Mord im Februar - Ellen Powell - E-Book

Mord im Februar E-Book

Ellen Powell

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Beschreibung

Als die extravagante Harriet Vanhurst Mitte der 60er Jahre in ein verschlafenes Nest in Virginia zieht, überschlagen sich kurze Zeit später die Ereignisse. Das Filmstarlet, das der Männerwelt des Ortes den Kopf verdreht, wird erdrosselt aufgefunden. Verdächtige gibt es viele, selbst der Vikar des Ortes verhält sich mehr als verdächtig. Harriet und ihre Nachhilfeschülerin Jane jagen das Monster, dass es auf platinblonde Sexbomben abgesehen hat.

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Mord im Februar

Darling, du musst sterben

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1

2

3

4

5

6

7

8

9

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Impressum neobooks

1

Als Harriet Vanhurst, von Freunden Harri gerufen, 1963 in Broughton Poggs Virginia das Swanson Cottage erwarb, hielt man das im Ort für den Gipfel der Extravaganz, die Immobilie war eine Ruine. Das niedrige Gebäude war aus roten Natursteinen gemauert und mit Granitschindeln gedeckt. Eine Burg der Besinnung und des Friedens sollte es sein, - ha! Kaum hatten die örtlichen Handwerker, ihre Ersparnisse geraubt. Es war schwerer Raub, bewaffnet mit Sägen, Zangen und Kupferleitungen, wurde der Highway 56 eröffnet. Jetzt vereinigte ein 6-Spuriger Highway den romantischen Ort mit Richmond. Nicht mit der Stadt der schaukelnden weißen Yachten im Hafen, der großen Colleges und Universitäten, sondern mit dem Industrie- und Militärstandort. Die Einwohnerschaft schwoll über Nacht auf das doppelte an und sofort kletterten die Immobilienpreise in eine Höhe, als würde die Geschwindigkeit, mit der man den Ort verlassen konnte, sich im Bodenpreis widerspiegeln.

Weil sie finanziell total abgebrannt war, hängte Harriet im Januar eine Notiz an das Schwarze Brett vor der Saint John Kirche, indem sie ihre Dienste als Nachhilfelehrerin anbot.

Autorin, Ph.D englische Literatur des 18 Jh. The Oxford Master of Arts, Christ Church College bietet Nachhilfe für Kinder und Studenten.

Das hatte sie nun davon!

Sie saß am Schreibtisch neben dem Fenster und besah geistesabwesend die Gegend. Ein kristallenes Glitzern lag in der Luft. Sie schien tausend Meilen weit, durch die Kälte sehen zu können. Der ergraute Schnee lag knöchelhoch in den Straßen. Vier, dick eingemummte Jungen flogen, brummend mit ausgebreiteten „Flügeln“ die Church Street entlang und warfen Schneebomben an die Fensterscheiben der „feindlichen“ Geschäfte.

Im Zimmer beschlugen derweil die Fensterscheiben, Harriet nannte dieses Tropenhausklima „angenehm warm“. Das Feuer im Feldsteinkamin brannte, seit Ende Oktober ununterbrochen. Die Luft roch nach harzreichem jungem Holz, Hauptursache für Hausbrände 1964 im ländlichen Amerika. Der in aristokratisch Blau tapezierte Raum bildete ein seltsamen Kontrast zum schäbigen, ausgetretenen Teppich auf dem Holzdielenboden. Es sah aus, als liege die Leiche eines Bettlers zu den Füssen eines barocken Fürsten. Die Möbelstile waren wild vermischt, Bauhaus und Empire dienten ausschließlich dem Zweck, bequem zu sein.

Die Malachitgrünen Fenstervorhänge waren aufgezogen. Vor dem viktorianischen Sofa, aus der Zeit, als es noch hieß, Möbel müssen schwer sein, und der Kauf eines Sofas ist eine Anschaffung fürs Leben und ein Merkmal von Qualität, ist wie beim Goldbarren das Gewicht, stand ein wackliger Tisch. Die kleinen Ölbilder, an der Kaminwand zeigten eine idyllische Dorflandschaft. Sie wurden von einem New Yorker Bohemien des 19. Jahrhunderts gemalt, der das Jahr 1909 in Broughton Poggs verlebt hatte. Der rurale Poet der „zurück aufs Land Bewegung“ John Saint Claire, trat nie in einen Kuhfladen. Noch presste er sich verzweifelt die Kissen auf seine Ohren, weil in aller Herrgottsfrühe sämtliche Hähne krähten, als hätten sie sich verschworen und damit die Hofhunde aufweckten, die infernalisch zu Bellen anfingen, und diese positive Grundstimmung sah man den Bildern an.

Jane Swattons, Harriets erste und ganz bestimmt auch letzte Nachhilfeschülerin, lieber würde sie für 80 Dollar die Woche in die Fabrik, an ein Fließband gehen, las ihre Kinozeitschrift. Das Mädchen drehte sich zu ihrer Lehrerin und fragte mürrisch nach der Uhrzeit.

Harriet seufzte und sagte: »Mir scheint auch die Zeit ist heute zähflüssig wie Teer und will einfach nicht vergehen. Also gut, was hältst du von französischer Revolution zum Abschluss?«

Jane sah ihre Lehrerin mit großen Augen an: »Was? Die Franzosen nun auch? Ich dachte die Bolschewiken sind in Russland?«, rief Jane entsetzt.

Harriet ignorierte die Bedenken des Dummkopfs zum russischen Urheberrecht an, Robespierre und Co und fuhr fort: »Es gibt eine literarische Unwahrheit über eine Königin, die genauso attraktiv wie dumm gewesen sein soll. Du musst wissen, das Haus Austria und die Intelligenz, ist wie Hund und Katz.«

Jane dachte nach: »Literarische Unwahrheit, das ist doch eine Lüge! Warum sagen Sie das denn nicht!«, beschwerte sich das Mädchen.

Nach einem Seufzer machte Harri weiter mit ihrem Satz: »Ihre berühmteste Leistung, außer aufsehenerregende Kleider und prachtvolle Perücken zu tragen, war. Sie verlor als erste Monarchin den Kopf unter der Guillotine.«

»Waren Perrücken verboten? Und was haben die ganzen Glatzköpfe gemacht?«, fragte Jane.

Harriet spürte dieses Druckgefühl im Kopf, als zerdrücke eine eiserne Faust ihr Gehirn, der Schmerz strahlte selbst bis in die Schultern. Bevor sie Jane Swattons Bekanntschaft machte, hatte sie nie Probleme mit Migräne gehabt. Sie überhörte den weiteren Beweis von Dummheit. Gott weiß der wievielte schon an diesem Nachmittag.

»Jean Jacques Rousseau ließ sie fragen: Die Bauern hungern, Sire? Sie haben kein Brot, wieso essen Sie keine Küchlein?«

Jane winkte ab: »Diese uralte Geschichte, Napoleon und Kleopatra, kenne ich schon.«

»Napoleon und Kleopatra, diese Geschichte ist dir also vertraut, die musst du mir unbedingt erzählen, ich bin sehr gespannt darauf. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, sie sagte nach Rousseau: Warum essen sie keine Biskuits ... Was nicht schrecklich herzlos ist, da sie 1777 ein Kind von zehn Jahren war. Was lehrt es uns?«

Jane sah auf und tippte sich mit dem Zeigefinger an die makellose Stirn. Das Mädchen war von einer geradezu madonnenhaften Schönheit. »Man soll aufpassen, was man zu hungrigen Farmern sagt?«

»Es klingt zunächst erst einmal dumm, aber es stimmt. Aber es lehrt uns die Dinge, positiv zu betrachten.«

»Und?«

»Und was?«

»Na klappt's? Ich meine an irgendetwas müssen Sie sich ja festklammern, und sei es eben allen Mist der gerade in ihrem Leben passiert positiv zu betrachten.«

»Nein, denn in deiner Hausarbeit, die ich leider lesen musste, existiert nicht einmal ein Ansatz von Positivem. Enrico Caruso ist keineswegs der alte Kapitän der um 18 Hundert herum auf seinem Kohlendampfschiff die Vereinigten Staaten von Nordamerika gefunden hat.«

Jane sah nicht einmal auf: »Nein? Sind Sie sich sicher?«

»Ich bin mir dessen absolut sicher, Kind. Tatsächlich war es Christophorus Kolumbus, ein genuesischer Seefahrer in spanischen Diensten, der 1492 Amerika entdeckte.«

»Toll gemacht«, murmelte Jane und blätterte ihre Kinozeitschrift weiter.

»Wie nett, du gibst, dir den Anschein zuzuhören, welch höfliche Geste.« Harriet sah wieder aus dem Fenster und ihre Laune sank, wie das von Torpedos versenkte Schlachtschiff Bismark.

»Warum schreiben Sie keinen Krimi, anstatt an meinem sauer verdienten Ferien Nachhilfe zu geben? Ich habe von Cornelia Robinson aus meiner Schule eine Menge über Sie gehört. Conny und ich waren in derselben Nachhilfe. Sie meint, ich soll ein Autogramm holen, aber das Buch, das Sie unbedingt unterschreiben müssen, ist zu Hause.« Jane seufzte: »Arme Connie es wird sie traurig machen. Na ja, das nächste Mal denke ich daran!«

»Ja, tue das mein Dummchen«, sagte Harriet abwesend. Sie seufzte und drehte die Augen. Sie wurde das Bild einfach nicht mehr los, wie Enrico Caruso, eine Arie zur Begrüßung der amerikanischen Ureinwohner schmettert und seinen, in Matrosenanzügen steckenden Seeleuten befiehlt: »Mehr Dampf, mehr Kohlen, irgendwo muss doch das verflixte Indien sein.« Wie kam sie auf die Idee, zu unterrichten, Dummheit war ihr von je her ein Gräuel gewesen und die gräulichste Person von allen, saß nun hier in ihrer Obhut.

Jane plapperte drauflos und ohne jeden Zusammenhang, sie war die zum Menschen gewordene Folter, des stetig tropfenden Wasserhahnes. Selbst mit dem festesten Vorsatz konnte man das Mädchen nicht überhören. »Und Miss Carter Becker erst, ich kaufe immer in ihrem Gemischtwarengeschäft ein, falls mir was fehlt und wenn die Angestellten nicht können. Zum Beispiel Kerzen und Cremes. Sie hat dort ein Shampoo, das nach Tulpen riecht ... Mögen Sie Tulpen? Ich nicht. Komisch ausgerechnet Tulpen die sind ja nicht berühmt für ihren Wohlgeruch. In Holland haben die früher Tulpen anstatt Pfeffer ... nein das war anstatt für Zwiebeln genommen, deswegen heißt es Tulpenzwiebeln, nicht wahr? Monolithen kommen von Monolog nehme ich an. Ich verstehe nicht was Reden mit Felsen zu tun haben, meinen die es wegen des Echos? Sie wissen es wohl auch nicht.«

Harriet brummte zunehmend genervter: »Der Monolog ist ein Selbstgespräch. Er richtet sich nicht direkt an einen Zuhörer, sondern an eine imaginäre Person, so wie dein Gefasel. Monolith ist Latein und bedeutet, einziger Stein.«

»Ah ich dachte das ist mexikanisch, na ja wieder was gelernt. Ich bin froh, Miss Vanhurst«, fuhr Jane fort, »das Sie, meine Nachhilfe sind, es gibt gewissermaßen finanzielle Sicherheit. Ich meine, wenn einer das Geld nun dringen braucht, dann Sie. Mir ist egal, was die Leute sagen. Schade, dass Ihr neues Buch ein Ladenhüter ist. Hier ist Totenruhe, Null Inspiration verstehen Sie mich, hä? Also, ich bin nicht versessen aufs Lesen, aber ich werde mir Ihren Schmöker wohl kaufen und mal antesten. …« Janes Stimme kletterte zwei Tonlagen ins Schrille. »Ich meine, wer soll es denn auch kaufen wollen, wenn Ihr Buch runter gemacht wird. Der Literaturkritiker dieser John Adams schreibt: Geschrieben von einer Frau mit der Empfindsamkeit eines Steins, damit meint er nämlich Sie Miss Vanhurst ... deshalb bin ich auch auf Monolith gekommen.«

Harri warf einen zornigen Blick zur Landplage: »Ich kann dir versichern mein Kind, dass ich auf Kritiken nichts gebe«, fauchte sie.

»Und warum haben Sie ihm Wein auf das Hemd gekippt, Miss Vanhurst? Sie kippten ihm Ihren Rotwein mitten ins Gesicht, beim Ehrendinner für ihren Verleger, stand in der Zeitung. Er will sie deshalb auch auf alles, was Sie besitzen verklagen.« Jane sah sich mit dem Blick eines Auktionators im Zimmer um, »soll er doch, so viel ist es ja nicht, obwohl Ihr Schreibtisch ist recht schön.«

Harri starrte mit versteinertem Gesicht aus dem Fenster. An den Fensterscheiben wuchsen Eiskristalle. Welcher Mensch kam nur auf die absurde Idee, diesen Hinweis von schlecht beheizten Zimmern, Eisblumen zu nennen? Sie sah keine netten Blumen, es waren vom Sensenmann, ins Glas gekratzte Drohungen, das die spanische Grippe kommt. »Frühling wo bist du nur?«, fragte Harri.

»Den haben die Russen für sieben Jahre ins Gefängnis gesteckt, weil er zu spät zu seiner Arbeit gekommen ist!«, vermutete das Mädchen.

»Ja den Bolschewiki ist es zuzutrauen.«

»Wem?«

»Der politischen Führung der Russen.«

»Ach, ich dachte das ist dieser Präsident Lenin.«

»Seit vielen Jahrzehnten nicht mehr, wie in jeder Zeitung geschrieben stand ... Oh Gott!«, seufzte Harriet.

»So übel ist es hier doch gar nicht. Besser, als in einem Straflager in Russland. Lieber ein Hecht im Karpfenteich, als ein Hai im Meer.«

Harri deutete zum Fenster auf die vorbeihuschenden Menschen, die heute entsetzlich grau aussahen. »Das soll mich trösten? Sieh hin, wie die Leute wirken. Stupide und rotgesichtig, sie haben heute so rein gar nichts von einer Persönlichkeit an sich.«

»Ich verstehe, dass Sie deprimiert sind. Erst ist Ihr Buch, an dem Sie ewig lange gesessen haben zerrissen worden. Das ist, weil Sie sich hier, so ganz ohne Inspiration ohne Museen gefangen fühlen«, meinte Jane.

»Musen, es sind die Musen nicht Museen! Aber was mich betrifft, gehöre ich eben zur alten Schule, ein Mord in der Phantasie, ohne jede Wahrscheinlichkeit ungesetzt zu werden, ist eine gute Tat und dient zur Unterhaltung. Das hat dieser kleinkarierte Idiot nicht begriffen, was faselt dieser senile Mann von soziologischen Aspekten bei Giftmorden mit Curare aus purer Habsucht im Umfeld der victorianischen Eisenbahnbarone? Für wenn hält der sich, er bewertet meinen Krimi für sein Schmierenblatt, als schreibe er für die BBC den Bericht zur Nobelpreisverleihung ...«

»BBC wer ist das, und ich würde den Richmond Ledger nicht gerade ein Schmierenbla ...«

Harriet hob die linke Hand, der Ausdruck in ihren Augen, bedeutete - Jane soll jetzt besser den Mund halten. »Ich hätte ihm nicht, den Inhalt eines Weinglases ins Gesicht, sondern die Flasche auf seinen Schädel schmettern sollen.« Harriet steckte sich eine Zigarette an. »Als ich anfing zu schreiben, zeigte man kaum Blut. Der rasche Blick auf ein Verbrechen. Ein Rätsel – wie verführerisch und anregend für den Geist! Die sanfte Wölbung einer Messerklinge im Mondlicht … Motive … eine verbotene Romanze … der, als Dienstbote eingeschlichene illegitime Sohn des verblichenen Lords ... das verschwundene Testament.«

»Ja ja und das auf mindestens 600 Seiten ausgewalzt. Ich habe Wilkie Collins „Moonstone“ in der Schule lesen müssen. Nicht ein einziger Mord, es ging wirklich nur um einen bescheuerten Edelstein im Wert von 1000 Pfund«, sagte Jane.

»Ich verstehe«, erwiderte Harriet und nahm sich den New Yorker zum Lesen. »Es ist höchst bedauerlich!«

»Bedauerlich?«, quiekste Jane. Sie hatte eine „Stimme“ ein, von einem Teufel eingestelltes und fein justiertes Instrument, nicht nur um Belanglosigkeiten mit der Welt zu teilen, sondern auch um damit Empfindungen zu wecken. Gefühle, wie sie das Loskreischen von Atomalarmsirenen erzeugen, in etwa.

Harri wendete den Kopf zu ihrem Schützling. »Es gibt keine Romantik mehr, keine Geheimnisse. Heute ist alles strukturiert und genormt und alles muss in Blut getaucht sein!« Harri schwieg und widmete sich ihrer Depression und der Zeitung.

Jane beobachtete, wie ihre Nachhilfelehrerin, in der Zeitung blätterte und sie ab und zu über dem Rand ihrer Lesebrille hinweg musterte. Sie kannte diesen Blick. Was sollte sie sich anstrengen, sie musste nicht lernen, sie erbte ein Vermögen, ihre Eltern waren stinkend reich. Ihr Opa investierte das Familienvermögen in Waffenfabriken. Vermutlich musste sie dankbar sein, dass Hitler damals vor 100 Jahren die Welt, ins Unglück stürzen wollte. Die Investitionen erbrachten seitdem jedes Jahr sagenhafte Profite. Jane blickte kurz von ihrer Kinozeitschrift auf, zu Harriet. Deren Gesicht, im Augenblick einer Maske glich, kein Ärger, nicht einmal Verdruss, sie hatte sich gut unter Kontrolle. »Ich bin zufrieden mit dem, was ich weiß!«, sagte Jane wie eine Entschuldigung. So übel war die Vanhurst gar nicht, aber es war eben Nachhilfe am Wochenende.

»Die Weisheit des Narren!«, murmelte Harriet.

»Und ich will auch nicht wissen, was Columbus 1492 entdeckt hat. Außerdem brauche ich das, als Schauspielerin ohnehin nicht.«

»Warum nicht? Wie sollte es unnützes Wissen geben können, es ist ein Paradox denn Wissen ist per se nicht unnütz.«

»Sie reden schon wie der Pfarrer«, murmelte Jane. Sie nahm mit befriedigtem Gesichtsausdruck das Blitzen in Harriets dunklen Augen wahr.

»Du willst nur lernen, was dich interessiert. Das ist die Methodik eines Narren, mein Dümmling.« Die letzte Bemerkung besaß einen unpädagogischen, aber sehr nachvollziehbaren und menschlichen Beigeschmack. Wochen der Bemühungen, dem Mädchen Grundkenntnisse, die ihrem Alter angemessen schienen, beizubringen und diese Fortschritte auch zu dokumentieren, waren verlorene Mühe und Zeit. Das Kind, pausbäckig und niedlich mit den blonden Locken war leider dumm wie Stroh. Nein Harri wollte nicht unsportlich sein. So, wie man es erwartete, wenn sie unter dem Sternzeichen des Esels geboren sein müsste.

Misses Petermen, Harriets Nachbarin, das informierteste Klatschmaul in Broughton Poggs erzählte: Janes Vater habe seine Cousine geheiratet, um das Geld in der Familie zu halten oder, weil es weniger verwerflich, als reiner Inzest ist. Harriet betrachtete das Mädchen, die ihre Kinozeitschrift ausgelesen hatte und anfing sich zu langweilen. Jane Swattons war der Inbegriff eines flotten Fegers – schlank und rank wie eine Weide, leider auch so intelligent. Dennoch hatte Harriet die ganze Zeit das Gefühl, das sie etwas vor ihr verbarg. Sie strahlte eine Unbekümmertheit aus, die sie von intelligenten Menschen kannte. Eine Art des fröhlichen Verstehens und nicht ernst nehmen können.

»Was gibt es denn Neues an Klatsch?«, fragte Harriet.

»Mister Stroudt ist hinter der Freundin von Adams her. Zumindest verkehrt er auffällig häufig dort. Ich meine wie viel Abendgesellschaften kann Adams denn in der Woche geben?«

»Du meinst diese platinblonde Sexbombe?«, fragte Harriet interessiert.

Jane nickte: »Im Vergleich zu dieser Frau wirken alle anderen, die Adams anschleppte, geradezu farblos. Wenn sie durch den Ort geht, weiß man, wohin die Männer sehen. Zwei gut gebaute Vorzüge und extra klasse Beine, sagte Mister Stuart der Gemüsehändler zu Deputy Albert.«

»Vermutlich nichts, dass du hören solltest.«

»Ich bin sechszehn und kein Kind mehr. Alabama Washington ist Schauspielerin«, sagte Jane ehrfurchtsvoll.

»Wirklich, ich habe nie auf der Theaterbühne von ihr gehört.«

»Sie hat ein tollen Namen nicht wahr, Alabama nicht so wie Swattons. Schweinefarmer und Schlachter heißen Swattons! Alabama Washington!« Jane seufzte beeindruckt. Das klang, mit so einem Namen wie Alabama Washington musste man es beim Kinofilm schaffen, als Jane Swattons war ihr die Karriere als Schweinemetzger vorherbestimmt.

»Der Name ist nicht echt, Alabama Washington. Es ist ein Witz. Sie hat betrunken eine Landkarte Nordamerikas an das Dartboard ihrer Kneipe gehängt und die Dartpfeile ihren Künstlernamen aussuchen lassen.«

»Sie sagen der Name ist nicht original?«

Harri sah den niedlichen Backfisch entgeistert an. »Natürlich nicht das ist Kino.« Sie machte eine kreisförmige Handbewegung. »Das ist Film glaubst du etwa Alabama Washingtons sind geboren? Nein die werden gemacht!«

»Ich habe sie, als das Flittchen, in dem Western die fünf Pistoleros gesehen. Sie ist sexy«, erwiderte Jane. Sie blickte Miss Vanhurst an. »Wie finden Sie sie?«

»Ich habe sie nur kurz gesehen. Auf den ersten Blick kalt, wie ein Hering im Eisfach«, erwiderte Harri. »Ich habe Alabama im Dinner bei uns getroffen. Da wirkte sie auf mich oberflächlich und sehr schön, jemand dem man besser, nicht über den Weg trauen sollte. Und wenn es auch nur deswegen ist, dass sie sich mit John Adams einlässt, ein Mann, der vom Alter her ihr Vater sein könnte.«

»Und Major Stroudt ist hinter ihr her, wie der Teufel hinter Pfarrersseelen.«

»Er ist Junggeselle«, grummelte Harriet undeutlich.

»Stimmt, sagt Mama auch.«

Hier nahm ein weiterer Bildungsversuch ein Ende. Der Rollce Royce der Swattons kam mit quietschenden Reifen zum Stehen, rollte aus und stoppte vor dem kleinen Cottage, mit dem tief herunterfallenden Dach. Der Chauffeur sprang heraus, knallte die Autotür zu und stapfte pfeifend durch den Schnee zur Haustür. Er setzte seine Dienstmütze ab und hielt sie, wie ein Bittsteller an seiner Brust gedrückt. Er betrachtete das Kind, das ihm unhöflich entgegengeschoben wurde.

»Na wird's was, mit der Bildung bei der jungen Miss?«, fragte er.

»Kann man Dschingis Khan, einen Pazifisten nennen?«

Stephens dachte nach, es war vielleicht eine Fangfrage. »Eher nein, würde ich mal meinen. Aber macht nix mit der kleinen Miss, ihr Alter hat ja Geld, nicht wahr.«

»Geld wie Heu sagen die Leute.«

»Und ob Miss Vanhurst, die Sophie, was meine Frau sein tut und uns die Küche macht, hat das Ausgabenbuch gesehen. 1500 Dollar für ’n Urlaub. Da fragt man sich doch, wo es hingeht, nicht wahr? Na?« Er sah sie erwartungsvoll an. Harriet sollte es offensichtlich erraten.

»Wohin der Urlaub geht?«, fragte sie sicherheitshalber.

Er strahlte sie glückselig an. Er war Misses Petermen geheime Informationsquelle, was die Swattons betraf, nahm Harriet an. »Nach Las Vegas zum Spielen oder nach Miami ans Meer?«, riet Harriet, um ihn nicht zu enttäuschen.

»Ha«, erklang es schadenfroh. »Ha von wegen, nach Honolulu. Die Leute fassen es nicht, warum will jemand seinen Urlaub nicht in Virginia machen?« Er schüttelte den Kopf.

Harriet hatte sich in den geistigen Urlaub verabschiedet und stand in der Tür und lächelte, ohne etwas zu denken, wie erholsam.

»Ich versteh’s nicht«, flüsterte Stephens. »Honolulu, das ist nicht mal in Virginia das ist in ... in Honolulu. Naja ich will sie nicht länger aufhalten tun.«

2

Als Harriet Vanhurst in »Rose Dinner« erschien und sich neben den berühmten Autoren Jacob Stroudt setzte, machte dieser kein Hehl daraus, dass er sich darüber freute. Er gab offen zu, dass er Harriet bewunderte, wie kaum eine Frau, die er in seinem Leben bisher getroffen hatte. Eine Frau mit einem starken Willen und einem warmen Herzen die zudem sehr attraktiv war. Wenn auch sehr verschroben, immerhin hatte, sie das Swanson Cottage erworben. Jacob Stroudt seufzte, sein ganzes Leben war ausgefüllt mit amourösen Eskapaden gewesen, doch nichts Ernstes in weiter Sicht.

Sie trug ein gelbes Winterkleid aus einem kratzig aussehenden Wollstoff. Es wirkte einfach und fernab aller aufwendigen Spielereien, und es klebte an ihrer schlanken Gestalt, als hätte der Couturier es ihr aufgemalt. Jacob rechnete damit, dass eine Frau wie Harriet in einem der 5th. Avenue Modeateliers kaufte. Harri kaufte im Seylfridge Kaufhaus ihre Kleidung von der Stange.

»Hallo FBI Agent Redstocke, einem Frauenzimmer Angst mit Ihren Mördergeschichten eingejagt?«

Jacob grinste: »Ich denke Sie lesen meine Bücher nicht, dafür sind Sie ja mächtig informiert.«

Harri setzte sich und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und zog sich die verschieden farbigen Handschuhe aus, sie hatte den linken schwarzen Handschuh verlegt.

Stroudt musterte sie. »Sie sehen fix und fertig aus, meine Liebe, schlafen Sie nicht gut in der Teufelsfalle, dem Swanson Spuckhaus?«, fragte er freundlich.

»Spuckhaus? Weil die Leute zu Misses Swanson gingen, um sich die Warzen besprechen zu lassen, heißt das nicht, dass sie verrückt war und das ihr Geist bei mir umgeht. Habe ich recht?«

Bei der frühlings Spritztour mit ihrem Morris entdeckte Harri das Verkaufsschild am Häuschen in einem entzückenden Orte in Virginia. Später erfuhr sie, dass im Cottage eine Frau namens Ernies Walker Swanson lebte, die zu dem Dachschaden am Kopf einen am Wohnhaus besaß. Zu der die Leute gingen, um sich Warzen besprechen zu lassen oder mit den Geistern Verstorbener in Kontakt zu treten. Noch die ersten Monate nach Einzug ins Haus zuckte Harriet bei jedem Knacken des Dachgebälks zusammen. Sie war so froh das es nur Ratten waren. Mit Ratten konnte sie umgehen und hatte sich zu diesem Zweck ein Gewehr gekauft. Der Grund, warum es immer noch Ratten gab, war das Harri es nicht übers Herz brachte, diese schlauen Tiere zu töten. So eklig die Biester auch waren, manche waren niedlich, wie Charly, die tollpatschige Ratte, die andauernd von den Deckenbalken plumpste sich erschrocken umsah und sich dann ins nächste Rattenloch zwängte, was nicht so einfach war Charly war eine fette Ratte.

Harri besah Stroudt wohlgefällig. Seine dunklen Augen strahlten Intelligenz aus, die Nase gerade, das Kinn stark und sein Körper nicht übel. Er war, schlank und muskulös. Harriet schielte auf seine Schuhe und war erleichtert, er trug keine grässlichen Plateauschuhe zu den Schlaghosen. Sie schlug die Beine übereinander und wippte mit dem Fuß auf und ab.

»Ich bin ihrem Geist nie begegnet«, sagte sie.

»Sie glauben nicht an Geister?«, fragte Stroudt.

»Nein.«

»Auch nicht an die Geister der Vergangenheit?«

»Wieso ist er Ihnen über den Weg gelaufen, Mister Scrooge?«

Jacob schwieg und sein Blick wirkte, traurig. Harriet tat es leid, das gesagt zu haben.

»Ja leider.« Er sah sie lang an: »Erinnerungen, manche sind angenehm und andere würde man gerne vergessen.« Stroudt schüttelte seinen Kopf. »Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und etwas ungeschehen machen. Im Nachhinein – ist vieles einfach im Nachhinein hätte ich es anders gemacht.«

»Was, Ihrem Helden Dennis Redstocke etwas Grips mitgegeben?«

»Sie denken tatsächlich einer der erfolgreichsten Buchdetektive und FBI Special Agents ist ein Idiot?«, fragte Jacob. Er war nicht böse, obwohl er seiner erfundenen Figur, die ihm zu Wohlstand und Anerkennung verhalf, dankbar war. Es war eine Dankbarkeit, als würde Redstocke existieren. Was er bestimmt auch tat. Es war vielleicht eine andere Dimension, die sich von intensiven Gefühlen und Arbeit nährte.

»Ich bitte dich, Jacob. In deinen Krimis stolpert er andauernd über den Hinweis. Er erarbeitet ihn nicht, du wirfst ihm den springenden Punkt vor die Füße.«

Er sah Harriet lächelnd an. »Miss Vanhurst wissen Sie, als was ich meine Leser sehe?«

Nach einem kurzen Augenblick des Schweigens meinte Harriet: »Sie werden sicherlich von vielen Lesern gemocht.«

»Vermutlich ja, aber noch wichtiger ist, ich sehe Dennis Redstocke als mir etwas Anvertrautes an, ich teile ihn mit den Lesern, weil er ein Dufter Junge ist und meine Leser mögen dufte Jungs und kesse Mädchen.« Er überlegte kurz. Sein Mund bildete ein sympathisches Lächeln. Er bestellte bei Patrick Dumpsy dem Wirt Tee mit Jack Daniels. »Es ist eine schwere Arbeit seine treuen Leser zufriedenzustellen. Heutzutage schreibt man Krimis eher für Kritiker, ein paar lohnende Besprechungen und schon kommen die Filmangebote herein. Kennen Sie Franz Kaffka, diesen Tschechen.«

»Ich habe einiges von ihm gelesen.«

»Er wirft nur Fragen auf, gibt keine plausiblen Antworten, wenn ich das mache, einen Redstocke Krimi ohne entlarvten Täter, die würden mich lynchen.«

»Er schrieb nicht für deine Leser.«

»Und nicht für mich. Es liegt an der Stimmung, ihn zu lesen. Genauso ist mein Dennis, es soll den Leuten ein kniffliges amüsantes Rätsel sein etwas Entspanntes, ohne anderen Anspruch als zu unterhalten. Ich bin zufrieden, wenn die Leser meinen Dennis mögen.«

»Und das tun sie ohne Zweifel Jacob, Sie haben sich ein neues Auto, einen 1916 Hillman gekauft.«

Er lachte auf. Die Kellnerin brachte den Tee und schenkte ein. Die Untertassen waren mit labbrigen Keksen in Aluminiumverpackung garniert. Jacob starrte erstaunt auf die Kekse und warf sie mit spitzen Fingern in den Aschenbecher. Er hatte Stil, fand Harri.

»Erfolg zu haben ist befriedigend. Doch ich bin nicht vermessen, die Leute kaufen meinen Dennis, weil ein Film im Kino lief und mein Verleger eine Werbeagentur bezahlt. Deswegen bin ich oft im Readers Digest Magazin. Die üblichen Fotos, ich in Tweed mit Sherlocks Pfeife im Mund, mein Schreibtisch ist mit Manuskripten und Papieren übersät. Das bin natürlich nicht ich. Ich mag keine Strickjacken und unaufgeräumten Arbeitstische und keine Flaggen an der Wand hinter meinem Schreibtisch. Aber ich spiele mit. Nur deshalb kann ich sorglos leben, habe einen guten Namen, ein recht passables Aussehen. Und meine Manieren können sich sehen lassen, ich bin nicht bei den Wölfen groß geworden.«

»Recht annehmbar übertreib nicht«, sagte Harri lächelnd. »Misses Petermen hat mir erzählt diese Alabama Washington schleppt dem furchtbaren Adams die ganzen Filmleute an, sind Sie deswegen so oft bei ihm oder ist da was dran an den Gerüchten, Sie und Alabama?«

Jacob Stroudt grinste: »Alabama ist entzückend, oberflächlich und amüsant, für eine Weile.«

Harriet nahm sich eine Zigarette aus einem silbernen Damenetui, das ihr Jacob reichte. Sie las die Initialen und fragte sich, welche E B es bei ihm vergessen hatte. Auch er nahm sich eine Zigarette und zündete sie an. Man sah ihm an, das ihm ihre Gesellschaft gefiel er ließ kleine Rauchkringel in die Luft steigen. Jacob Stroudt hatte etwas von einem Jungen an sich, auch wenn er über vierzig war, fand Harriet.

»Wenn ich mich nicht täusche, ist Mr Adams ein alter Freund, Sie kamen gerade von ihm?«

Jacob richtete sich auf. »Meine Whisky Gelage, blieben also nicht unentdeckt? Wer hat es Ihnen verraten?«

Harriet schüttelte den Kopf. »Das hat mir Ihr Auto verraten.«

»Der Motor ist noch warm? Nein das nicht.« Er grinste: »Ich bin durch den kleinen Feldweg gefahren, bestimmt klebt ganz bestimmter Matsch an den Reifen. Nein jetzt habe ich es, nur bei ihm wächst eine ganz bestimmte seltene Baumart, dessen Laub auf meiner Motorhaube klebt.«

»Ich habe Ihr Auto bewundert.«

»Bewundert, den alten Hillman?«

»Zu Ihrer Herleitung, eine Person hat in den Dreck auf der Motorhaube ein Herz gezeichnet und mit A Washington, unterschrieben.«

Jacob lachte laut auf: »In der Tat sie war draußen, sie und ein paar Freunde haben gestern Abend eine Party gefeiert. Als ich kam, machte sie sich gerade fertig. John bringt sie nach Richmond, sie dreht morgen Abend in LA.« Er wurde ernst: »Adams und ich sind zusammen am MIT gewesen. Er kam gerade aus einer gottverlassenen Gegend in Nebraska und war immer mehr oder weniger allein. Ich habe ihn unter meine Fittiche genommen, ich meine er ist ja nicht Hitler. Ich habe ihm Leuten vorgestellt. John war anständig – wenn auch etwas seltsam. Ich hatte ihn, seit den Studienzeiten nicht gesehen. Und kauft sich, der alte Wortverdreher ein Haus fast nebenan. Es ist dieses scheußliche Bungalow, Bauhausstil, eckig und flach, ein Betonklotz mit runden Bullaugen und Kacheln an den unmöglichsten Plätzen.«

»Er scheint bezüglich seiner Damenbegleitung wenig Wert auf Intelligenz zu legen, nach dem was man hört.«

»John ist ein Narr. Erinnern Sie sich noch an den Scheidungskrieg?«

Harriet runzelte die Stirn. »Scheidungskrieg?«