es sprudelte förmlich aus ihr heraus. „Hört mal alle zu!… Ich habe mich verliebt und…“

„Wissen wir, in Tom, ist doch nichts Neues!“, unterbrach sie Denise. „Der alte Vollhorst, nichts in der Birne aber dafür viel in der Hose.“ Das war schon eine heftige Beleidigung. Kevin konnte Tom– Monas Freund– überhaupt nicht leiden. Er hielt ihn für ungebildet und oberflächlich. „Kinder, beherrscht euch alle mal ein bisschen und du Kevin weißt genau, dass ich solch abfälliges Gerede hier im Haus nicht hören will. Dass Kai ständig so dumm daher redet, ist schon schlimm genug, ihr müsst euch nicht auch noch diesem Niveau anschließen.“

Das war für Mona die Chance wiederum das Wort zu ergreifen. „Nein es ist nicht Tom, der ist Vergangenheit.“

„Welch weiser Entschluss.“

„Kevin, lass mich endlich mal ausreden, ja. Ich habe auf der Berlinale einen Mann kennengelernt. Der ist so nett, gebildet, einfühlsam, hat gute Manieren und ist ein… Weißer!“

„Oh, ich dachte du stehst nur auf schwarze Jungs oder zumindest Latinos. Der muss ja wirklich was ganz Besonderes sein“, gab Kevin zum Besten. „Ist er auch.“ Mona zögerte und stellte fast beiläufig fest, nicht ohne alle genau zu beobachten: „Stellt euch vor, er heiratet in drei Wochen!“

Alle drei reagierten betroffen. „Wen, dich?“, wollte Denise wissen. „Wie, was, du heiratest?“, auch Kevin dachte in die gleiche Richtung. „Nun redet mal nicht alle durcheinander. Mona, dein neuer Freund heiratet also, nicht dich nehme ich an. Wie kannst du dich in so einen verlieben? Hast du dir das auch überlegt? Denk an deine bisher gemachten Erfahrungen! Ich weiß jetzt nicht ob ich lachen oder weinen soll?“, warf Thelma ein und schüttelte den Kopf. „Ich habe dich für besonnener gehalten.“

Mona genoss das Schauspiel und wartete darauf, bis ihre Mutter ausgeredet hatte. Amüsiert lehnte sie sich zurück. „Ja, und das ist noch nicht alles!“

„Nein?“

„Nein! Ich fahre am Wochenende mit ihm zusammen nach Süddeutschland. Er wird wegen mir,… habt ihr gehört, nur wegen mir seine Hochzeit absagen! Ach, übrigens, er heißt Mike und ist Schwabe.“ Thelma nickte wohlwollend. „Alle Achtung, na dann kann er so verkehrt nicht sein! Das ist ein sehr mutiger und nicht alltäglicher Schritt, der viel Ärger einbringen kann. Hoffentlich fällt er nicht um. Du solltest dich auf einiges gefasst machen, aber damit hast du ja Erfahrung.“

Thelma spielte dabei auf eine sehr negative Erfahrung Monas mit einem früheren ebenfalls weißen Freund an, der sie vor seiner Familie zutiefst gedemütigt hatte. Damals hatte sich Mona geschworen, nie mehr eine Beziehung mit einem Weißen einzugehen. „Mit Mike passiert das nicht. Da bin ich mir sicher.“

„Ich wünsche es dir von ganzem Herzen.“ Thelma stand auf und umarmte ihre Tochter. Der Abend endete schließlich in einer fröhlichen Runde. Mona verteilte die übrigen Kinotickets der Berlinale an ihre Geschwister, Tom brauchte sie jetzt nicht mehr.

Angelika

Es war soweit, der von Mike gefürchtete Tag war gekommen. Die Absage der Hochzeit und die Aufhebung der Verlobung standen bevor. Ziel der Fahrt war die typisch schwäbische Kleinstadt Lorch im Remstal, 40 km östlich der Landeshauptstadt Stuttgart gelegen. Zahlreiche Fachwerkhäuser prägen das Stadtbild. Stolz ist die Stadt auf ihre Vergangenheit, die mit sehenswerten Denkmälern schon in der Römerzeit beginnt, über die Stauferära mit seinem romanisch-gotischem Kloster reicht und in der Neuzeit Friedrich Schiller als Kind beherbergte. Seinem damaligen Lehrer, dem Pfarrer Phillip Moser setzte er mit seinem Drama ‘Die Räuber’ ein literarisches Denkmal.

Mona hielt ihr Versprechen und begleitete Mike. Gekleidet, wie einem Modemagazin soeben entsprungen, mit beigefarbener Stoffmütze und einer eleganten beigefarbenen Jacke, machte sie auf Mike mächtig Eindruck. Nach kurzer aber umso intensiverer Begrüßung nahm sie ihre Mütze ab, warf diese auf den Rücksitz und schüttelte ihre Haare. Mike saß neben ihr mit offenem Mund. „Was ist, gefallen dir meine Haare nicht?“ Sie genoss die gelungene Überraschung.

Glatte lange– fast schwarze– Haare umrahmten ihr Gesicht. Ein durch die Windschutzscheibe des Autos fallender Sonnenstrahl ließ einen türkisfarbenen Schimmer erahnen. Ihre Haare umspielten ihre Wangen, eine Strähne hing keck ins Gesicht. Die Lippen hatten einen ähnlichen Farbton wie die Haare. Mike liebte lange Haare bei Frauen, nur mit einer solchen Länge hatte er nicht gerechnet. Sie reichten ihr weit über die Schulter hinab.

Mike musste sich erst wieder fassen. „Mein Gott, bist du schön!“, sagte er leise. „Und so was sitzt nun neben Mike und ist seine Freundin, unglaublich!“

„Dann gefalle ich dir also, ich habe gedacht, ich geh mal weg vom Black-Beauty-Outfit. Lass uns endlich losfahren, sonst kommen wir nie an!“ Nichts passierte. Mike sah sie weiterhin fasziniert an, außerdem wollte er noch was von ihr. „Darf ich mal anfassen?“ Lächelnd sagte sie leise. „Na, mach schon!“ Vorsichtig fuhr Mike mit seiner rechten Hand durch ihre Haare. „Die fühlen sich an wie Seide. Wahnsinn!“

Sie fuhren die A9 über Nürnberg nach Süden. In der Höhe von Ansbach legten sie auf einer Raststätte eine kurze Kaffeepause ein, um einen Fahrerwechsel vorzunehmen. Nach der Pause fuhr Mona weiter, so hatte Mike viel Zeit, sie in aller Ruhe zu betrachten. „Und, zufrieden mit deiner schwarzen Freundin?“

„Mona, mir fehlen die Worte.“

„Das glaube ich nicht, du kannst doch gar nicht still sein.“

„Ist ja auch nur eine Redewendung. Ich versteh das gar nicht, du wirst bei jedem Wiedersehen immer noch schöner.“

„Mike, nicht übertreiben. Du kannst so wunderbare Komplimente machen, nur überziehen darfst du nicht. Verstanden?“

„Okay, auch wenn’s schwer fällt. Trotzdem gefallen mir deine Haare so viel besser.“

Nach sechs Stunden Fahrzeit erreichten sie endlich ihr erstes Ziel in Lorch, das Haus von Angelikas Eltern auf dem Kellerberg, einer Neubausiedlung in Halbhöhen- und Höhenlage mit herrlichem Ausblick über das gesamte Remstal in Richtung Stuttgart. Die Sonne schickte ihre ersten wärmenden Strahlen auf dieses schöne Fleckchen Erde.

„Du wartest im Auto, wie besprochen.“

„Ich möchte aber mit.“

„Ist besser so, glaub es bitte!“

„Nur unter Protest, ich wünsch dir viel Glück.“ Ein Kuss zur Stärkung und das „Unternehmen Entlobung“ begann. Mike ging langsam mit schweren Beinen durch das Gartentor zum Hauseingang. Er klingelte, nichts passierte. Heimlich hoffte er, dass sie ihn vielleicht überhaupt nicht sehen wollte. Er klingelte ein zweites Mal. Die Tür öffnete sich langsam. Es war Angelikas Mutter. „Grüß Gott Mike. Komm rein. Kannscht gleich nach oben gehen, Angelika wartet schon auf dich.“

Mike klopfte. „Herein!“ Er öffnete langsam die Tür und trat sichtlich gehemmt ein. Vor ihm saß Angelika mit verheulten Augen und schaute ihn traurig an. Wenn sie nicht so vergrämt ausgesehen hätte, käme die Schönheit dieser jungen Frau mit ihren langen welligen rotblonden Haaren und den grünen Augen viel besser zur Geltung. Mike versuchte ein zaghaftes „Grüß dich“ auszusprechen, welches er aber halb verschluckte. Sie reagierte nicht, kein Gruß kam über ihre Lippen. „Und, was willscht du mir persönlich saga?“ Mike nahm beide Hände von Angelika in die seinen und schaute sie direkt an. Er sprach ganz leise. „Geli, es fällt mir unsagbar schwer, dir das zu sagen. Ich weiß auch, dass du das nicht verdient hast. Aber ich… ich kann dich nicht heiraten!“

Angelika riss sich los und sprang auf, wurde laut. „So, es fällt dir schwer mir so was zu saga. Aber die Trennung, die fällt dir leicht, mal schnell so zwei Wocha vor der Hochzeit. Des Kleid ischt auch schon kauft, des kann ich jetzt in die Tonne haua. Was denkscht du dir eigentlich dabei?“

„Ich zahl’s dir!“ Angelika wurde laut. „Was bisch du bloß für ein Scheißkerl. Glaubscht du vielleicht, mit dem bissle Geld ischt es getan? Warum tuscht du das, gibt’s eine andere?“ Mike merkte, dass er das mit dem Geld nicht hätte sagen sollen. Was sollte er jetzt erwidern?

„Ja!“ Angelika wurde immer wütender „Ich glaub’s ja net. Und damit kommscht du jetzt daher? Hätt dir des net früher einfalla könna. Wie lange geht des schon?“

„Fünf Tage.“ Angelikas Stimme fing an, sich fast zu überschlagen. „Was, net einmal eine Woche, spinnscht du? Du schmeißt vier Jahre Beziehung einfach weg! So mir nix dir nix. Und ich bekomme kei Chance. Du schtellst mich einfach vor vollendete Tatsacha? Was hab ich falsch gmacht, sag’s.“

„Nichts, es liegt nur an mir.“

„An dir, ach so! Na denn isch ja alles in Ordnung. Du kennsch die andere grad eine Woche. Habt ihr zusammen durchgvögelt, dass du dir so sicher bischt.… Halt einmal, als ich dich angrufa hab, am Montag…“

„Ja, da haben wir uns kennengelernt, sie saß mit im Auto.“

Jetzt wurde Angelika ganz leise und zischte, ihre Blicke durchbohrten Mike förmlich. Er dagegen fühlte sich immer kleiner und hilfloser. „Und du hascht mich gnadenlos am Telefon anglogen und zurückgrufen hascht du erscht gar nicht. Du bischt so ein fieser Feigling!“

In diesem Augenblick erhielt er eine krachende Ohrfeige. Ihre Finger brannten auf seiner Wange, die sich bereits langsam rötlich färbte. „Geli, das hat nichts mit dir zu tun, du bist völlig unschuldig. Aber was soll ich machen, ich hab sie gesehen und mich verliebt. Am Tag darauf wusste ich schon, dass es nur noch diese Frau für mich gab. Ich kann dich doch nicht heiraten, wenn ich eine andere liebe.“

„Nach einem Tag, ich fass es nicht. So was geht doch gar net, du ticksch doch nicht mehr richtig.“ Angelika holte tief Luft. „Und, ischt sie wenigschtens hübsch, blond und blauäugig? Oder was hat se, was ich net hab?“

„Nein, das ist doch überhaupt nicht wichtig.“

„Doch, des ischt für mich wichtig, ich hab ein Recht drauf zu erfahra, wer mich in nur ein paar Tagen aus dem Feld haut!“ Mike zögerte kurz. Ungeduldig und wütend blickte sie ihn an. „Du erfährst es ja später sowieso. Sie stammt aus Afrika und ist nicht blond.“

Angelika schaute Mike völlig entgeistert an. Erst leise und dann sich langsam steigernd sprudelte es aus ihr heraus: „Willsch du mir etwa grad klarmacha, dass du es mit einer Negerin trieba hascht und dass du mich wegen so einer nicht heirata kannscht?“ Mike nickte und schluckte trocken. „Eine Schwarze? Mit krause Haar und dicke Lippa? Kann se überhaupt deutsch?“

Sie drehte sich weg, um sich im nächsten Augenblick wieder anders zu besinnen. Ihre Stimme wurde sehr eindringlich. Mit bettelnden Augen sah sie ihn an. „Mike, bitte. Bin ich so hässlich? Ich lieb dich. Mir wollten eine Familie gründen. Du hascht zu mir mal gsagt, ich sei deine Traumfrau. Alles weg? Nach einer Woch? Bitte gib mir noch eine Chance. Wir können die Hochzeit auch verschieba.… Bitte gib mir eine letzte Chance!“ Genau das hatte Mike befürchtet. Wenn sie ihn nur angeschrien hätte, wäre es leichter gefallen. Er wusste, dass er sie schwer verletzen wird, unverdient. Angelika kniete vor ihm mit Tränen in den Augen. Mitleid stieg in ihm auf, er kämpfte mit sich.

Wollte er Angelika tatsächlich so viel Leid zufügen, oder sollte er doch nachgeben. Sie hatte zu dieser Situation nichts beigetragen, er alleine war der Urheber. Er stürzte sie in diese schwere Krise ohne einen Funken Rücksicht zu nehmen. Das zu verhindern ging nur, wenn er Mona verstieß. Er schloss die Augen, da erschien Mona vor seinem geistigen Auge. Ihm wurde zum ersten Mal in seinem Leben bewusst, wie sehr man eine Frau lieben konnte. Er begriff, dass diese Frau Mona war. Das zu verstehen, hieß auch einzutreten für Mona. Leise, aber sehr deutlich flehte er Angelika an: „Ich kann das nicht. Bitte verzeih mir.“ Die stieß einen durchdringenden Schrei aus, fiel auf ihren Stuhl zurück und vergrub das Gesicht in ihre Hände. Die Tränen rannen ihr über die Wangen.

Angelikas Geschrei hatten natürlich auch ihre Eltern gehört. Ihr Vater rannte die Treppe hoch, riss die Tür mit so einer Gewalt auf, dass sie krachend gegen die Wand flog und dort Putz und Tapete beschädigte. Als Mike Angelikas wutschnaubenden Vater sah, bekam er es mit der Angst zu tun, denn er kannte ihn als aufbrausenden cholerischen Menschen, der bei seinen Ausbrüchen immer unberechenbar blieb.

Mike stellte sich auf alles ein. „Was hascht du Saukerl mit meiner Tochter gmacht?“, brüllte Angelikas Vater, als er seine Tochter völlig aufgelöst auf dem Stuhl sitzen sah. „Er hat mich mit einer Negerin betroga!“, wimmerte leise Angelika. Ihr Vater griff zu einem Pokal, der im Schrank stand und schleuderte diesen in Richtung Mike. Der duckte sich geistesgegenwärtig weg und das Geschoss durchschlug klirrend die Fensterscheibe. „Was, eine Niggerin? Jetzt kannscht du was erleba! Ich mach dich so was von fertig! Ich schlag dich ungspitzt in den Boden rein.“ Währenddessen saß Angelika immer noch apathisch da, unfähig zu reagieren. Sie hatte verstanden, dass es endgültig aus war.

Den Krach und das klirrende Glas hörte man auch auf der Straße und bei den Nachbarn. Auch Mona hörte und sah die Scheibe in die Brüche gehen. Sie riss die Autotür auf, rannte zum Haus, klingelte und trommelte gleichzeitig mit den Fäusten gegen die Haustür. Nichts rührte sich. „Sofort aufmachen!“ Keine Reaktion. Sie schaute nach rechts und nach links, lief den schmalen Plattenweg um das Haus herum zur Rückseite in den Garten so schnell sie konnte. Blitzschnell war sie auf der Terrasse, aber auch hier waren alle Türen verschlossen.

Kurz entschlossen griff sie nach einer leeren tönernen Blumenschale und warf diese durch die Balkontür. Unter lautem Getöse ging die Türscheibe zu Bruch. Angelikas Mutter stand wie angewurzelt im Zimmer und schrie um Hilfe. Mona ließ sie einfach stehen und stürmte an ihr vorbei die Treppe hinauf, immer dem Lärm nach. Angelikas Mutter, nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte, hinterher.

Angelikas Vater, größer und stärker als Mike, hatte diesen inzwischen auf den Boden geworfen und am Hals gepackt. Mikes Abwehrversuche waren nur halbherzig und deswegen zum Scheitern verurteilt. Angelika schaute nur teilnahmslos zu. Als Mona in der Tür stand, ließ Angelikas Vater sofort von Mike ab. Der lag noch röchelnd am Boden und schnappte nach Luft. Alle konzentrierten sich auf Mona. Die schien überhaupt keine Angst zu haben, ihre Augen suchten Mike.

Mit bedrohlicher Stimme herrschte sie Angelikas Vater an. „Rühren Sie ihn nicht mehr an. Ich warne Sie ausdrücklich.“ Sie wollte sich schon zu Mike hinwenden, als eine starke Hand sich um ihren Arm krallte. „Da ischt ja die schwarze Hur! Soll ich jetzt Angscht bekomma?“ Er fühlte sich überlegen und lachte dabei. „Jetzt bischt du dran.“

„Ich habe Sie gewarnt, Finger weg!“ Mona fuhr ihn in einer ungeheuren Schärfe an.

In diesem Augenblick kam Angelikas Mutter in das Zimmer. Angelika fiel ihr um den Hals. Während der ganzen Zeit standen beide nur da und schauten ungläubig zu. Mona fauchte Angelikas Vater an. „Loslassen, sofort!“ Ein Grinsen war die Antwort. Mona machte eine schnelle Drehung, löste sich aus der Umklammerung und versetzte ihrem Widersacher bei einer weiteren Drehung einen mächtigen Kinnhaken mit dem Fuß. Das passierte innerhalb weniger Sekunden. Der Angreifer ging benommen zu Boden.

„Bleib liegen, oder du erlebst die nächste Stunde nicht mehr!“, herrschte sie ihn an, ging auf Mike zu und half ihm aufzustehen. „Ich gebe dir Recht, war doch gut, dass ich mitgekommen bin. Diese Seite kanntest du noch nicht von mir. Ich bin kampfsporterprobt, dient der Selbstverteidigung. Wie man sieht, ist es auch für so was gut.“ Mike brachte kein Wort heraus, nur ein unverständliches Glucksen. „Hey, wie geht es dir? Musst du zum Arzt?“ Ihre Stimme war voller Sorge.