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Die Kriminalhauptkommissarin Martina Graf ist ausgebildete operative Fallanalystin und wurde in einem Lehrgang bei der behavioral analysis Unit "BAU" beim FBI in Quantico, Virginia, USA, zur Profilerin ausgebildet. In dieser Funktion wechselt sie nun vom BKA Wiesbaden in ihre Wunschbehörde, dem PP Köln. Bereits am Tag ihres Dienstantritts in Köln muss Martina Graf einen Tatort in Augenschein nehmen, wo die Leiche einer jungen Frau zur Schau gestellt wurde. Die Leiche befindet sich im Grüngürtel Kölns, in dem Waldgebiet im Kölner Süden, das früher von den Anwohnern "Hurenwald" genannt wurde. Schnell findet Martina Hinweise darauf, dass in diesem Wald, unweit der Fundstelle der ersten Leiche, eine weitere Leiche vergraben sein muss. Die Klärung der Identität der zur Schau gestellten Leiche ergibt, dass auch die Mutter der Toten 11 Jahre zuvor einem Mord zum Opfer gefallen ist, einem Mord, der bislang ungeklärt blieb. Schnell gerät der Onkel der Toten in dringenden Tatverdacht und objektiv gesehen sprechen auch alle Ermittlungsergebnisse dafür, nur Martinas Täterprofil widerspricht dem. Das Auffinden weiterer Leichen führt zu der Gewissheit, dass in Köln ein Serienmörder sein Unwesen treibt, der in den sozialen Medien als "Südstadtbestie" bezeichnet wird. Zufällig ermittelte Zeugen, die Aufbereitung alter Akten und die besonderen Obsessionen der KHK`in Ulrike Mondner, Teammitglied in der Mordkommission "Waldfee" führen letztlich zur Ermittlung des Serienmörders. Aber warum gesteht der Mörder nur 10 Morde, wenn doch die MK "Waldfee" 12 Leichen gefunden hat.
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Seitenzahl: 804
Veröffentlichungsjahr: 2021
Peter Ocean Wenk
Mordkommission
"Waldfee"
Thriller
© 2021 Peter Ocean Wenk
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: 978-3-347-30929-6
Hardcover: 978-3-347-30930-2
e-Book: 978-3-347-30931-9
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Mordkommission "Waldfee"
Kapitel 1 Herzlich willkommen
Heute ist Montag, der 03.09.2018 und der Dienstbeginn der Kriminalhauptkommissarin Martina Graf beim Kriminalkommissariat 11, der sogenannten Mordkommission, in Köln. Auf ihrer Versetzungsverfügung steht, dass sie zunächst eine Probezeit von sechs Monaten absolvieren soll und danach sowohl die Direktionsleitung der Kriminalpolizei in Köln als auch Martina Graf selbst neu entscheiden können, ob die Versetzung endgültig in Kraft treten soll. Allerdings ist Martina sich ihrer Sache sicher und so kommt es nur noch auf den Entscheid der Behörde an, ob sie tatsächlich in Köln bleiben kann . Für Martina keine Frage.
Auf dem Papier hatte Martina natürlich bereits am 01.09.2018 ihren Dienstantritt in Köln, aber das war ja ein Samstag. Martina ist jetzt 31 Jahre alt, gutaussehend und trotzdem Single. Köln ist nicht nur ihre Wunschbehörde. Martina hatte auch schon Kontakte zum Polizeipräsidium Köln gehabt und war zuletzt in diesem Jahr in der Osterferienzeit hier in Köln, weil sie hier Profilerin eingesetzt war. Martinas bisherige Dienststelle war das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, wo sie zur Fallanalystin, oder im Volksmund inzwischen auch Profilerin genannt, ausgebildet worden ist. Dazu durfte sie sogar ein halbes Jahr in Quantico, Virginia, USA, einen Speziallehrgang beim FBI besuchen, und zwar bei der „BAU“, der behavioral analysis Unit. Menschen, die in dieser Unit, also Einheit, arbeiten, verfügen nicht nur über einen hohen Intelligenzquotienten. Das ist auch gar nicht die Voraussetzung Nummer 1, um sich dort zu bewerben. Die wichtigste Voraussetzung ist immer noch, dass der Bewerber über eine Hochsensitivität verfügt, was heißt, dass diese Menschen eine hohe Empfindlichkeit für die Reize ihrer Umwelt haben. Eigentlich recht kompliziert zu erklären, aber diese Menschen haben die Fähigkeit, alles zu erfassen und alles zu deuten. Sie sehen, wie ein Mensch sich bewegt, wie er spricht, welche Körperreaktionen er dabei an den Tag legt, welche Mimik und Gestik er einsetzt und so weiter. Sie erkennen Lügen und nicht ausgedrückte wahre Absichten. Das ist beim Profiling besonders wichtig, weil man es in der Regel auf der Gegenseite mit schwer zu analysierenden Psychen, zum Teil sogar bei hochintelligenten und dabei total unauffälligen Menschen zu tun hat. Die Menschen, bei denen es hinterher immer heißt, ach, der war doch immer so nett, dem hätte ich aber keinen Mord zugetraut. Hochsensitivität heißt aber auch, auf andere Reize reagieren zu können. So können Profiler auch sehen, was an Tatorten geschehen ist, wie man sich dort bewegt hat, was zurückgeblieben ist, oder aber auch, was nicht da ist, aber da sein müsste. Fallanalyse oder Profiling ist inzwischen eine Wissenschaft für sich, für die dabei eingesetzten Ermittlerschwer zu handeln, müssen sie sich doch in den Kopf eines Mörders versetzen können.
Martinas erster Kontakt mit dem Polizeipräsidium Köln war vor ungefähr zwei Jahren. Damals war sie noch in der Mordkommission der Polizei in Wiesbaden und hatte einen besonders grausamen Mord an einer jungen Frau aus Bielefeld aufzuklären, die in einer Wiesbadener Parkanlage an der Bundesstraße 455 grausam zu Tode gekommen war. Die Leiche war dort auch öffentlich zur Schau gestellt worden. Damals war auch ein Hilfsmittel der Fallanalyse eingesetzt worden, das System „VICLAS“. Das heißt ausgesprochen „violent crime linkage analysis system“, oder auf Deutsch: Verbindungsanalyse System bei Gewaltverbrechen. In dieser Datei sind die Verbrechen und die Verbrecher der grausamsten Art gespeichert, um Zusammenhänge schnell erkennen zu können, um ähnliche Taten und ähnliche Täterprofile aufzuspüren, um nicht nur die Ermittlungen zu erleichtern, sondern insbesondere, um Tatserien, wie Serienmorde, möglichst schnell zu erkennen. „VICLAS“ jedenfalls hatte in diesem Mordfall, den Martina zu bearbeiten hatte, auf einen Tatverdächtigen aus Köln hingewiesen, den sogenannten „Servant“, einen Serienvergewaltiger. Das hatte dazu geführt, dass Martina oft mit dem Kriminalkommissariat 12 in Köln, der „Sitte“, zusammengearbeitet hat. Dabei hat sie nicht nur die Kölner Polizeibehörde, sondern auch die Stadt an sich und vor allen Dingen die rheinische Mentalität kennengelernt. Das hat ihren Wunsch nach Veränderung hervorgerufen. Martina selbst ist aus Rodgau in Hessen und hat die Hessen an sich immer als verbohrte Sturköpfe bezeichnet, zu denen man nur schwer Zugang findet. Nichts für die lebensfrohe Martina. Die Arbeit an diesem Fall hatte Martina gut gefallen, sodass sie dann zum Bundeskriminalamt wechselte und sich wie gesagt dort als Profilerin ausbilden ließ. Das Bundeskriminalamt bestimmte dann auch, dass Martina erneut in Köln eingesetzt werden würde, um hier die Ermittlungen des Kriminalkommissariats 11 in einem Serienmord zu unterstützen, was ihr auch recht erfolgreich gelang. Die Kölner Polizeibehörde befand sich zu der Zeit in einem Umdenkungsprozess und einer der Ausflüsse daraus war, dass die Kölner Mordermittler auch eine neue Abteilung bekommen sollten, die Abteilung Kriminalkommissariat 11.1, ungeklärte Morde, oder auf Amerikanisch „Cold Case Unit“. Leiterin dieser neu eingerichteten Dienststelle: Martina Graf.
Inzwischen ist Martina also auf ihrer neuen Dienststelle eingetroffen und hat auch schon ein erstes Gespräch mit dem Dienststellenleiter des Kriminalkommissariats 11, dem ersten Kriminalhauptkommissar Peter Freiser, gehabt. Zu den vordringlichsten Aufgaben von Martina gehört es jetzt, sich ihren Arbeitsplatz einzurichten, sich um die ungeklärten Mordfälle in Köln nach Ende des zweiten Weltkrieges zu kümmern und erst einmal zu analysieren, welcher dieser Fälle überhaupt bearbeitungswürdig ist, das heißt, welcher Fall überhaupt eine Chance auf Aufklärung haben könnte. Salopp ausgedrückt könnte man auch sagen, Martina kann einen Fall aussuchen. Dann kommt die nächste Hürde. Das Konzept der Bearbeitung ungeklärter Morde ist so ausgelegt, dass Martina keinen festen Stamm von Mitarbeitern bekommt, sondern je nach zu bearbeitendem Fall selbst vier Mitarbeiter des Polizeipräsidiums aussuchen soll, die nicht nur über besondere Eignungen verfügen sollten sondern auch aus den jeweiligen Sachgebieten stammen, die noch am ehesten mit dem Mord zu tun haben könnten. Geht es zum Beispiel um einen Prostituiertenmord, dann nimmt sich Martina Mitarbeiter der Sitte, der organisierten Kriminalität, des Glücksspiels und der örtlich ansässigen Dienststelle je nachdem wo der Mord geschah, zur Seite. Wie gesagt, abhängig davon, wie die jeweilige Sachlage ist. Von dem ausgesuchten „Cold Case“ unabhängig ist jedoch, welcher Staatsanwalt federführend an dem Fall mitarbeitet, da die Staatsanwaltschaft Köln auch einen eigenen Dezernenten benannt hat, den Oberstaatsanwalt Heinz Drensch, der auch der leitende Staatsanwalt für die Mordkommission „Groov“ war, dem Fall also, in dem Martina als Fallanalystin eingesetzt war.
Martina ist kaum in ihrem Büro angekommen, da bricht jedoch schon das Unheil über sie herein. Erst vor wenigen Minuten hat Martina Peter Freiser ihre dienstliche Erreichbarkeit benannt, da klingelt auch schon ihr Telefon.
„Hallo Martina, hier ist Peter. Bevor du dich um die kalten Fälle kümmerst, hätte ich etwas Vordringliches für dich und deine Fähigkeiten. Einen Tatort und eine Leiche, die deiner speziellen Beurteilung bedürfen“. „Wieso, Peter, ich weiß ganz genau, dass du über sehr fähige Mitarbeiter verfügst. Die werden schon alles richtig machen. Ich kann mir das doch später noch anschauen“.
„Ich befürchte, ich muss noch einmal zum Ausdruck bringen, dass es sich um einen speziellen Tatort handelt und du dahin MUSST“. „Da klingt so etwas wie Angst, Unsicherheit, oder Verärgerung in deine Stimme mit und das gefällt mir gar nicht, Peter. Also, eine Frage an dich. Wenn ich jetzt vor dir sitzen würde, würdest du mich dann anschauen, oder auf den Boden sehen“? „Auf den Boden, oder durch dich hindurch“. „So schlimm“? „Ja“. „Ich bin sofort bei dir, Peter“.
Kapitel 2 Copykill?
Martina hat mit dem „sofort bei dir“ nicht zu viel versprochen und ist wenige Sekunden nach dem Telefonat bei Peter im Büro. „Was macht die Sache denn so brisant, dass ich noch nicht einmal meinen Arbeitsplatz einrichten kann, Peter“. „Nimm Platz, Martina, dann sage ich es dir“. Martina tut wie ihr auch geheißen war und setzt sich. „Ich war zwar nicht der Erste, mit dem du hier in Köln zusammengearbeitet hast, aber ich hatte ja erst vor ein paar Wochen das Vergnügen mit dir. Natürlich habe ich mich in der Zeit auch ein wenig um deinen Background gekümmert und mich unter anderem mit Peter Wendeler unterhalten, mit dem zusammen du diesen Wiesbadener Mordfall aufgeklärt hattest. Dadurch habe ich auch einen Eindruck davon gewonnen, was das für ein Mord war und wie der Tatort so ausgesehen hat. Und jetzt schau dir mal dieses Foto an“. Peter hält sein Smartphone so, dass Martina das Bild auf dem Display sehen kann. Dieses Bild hat Peter Freiser selbst erst vor wenigen Minuten bekommen, und zwar von der Spurensicherung, die derzeit noch am Tatort ist. Martina erkennt eine Leiche, eine Frau, die an einen Baum gefesselt ist. Noch keine großartigen Verwesungserscheinungen oder Leichenflecken, also eine recht frische Leiche. Irgendetwas steckt im Mund der Leiche. Von der Umgebung sieht man nicht viel, aber man kann ahnen, dass es sich zumindest um ein kleines Waldstück handelt.
„Ja, Peter, so ähnlich hat es da in dem Wiesbadener Park auch ausgesehen, als die Leiche der getöteten Christiane Ollieb aus Bielefeld gefunden wurde. Aber diese Sexualpraktik, jemanden zu fesseln, egal ob an ein Bett oder einen Baum, ist gar nicht mal so selten. Auch dass eine Leiche so zurückgelassen wird, ist wahrscheinlich schon ein paarmal vorgekommen. Warum meinst du, dass diese Leiche hier in Zusammenhang mit mir stehen könnte und warum soll ich mir das jetzt ansehen? Bislang sehe ich weder Anzeichen für einen Serienmord, was meine Fähigkeiten als Profilerin erforderlich machen würde, noch sehe ich, dass jemand da ein „Hallo Martina“ hingeschrieben hat. Also“? Peter nimmt sein Smartphone und wischt auf dem Display einmal nach links, sodass das nächste Foto auf dem Display erscheint. „Hier, Martina. Das wurde erst entdeckt, nachdem die Leiche vom Baum abgeschnitten wurde. Das war sozusagen zwischen ihren Brüsten und der Baumrinde versteckt. Wieder hält Peter Martina das Handy so hin, dass sie den Bildschirm genau betrachten kann. Martina kann nun anhand des Fotos erkennen, dass die Tote einen Zettel an einer durchsichtigen Angelschnur um den Hals getragen hatte. „So etwas wie dich hatte ich schon einmal. Zeit, dass du mich holst“ steht darauf. „Das ist natürlich etwas anderes“ flüstert Martina, die echt überrascht ist von dem, was sie gerade sieht. „Das ist vielsagend, bedeutet aber noch lange nicht, dass dies eine persönliche Botschaft an mich ist. Wer sollte auch schon wissen, dass ich zuvor als Profilerin gearbeitet habe und genau jetzt im Polizeipräsidium Köln als Fallanalystin für die „Cold Cases“ anfange. Wer also sollte einen Leichenfundort zu arrangieren, dass man auf die Idee kommen könnte, der Wiesbadener Mord wäre kopiert worden, quasi als Begrüßungsgeschenk für mich.
Auf jeden Fall fühle ich mich dadurch herausgefordert. Schreib mir mal auf, wo das ist und wie ich dahinkomme. Ach ja, Peter. Eine Kriminaldienstmarke habe ich auch noch nicht, ebenso wenig wie einen Polizeidienst-Ausweis für Nordrhein-Westfalen. Das sind so die kleinen organisatorischen Dinge, die geregelt werden sollten, bevor du mich hier mit den ersten Ermittlungen beauftragst. Weiß man eigentlich schon, wer die Tote ist“? „Nein, Martina. Es wurde weder Bekleidung am Tatort gefunden noch sonst irgendwelche Sachen, eine Handtasche, Ausweise, oder so etwas“. „Hast du Kartenmaterial vom Tatort? Am besten natürlich eine Luftbildaufnahme“. Peter hatte schon geahnt, dass so eine Frage kommt, weil er ja schon mit Martina zusammengearbeitet hat. Sie ist sehr schnell und sehr gewissenhaft mit und in all ihren Ermittlungsschritten. Peter hat daher auch schon beim Führungs- und Lagedienst ein Luftbild und das entsprechende Kartenmaterial angefordert und beides wurde ihm geliefert direkt bevor er Martina angerufen hat. Der Leichenfundort ist mit einem roten PIN markiert. „Kein Tatort, wo man zu Fuß hingeht“ stellt Martina als erstes fest, als sie sich des Materials annimmt. „Diese Gegend muss etwas Besonderes an sich haben, eine gewisse Bedeutung“ ist die zweite Feststellung, die Martina trifft. „Ja, Martina. Das kann dir gleich alles die Leiterin der Mordkommission „Waldfee“ erklären, wenn sie dich hier abholt. Du kennst sie im Übrigen, es ist Karolina Mosterna, mit der du auch schon zusammengearbeitet hast“. „Oh, das freut mich aber, die ist süß, die Kleine. Aber Mordkommission „Waldfee“? Ist das nicht ein bisschen zu kitschig für ein solch schreckliches Ereignis“? „Musst du auch Karolina fragen, die hat sich das nämlich ausgedacht, die kleine Süße“. Peter telefoniert und Martina begibt sich in ihr Büro, um dort notwendige Ausrüstung zu holen. Nach zehn Minuten ist ihre Einsatztasche gepackt und gerade als Martina überlegt, ob sie noch einen Kaffee trinken soll, kommt jemand in ihr Büro. „Hallo Psychotante“. „Hallo Lesbenluder“. Karolina Mosterna ist hereingekommen und geht direkt zu Martina. Die beiden umarmen sich und geben sich ein Küsschen auf die Backe. Für Außenstehende würde diese Begrüßung sehr befremdlich wirken, aber die beiden jungen Frauen kennen sich aus der Mordkommission „Groov“, die erst vor wenigen Wochen ihre Arbeit hier in Köln eingestellt hat. Beide Frauen können nicht verhehlen, dass sie eine Sympathie füreinander hegen. „Na, dann ist es ja doch wahr geworden, Martina. Jetzt bist du endlich im gelobten Land, also in Köln. Herzlich willkommen und ich freue mich, dass ich die Erste sein darf, die mit dir zusammenarbeitet“. „Ja, ich freue mich auch, auf Köln, auf dich, auf alles hier. Aber übertreib nicht gleich mit der Zusammenarbeit. Wie du weißt, bearbeite ich lange ungeklärte Mordfälle und der hier scheint mir doch sehr frisch zu sein. Also wird wohl nicht mehr aus der Zusammenarbeit, als dass wir beiden uns den Tatort noch einmal vornehmen und ich ein Statement dazu abgebe“. „Och Martina, ich sehe das nicht so eng. Bei deinem Glück wirst du mich schon so schnell nicht wieder los“. „Könnte auch Pech sein“ lacht Martina und die beiden Hübschen begeben sich zum Parkhaus des Präsidiums, wo Martinas Dienstwagen steht. Ein absolutes Novum für Köln. Normalerweise werden die Dienstwagen aus einem Pool heraus verteilt und stehen nur zur jeweils einsatzbedingten Nutzung bereit. Martina aber hat einen eigenen Wagen bekommen und nicht nur das, sie verfügt auch über mehr eigene Ausrüstung als alle anderen Ermittler und sie hat auch mehr Reisefreiheiten ohne lange Genehmigungsverfahren für Dienstreisen und Übernachtungen.
Im Parkhaus angekommen überreicht Martina ihren Autoschlüssel an Karolina. „Hey, du hast zwar eine eigene Karre, aber noch lange kein Anrecht auf einen Chauffeur“ kommentiert dies Karolina. „Es gibt zwei Gründe dafür, dass du fahren darfst. Der erste ist, dass du dich in Köln besser auskennst und ja auch schon an dem Leichenfundort warst. Außerdem kann ich vom Beifahrersitz aus bessere Eindrücke gewinnen und dabei das Kartenmaterial benutzen, dass Peter mir zur Verfügung gestellt hat“. „Okay, sehe ich ein. Aber was ist der zweite Grund dafür“? „Wenn du fährst, dann sind deine Hände wenigstens beschäftigt und dann fummelst du nicht an mir rum, alte Lesbe“. „Als wenn ich auf so eine Oma über dreißig stehen würde. Du spinnst wohl“. „Wie hast du mich eben genannt? Psychotante? Dann wirst du ja nicht vergessen haben, dass ich auf jede Bewegung deiner Augen und auch auf jedes deiner Fältchen im Gesicht achte, wenn du mit mir sprichst. Daher weiß ich auch, dass dir mein Hintern gefällt, gib es zu“. „Ja, das stimmt. Du hast schon ein knackiges Gerät, da hinten. Aber ich bin immer noch glücklich mit meiner Katrin“. „Die 19-jährige Schwesternschülerin mit den großartigen langen roten Haaren. Ja, ich erinnere mich. Das freut mich auch zu hören und ich bin natürlich nicht enttäuscht, dass du nicht auf mich stehst, weil ich immer noch nicht lesbisch bin und wenn ich es wäre, dann käme mit Sicherheit jemand anderes in Frage“. „Kenne ich die“? „Sag ich dir doch nicht und jetzt fahr“.
Der Verkehr schleppt sich noch ein wenig dahin, an diesem Montagmorgen. Karolina fährt aber auch eine Strecke, die innerhalb Kölns immer stark von dem Berufsverkehr belastet ist. Dazu gehört auch die Severinsbrücke und die Rheinuferstraße in Fahrtrichtung Rodenkirchen. „Fahren wir direkt zum Tatort, Martina“? „Erstens nein und zweitens: Warum meinst du, dass der Leichenfundort auch der Tatort ist? Das tote Mädchen ist zwar schlank, dürfte aber so um die 50 bis 52 Kilogramm wiegen. Sie dürfte schwer zu tragen gewesen sein, es sei denn, es war daran mehr als einer beteiligt. Der nächste befahrbare Weg ist mindestens 50 bis 70 Meter entfernt. Ich glaube, dass das Opfer allein bis zum späteren Fundort gelaufen ist, egal ob freiwillig oder unter Zwang. Ich glaube, dass sie sich auch nicht gewehrt hat, als sie an den Baum gefesselt wurde, weil dafür die Verletzungen an den Handgelenken und an den Fußgelenken zu wenig ausgeprägt sind. Entweder ist das ein „Sexunfall“ gewesen, so eine Sado-Maso Nummer, die aus dem Ruder gelaufen ist, oder das Opfer wollte extra stillhalten und alles über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, dass sie dadurch überlebt“. „Was sagt denn der Waldboden“? „Was soll der denn sagen, der spricht doch nicht mit mir“? „Ich meine die Fußspuren. Ist das Opfer allein gegangen, oder nicht“? „Kann ich dir beim besten Willen nicht sagen, Martina“. „Okay. Ist schon irgendetwas zu der Identität des Opfers bekannt? Gibt es irgendwelche Hinweise, Vermisstenmeldungen, irgendetwas“? „Nein, die gibt es nicht. Ich nehme an, dass das entweder ein Heimkind ist, das noch nicht vermisst wird, oder aber das Ereignis ist so frisch, dass sie zum Beispiel auf dem Schulweg abgefangen worden ist und relativ zeitnah ermordet wurde. Der Rechtsmediziner, der vor Ort war, hat sich zwar auf nichts Genaueres festgelegt, er erwähnte aber, dass die Körpertemperatur des Leichnams noch relativ hoch ist. Das was er gesagt hat, war, dass die Leiche noch nicht die ganze Nacht in dem Wald gewesen sein kann“. „Gut, Karo. Ich sehe, dass wir schon auf dem Militärring sind. Fahr doch mal bitte bis zur Brühler Landstraße, aber an der Höhe des Leichenfundortes vorbei. Vom Militärring aus fährst du dann bitte in jeden kleinen Weg, der ein Befahren zulässt. Hinter der Autobahnbrücke wendest du und fährst in der Gegenrichtung in alle kleinen Wege, immer mindestens 100 Meter weit. Dann biegst du wieder nach rechts auf den Militärring ab und dann nach rechts in den Robinienweg. Den fährst du bis ungefähr 100 Meter am Leichenfundort vorbei. Da steigen wir dann aus. Außerdem könntest du vielleicht ein wenig Musik machen. Du hast doch ein Smartphone, oder“? „Klar, habe ich. Was darf es denn sein“? „Spiel irgendeine Playlist von dir. Was dir so gefällt. Ich brauche nur Musik, um mich selbst zu inspirieren“. Als Karolina vor der rotzeigenden Lichtzeichenanlage auf dem Militärring, als Linksabbiegerin auf die Brühler Landstraße, angehalten hat, wählt sie eine Playlist aus. Auch Karolina liebt Musik. Californication von den „Red hot Chili Peppers“ ist der erste Song, ein langsames Rockpop-Stück, so richtig zum Entspannen oder gut für die Konzentration. Während die Musik läuft, fährt Karolina die von Martina angesagten Strecken ab, bis sie nach 15 Minuten auf dem Robinienweg anhält. „Ist jemand von hier aus zum Leichenfundort gegangen, Karolina“? fragt Martina, die sich in den letzten Minuten Notizen in ein kleines Notizbuch gemacht hat. „Wir lassen den Wagen hier stehen und gehen zum Leichenfundort, so wie es der Täter auch gemacht hat“. „Wie kommst du denn darauf, Psychotante“? „Hattest du nicht gesagt, dass ihr auf dem Boden nichts gefunden habt, keine Fußspuren und so weiter. Wenn du dir die Strecke, die wir gerade gefahren sind, in Erinnerung rufst und den Leichenfundort auch, dann gibt es nur zwei plausible Möglichkeiten, ein Auto abzustellen, um dann mit dem Opfer zum späteren Auffindungsort zu gehen, egal, ob die da schon tot war, oder nicht. Die eine Möglichkeit ist genau hier und die andere an der Brühler Landstraße, an dieser unbefestigten Nebenfahrbahn, die aussieht wie ein Rastplatz an der Autobahn“. „Gut, stimmt wohl. Aber warum hier und nicht die andere Möglichkeit“? „Denk nach. Betrachte, was du bereits hast und zieh deine Schlüsse daraus. Also. Der Zettel um den Hals der Toten. Zeit, dass du mich kriegst, oder so ähnlich stand da drauf. Dazu kommt die Feststellung des Rechtsmediziners, dass die Körpertemperatur des Leichnams noch recht hoch ist, die Frau also noch nicht allzu lange tot ist. Wenn ich richtig informiert bin, wurde die Leiche um 06:43 Uhr von einem Hundebesitzer gefunden, der seinen Hund gesucht hat, weil er dachte, der Köter wäre weggelaufen. Richtig“? „Ja, auch das stimmt“. „So, Mädchen. Der Täter hat nur zwei Möglichkeiten, einen der beiden Orte mit dem Auto zu erreichen, wo er mit der Frau in den Wald geht, oder sie dorthin schafft. Beides sind Bundesstraßen, also stark frequentierte Hauptverkehrsadern. Wenn man mit einem Opfer, oder einer Leiche unterwegs ist, dann benutzt man diese Straßen nachts, oder zumindest, wenn gerade kein Berufsverkehr herrscht. Das Entdeckungsrisiko wäre zu hoch. Also wird der Täter so zwischen 05:00 und 06:00 Uhr gefahren sein. Das ist keine Zeit, dass man irgendwo schon so ein junges Opfer abgreifen kann, vermutlich jedenfalls. Eine Schülerin wäre so früh nicht unterwegs. Eine Auszubildende vielleicht. Ich gehe daher davon aus, dass der Täter das Opfer gestern schon und über Nacht in seiner Gewalt hatte. Es ist aber kein Mädchen vermisst gemeldet, auf das die Beschreibung passt. Vielleicht hat sie gesagt, sie übernachtet bei einer Freundin und der Freundin hat sie gesagt, dass sie sie als Alibi benutzt, um sich mit jemand anders zu treffen. Die Angehörigen vermissen sie daher nicht und die Freundin auch nicht. Wenn sie also vermisst gemeldet wird, dann so ungefähr jetzt, weil sie auf ihrer Ausbildungsstelle nicht erschienen ist. Wir brauchen daher nicht lange warten, bis man uns die Identität der Toten mitteilt. Was der Täter jetzt noch bedenken muss, ist, dass er bei dem Mord, oder beim Abladen der Leiche nicht erwischt wird. Daher fährt er mit dem Auto zu der Stelle, wo er in Ruhe die Frau, oder den Leichnam, aus dem Auto holen kann. Das geht schlechter an diesem nicht asphaltierten Rastplatz, weil die Bundesstraße direkt daneben liegt. Wie der Zettel um den Hals der Toten besagt, will er zwar geschnappt werden, aber nicht durch eigenes Ungeschick, sondern durch harte Ermittlungstätigkeit der Polizei. Ein typisches Serientäterverhalten. Das ist der zweite Teil der Botschaft. Der Unbekannte weist selbst darauf hin, dass er so ein Opfer schon einmal hatte, dies also nicht sein erster Mord ist. Dieses „Zeit, dass du mich holst“ deutet überdies darauf hin, dass der Täter schon lange mordet, wahrscheinlich erst aus Neugier, dann zum Erleben von Macht, oder aus sexuellen Bedürfnissen, dann manisch und in immer kürzeren Abständen. Jetzt ist er soweit, dass er absolut keine Befriedigung mehr an seinen Taten empfindet, aber nicht in der Lage ist, das Ganze zu stoppen. Kannst du mir noch folgen, Karolina“?
Karolina hat die ganze Zeit ungläubig geschaut und fast hätte sie nicht auf den Weg geachtet, den sie vom Auto aus zum Leichenfundort genommen hat. Erst jetzt merkt Karolina, dass Martina eine Videokamera mitgenommen hat und den ganzen Weg über gefilmt hat. Jetzt sieht Karolina den Fokus der Kamera auf sich gerichtet. Verwirrt stammelt sie ein „Ja“. „Ich muss noch mehr wissen, von dir, Karo“. „Okay, was denn“? „Du wirst ja verstanden haben, dass du jetzt Leiterin einer Mordkommission bist, die sich mit einem Serienmörder beschäftigen muss. Dieser Wald, in dem wir uns jetzt befinden, da, wo die Leiche an diesen Baum gefesselt worden ist, sieht so aus, als wäre es ein Versteck. Wenn ich die kurze Botschaft des Täters aber richtig lese, wollte er die Leiche gar nicht verstecken. Nein, sie sollte schnell gefunden werden. Das ist ein Indiz dafür, dass es sich um eine geplante Tat gehandelt hat. Der Täter hat aber ein Verstecken der Leiche nicht mit in die Planung einbezogen. Er hätte sie doch in aller Seelenruhe hier vergraben können, oder“? „Ja, hätte er wohl“. „Was heißt das für dich, dass er das nicht getan hat, Karo“? „Wahrscheinlich, dass er jetzt erwischt werden will. Er gibt der Polizei mit der Leiche bessere Ermittlungsmöglichkeiten“. „Ja und er hat die Möglichkeit, diesen Ort immer wieder aufzusuchen, um sich seiner Tat noch einmal bewusst zu werden, sie noch einmal im Anblick der Leiche zu durchleben. Außerdem hat er so eine Kontrollmöglichkeit. Wenn die Leiche weg ist, dann weiß er, dass die Polizei begonnen hat, nach ihm zu suchen. Ich gehe von zwei weiteren Thesen aus. Die erste ist, dass der Unbekannte entweder seinen nächsten Mord ankündigt oder aber, dass er selbst darauf hinweisen wird, wo die nächste Leiche zu finden sein wird. Das zweite ist, dass der Unbekannte andere Opfer vorher doch versteckt hat, wahrscheinlich vergraben hat, damit sie eben nicht gefunden werden. Das hat aber dazu geführt, dass noch nicht gegen ihn ermittelt wird und diesen Prozess will er jetzt in Gang setzen“. „Heilige Scheiße, Martina. Meinst du das ernst“? „Ja. In solchen Angelegenheiten scherze ich nicht. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet“. „Welche denn“? „Das mit diesem Ort. Ein Leichenablageort, der ein Versteck sein könnte, aber doch kein Versteck ist. Was muss ich über diesen Ort wissen, Karolina“? „Der Rechtsmediziner hat mir etwas darüber gesagt. Das ist ein älterer Mann, so um die 60 Jahre. Horst Scheinscheer heißt der. Ist wohl schon 30 Jahre am Institut für Rechtsmedizin in Köln. „Hurenwald“ hat er gesagt. Ich habe ihn gefragt, was er meint. Hier haben in den siebziger Jahren bis am 01.05.2011 die neue Sperrbezirksverordnung für Köln, Hürth und Brühl, in Kraft getreten ist, Prostituierte ihre Dienste angeboten. Der Robinienweg, da wo wir parken, hieß früher Hitzeler Straße und hier und da auf dem komischen Rastplatz, von wo aus ich zum Leichenfundort gegangen bin, waren immer Huren anzutreffen. Der Straßenstrich des Kölner Südens, sozusagen. Viele Huren hatten keine Camper, Wohnmobile, oder so etwas und die sind mit ihren Freiern dann in diesen Wald hier gegangen, um da ihre Körper zu verkaufen. Ständig lagen hier irgendwelche Kondome rum, oder Tempotücher, mit denen sich die Nutten ihre Muschi abgewischt haben. Irgendwann sind die ganzen Camper und Wohnwagen dazu gekommen und das Geschäft florierte, aber nicht zur Freude der Anwohner auf der anderen Seite des Militärrings, da wo die Straße immer noch Hitzeler Straße heißt“. „Hat der Rechtsmediziner auch gesagt, ob es hier schon einmal einen Mord gab, oder aber, ob hier schon einmal eine Leiche gefunden wurde“. „Nein. Soweit ich mich erinnere, kam das nicht zur Sprache“. „Das ist schlecht. Dann müssen wir suchen“. „Was müssen wir suchen Martina“? „Leichen“.
Kapitel 3 erschreckende Erkenntnisse
„Du bist so blass geworden, Karo. Stimmt irgendetwas nicht mit dir“? „Ich kann meine Gefühle kaum in Worte fassen. Was soll ich sagen? Ich fühle mich wie der Kapitän eines Schiffes, der gerade seines Kommandos enthoben wurde. Man könnte auch sagen, dass ich mir dämlich vorkomme, so ungefähr wie ein Schulmädchen, dass aufgerufen wird, aber peinlicherweise mal wieder die Antwort nicht kennt. Wie soll ich denn eine Mordkommission leiten, wenn ich an einem Tatort rumstolpere, aber nichts sehe“? „Na, nun übertreib mal nicht gleich. Du wirst schon noch in die Aufgabe hineinwachsen. Leiterin der Mordkommission „Waldfee“ bleibst du auf jeden Fall. Ich bin hier nur beratend tätig. Also, Leiterin der Mordkommission: Wie sehen deine nächsten Schritte aus“? „Als erstes schließen wir die Aufnahme des Leichenfundortes ab und dann…“. „…und dann ist leider falsch, weil das auch der erste falsche Schritt ist, liebe Karo. Du bist die Leiterin der Mordkommission. Du solltest eigentlich gar nicht hier sein, sondern in deinem Büro. Du bist die Nachrichten- und Informationssammelstelle und koordinierst von deinem Büro aus alle Maßnahmen und delegierst die erforderlichen Ermittlungsschritte. Man könnte auch sagen, dass du die Aufgaben verteilst. Wer ist denn derzeit Ansprechpartner, auf deiner Dienststelle? Wo ist denn überhaupt der Fallstaatsanwalt? Welche Ermittlungsschritte laufen derzeit und sind momentan alle Mitglieder deiner Mordkommission ausgelastet, haben die alle zu tun“? „Da sind wir wieder bei dem dummen Schulmädchen, Martina. Ehrlich gesagt, läuft derzeit nur die Vernehmung des Hundebesitzers, der den Leichenfund auch gemeldet hat. Die anderen warten noch auf die Aufgaben, die ich denen gebe. Sag du mir bitte, was ich jetzt machen soll“. „Du nimmst jetzt meinen Dienstwagen und fährst zurück. Dann schickst du erstmal ein Team in das Institut für Rechtsmedizin am Melatengürtel. Die sollen sich erkundigen, wann die Leichensektion stattfindet und wenn das zeitnah ist, sollen die natürlich dabeibleiben. Was die auf jeden Fall machen sollen, ist, dass sie Fotos von dem toten Mädchen machen und ihre Körpermaße feststellen. Die Fotos müssen umgehend an die umliegenden Polizeibehörden versandt werden, insbesondere an die Vermisstenstellen. Dann beauftragst du jemanden, das Landeskriminalamt über die bisherigen Erkenntnisse zu informieren, genauso wie die Staatsanwaltschaft. Dann kümmerst du dich um den kriminalpolizeilichen Meldedienst und lässt bundesweit nach gleichgelagerten Taten aus den letzten fünf Jahren fragen. Ebenso lässt du den Fall in „VICLAS“ einspeisen. Ein Team schickst du mir, für die Koordination der weiteren Maßnahmen hier vor Ort. Dazu brauche ich noch Leichenspürhunde, ein Bergungsteam, Kriminaltechniker und mindestens 60 Beamte der Einsatzhundertschaft für die Sicherung des erweiterten Tatortbereiches. Wenn du dann noch ein Team übrig hast, dann sollen die alle öffentlich zugänglichen Mülleimer und Mülltonnen durchsuchen, natürlich insbesondere die, die nicht weit entfernt sind von Straßen, Plätzen, oder sonstigen befahrbaren Wegen. „Was suchst du denn, Martina? Soweit bislang feststeht, wurde das Mädchen erwürgt, oder ist erstickt, an dem, was sich tief in ihrem Rachen befand. Ein Tatmittel wie Messer, Schusswaffe, oder so etwas wird es also nicht geben“. „Karo, bitte schön. Mach noch einmal die Augen zu und kehre noch einmal an den Leichenfundort zurück, wie du ihn das erste Mal gesehen hast. Dann fragst du dich, was hier passiert sein kann“. Karolina macht tatsächlich die Augen zu und man sieht ihrer Mimik an, dass sie intensiv nachdenkt. Es dauert mehrere Minuten, bis sie die Augen wieder öffnet.
„Solch ich dir sagen, was ich gesehen habe, Martina“? „Natürlich“. „Das tote Mädchen ist nackt an diesen Baum da gefesselt. Das wirft als erstes die Frage auf, wann hat sie sich entkleidet, oder wann wurde sie entkleidet. Du suchst also in den Mülltonnen ihre Bekleidung, oder die wesentlichen Teile davon, weil Täter zwar Souvenirs von Tatorten mitnehmen, aber bestimmt nicht die komplette Bekleidung. Wo der Slip von der Toten ist, glaube ich zu wissen, nämlich in ihrem Mund. Gut, also Entkleidung. Wenn das hier ein sogenannter Sexunfall gewesen wäre, dann hätte der Täter Panik bekommen, vielleicht noch Rettungsdienste verständigt, die Leiche wieder vom Baum abgemacht, oder aber, er wäre panisch geflohen und hätte die Bekleidung hier zurückgelassen, vielleicht sogar Teile der eigenen Bekleidung. Ich glaube, dass es nicht auszuschließen ist, dass sich die Tote in einem Fahrzeug ausgezogen hat und dann nackt hierhin gelaufen ist. Dann müssten wir Reifenspuren suchen. Bleiben die Möglichkeiten, dass sie von mehr als einem tot hierhin getragen wurde, oder dass sie gezwungen wurde, hierhin zu gehen, unter Vorhalt eines Messers vielleicht. Wenn deine Serienmördertheorie zutreffen sollte, dann haben wir es höchstwahrscheinlich mit einem Einzeltäter zu tun. Wenn das stimmt, dann kann es nur so sein, dass die Frau noch gelebt hat, als sie hier angekommen ist“. „Warum, Karo“? „Wenn ich mir den Boden rund um den Baum, an den die Frau gefesselt war, anschaue, so ist mir der Boden zu wenig aufgewühlt. Unter zwei Umständen müsste der Boden mehr aufgewühlt sein. Einmal, wenn die Frau sich wehrt, zu fliehen versucht, rumstrampelt, oder ähnliches. Zum zweiten aber auch, wenn sie bereits tot gewesen ist, als sie am Baum festgemacht wurde. Eine Leiche von ungefähr 50 kg halten und dann noch festbinden, das mag zwar möglich sein, ist aber eher unwahrscheinlich. Wenn man den Boden genau liest, dann ist die Frau hierhin gegangen. Wahrscheinlich war ihr Wille schon gebrochen, sodass sie sich gegen gar nichts mehr gewehrt und einfach nur gehofft hat, dass sie das hier überlebt. Sie hat sich daher auch freiwillig an den Baum fesseln lassen. Nur deswegen ist auch die Rinde so wenig beschädigt, die weitaus mehr abgeschabt sein müsste, wenn sie sich in ihren Fesseln noch gewehrt hätte. Ich gehe mal davon aus, dass sie sich auch den Slip freiwillig in den Mund stecken ließ, weil der Täter ihr gesagt hat, dass er nicht möchte, dass sie schreit. Ihren Tod hat sie dann nicht kommen sehen und keine Möglichkeit gehabt, den Slip wieder auszuspucken, oder heraus zu würgen. Im Gegenteil. Als sie gedrosselt oder gewürgt wurde, hat sie versucht, intensiv zu atmen, auch tief durch den Mund und sie hat den Slip selbst tief in ihren Rachen eingesogen“. „Jetzt hast du es, Karo. Männlicher Einzeltäter, der psychologischen Druck ausübt, wahrscheinlich schon einen geraumen Zeitraum vor und bis zum Mord. Ein Psychopath, der es genießt, wenn sein Opfer fleht, bettelt und sich ihm unterwirft. Erschreckend, aber für dich eine gute Erkenntnis. Jetzt zurück zum Organisatorischen. Etwas brauche ich noch, und zwar…“. Karolina drückt Martina eine Hand auf den Mund, damit die nicht weitersprechen kann. „Ich weiß es. Ich habe ja eben die Augen zugemacht und bin noch einmal zum Tatort, oder zum Leichenfundort, gegangen. Aber ich bin nicht mit meinen Augen gegangen, sondern mit denen des Hundebesitzers. Ich habe auf den Hund geachtet, welchen Pfad dieser gelaufen ist, ob der irgendwo stehen geblieben ist und gescharrt hat. Du willst jetzt wahrscheinlich, dass eben dieser Hundebesitzer mit seinem Hund noch einmal hierhin kommt und dir zeigt, wie genau sein Hund sich verhalten hat“. „Du bist doch ein gutes Kind, Karo. Und jetzt fahr in dein Büro und koordiniere und das Team von dir, das als erstes hierhin kommt, soll auch meinen Dienstwagen wieder mitbringen. Ich schaue mich hier noch ein wenig um und warte. Also, Karo, beeil dich“. Während Karolina den Weg zurück zum Auto sucht, schleicht Martina noch ein wenig ziellos im „Hurenwald“ herum. Die Videokamera lässt sie dabei laufen. Die Nachricht auf dem Zettel um den Hals der Toten fällt Martina wieder ein. „So was wie dich hatte ich schon einmal…“ Martina zieht Kreise um den Baum, an dem der Leichnam befestigt war. „Was meinst du mit dieser Nachricht“? fragt sie imaginär den nicht anwesenden Mörder. „Auch wenn man das hier Hurenwald nennt, oder genannt hat, die Tote sah trotzdem nicht aus wie eine Hure. Eher wie eine Schülerin. Vielleicht Anhalterin? Hast du schon einmal eine Tramperin getötet? Warum ziehst du überhaupt diese Parallele? Weichen deine anderen Opfer von diesem Typ ab, sodass dir jetzt zufällig auffällt, dass du schon einmal eine getötet hast, die so aussah, so alt war, so gepflegt war? Waren die anderen Huren? Wie viele hast du getötet, dass es dich jetzt nicht mehr befriedigt und du Angst vor dir selbst bekommst“? Martina ist sehr in ihr imaginäres Gespräch mit dem vermuteten Serienmörder vertieft, so sehr, dass sie erst gar nicht mitbekommt, dass das Mobiltelefon in ihrer Hosentasche vibriert. Abrupt bleibt sie stehen, zerrt das Mobiltelefon aus der Tasche und nimmt den eingehenden Anruf entgegen. „Jochen ist hier, der „Orkan“, du weißt schon“. Jochen „Orkan“ Orchant, ein Hüne von einem Mann, eher würde man bei ihm einen Footballspieler vermuten als einen Kriminalpolizisten, hat auch in der Mordkommission „Groov“ mitgearbeitet und ist jetzt zum 01.09.2018 zum Kriminalkommissariat 11, zur sogenannten Mordkommission, gewechselt. „Hi Jochen, alter Wrestler, wie geht es dir“? „Meine hübsche Kollegin Barbara Schlebusch und ich unterstützen dich hier und wir haben auch deinen Dienstwagen mitgebracht. Wir stehen hier an dem kleinen Rastplatz an der Brühler Landstraße und zwei Diensthundeführer aus Brühl sind auch schon hier. Ach ja, und dein Zeuge mit dem Hund auch. Kommst du hierhin“? „Schön, dass du dabei bist, Jochen. Ja, ich komme dahin, das heißt…“ Martina stutzt, als sie beim Telefonieren nach unten sieht und etwas entdeckt. Zu ihren Füßen, zwischen alten Ästen und Laub, leuchtet etwas. Obwohl dieser „Hurenwald“ nur von wenigen Sonnenstrahlen durchleuchtet wird und der Gegenstand, der da auf dem Boden liegt, sehr klein ist, erkennt Martina doch direkt, was es ist. Zwei Glieder einer Goldkette, oder eines Armbandes. „Bist du noch dran, Jochen“? „Natürlich“. „Planänderung. Ich bleibe hier, wo ich gerade bin und du schickst bitte einfach die Hundeführer mit den Leichenspürhunden los. Mal schauen, ob die mich finden und ob die anschlagen, hier wo ich stehe“. „Wird gemacht. Ich warte in der Zeit auf die Einsatzkräfte und auf all das, was du bestellt hast“. „Ja, gut Jochen. Kannst du Karolina anrufen und sie bitten noch ein Beweissicherungsteam mit mindestens zwei Wagen und zwei Kameras bei der Einsatzhundertschaft zu bestellen? Wenn wir hier loslegen, will ich, dass alle Gaffer auf Video aufgenommen werden. Ist ja nicht selten, dass ein Mörder zum Tatort zurückkommt, um sich über den Fortschritt polizeilicher Ermittlungen in Kenntnis zu setzen. Deine Kollegin und du, ihr bleibt auf dem kleinen Rastplatz und macht da so eine Art Presseanlaufstelle“. „Okay, bis gleich, Martina“. Wunschgemäß geht Jochen zu den beiden Diensthundeführern mit den Leichenspürhunden und weist sie kurz ein. Die Hunde werden danach aus ihren Transportkäfigen befreit und beide scheinen sich auf die anstehende Aufgabe zu freuen. „Torro“ ist ein schwarzer Malinois, ein Rüde und „Milli“ ist aus dem gleichen Wurf, ein Weibchen, also quasi die Schwester von Torro. Milli hat es inzwischen geschafft, ihren Diensthundeführer Herbert Wingen als Rudelführer zu akzeptieren. Bislang war Torro ihr Rudelführer, das Alphatier aus dem Wurf. Torro wird von einer Polizeioberkommissarin, Pauline Herzog, geführt. Beide Diensthundeführer werden von dem kleinen Rastplatz an der Brühler Landstraße aus in Richtung Robinienweg gehen, in etwa 50 Metern Abstand und parallel zueinander. In dem bewaldeten Gebiet werden die Hunde laufen gelassen, weil es sich hier nicht anbietet, sie an einer langen Führungsleine laufen zu lassen, weil die sich im Unterholz, oder Gebüsch, verfangen könnte. Milli schlägt bereits nach etwa sechs Metern an, weil sie eine tote Katze gefunden hat. Nach einer kleinen Belohnung von Herbert begibt sich Milli weiter auf die Absuche des Waldbodens. Fast ohne Umschweife, nach kurzem Anzeigen an dem Baum, an den die Tote gebunden war, hat Torro inzwischen den Standort von Martina erreicht, beachtet sie aber nicht und beginnt da, wo eben noch das goldene Kettenstück lag, im Boden zu scharren. Torro ist ganz aufgeregt, ändert immer wieder die Richtung, läuft praktisch im Kreis herum und scharrt aus verschiedenen Richtungen immer wieder an der gleichen Stelle. Pauline muss Torro abrufen, um ihn vom Scharren abzuhalten. „Ich kenne dieses Anzeigeverhalten. Definitiv hat Torro humanoiden Verwesungsgeruch gewittert. Ich muss ihn jetzt vom Graben abhalten, sonst beseitigt er noch Spuren, oder verletzt einen Leichnam. Ich würde sagen, wenn hier tatsächlich eine Leiche liegt, dann ist das Grab nicht tief, vielleicht bis zu einem Meter“. Auch die Aktionen von Torro hat Martina videografiert. Jetzt ruft sie Jochen an. „Haben sich die Kriminaltechniker gemeldet“? „Ja. Alles, was du bestellt hast, ist hier. Auch der Rechtsmediziner, Dr. Alfred Schrater“. „Das ist aber nicht der Rechtsmediziner, der heute Morgen bei dem Leichenfundort war, oder“? „Nein. Karolina hat bei der Anforderung erklärt, dass es eventuell darum geht, Leichen mit sehr langen Liegezeiten auszugraben. Deswegen hat die Rechtsmedizin ihren besten Anthropologen geschickt“. „Gut, Jochen, pass auf. Die Hundeführer kommen jetzt zurück. Pauline hat mir erklärt, dass sie beide Hunde in einer Stunde wiedereinsetzen können. Ich möchte, dass das komplette Gebiet, zwischen Autobahn, Brühler Landstraße, Militärring und Robinienweg, abgesperrt und dann noch einmal mit den Diensthunden begangen wird. Die Videoteams sollen den kompletten vorbeifahrenden Verkehr auf der Brühler Landstraße aufnehmen und alles, was sich mit Fahrzeugen auf dem Robinienweg bewegt. Zusätzlich sollen die Kräfte der Einsatzhundertschaft als Polizeikette zwischen Autobahn und Militärring aufgereiht werden und dann in Richtung Robinienweg hinter den Diensthunden den Bereich noch einmal absuchen und auf einer Karte alles markieren, was irgendwie verdächtig scheint, insbesondere wenn Gegenstände gefunden werden wie Bekleidungsteile, Fesselungsmaterial und alles, was irgendwie passen könnte. Bitte die Fundstellen mit Pfosten, oder ähnlichem markieren lassen ich gehe die Fundstellen dann später noch ab. Die Kriminaltechniker, den Rechtsmediziner und sie Spurensicherer kannst du mir jetzt schicken, die Hundeführerin weiß ja, wo genau ich bin“. „Geht in Ordnung. Viel Erfolg kann ich dir ja in diesem Fall nicht wünschen, oder“? „Ne, lass mal lieber“ antwortet Martina und legt auf. Sie schaut sich noch einmal um, schaut, wo welche Bäume gewachsen sind und wie die Verwurzelung dieser Bäume aussehen könnte. „Ja, das könnte passen“ sinniert Martina. „Hier dürften nicht allzu viele Wurzeln den Boden durchziehen, sodass das Vergraben einer Leiche hier möglich gewesen wäre“. Jetzt ruft Martina noch einmal Karolina an. „Und Schnecke, wie sieht es aus“? „Danke der Nachfrage, aber ich habe noch nichts Neues zu vermelden. Die Leichenuntersuchung in der Rechtsmedizin läuft. Übrigens ist der Oberstaatsanwalt Heinz Drensch dabei. Er hat wohl den übrigen Dezernenten bei der Staatsanwaltschaft klar gemacht, dass, wenn deine Vermutung stimmt, auch Hinweise auf bislang ungeklärte Morde zu Tage gefördert werden und dafür ist er zuständig. Er erwartet umgehend Rückmeldung von mir, wenn Hinweise auf die Identität der Toten eingehen und von dir, was das Ergebnis deines Waldspazierganges ist“. „Du müsstest für mich bitte noch beim Wetteramt in Essen anrufen und nach der Regenwahrscheinlichkeit für heute fragen. Ich muss wissen, ob wir hier ungestört arbeiten können. Als erste Einschätzung kann ich dir sagen, dass wir wohl eine Leiche gefunden haben. Also, bis gleich“. Martina sieht schon von weitem, dass sich die Kriminaltechniker ihrem Standort nähern. Die Schutzanzüge, einschließlich Haube und Mundschutz, leuchten in ihrem Weiß und heben sich doch stark von der übrigen Umgebung ab. Zwei Kriminaltechniker, zwei Spurensicherer, die gleichen wie heute Morgen und der schrullige Rechtsmediziner. Die Kriminaltechniker bringen zwei Transportkisten mit Gerätschaften mit, unter anderem das, was für diese Suche hier wichtig ist: kleine Schaufeln, Siebe, Sprühflaschen mit destilliertem Wasser und so weiter. Martina, die solche Situationen eigentlich kennt, verdreht trotzdem die Augen, als sie die kleinen Schaufeln erblickt. „Das kann ja Stunden dauern“ denkt sie sich und der schrullige Rechtsmediziner kann ihr mit seiner Ansprache auch keine Erleichterung verschaffen. „Sie müssen Frau Graf sein. Hallo. Ich bin Dr. Alfred Schrater, der Rechtsmediziner. Vielleicht hilft es ihnen, wenn ich ihnen sage, dass wir für die Arbeit hier vor Ort eine Zeit von ungefähr sechs Stunden veranschlagen, vorausgesetzt, hier liegt wirklich eine Leiche. Wir müssen den Boden über dem vermeintlichen Leichnam abtragen und auch sicherstellen. Der Boden geht später an einen forensischen Botaniker, wegen der Spezialgebiete Bryologie und Mykologie. Falls ihnen das nichts sagt, dann stellen sie sich einfach vor, dass uns der Boden Antworten geben kann, zum Beispiel, welche Pilz- und Moosarten über der Leiche gewachsen sind, vielleicht auch welche anderen Pflanzen, die, je nach Leichenliegezeit, mit dem Leichnam verwurzelt sein könnten und so weiter. Über Wachstumsstadien kann man dann am besten die Leichenliegezeit im Boden bestimmen. Sie können sich ja auch vorstellen, dass es dauern kann, einen Leichnam auszugraben, wenn man mit jeder kleinen Schaufel nur etwa 40 Gramm Boden aufhebt. Aber man will ja auch den Leichnam nicht beschädigen und sich hinterher den Vorwurf gefallen lassen, man habe alle Spuren beseitigt und die Feststellung der Todesursache vereitelt, weil man wie wild mit großen Eisenschaufeln gearbeitet hat. Machen sie in der Zeit etwas anderes, wir werden auch jeden unserer einzelnen Schritte dokumentieren und uns dann bei ihnen melden“. Martina nickt nur kurz und verabschiedet sich von der Szenerie. Sie geht in Richtung der Brühler Landstraße, um da mit Jochen zu sprechen, der auch schon in diesem Moment anruft. „Warte Jochen, ich bin gleich bei dir“ sagt Martina nur kurz und legt dann wieder auf. Allerdings hört sie jetzt den lauten Ruf einer Männerstimme. „Herr Doktor, kommen sie mal“. Das weckt natürlich Martinas Neugier und sie geht zurück an die Stelle, wo sie die goldenen Kettenglieder gefunden hatte. Als sie ankommt, braucht Martina nur dahin schauen, wohin auch derzeit der schrullige Rechtsmediziner schaut. Ungefähr 60 cm ist das Loch an einer Stelle bereits tief, da, wo die Kriminaltechniker gegraben haben. Martina schaut in dieses Loch und sieht eine Ferse, einen Fuß. Also doch ein Leichenfund und dadurch, dass die Ferse nach oben zeigt, ist Martina jetzt schon klar, dass die Leiche in Bauchlage vergraben wurde. Dass es sich um eine Frau handeln wird, steht für Martina außer Zweifel. Jemanden bäuchlings zu begraben, heißt, dass man sich von ihm, oder ihr, abwendet, dem toten Menschen nicht noch einmal in die Augen schauen will. Eher ein Anzeichen für ein früheres Entwicklungsstadium eines Serienmörders. „Holy Shit“ wie der Amerikaner sagen würde. Martina hat genug gesehen und wendet sich wieder ihrem eigentlichen Ansinnen zu und geht zu Jochen. „Da bist du ja. Dein Zeuge, der Hundeführer war da und er hat mir gezeigt, wo er sein Auto geparkt hatte, wo er dann den Hund rausgelassen hat, wo dieser in den Wald gelaufen ist und so weiter. Ich habe das alles hier auf der Feldkarte markiert. Ich wollte nicht noch einmal mit ihm und seinem Hund in den Wald gehen, weil da ja „gearbeitet“ wird. Der Zeuge ist jetzt wieder nach Hause gefahren, steht aber telefonisch zur Verfügung“. „Danke, Jochen. Das war gut. Die Kriminaltechniker graben tatsächlich derzeit eine Leiche aus, den Fuß davon habe ich gerade gesehen. Ab jetzt kann die ganze Aktion hier dauern. Ich bestelle dann mal Einsatzverpflegung für die hier eingesetzten Kräfte“. „Mach das Martina. Ich bekomme gleich Rückmeldung von der Hundertschaftsführerin, wann die Durchsuchungskette steht. Sollen wir die dann losschicken“? „Ja. Ich muss das Ausmaß kennen, was uns hier erwartet, in dem so genannten „Hurenwald“.
Während Martina draußen versucht, ein Gespür dafür zu bekommen, was für eine Örtlichkeit der „Hurenwald“ genau ist, was dieser Ort für eine Bedeutung hat und warum dieser Ort für den unbekannten Serienmörder so interessant ist, ist Karolina Mosterna in ihrem Büro damit beschäftigt, ihrer Rolle als Leiterin der Mordkommission „Waldfee“ gerecht zu werden. Derzeit schaut sie sich noch einmal die Personalliste der Mitglieder der Mordkommission „Waldfee“ an, die sich inzwischen alle gemeldet haben und nun darauf warten, ihre einzelnen Aufträge zu erhalten, sofern dies nicht schon geschehen ist. Die Mordkommission ist wie folgt aufgestellt:
Kriminaloberkommissarin Karolina Mosterna, KK 11, Leiterin der Mordkommission
Kriminalhauptkommissarin Ulrike Mondner, KK 11, Stellvertreterin und Aktenführerin
Kriminalhauptkommissar Jochen „Orkan“ Orchant, KK 11, Ermittlungen, Sachbearbeitung
Kriminalkommissarin Barbara Schlebusch, KK 21, organisierte Kriminalität, Mordkommissionskader
Kriminaloberkommissar Nathan Holst, KK 51, allgemeine Kriminalität, Mordkommissionskader
Kriminalkommissar Matthias Marzahn, KK 74, Kraftfahrzeugdelikte, Mordkommissionskader
Kriminaloberkommissarin Larissa Goldberger, KK 26, Prostitutionsgewerbe, Mordkommissionskader
und als leitender Staatsanwalt der Oberstaatsanwalt Heinz Drensch, Staatsanwaltschaft Köln.
Martina Graf gehört nicht zu dieser Mordkommission „Waldfee“. Sie sollte nur auf Wunsch des Dienststellenleiters des KK 11, EKHK Peter Freiser, eine „kurze“ Einschätzung vornehmen. „Da habe ich derzeit nicht wirklich viele Personalien für weitere Ermittlungen zur Verfügung“ sinniert Karolina. Martina, Jochen und Barbara sind im Hurenwald, Ulrike und Larissa im Institut für Rechtsmedizin. Also geht Karolina in den Bereitschaftsraum des Kriminalkommissariats 11, wo Nathan und Matthias warten. „Hört mal ihr beiden. Ich habe gerade mit Martina Graf telefoniert und die hat mir signalisiert, dass ihre Einschätzung richtig war und man im Hurenwald eine weitere Leiche gefunden hat. Das entsprechende Gebiet wird noch weiter abgesucht, mag sein, dass sich in der Richtung noch mehr tut. Ihr könntet jetzt mal ein paar spezielle Ermittlungen führen. Findet heraus, was sich in den letzten zehn Jahren im Hurenwald getan hat und was davon zu polizeilichem Einschreiten, zu polizeilichen Erkenntnissen, oder zu was auch immer geführt hat. Auch wenn es schwer wird, aber versucht, die Namen aller Prostituierten heraus zu bekommen, die jemals in diesem Gebiet mit dem Gewerbe aufgefallen sind. Wenn ihr das habt, dann versucht herauszubekommen, wo diese Frauen heute sind. Gehen sie woanders ihrem Gewerbe nach, haben sie aufgehört, wird eine von denen vielleicht vermisst, oder ist eine bereits tot aufgefunden worden? Gibt es Bilder, erkennungsdienstliches Material, oder vielleicht sogar ein gespeichertes DNA-Profil von denen, deren Aufenthalt ihr nicht ermitteln könnt? Fahrt nötigenfalls zu diesem Wohnwagenstrich am Containerbahnhof in Hürth und befragt da alle Prostituierten, weil viele von denen von der Brühler Landstraße abgewandert sind, als die neue Sperrbezirksverordnung herauskam. Auf diesem Weg könnt ihr die Huren auch davor warnen, dass vermeintlich ein Serienmörder in diesem Gebiet unterwegs ist. Ich weiß, dass diese Damen nicht so auskunftsfreudig sind, aber wenn es darum geht, sich selbst zu schützen, dann wird vielleicht doch eine reden, wenn ihr etwas merkwürdig vorkam. Fragt speziell auch nach Freiern, die Ungewöhnliches verlangt haben, wie Fesseln, Würgen, Sex im Wald, oder die danach gefragt haben, ob die Hure bereit war, woanders hinzufahren, statt es im Wohnwagen zu treiben. Also, meine Herren. An die Arbeit und alles schön dokumentieren“. Nathan und Matthias haben verstanden, nicken beide nur kurz und verlassen den Raum. „Ganz süß, die Kleine“ tuschelt Matthias. „Hey, das habe ich gehört. Danke, aber das gehört hier nicht hin, außerdem bin ich nicht eure Kragenweite, falls ihr versteht“ ruft Karolina den beiden Männern hinterher. „So, alles Personal verteilt und jetzt wird es sicherlich Stunden dauern, bis ich irgendwelche Erkenntnisse mitgeteilt bekomme. Zeit für etwas Eigenes“ murmelt Karolina vor sich hin und geht zurück in ihr Büro. Von da aus ruft sie beim Kriminalkommissariat 62, der Vermisstenstelle, an. „Oh, hallo Birgit. Hier ist Karolina vom KK 11. Wie geht es dir“? „Ach, Karolina. Die Antwort kennst du doch. Viel Arbeit, wenig Geld. Viel Leistung, keine Anerkennung. Also alles normal. Warum rufst du denn an, Karo“? „Ich habe sozusagen ins Klo gegriffen. Ich leite das erste Mal eine Mordkommission und du kannst dir vorstellen, dass das ganz schön stressig ist, wenn einem die notwendige Routine fehlt“. „Ach, war die Anfrage wegen diesem jungen toten Ding im Wald von dir heute Morgen? Da kann ich dir aber noch nicht weiterhelfen. Noch haben wir keine passende Vermisstenmeldung zu dem Foto von der Toten und Personalien hast du ja wahrscheinlich noch nicht, oder“? „Nein, Biggi. Habe ich noch nicht. Das dumme ist, dass wir eine zweite Leiche gefunden haben, nur wenige Meter vom Auffindungsort der ersten verscharrt. Martina Graf ist draußen und die hat gesagt, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben und wir uns darauf vorbereiten müssen, noch mehr Leichen zu finden. Ich brauche daher von dir eine Auflistung von allen Vermisstenmeldungen, Frauen und Mädchen im Alter zwischen 14 und 50 betreffend, von denen nie eine positive Rückmeldung gekommen ist. Alle, die immer noch vermisst sind und das aus den letzten 10 Jahren. Ich brauche aber nicht nur die Namen, sondern die kompletten Ermittlungsakten dazu, damit ich die Ermittlungsschritte nachvollziehen kann, die bis dahin in den einzelnen Vermisstensachen getätigt wurden, wer dazu vernommen wurde und so weiter“. „Na dann, schönen Dank auch für den Auftrag. Welche arme Sau soll sich denn dann weiter damit beschäftigen, wenn ich dir das ganze Zeuge rausgesucht habe“. „Am besten Martina, die wird am ehesten wissen, was davon sie gebrauchen kann, wenn sie ihren Serienmörder finden will“. „Ich denke, du leitest die Mordkommission, Karo“? „Das fühlt sich noch nicht so an. Macht aber auch nichts, weil ich von Martina sehr viel lernen kann“. „Okay, Hase. Ich melde mich bei dir, kann aber dauern“.
„Ja, tschüss Biggi. Küsschen“. „Danke, aber wenn ich dich daran erinnern darf, du bist lesbisch, ich nicht. Ciao Karo“. Nachdem Karolina aufgelegt hat, würde sie jetzt gerne etwas Sinnvolles tun, fühlt sich aber zur Untätigkeit verdammt. „Könnte sich mal jemand mit seinen erschreckenden Erkenntnissen bei mir zurückmelden, damit ich weiß, womit ich es hier wirklich zu tun habe“ denkt Karolina vor sich hin, ohne zu wissen, dass genau das noch ein paar Stunden dauern wird.
Kapitel 4 Passende Fälle
Stunden, die sehr lange andauern können, wenn man sich seiner Sache nicht sicher ist und zunehmend "Bammel" davor hat, der gestellten Aufgabe nicht gerecht werden zu können. Mehrfach sieht Karolina auf ihre Armbanduhr, aber die Zeit will einfach nicht vergehen. "Könnte bitte mal jemand anrufen oder mich sonst irgendwie ablenken" denkt Karolina und endlich….
Der erste, der sich bei Karolina zurückmeldet, ist der Kriminaloberkommissar Nathan Holst, der vom Kriminalkommissariat 51 aus der Innenstadt zur Mordkommission „Waldfee“ abgestellt wurde. „Das erste, was ich dir sagen muss Karolina ist, dass ich diesen Datenschutz und die ganzen verf… „Grünen“ hasse. Die sind einem bei wichtigen Ermittlungen ja nur im Weg. Wenn du bei uns in der elektronischen Datenbank zu recherchieren versuchst, musst du schon raten, was passen kann und was dir bei deinen Ermittlungen dienlich sein kann. Personalien sind nicht mehr zu erkennen, da steht dann immer nur „Personendatensatz gelöscht“. Da musst du dir dann immer die Vorgangsnummer heraussuchen, den Sachbearbeiter, so er oder sie denn noch in der gleichen Dienststelle tätig ist, anrufen und nach Handakten fragen oder du musst bei der Staatsanwaltschaft unter deren Aktenzeichen die entsprechende Ermittlungsakte anfordern, wenn du genaue Informationen brauchst. Ein ellenlanger Prozess, nur weil wir nicht genügend personenbezogene Daten speichern dürfen. Aber nun genug davon. Mein Kollege Matthias ist gerade dabei, dir eine Liste zu schreiben, welche gemeldeten Straftaten, oder welches Einsatzgeschehen zu deinem Ermittlungsauftrag passen könnten. Da ist unter anderem eine interessante Meldung dabei vom zweiten Augustwochenende 2010. Der Kölner „Express“ hat da auch drüber berichtet. Da gab es eine Schießerei auf dem Straßenstrich der Brühler Landstraße. Allgemein wird vermutet, dass es dort um einen Revierkrieg geht, weil die „Bulgaren“ jetzt den Strich als ihr Hoheitsgebiet ansehen und da, insbesondere nachts, junge Osteuropäerinnen hin karren, damit die sich da prostituieren. Die angestammten Nutten versucht man zu vertreiben. Eine Liste über die Prostituierten, die in dem entsprechenden Gebiet rund um den Hurenwald wie ihr den nennt angeschafft haben, kannst du indes vergessen. Datenschutz, wie gesagt. Jedenfalls habe ich vom Kriminalkommissariat 14, vom Raub, schon eine Handakte mitgebracht, die ganz vielversprechend klingt. Am Sonntag, den 08.September 2013, morgens um 10:12 Uhr, hat ein Mann den Notruf der Polizei gewählt. Dieser Mann, ein Berthold Schulzky aus Rondorf, damals 60 Jahre alt, wollte zugegebenermaßen Sex mit einer Prostituierten haben und ist mit seinem Auto losgefahren, um „Daggi“ zu suchen. Diese Daggi war eine der Straßenprostituierten an der Brühler Landstraße und sie hatte da wohl einen festen Standplatz, und zwar links der Brühler Landstraße, wenn du aus Rondorf kommst. Da gibt es einen Weg, den man ungefähr 20 Meter tief in den Wald hineinfahren kann. Da stand die immer, diese Daggi, verbotener Weise, weil da ja schon die neue Sperrbezirksverordnung in Kraft war und sie dort gar nicht mehr anschaffen durfte, aber so hatte sie wenigstens wenig Konkurrenz. Wenn sie zwar im „Dienst“ war, aber einen Freier hatte, dann steckte an dieser Stelle immer ein Regenschirm im Boden. Dann musste man nur warten, bis sie nach ihrem Geschäft zurückkommt. Na auf jeden Fall ist dieser Schulzky da erst vorbeigefahren und hat weder Daggi noch einen Regenschirm gesehen. Da er jeweils nur immer diese eine Nutte besucht hatte, hatte Schulzky beschlossen, erst noch an der Raststätte „Am Verteilerkreis“ einen Kaffee zu trinken, um danach noch einmal nach Daggi Ausschau zu halten. Das hat er dann auch getan. Als Schulzky die Strecke zurückgefahren ist, hat er gesehen, wie da ein schwarzer VW Transporter stand, da, wo Daggi sich immer angeboten hat. Schulzky ist dann langsamer gefahren und konnte aus den Augenwinkeln heraus beobachten, wie ein Mann Daggi ins Gesicht geschlagen hat und sie dann an den Haaren zum Transporter geschleppt hat. Schulzky ist dann weitergefahren, bis unter die Autobahnbrücke und hat von seinem Nokia aus der Polizei einen Tipp gegeben. Schulzky wurde gebeten, dort zur Verfügung der Polizei stehen zu bleiben, was er auch befolgt hat. So konnte er weiterhin beobachten, wie der Transporter losgefahren ist und unmittelbar hinter Schulzkys Auto angehalten hat. Schulzky dachte dann, er wäre von dem Mann beobachtet worden und er hatte dann Angst, dass er jetzt Prügel von dem Kerl bekommt. Deswegen hat Schulzky Gas gegeben und ist mit seinem Auto geflüchtet. Nach zehn Minuten hat ihn die Polizei angerufen und ihn gefragt, wo er denn ist und daraufhin ist Schulzky zurückgefahren und hat sich mit den Polizeibeamten getroffen. Wenigstens konnte Schulzky das Kennzeichen des Transporters benennen. Von dem Mann und von Daggi fehlte jedoch zunächst jede Spur. Schulzky wurde dann weiterhin befragt und anscheinend war es ihm egal, ob die Polizisten ihn für einen alten Sabbersack halten, oder nicht. Die meisten hätten ihre Verbindung zu einer Straßenhure nicht preisgegeben, aber Schulzky schon. Er hat sich echt Sorgen um Daggi gemacht. Bereitwillig ist er dann auch mit der Polizei nach Meschenich gefahren, zu dieser Hochhaussiedlung „Kölnberg“. Dort hat er den Beamten auch gezeigt, zu welcher Wohnung er mit Daggi immer gegangen ist, um dort Sex mit ihr zu haben. Die Beamten haben, nachdem auf Klingeln niemand öffnete, die Tür aufgebrochen und in der Wohnung nachgesehen, Daggi aber nicht gefunden. Im Rahmen der eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen konnte der schwarze VW Transporter in Hürth Kalscheuren wenig später gestoppt werden. Nach heftigen Widerstandshandlungen wurde der Fahrer fixiert und wegen versuchter Geiselnahme vorläufig festgenommen. Von Daggi fehlte immer noch jede Spur, bis auf zwei, drei, kleine Blutstropfen im Heck des Transporters, die später einer unbe-kannten weiblichen Person zugeordnet wurden. Dieser Typ, ein Helmut Schranskov aus der Mönchengladbacher Rockerszene, schwieg zunächst hartnäckig zu dem gesamten Vorfall. Tage spä-ter in der Untersuchungshaft bekannte sich dieser Typ des Raubes schuldig, offensichtlich auf Anraten seines Rechtsanwaltes. An-geblich wäre er auch nur ein Freier von Daggi gewesen und sie habe ihm noch Geld geschuldet, weil er seine letzte Nummer mit Daggi mit einem Zweihunderteuroschein bezahlt hätte, aber nur 50 Euro für Geschlechtsverkehr „ohne“ hätte bezahlen müssen.
Ohne, also ohne Kondom. Da Daggi kein Wechselgeld hatte, vereinbarte man, dass sie Helmut am Sonntag ausbezahlen sollte. Seiner Aussage nach habe sie sich geweigert und er habe sich das Geld schließlich genommen, was sie in ihrem Slip versteckt hatte. Zu dem Verbleib von Daggi befragt, hatte er gesagt, dass er sie aus dem Auto rausgeworfen habe, nachdem er sein Geld hatte. Tatsächlich konnte er den Kriminalbeamten, die ihn aus der Justizvollzugsanstalt abgeholt hatten, auch eine Stelle an der Kalscheurener Straße zeigen, wo er Daggi aus dem Auto geworfen hat. Dort fand man noch Blutstropfen auf dem Radweg und ein beblutetes Tempotuch. Eine spätere DNA-Analyse ergab, dass diese Blutstropfen tatsächlich von der gleichen Person stammen müssen, wie die, die in dem VW Transporter gesichert worden sind. Dieser Helmut hatte angegeben, danach nie wieder etwas mit Daggi zu tun gehabt zu haben. Diese Aussagen konnten nicht widerlegt werden, weil die wichtigste Person dazu fehlte, nämlich Daggi. Die ist bis heute nie wiederaufgetaucht. Die Personalien waren lange Zeit unklar, beziehungsweise sind sie es heute noch. Die am Kölnberg angemietete Wohnung war an eine „Carolien“ aus der Slovakei vermietet worden, ohne Mietvertrag und ohne Vorlage eines Ausweises. Die Miete ist immer bar bezahlt worden, in einen Umschlag verpackt und in den Briefkasten der Hausverwaltung eingeworfen. Keine der bekannten Straßenhuren an der Brühler Landstraße, wollte diese Daggi kennen, oder gekannt haben. 2013, als das passiert ist, hätte sich auch keine mehr an der Brühler Landstraße prostituieren dürfen, da galt schon die neue Sperrbezirksverordnung. Nach Angaben des Schulzky ist dann, Anfang 2014, eine Zeichnung von der vermeintlichen Daggi angefertigt worden. Diese Zeichnung wurde auch diesem Helmut vorgelegt und der hat direkt gesagt, dass es die betrügerische Hure ist, die ihm den Ärger, immerhin 38 Monate Freiheitsstrafe wegen Raub, eingebrockt hat. Die Zeichnung wurde in allen Printmedien rund um Köln veröffentlicht und