Mountain Danger - schützt mich vor Gefahren - Vanessa Vale - E-Book

Mountain Danger - schützt mich vor Gefahren E-Book

Vale Vanessa

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Beschreibung

Eve Miranski hat Wochen damit verbracht, den Mörder zu suchen, der freien Fußes durch Cutthroat streift. Genauso verbissen bemüht sie sich darum, ihr angeschlagenes Herz vor zwei Alpha Cowboys zu beschützen, die ihr das nicht gerade leicht machen. Ja, zwei. Nachdem sie sich auf einer Weihnachtsfeier kennengelernt hatten, machten Shane Nickel und Finch Anderson Eve unmissverständlich klar, dass sie nur an einem interessiert sind. Ihr.

Er ist zwar der Sohn eines Filmstars, doch Shane Nickel lebt gerne außerhalb des Rampenlichts. Als er die sture Detective kennenlernt, setzen seine Beschützerinstinkte ein. Er sollte sie gehen lassen und sich eine Frau suchen, deren Arbeit keine Pistole und Handschellen erforderlich macht (obgleich er für Letztere einige spaßigere Verwendungsmöglichkeiten wüsste) und die nicht damit beauftragt ist, einen Mörder zu schnappen. Sein Herz – und andere Teile von ihm – wollen Eve.

Als Rancher verbringt Finch Anderson mehr Zeit auf seiner Farm als in der Stadt. Das ist ihm nur recht, bis er Eve begegnet und sich alles verändert. Er will sie. Er will alles, von dem er dachte, er könnte es nie haben. Doch wie können ein Ex-Knacki und eine temperamentvolle Detective zusammenkommen?

Die Zweifel der Männer spielen allerdings keine Rolle mehr, als neue Beweise im Erin Mills Fall gefunden werden und die Identität des Mörders enthüllt wird. Das Einzige, worum sie sich nun kümmern müssen, ist dafür zu sorgen, dass Eve am Leben bleibt, denn der Mörder wird sich nicht kampflos verhaften lassen.

 

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MOUNTAIN DANGER - SCHÜTZT MICH VOR GEFAHREN

WILD MOUNTAIN MEN - BUCH 4

VANESSA VALE

Copyright © 2020 von Vanessa Vale

Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind Produkte der Fantasie der Autorin und werden fiktiv verwendet. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebendig oder tot, Geschäften, Firmen, Ereignissen oder Orten sind absolut zufällig.

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder auf elektronische oder mechanische Art reproduziert werden, einschließlich Informationsspeichern und Datenabfragesystemen, ohne die schriftliche Erlaubnis der Autorin, bis auf den Gebrauch kurzer Zitate für eine Buchbesprechung.

Umschlaggestaltung: Bridger Media

Umschlaggrafik: Deposit Photos: nadunprabodana

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INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

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Website-Liste aller Vanessa Vale-Bücher in deutscher Sprache.

ÜBER DIE AUTORIN

1

EVE

„Zu meiner Party ziehst du keine Bluse der Cutthroat Polizei an“, ermahnte mich Poppy, eine Augenbraue hochgezogen und einen Finger in meine Richtung hin und her wackelnd.

Ich sah an mir hinab und auf das, was ich zur Arbeit angezogen hatte. Die üblichen Jeans und die dunkelblaue, langärmlige Bluse, auf die das Logo des Polizeireviers gestickt war.

Sie glaubte ganz eindeutig, dass ich dieses langweilige Outfit auf ihrer Party tragen würde. Sie kannte mich zu gut. Aber ich kannte sie auch und wusste, dass ich damit nicht durchkommen würde – und hatte vorausgeplant. Ich hob meine Hände, um sie zu stoppen, als wäre sie die Polizeibeamtin und nicht ich. „Ich habe andere Klamotten mitgebracht.“

Ich schnappte mir meine Tasche und ließ sie auf ihr Bett fallen. Ich war von der Arbeit direkt zu ihrem Haus gefahren.

„Diese Klamotten, hat dir das Dezernat die gegeben?“, wollte sie wissen. „Hätten sie eine andere Größe, könnte ein Kerl sie dann anziehen?“

Ich lachte schnaubend, während ich den Reißverschluss der Tasche aufzog. „Nein. Ich habe zu viele Stunden an dem Millsmord und den anderen Fällen, die ich am Hals habe, gearbeitet, um darüber nachzudenken, was ich anziehen soll. Oder um Wäsche zu waschen.“

„Das ist ja alles schön und gut für einen Job von neun bis fünf –“

„Eher sieben bis zehn“, korrigierte ich sie.

„Egal. Sind an dem, was du mitgebracht hast, Pailletten dran? Rüschen? Schleifen? Wie wäre es mit einer anderen Farbe als schwarz oder dunkelblau?“

Ich ließ meinen Blick in ihre Richtung schweifen und bedachte sie mit meinem Todesblick. „Poppy.“ Ich trug nie Pailletten oder Rüschen und das wusste sie.

Sie zuckte mit den Achseln, wodurch der knallpinke Angorapullover, den sie anhatte, von einer Schulter rutschte. Niemand kritisierte ihre Outfits. „Ich mein ja nur, ein Kerl will nur, dass du ihm Handschellen anlegst, wenn ihr zusammen im Bett seid.“

Ich malte mir das gedanklich aus, ein Kerl in Handschellen und meiner Gnade ausgeliefert. Im Bett. Die Vorstellung war heiß, aber was mich so richtig auf Touren brachte, war das Gegenteil – ein Kerl, der mich fesselte und dessen Gnade ich ausgeliefert war. Der mir erlaubte, mich gehen zu lassen und alles zu vergessen. Ich müsste nicht das Sagen haben, würde mir keine Sorgen darum machen müssen, ob ich es richtig machte.

Das würde nie passieren. Auf keinen Fall würde ich mich so der Kontrolle eines Mannes ausliefern. Auf keinen Fall würde ich einem Mann erlauben, mir meine Macht zu nehmen. Das hatte ich einmal getan und es war ein Albtraum gewesen. Schlimmer als das.

Niemals wieder. Es war sicherer, single zu sein, allein zu sein, als misshandelt zu werden.

„Du bist verrückt“, teilte ich ihr mit.

„Du warst mit keinem Typen zusammen, seit ich dich kennengelernt habe. Keine Dates. Nichts. Wie lange ist es her, seit du dich hast durchnudeln lassen?“, fragte sie, wobei sich ihre perfekt gewölbte Braue hob.

Viel zu lange seit einem Mann verursachten Orgasmus. Na ja, eigentlich niemals, weil ich während des Sex selbst dafür hatte sorgen müssen. Die Männer, mit denen ich zusammen gewesen war, hatten mich nicht an diesen Punkt bringen können.

„Du denkst, ein roter Pullover wird mir dabei helfen, flachgelegt zu werden?“

„Die Polizeibluse jedenfalls nicht“, konterte sie.

Zu sagen, dass wir das komplette Gegenteil der jeweils anderen waren, wäre eine Untertreibung. Es war ein Wunder, dass wir Freundinnen waren. Ich hatte Poppy Nickel bei einem Yogakurs im Freizeitzentrum kennengelernt, als ich frisch in die Stadt gezogen war. Merkwürdigerweise hatten wir uns sofort verstanden. Sie war klein, kurvig und keck. Ich war groß, alles andere als kurvig und mürrisch. Sie legte viel Wert auf ihr Äußeres. Ich hielt es bereits für Aufwand, meine Haare zu einem Pferdeschwanz zu binden.

Poppy versuchte, mich mit heißen Typen zu verkuppeln – ohne irgendeinen Erfolg – und ich sorgte dafür, dass sie keine Strafzettel bekam. Nicht, dass sie wild und verrückt war, aber sie war definitiv abenteuerlustiger als ich.

Und dennoch hatte sie auch keinen Mann an ihrer Seite. Momentan war sie single.

Ich nahm die Handschellen von dem Haken an meinem Gürtel und ließ sie in meine Tasche fallen. „Keine Handschellen.“ Ich zerrte den Pullover heraus und hielt ihn zwischen meinen Fingern hoch. „Es ist ein Rollkragenpullover, aber er ist rot. Außerdem habe ich ein Paar schwarzer Skinny Jeans dabei. Meinst du, das haut hin?“

Sie schürzte ihre Lippen, während sie darüber nachdachte.

„Du feierst immerhin eine Outdoor-Party im Dezember“, erinnerte ich sie. „Es hat vielleicht minus zehn Grad draußen. Ich werde auf keinen Fall eine Menge Haut zeigen. Ich werde meinen Mantel und Mütze tragen. Stiefel. Niemand wird den Pullover auch nur sehen.“

„Na schön“, murrte sie, während sie ihr Handy hervorkramte, um nach der Zeit zu schauen. „Aber lass die Haare offen. Ich treffe mich jetzt mit Kit Lancaster, der Partyplanerin, bei der Scheune, um alles noch ein letztes Mal durchzugehen. Ich werde ungefähr eine Stunde brauchen.“

Sie winkte mir und ließ mich dann allein, damit ich mich in ihrem riesigen Schlafzimmer fertig machen konnte.

Poppy war reich. So einfach war das. Ihr Vater war Eddie Nickel, der berühmte Filmstar. Obwohl er den Großteil des Jahres in LA oder an einem Drehort verbrachte, stand sein Haus in Cutthroat. Einige Meilen entfernt von Poppys Haus besaß er eine riesige Ranch. Die Stadt war begeistert, dass er ein Einwohner war und damit für Publicity sorgte, aber auch weil er seinen letzten Film hier gedreht hatte. Der Dreh war vor ungefähr einem Monat beendet worden und so wie ich gehört hatte, würde er während der Feiertage in der Stadt bleiben. Die letzte Information hatte ich von einer Zeitschrift an der Supermarktkasse.

Poppys Heim verfügte zwar nicht über die Pferde oder Rinder, die ihr Dad auf seinem Grundstück unterhielt, aber über jede Menge Land, einschließlich einer Scheune und eines Teichs, wo die Party heute Abend abgehalten werden würde. Es würde kein kleines Zusammentreffen unter Freunden werden. Poppy hatte sich bei ihrer Planung richtig ins Zeug gelegt. Es würde ausgefallene Appetizer und Drinks geben, wie beispielsweise Hot Toddy mit einer Menge Rum, eine Liveband zum Tanzen auf einer erhöhten Plattform, Schlittschuhlaufen auf einem Teich, dessen Eis professionell aufbereitet worden war. Sie hatte sogar eine Eventplanerin angeheuert, Kit Lancaster, die ich durch die Mills Ermittlung kannte.

Die Party würde im Freien unter den Sternen stattfinden. Im Dezember. Ihr Geburtstag war letzte Woche gewesen, weshalb sie jedes Jahr eine Mischung aus Geburtstags- und Weihnachtsfeier schmiss. Über hundert Leute wurden erwartet.

Allerdings nicht Eddie Nickel, so weit ich wusste. Poppy redete kaum über ihren bekannten Dad. Ich musst keine Detective sein, um zu wissen, dass sie sich nicht verstanden. Überhaupt nicht. Ich war ihm nie begegnet, hatte nie gehört, dass sie mit ihm zu Mittag essen würde oder zum Abendessen zu seinem Haus ginge. Nichts. Deswegen hatte ich es auch nie angesprochen. Ich hätte die Informationen aus ihr herauskitzeln können – das war immerhin mein Job – aber ich war auch nicht allzu erpicht darauf, dass sie in meiner Vergangenheit herumstocherte. Ich war aus einem Grund nach Cutthroat gezogen und den würde ich nicht verraten, nicht einmal einer Freundin. Sie inspizierte zwar meine Partyoutfits, aber sie löcherte mich nicht wegen meiner Vergangenheit und dafür war ich dankbar.

Ich ging ins Badezimmer, schlüpfte aus meinen Kleidern, ließ das langweilige Outfit, das ich in der Arbeit getragen hatte, liegen und duschte.

Auch wenn ich als Frau in der Cutthroater Polizeitruppe nie irgendwelche Probleme gehabt hatte, stellte ich meine Weiblichkeit nicht gerade zur Schau. Ich wollte nicht auffallen, nicht nur unter meinen Kollegen, sondern vor allem nicht vor Verdächtigen. Außerhalb der Arbeit wollte ich auch keine große Show hinlegen und griff eher nach schlichten T-Shirts und Jeans, minimalem Makeup. Das war einfach und ich brauchte am Morgen nur wenig Zeit, um mich fertig zu machen. Zudem sorgte es dafür, dass ich für die meisten Männer unsichtbar war. Das war für mich mehr als in Ordnung.

Ich war nicht auf der Suche nach einem Mann. Ich wollte keine Beziehung. Nach einer Totalkatastrophe war ich zufrieden damit, allein zu sein. Das war leichter. Sicherer. So viel weniger gefährlich für meinen Körper, meinen Geist und mein Herz.

Nachdem ich meine Dusche beendet hatte, trocknete ich mich ab, wühlte meinen sauberen Slip und BH aus meiner Tasche und zog sie an, bevor ich meine nassen Haare kämmte. Durch die geschlossene Tür hörte ich eine Abfolge merkwürdiger dumpfer Geräusche. Ich öffnete die Badezimmertür, um zu lauschen, und fragte mich, was Poppy jetzt wieder ausheckte.

„Wir müssen uns beeilen. Sie ist unten bei der Scheune und wird bald zurücksein.“

Das war die tiefe Stimme eines Mannes. Definitiv nicht Poppy. Dass er das Wort wir benutzte, deutete daraufhin, dass sie mindestens zu zweit waren. Auf Zehenspitzen schlich ich aus dem Bad und auf den Flur des ersten Stocks, wobei der dicke Teppiche jegliche Geräusche schluckte, die ich machte. Poppys Haus war ein Neubau mit riesigen, offenen Räumen im Westernstil. Von einer offenen Galerie konnte ich nach unten in das Wohnzimmer spähen und einen Mann beobachten, der gerade durch das Fenster eingestiegen war.

Es war draußen noch nicht dunkel, weshalb noch kein Licht brannte. Sie mussten Poppy gehen gesehen und geglaubt haben, dass das Haus verlassen sei. Ich hatte meinen Polizeiwagen in ihrer gigantischen Garage geparkt, damit ich kein Eis kratzen oder es vom Schnee befreien musste, denn für heute Abend war Schnee gemeldet.

Ein zweiter Mann hing mit dem Kopf und Oberkörper zum Fenster herein und schob gerade den Rest seines Körpers durch die Öffnung. Er war groß und nicht sehr wendig.

„Jetzt wird sie es bereuen“, sagte der zweite Kerl. Dann ächzte er, als er auf den Holzboden fiel.

Wer auch immer das war, mochte Poppy nicht. Die Erinnerung an das, was Mark Knowles Sam Smythe angetan hatte – er hatte sie mit der Absicht, sie zu vergewaltigen, entführt – war mir noch frisch im Gedächtnis.

Ich hatte mein Handy nicht bei mir, aber ich würde diesen beiden nicht erlauben, Poppy auf irgendeine Weise zu schaden. Nein. Diese Kerle würden meiner Freundin keine Probleme machen.

Ich schlich zurück in Poppys Schlafzimmer, holte meine Pistole und Handschellen aus meiner Tasche und machte mich dann langsam auf den Weg die Treppe runter und ins Wohnzimmer.

„Keine Bewegung“, sagte ich mit lauter und klarer Stimme. Ich hatte meine Dienstwaffe gehoben und auf sie gerichtet.

Der erste Typ wirbelte herum, während sich der zweite vom Boden nach oben stemmte, einen Cowboyhut aufhob, der neben ihm gelegen hatte, und ihn sich auf den Kopf setzte. Sie standen nebeneinander und ihre Hände hoben sich automatisch. Sie rissen die Augen weit auf und erstarrten zu Salzsäulen. Sie hatten eindeutig nicht mit mir gerechnet. Oder meiner Pistole.

Jetzt, da ich gute Sicht auf sie hatte, überraschten sie mich ebenfalls. Mein Detective-Blick schätzte den links auf Anfang dreißig, eins fünfundachtzig, zweihundert Pfund Muskeln ohne ein Gramm Fett. Schwarze Haare, genauso schwarze Augen. Keine identifizierenden Male oder Narben, soweit ich sehen konnte, und er trug eine schwarze Jacke und dunkle Jeans. Schwarze Handschuhe verhüllten seine Hände, was bedeutete, dass er keine Fingerabdrücke hinterlassen wollte. Bei dem anderen tippte ich auf dasselbe Alter, eins fünfundneunzig, zweihundertfünfzig Pfund. Reine Muskelmasse. Hellbraune Haare, kurz gestutzter Bart. Grüne Augen. Flanellhemd und Jeans. Cowboyhut.

Mein Frauenblick sagte, Heiliger Bimbam. Sie waren beide absolut anbetungswürdig. Covermodels, aber ungeschliffen. Ich bezweifelte, dass sie jemals auch nur einen Fuß in ein Fitnessstudio gesetzt hatten. Vermutlich fällten sie Bäume und rangen mit Elchen, um sich fit zu halten.

Als ich registrierte, dass ich sie angaffte, räusperte ich mich. „Du da, geh zwei Schritte nach rechts.“ Ich fuchtelte mit meiner Pistole in Richtung des dunkelhaarigen Mannes, um ihm zu zeigen, wohin er gehen sollte. Klugerweise tat er, was ich ihm befahl.

„Alle beide, dreht euch um.“

„Whoa, jetzt aber. Ich bin ja total für das Recht, Waffen tragen zu dürfen, aber weißt du, wie man das Ding benutzt?“

Das hat er mich jetzt nicht gefragt. Ich weigerte mich, darauf zu antworten, und starrte ihn nur finster an

„Verärgere sie nicht“, warnte der Dunkelhaarige seinen Freund.

„Ja, verärgere mich nicht.“

„Du wirst uns nicht in den Rücken schießen, oder?“, fragte der größere Kerl.

„Dreht euch um“, wiederholte ich.

Das taten sie und ich trat näher. Es fiel mir schwer zu entscheiden, wen ich zuerst in Handschellen legen sollte. Ich war recht gut in Selbstverteidigung, aber sie waren beide mindestens achtzig Pfund schwerer als ich. Ich nahm an, dass es besser wäre, dem großen Typen zuerst Handschellen anzulegen. Deshalb legte ich eine Hand auf die Mitte seines Rückens, wodurch ich die Hitze spüren konnte, die durch sein Flanellhemd strahlte. Ich fühlte auch das Spiel seiner Muskeln, als er sich bewegte und Anstalten machte, sich zu mir umzudrehen. „Es gab da ein –“

Ich packte seinen rechten Arm am Handgelenk und bog ihn am Ellbogen nach hinten, um ihn im Polizeigriff auf seinen Rücken zu zwingen und davon abzuhalten, sich umzudrehen. Sein Handgelenk lag nun auf seiner Wirbelsäule und ich drückte es nach oben zu seinem Kopf, wodurch seine Schulter ausgekugelt werden würde, würde er sich nicht vornüberbeugen. Instinktiv tat er genau das und ich ließ eine der Schellen an seinem Handgelenk einrasten, aber fixierte seinen Arm weiterhin hinter seinem Rücken.

„Warte eine Minute!“, sagte der andere Kerl. „Hier liegt ein Irrtum vor.“

Ich hob meine Waffe in meiner freien Hand und richtete sie auf Mr. Schwarzhaar, aber behielt den größeren Typen fest im Griff. „Rühr dich nicht vom Fleck.“

Mr. Schwarzhaar erstarrte, aber lächelte, womit er ein verflixtes Grübchen offenbarte. Ich blinzelte, fasziniert von seiner Attraktivität.

„Okay. Ich werde mich nicht bewegen. Vorsicht mit der Pistole“, sagte er.

Erneut kocht mir das Blut in den Adern.

„Es besteht kein Grund für Handschellen“, versicherte mir Großer Kerl, dessen Stimme ruhig war, während er ein weiteres Mal versuchte, sich langsam umzudrehen. Ich hob sein Handgelenk höher, was ihn vor Schmerz aufstöhnen ließ.

„Auf den Boden“, befahl ich ihm, wobei meine Stimme beinahe an ein Brüllen heranreichte.

Zuerst wollte er nicht gehorchen, doch nach einem kleinen Ruck an seinem Arm sank Großer Kerl auf ein Knie, dann das andere und sein Körper fiel wie ein gefällter Baum auf den Hartholzboden. Ich setzte mich rittlings auf seinen Rücken, während ich sein anderes Handgelenk packte und die andere Schelle fixierte. Ich wirbelte auf Großen Kerls Rücken herum, sodass ich seinen Füßen zugewandt war, und zielte mit der Pistole auf Mr. Schwarzhaar. Auf keinen Fall würde ich ihn aus den Augen lassen.

„Denk nicht einmal daran, zu blinzeln“, warnte ich.

Er hob seine Hände noch eine Spur höher und schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Ma’am.“

Die Eingangstür öffnete sich und Poppy, die an ihrer Wintermütze zerrte, kam herein. Sie machte drei Schritte, bevor sie uns sah. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund klappte auf. „Donnerwetter.“

Niemand bewegte sich für einige Sekunden, dann brach Poppy in schallendes Gelächter aus. „Oh, das ist so genial.“

„Pops sag deiner umwerfenden Freundin, dass sie ihre Pistole wegstecken soll“, verlangte Mr. Schwarzhaar.

Poppy hielt ihre Hand hoch und lachte weiter. Tränen rannen über ihre Wangen. „Oh nein. Ich muss meine Kamera holen.“

„Pops!“, brüllte Mr. Schwarzhaar.

„Na schön. Eve, das ist mein Bruder, Shane. Der Kerl, auf dem du sitzt, ist Finch.“

Ich sah zu Mr. Schwarzhaar – Shane – hoch. Er zwinkerte mir zu. Zwinkerte!

„Du bist ihr Bruder? Warum zum Geier bist du durch das Fenster gekommen?“, fragte ich. Jetzt, da mein Adrenalin verflog, spürte ich die kalte Luft, die hereinströmte. Ich wusste, dass Poppy einen Bruder hatte, aber ich war ihm noch nie begegnet. Poppy war kein Fan von Familienfotos in ihrem Haus und so hatte ich nie erfahren, wie er aussah. Bis jetzt.

„Was sollte es dieses Mal werden?“, wollte Poppy wissen. „Tischtennisbälle in meinem Badezimmer? In Plastikfolie gewickelte Toiletten? Eiswürfel im ganzen Kühlschrank? Shampoo in der Waschmaschine?“

„Nichts Schlimmes“, behauptete Shane. „Nur zweihundert Luftballons in deinem Schlafzimmer.“

Ich sah die kleine Heliumflasche neben dem Fenster, die höchstwahrscheinlich den ersten Knall verursacht hatte, den ich im Bad gehört hatte. Shane musste der zweite gewesen sein.

Ich kletterte von Finch und stemmte die Hände in die Hüften. „Ihr seid hier, um Poppy einen Streich zu spielen? Könnt ihr das nicht tun, indem ihr die Tür benutzt?“

Shane zuckte mit den Schultern und grinste. „Wir konnten nicht riskieren, den Alarm auszulösen.“

Das ergab absolut Sinn. Durch das Fenster seiner Schwester einzusteigen.

„Das ist eine Geburtstagstradition“, fügte er hinzu, als würde das alles erklären. „Meiner ist im Juni und dieses Jahr hat Poppy hunderte Raupen in meinem Truck ausgesetzt. Ich konnte sie nicht alle finden, bevor sie zu Schmetterlingen wurden, und hatte dann eine Woche lang Schmetterlinge dort drin.“

„Der war gut“, meinte Poppy. „Ich hab mich noch gefragt, wann du zuschlagen würdest. Ist aber voll nach hinten losgegangen. Trottel.“

„Ähm, ich bin derjenige, der in Handschellen auf dem Boden liegt“, meldete sich Finch zu Wort.

„Oh, ähm… die Schlüssel sind oben in meiner Tasche“, erklärte ich verlegen, während ich nach unten auf den großen, muskulösen Cowboy sah, der ausgestreckt auf dem Boden lag. Sein Hut war ihm vom Kopf gefallen.

„Ich werde sie holen“, bot Poppy an, die nach wie vor lachte, während sie die Treppe erklomm.

„Ja, in diesem Outfit ist kein Platz für so etwas“, murmelte Shane, dessen Blick über jeden Zentimeter meines Körpers wanderte.

Ich sah an mir hinab und realisierte, was ich anhatte. Was ich nicht anhatte. Klamotten. Ich trug nur einen roten BH und Slip und das war es auch schon.

Ich quiekte vor bodenloser Scham.

Ich war einfach in meinen Polizeimodus gesprungen und hatte alles andere vergessen, einschließlich der Tatsache, dass ich praktisch nackt war. Bevor ich in Panik geraten oder mir auch nur eine Decke von der Sofarücklehne schnappen konnte, eilte Poppy schon die Treppe nach unten und warf mir die Schlüssel zu.

Ihr Handy klingelte und sie rannte davon, um den Anruf entgegenzunehmen. In kürzester Zeit war sie in ein Gespräch über Lichterketten und Generatoren verwickelt, weshalb ich vermutete, dass Kit am anderen Ende war.

Ich kniete mich neben Finch und öffnete die Handschellen, die ich behielt, nachdem er frei war. „Die ganze Sache tut mir leid.“

Er stemmte sich nach oben, sodass er auf dem Boden saß und wir uns auf Augenhöhe befanden. Anschließend griff er nach seinem Hut und setzte ihn sich auf den Kopf. Er lächelte, während seine grünen Augen über mein Gesicht glitten und dann tiefer. „Mir tut es nicht leid. Auf mir saß immerhin eine hübsche Frau.“ Er beugte sich näher und senkte seine Stimme. „Es hat mir gefallen, als du oben warst.“

Ich errötete bis in meine Haarspitzen wegen seiner Andeutung.

„Ich… ähm… muss mir Kleider besorgen.“

Finch schüttelte den Kopf. „Wegen uns musst du das nicht tun.“

„Das stimmt. Die Aussicht ist verdammt fantastisch“, sagte Shane, der zum Fenster ging und es schloss. „Ich schätze, du bist Eve Miranski, die Detective. Wir haben von dir gehört. Ich dachte mir, dass wir uns eines Tages über den Weg laufen würden, aber nicht so.“

Finch erhob sich und ich musste meinen Kopf nach hinten neigen, um sie beide anschauen zu können. Jetzt, da sie keine Soziopathen mehr waren, die beabsichtigten, Poppy zu schaden, konnte ich würdigen, wie heiß sie waren. Wie sich ihre Kleider an ihre kräftigen Figuren schmiegten. Ihre kantigen Kiefer. Eindringlichen Blicke. Großen Hände.

Und ich stand nach wie vor nur in meiner Unterwäsche da. Ich begann, rückwärts zur Treppe zu laufen, meine Pistole in einer Hand – jetzt gesenkt – und die Handschellen in der anderen. Nun, da sie nicht mehr mit einer Pistole bedroht wurden, waren ihre Körper entspannt und ihre Blicke gingen auf Wanderschaft. Das Begehren in ihren Augen konnte ich nicht übersehen. Genauso wenig konnte ich eine sehr offenkundige Sache übersehen. Nein, zwei. Sie waren beide hart.

Und groß.

Groß und hart.

Mein Mund war trocken. „Okay, also… das war interessant. Tut mir leid, dass ich, ähm, euren Streich verdorben habe. Ich schätze, ihr werdet euch einen anderen einfallen lassen müssen.“ Ich stolperte um einen Beistelltisch. „Ich… ähm… sehe euch dann später.“

Sie beobachteten, wie ich ging, und ich fühlte ihre Blicke auf jedem Zentimeter meiner Haut.

„Definitiv“, erwiderte Shane.

„Auf der Party.“ Finch hob sein Kinn. „Die Pistole kannst du weglassen, aber bring die Handschellen mit.“