Mrs Fletcher - Tom Perrotta - E-Book

Mrs Fletcher E-Book

Tom Perrotta

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Leben ist zu kurz, um sexuell frustriert zu sein Gerade war Eve Fletcher noch alleinerziehende Mutter, da zieht ihr Sohn Brendan aus und Eve findet sich im leeren Nest wieder. Neue Ziele müssen her. Der Abendkurs zum Thema ›Gender und Gesellschaft‹ ist da schon ein Anfang. Nicht minder aufregend: Sexfilme im Internet. Besonders beschäftigt Eve ihre Entdeckung der ›MILF‹ – könnte sie selbst damit auch gemeint sein? Und während Eve ihre Sexualität ganz neu erlebt, muss Brendan am College lernen, was es nicht heißt, ein Mann zu sein. Klug, hintergründig und hinreißend komisch erkundet Mrs. Fletcher Sex, Begehren und Elternschaft in Zeiten sich rasant wandelnder Geschlechterrollen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 482

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tom Perrotta

Mrs Fletcher

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch vonJohann Christoph Maass

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

 

 

 

 

»Der Weg hinauf und hinabist ein und derselbe.«

HERAKLIT

1 Der Beginn von irgendetwas Großartigem

Das obligatorische Emoticon

Die Heimfahrt dauerte lang, und Eve weinte beinahe die ganze Zeit über, weil der große Tag nicht so gelaufen war wie erhofft, wie das große Tage eben so an sich hatten. Geburtstage, Feiertage, Hochzeiten, Abschlussfeiern, Beerdigungen – sie alle waren überfrachtet mit Erwartungen, und die wichtigen Menschen in Eves Leben verhielten sich selten so, wie sie sollten. Die wenigsten von ihnen schienen ihre Vorstellungen diesbezüglich überhaupt zu teilen, obwohl das womöglich mehr über die wichtigen Menschen in ihrem Leben aussagte als über die großen Tage selbst.

Zum Beispiel heute: Alles, was sie sich gewünscht hatte, von dem Moment an, als sie am Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, war, eine Gelegenheit zu finden, Brendan ihre Gefühle mitzuteilen, all der Liebe Ausdruck zu verleihen, die sich den Sommer über angestaut hatte, derart angewachsen war, dass sie manchmal gemeint hatte, ihr würde die Brust zerspringen. Sie hatte es einfach wichtig gefunden, das laut auszusprechen, bevor er ging, die ganze Dankbarkeit und den Stolz zu artikulieren, nicht bloß angesichts des wunderbaren Menschen, der er jetzt gerade war, sondern auch im Hinblick auf den süßen kleinen Jungen, der er gewesen war, und den starken und aufrechten Mann, zu dem er eines Tages werden würde. Außerdem wollte sie ihn beruhigen, ihm klarmachen, dass auch sie, genau wie er, ein neues Leben begann und dass das für sie beide ein großartiges Abenteuer werden würde.

Mach dir um mich keine Sorgen, wollte sie ihm sagen. Gib dir einfach Mühe im Studium und genieß das Leben. Ich kümmere mich schon um mich selbst …

Doch zu dem Gespräch war es nicht gekommen. Brendan hatte verschlafen – er war bis spät unterwegs gewesen, hatte mit seinen Kumpels gefeiert –, und als er sich schließlich aus dem Bett gequält hatte, war er zu nichts zu gebrauchen, zu verkatert, um dabei zu helfen, die letzten Dinge zu packen und den Van zu beladen. Es war schlicht rücksichtslos – das alles ihr zu überlassen, mit ihrem kaputten Rücken, in der klebrigen Augusthitze seine Kisten und Koffer die Treppe hinunterzuschleppen, wobei sie ihr gutes Hemd durchschwitzte, während er in Boxershorts am Küchentisch saß und mit dem kindersicheren Verschluss der Ibuprofen-Flasche kämpfte –, aber es gelang ihr, ihren Ärger im Zaum zu halten. Sie wollte ihnen ihren letzten gemeinsamen Morgen nicht mit kleinlichem Gemotze verderben, auch wenn sie dazu jedes Recht hatte. Es wäre keinem von beiden damit geholfen, wenn sie die Fahrt bereits schlecht gelaunt anträten.

Als sie alles erledigt hatte, machte sie ein paar Fotos vom Van mit offen stehender Heckklappe: Der Laderaum war mit Taschen und Plastikkisten vollgestopft, einem zusammengerollten Teppich und einem Lacrosse-Schläger, einer Xbox und einem Tischventilator, einem Minikühlschrank und einem Milchkasten voll mit Essen für den Notfall, plus einer Riesentüte Cool Ranch Doritos, weil er die so gerne mochte. Sie lud das letzte unscharfe Bild bei Facebook hoch, zusammen mit dem Kommentar Auf zum College! Freu mich so für meinen tollen Sohn Brendan!!! Sie fügte noch das obligatorische Emoticon hinzu und schoss die Botschaft in den Orbit, damit ihre zweihunderteinundzwanzig Freunde verstanden, was sie empfand, und ihr zeigen konnten, dass ihnen das gefiel.

Sie brauchte mehrere Versuche, die Heckklappe zu schließen – der verdammte Teppich war im Weg –, aber irgendwann gelang es ihr, und damit war das Thema schon mal erledigt. Sie hielt einen Moment lang inne, dachte an andere Autofahrten, Ferienreisen, die sie unternommen hatten, als Brendan noch klein gewesen war, daran, wie sie zu dritt nach Cape Cod zu Teds Eltern gefahren waren, und an den einen Campingurlaub in den Berkshires, als es geregnet und geregnet hatte – die Erde hatte sich unter ihrem Zelt verflüssigt –, und sie mitten in der Nacht packen und ein Motel finden mussten. Eigentlich könnte sie auch jetzt gleich anfangen zu heulen, dachte sie – das würde früher oder später ohnehin passieren –, aber bevor sie sich dazu bringen konnte, kam Becca auf ihrem Fahrrad die Einfahrt hochgesaust, bewegte sich derart flink und geräuschlos, dass ihre Ankunft etwas von einem Überraschungsangriff hatte.

»Huch!« Eve riss zur Selbstverteidigung die Arme hoch, obwohl keine Gefahr bestand, überfahren zu werden. »Du hast mich aber erschreckt!«

Becca warf ihr einen vernichtenden Von-welchem-Planeten-bist-du-denn-Blick zu, als sie abstieg, aber ihre Geringschätzung kam und ging so rasch, dass es fast so war, als sei sie nie da gewesen.

»Guten Morgen, Mrs Fletcher.«

Eve reagierte innerlich gereizt auf die Begrüßung. Sie hatte Becca schon mehrfach gesagt, sie bevorzuge, mit ihrem Vornamen angesprochen zu werden, aber das Mädchen bestand darauf, sie Mrs Fletcher zu nennen, so als sei sie noch immer verheiratet.

»Guten Morgen, Becca. Solltest du keinen Helm tragen?«

Becca ließ das Fahrrad los – einen Moment lang hielt es selbst noch das Gleichgewicht, bevor es verträumt ins Gras kippte – und betastete mit beiden Händen ihre Haare, vergewisserte sich, dass alles da war, wo es sein sollte, was selbstredend der Fall war.

»Helme sind eklig, Mrs Fletcher.«

Eve hatte Becca seit Wochen nicht gesehen und merkte plötzlich, wie angenehm die Unterbrechung gewesen war, und dass sie diese gar nicht zu würdigen gewusst hatte, so, wie man die Abwesenheit von Bauchweh nicht zu würdigen weiß, bis die Krämpfe wiederkehren. Becca war dermaßen zierlich und niedlich, so rundum perfekt, mit ihrem goldigen kleinen türkisfarbenen Jumpsuit, den makellos weißen Turnschuhen und dem ganzen Make-up, viel zu viel für ein radelndes Teenagermädchen an einem Sommermorgen. Und sie schwitzte nicht einmal!

»Nun denn.« Eve lächelte nervös, sich ihres eigenen Körpers mehr als bewusst, der teigigen Blässe ihrer Haut, der Feuchtigkeit, die ihren Achselhöhlen entsprang. »Kann ich etwas für dich tun?«

Becca bedachte sie erneut mit dem frostigen Blick und informierte sie so darüber, dass ihr Kontingent an dummen Fragen für heute aufgebraucht war.

»Ist er da?«

»Tut mir leid, Süße.« Eve deutete mit dem Kopf in Richtung Van. »Wir wollen gleich los.«

»Keine Sorge.« Becca war bereits in Richtung Haus unterwegs. »Dauert nur eine Minute.«

Eve hätte sie davon abhalten können, hineinzugehen – dazu hatte sie absolut das Recht –, aber sie hatte keine Lust, die Rolle der zickigen, nörgelnden Mutter zu spielen, heute nicht. Warum auch? Ihre Tage als Mutter waren gezählt. Und auch wenn sie Becca nicht leiden konnte, so kam sie dennoch nicht umhin, Mitleid zu haben, zumindest ein bisschen. Brendans Freundin zu sein, war sicher nicht leicht gewesen, und es musste ziemlich wehgetan haben, bloß Wochen, bevor er Richtung College aufbrach, abserviert worden zu sein, während sie noch ein weiteres Jahr in der Highschool festsaß. Die Drecksarbeit hatte er offenbar per SMS erledigt und sich danach geweigert, mit ihr zu reden, hatte die Beziehung einfach zerknüllt und in den Müll geschmissen, eine Taktik, die er von seinem Vater gelernt hatte. Eve konnte Beccas Bedürfnis nach einer letzten Aussprache nur allzu gut verstehen, die vergebliche Hoffnung auf einen versöhnlichen Abschluss.

Viel Glück dabei.

 

Um ihnen etwas Privatsphäre zu lassen, fuhr Eve zur Citgo-Station, um zu tanken und den Reifendruck zu überprüfen, und hielt dann noch an der Bank, um etwas Geld abzuheben, das sie Brendan zum Abschied zustecken konnte. Für Bücher, würde sie sagen, auch wenn sie sich vorstellen konnte, dass das meiste für Pizza und Bier draufgehen würde.

Sie war ungefähr eine Viertelstunde lang weg gewesen – ausreichend Zeit für ein Abschiedsgespräch –, aber als sie zurückkam, lag Beccas Fahrrad noch immer auf dem Rasen.

Pech gehabt, dachte sie. Die Besuchszeit ist jetzt vorbei …

In der Küche war niemand, und Brendan antwortete auch nicht, als sie seinen Namen rief. Sie versuchte es erneut, etwas lauter, erneut ohne Erfolg. Dann schaute sie kurz auf die Terrasse, das aber bloß der Form halber; sie wusste längst, wo die beiden waren und was sie taten. Es lag in der Luft, eine unterschwellige, verbotene und außerordentlich nervtötende Schwingung.

Eve war keine puritanische Mutter – wenn sie zum Drogeriemarkt fuhr, erkundigte sie sich sogar bei ihrem Sohn, ob er Kondome brauchte –, aber dazu hatte sie nicht die Geduld, nicht heute, nicht, nachdem sie ganz allein den Van beladen hatte und sie im Zeitplan bereits weit zurückhinkten. Sie ging zum Fuß der Treppe.

»Brendan!« Ihre Stimme klang schrill und durchdringend. Es war genau derselbe Tonfall, in dem sie ihn gerufen hatte, wenn er als Kind auf dem Spielplatz etwas angestellt hatte. »Du wirst hier unten gebraucht, und zwar sofort!«

Sie wartete ein paar Sekunden, stapfte dann die Stufen hinauf und machte dabei so viel Krach wie möglich. Ihr war egal, was sie taten. Es ging hier einfach um Respekt. Respekt und Reife. Er brach zum College auf, und es wurde Zeit, erwachsen zu werden.

Seine Zimmertür war zu, und von innen war Musik zu hören, der übliche aggressive Rap. Sie hob die Hand, um zu klopfen. Das Geräusch, das sie innehalten ließ, war zunächst nur vage, kaum hörbar, aber es wurde lauter, als sie sich auf seine Frequenz eingestellt hatte, ein dringliches, urtümliches Murmeln, das wohl keine Mutter aus dem Mund des eigenen Sohnes hören will, besonders dann nicht, wenn sie voller nostalgischer Erinnerung an den kleinen Jungen von früher ist, das süße Kind, das sich so verzweifelt an ihr Bein geklammert hatte, als sie sich an seinem ersten Vorschultag verabschieden wollte, das sie angefleht hatte, nur noch eine Minute bei ihm zu bleiben. Bitte, Mommy, nur noch eine klitzekleine Minute!

»Oh, verdammt«, sagte er jetzt, in einem Tonfall betäubten Erstaunens. »Scheiße noch mal … ja, lutsch ihn mir, Schlampe.«

Wie von einem fürchterlichen Geruch abgestoßen, taumelte Eve von der Tür weg und trat hastig den Rückzug in die Küche an, wo sie sich eine Tasse beruhigenden Pfefferminztee machte. Um sich abzulenken, während der zog, blätterte sie einen Katalog des Eastern Community College durch, denn ab jetzt würde sie eine Menge Zeit zur Verfügung haben, und sie musste aktiv werden, dafür sorgen, dass sie aus dem Haus kam und vielleicht ein paar interessante neue Leute kennenlernte. Sie war bereits bei Soziologie angelangt und hatte die Kurse eingekreist, die vielversprechend klangen und ihr zeitlich passten, als sie schließlich Schritte auf der Treppe hörte. Ein paar Sekunden später betrat Becca die Küche, die zerzaust, aber siegreich aussah, mit einem großen nassen Fleck auf ihrem Jumpsuit. Zumindest hatte sie den Anstand, rot zu werden.

»Wiedersehen, Mrs Fletcher. Viel Spaß im leeren Nest!«

 

Im vorigen Sommer, als Eve und Brendan auf College-Tour gewesen waren, hatten sie ein paar wunderbare, lange Autofahrten zusammen verbracht. Von der Monotonie des Highways eingelullt, hatte Brendan sich ihr in einer Weise geöffnet, die sie nicht mehr für möglich gehalten hatte. Entspannt und überlegt hatte er über eine Vielzahl von Themen gesprochen, die normalerweise tabu waren: Mädchen, die neue Familie seines Vaters, mögliche Hauptfächer, die er in Betracht zog (Wirtschaftswissenschaften, wenn das nicht zu schwer war, vielleicht aber auch Strafrecht). Er hatte sich überraschend neugierig gezeigt, was ihre Vergangenheit betraf, hatte gefragt, wie sie in seinem Alter so gewesen sei, nach den Typen, mit denen sie gegangen war, bevor sie geheiratet hatte, und den Bands, die sie gemocht hatte, und ob sie Gras geraucht habe oder nicht. Bei den Ausflügen, die eine Übernachtung erforderlich machten, hatten sie sich ein Motelzimmer geteilt, von ihren Betten aus Fernsehen geguckt, sich die Dorito-Tüte hin- und hergereicht und über South Park oder Jon Stewart gelacht. Zu dem Zeitpunkt hatte es sich angefühlt, als träten sie in eine neue, erfreuliche Phase ihrer Beziehung ein, ein entspanntes, erwachsenes Miteinander, aber das hielt nicht lange an. Kaum waren sie wieder zu Hause, fielen sie wieder in ihren Standardmodus zweier Menschen zurück, die zwar die gleiche Adresse, aber ansonsten nicht viel gemeinsam hatten, und tauschten das erforderliche tägliche Mindestmaß an Informationen aus, seitens ihres Sohnes vorwiegend in Form von widerwilligen Einsilbern und gereiztem Grummeln.

Eve hatte die Erinnerung an diese intimen Highway-Unterhaltungen in Ehren gehalten und hatte sich auf eine weitere davon an diesem Nachmittag gefreut, die letzte Chance, die großen Veränderungen zu kommentieren, die sich in ihrer beiden Leben jetzt vollziehen würden, und vielleicht einen kleinen Rückblick auf die Jahre zu wagen, die nun plötzlich hinter ihnen lagen, schneller vergangen waren, als sie sich je hätte vorstellen können. Aber wie sollten sie gemeinsam in Erinnerungen schwelgen, wenn sie an nichts anderes denken konnte als an die widerlichen Worte, die sie durch die Zimmertür gehört hatte?

Lutsch ihn mir, Schlampe.

Bäh. Sie wollte einen Knopf drücken und den ekligen Satz aus ihrem Gedächtnis löschen, aber er wiederholte sich wie von selbst, hallte ihr in Endlosschleife durch den Kopf: Lutsch ihn mir, Schlampe … Lutsch ihn mir, Schlampe … Lutsch ihn mir … Er hatte die Worte derart beiläufig gesagt, derart automatisch, wie ein Junge ihrer Generation vielleicht Oh, ja oder Mach weiter gesagt hätte, und das wäre aus der Perspektive einer Mutter schon peinlich genug gewesen, aber nicht ansatzweise so verstörend.

Wahrscheinlich hätte sie sich nicht wundern sollen. Als Brendan in der Mittelstufe war, hatte Eve einen Vortrag des Eltern-Lehrer-Verbandes zum Thema Webaffine Erziehung besucht. Der Referent, ein stellvertretender Bezirksstaatsanwalt, hatte ihnen einen deprimierenden Überblick über die Internetlandschaft und die Gefahren, die dort für Teenager lauerten, geboten. Er hatte kurz über Sexting, Mobbing und Sexualstraftäter gesprochen, aber die Sache, die ihn wirklich umtrieb, war die wahnsinnige Menge an Pornografie, denen die Jugendlichen potenziell täglich ausgeliefert waren, dieser Tsunami des Schmutzes, beispiellos in der Geschichte der Menschheit.

Es geht hier nicht um ein im Schrank verstecktes Playboy-Heft, verstehen Sie? Wir haben es hier mit einer vollkommen unregulierten Kloake erniedrigender Bilder und extremer sexueller Perversionen zu tun, auf die jeder von seinem Schlafzimmer aus Zugriff hat, unabhängig von Alter oder emotionaler Reife. Um Ihren Kinder in dieser toxischen Umwelt Sicherheit zu bieten, ihre Unschuld zu bewahren und sie vor völliger Verderbtheit zu schützen, bedarf es permanenter und unerschütterlicher Wachsamkeit. Sind Sie gewappnet für diese Herausforderung?

Eve und die anderen Mütter, mit denen sie gesprochen hatte, waren von diesem düsteren Bild zunächst erschüttert gewesen, im Anschluss aber übereingekommen, dass er doch wohl ein wenig übertrieben habe. Die Situation war schlecht – das zu bestreiten, war sinnlos –, aber so schlimm war sie ja nun auch nicht, oder? Und selbst wenn, war es ja schon praktisch kaum möglich, jeden Mausklick seiner Kinder zu überwachen. Man musste ihnen einfach die richtigen Werte vermitteln – Respekt, Freundlichkeit und Mitgefühl, im Großen und Ganzen also das altbewährte Was du nicht willst, das man dir tu …, also religiös war Eve nicht – und hoffen, dass es ihnen ein Schutzschild an die Hand gab gegen die schädlichen Bilder und sexistischen Stereotype, denen sie unvermeidlicherweise ausgesetzt waren. Und das hatte Eve getan, nach bestem Wissen, allerdings hatte es nicht so funktioniert, wie sie sich erhofft hatte.

Lutsch ihn mir, Schlampe.

Der Tag war nun bereits zu weit fortgeschritten für ein großes Gespräch über Sex, aber Eve hatte das Gefühl, dass sie nicht anders können würde, als ihm mitzuteilen, wie enttäuscht sie war. Was er zu Becca gesagt hatte, war nicht in Ordnung, und Eve musste das klarstellen, selbst wenn sie ihnen damit den letzten gemeinsamen Tag kaputt machte. Sie wollte nicht, dass er aufs College ging, ohne verstanden zu haben, dass es einen fundamentalen Unterschied gab zwischen sexuellen Beziehungen im echten Leben und den seelenlosen Begegnungen, die er sich höchstwahrscheinlich im Netz anschaute (er beharrte zwar darauf, sich von alldem Müll fernzuhalten, aber seine Browser-Chronik war immer fein säuberlich bereinigt, was eines der Warnsignale war, wie sie bei der Veranstaltung des Eltern-Lehrer-Verbandes erfahren hatte). Zumindest aber musste sie ihn daran erinnern, dass es nicht in Ordnung war, die eigene Freundin Schlampe zu nennen, selbst wenn das ein Wort war, das man unter Freunden spaßeshalber verwendete, und auch dann nicht, wenn das betreffende Mädchen behauptete, es störe sie nicht.

Und nicht einmal, wenn sie tatsächlich eine ist, dachte Eve, auch wenn sie wusste, dass ihr das in der Sache nicht weiterhalf.

Brendan musste gespürt haben, dass eine Standpauke drohte, denn er setzte im Van alles daran, sich abzuschotten: zog den Schirm seiner Baseballkappe tief über die Sonnenbrille, nickte nachdrücklich zu dem Hip-Hop-Beat, der aus seinen schicken weißen Kopfhörern pulsierte, und sobald sie die Zufahrt zum Highway erreicht hatten, kippte er den Sitz nach hinten und verkündete, er würde dann mal ein Schläfchen machen.

»Ich hoffe, es macht dir nichts aus«, sagte er, was das erste halbwegs Höfliche war, das ihm den ganzen Tag aus dem Mund gekommen war. »Ich bin total müde.«

»Das glaube ich«, sagte Eve und spickte ihre Stimme mit gekünsteltem Mitgefühl. »War ja auch ein anstrengender Morgen für dich. Das ganze Geschleppe.«

»Haha.« Er stellte die nackten Füße gegen das Armaturenbrett. »Weck mich, wenn wir da sind, okay?«

Die nächsten zwei Stunden schlief er – oder tat so als ob – und verließ den Van nicht einmal, als sie auf einem Rastplatz kurz vor Sturbridge hielten. Eve hatte es ihm zunächst übel genommen – sie wollte wirklich dieses Gespräch über sexuelle Umgangsformen und Respekt gegenüber Frauen mit ihm führen –, aber sie musste sich eingestehen, dass sie erleichtert darüber war, die Unterhaltung zu verschieben, bei der sie zugeben hätte müssen, dass sie an seiner Tür gelauscht hatte, und außerdem den Satz zitieren, der sie derart aufgebracht hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn würde laut aussprechen können, jedenfalls nicht, ohne sich fürchterlich zu schämen, und sie hatte so ein Gefühl, Brendan könnte lachen und ihr sagen, da habe sie sich verhört, dass er niemals Lutsch ihn mir, Schlampe sagen würde, nicht zu Becca oder sonst wem, und sie schließlich bloß die Eckpunkte der ganzen Sache diskutieren würden anstatt des eigentlichen Themas. Er konnte aalglatt sein, wenn nötig; das war eine weitere Eigenschaft, die er von seinem Vater geerbt hatte, ebenfalls ein Meister im Leugnen und Ausweichen.

Soll er sich einfach ausruhen, dachte sie, schob eine Neil-Young-CD in den Player, sanfte alte Songs, die ihr ein angenehmes Gefühl der Melancholie gaben, perfekt für den Anlass. Wir können ein andermal reden.

Eve wusste, dass sie feige war, sich ihrer elterlichen Verantwortung entzog, aber ihn vom Haken zu lassen, war mittlerweile fast schon ein Reflex. Die Scheidung hatte bei ihr ein hartnäckiges schlechtes Gewissen hinterlassen, was es ihr beinahe unmöglich machte, auf ihren Sohn lange wütend zu sein oder ihn für seine Taten zur Verantwortung zu ziehen. Das arme Kind war Opfer einer komplizierten Lockvogeltaktik gewesen, angewendet von den eigenen Eltern, die ihm elf Jahre lang ein Leben aufgebaut hatten, das sich stabil, dauerhaft und gut angefühlt hatte, und es ihm dann – war nur ’n Scherz! – wieder aus den Händen gerissen und es durch eine minderwertige Behelfsversion ersetzt hatten, einer kleineren, schwächeren Variante, in der Liebe ein Haltbarkeitsdatum hatte und man nichts und niemandem wirklich vertrauen konnte. War es da ein Wunder, dass er anderen Menschen nicht immer mit der Freundlichkeit und Nachsicht begegnete, die sie verdienten?

Nicht, dass das Eves Schuld wäre. Dafür war Ted verantwortlich, dieser selbstsüchtige Mistkerl, der eine wunderbare Familie im Stich gelassen hatte, um mit einer Frau durchzubrennen, die er über die Rubrik Zwanglose Treffen bei Craigslist kennengelernt hatte (er hatte fälschlicherweise angegeben, er sei »geschieden«, eine selbst erfüllende Prophezeiung, wie sie im Buch stand). Eve hatte seinen Betrug nicht kommen sehen und war am Boden zerstört, als er sich einer Eheberatung verweigerte und auch jeder anderen zumindest symbolischen Anstrengung, ihre Ehe zu retten. Er erklärte sie einfach für tot und begraben, befand unilateral, die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens seien ein Fehler gewesen, und gelobte für den nächsten Versuch Besserung.

Ich habe eine zweite Chance bekommen, erklärte er ihr, und seine Stimme bebte vor Gefühl. Siehst du, wie kostbar das ist?

Was ist mit mir?, hatte sie geantwortet. Was ist mit deinem Sohn? Sind wir etwa nicht kostbar?

Ich bin ein Idiot, erklärte er. Ihr beiden habt etwas Besseres verdient.

Die ganze Welt erkannte ihren Status als unschuldiges Opfer an – sogar Ted! –, aber Eve fühlte sich trotzdem mitschuldig an der Trennung. Ihre Ehe hatte sich schon lange in der Krise befunden, bevor es Ted zu Craigslist verschlagen hatte, und sie hatte rein gar nichts getan, um daran etwas zu ändern, sich nicht einmal eingestanden, dass es ein Problem gab. Ihre Passivität hatte die Katastrophe erst möglich gemacht, ihren Ehemann von ihr fortgetrieben und die Familie auseinanderbrechen lassen. Sie hatte als Ehefrau versagt und somit auch als Mutter, und Brendan war derjenige gewesen, der den Preis dafür bezahlt hatte.

Was das bei ihm angerichtet hatte, lag im Verborgenen und war schwer zu fassen. Andere Leute staunten darüber, was für ein beeindruckender junger Mann er sei und wie gut er die Scheidung überstanden habe. Eve freute das Lob sehr – klammerte sich förmlich daran fest –, und bis zu einem bestimmten Punkt schenkte sie ihm sogar Glauben. Ihr Sohn besaß eine Reihe guter Eigenschaften. Er war hübsch und beliebt, ein begabter Sportler, dem es nie an weiblicher Aufmerksamkeit gefehlt hatte. Er war gut in der Schule gewesen, gut genug, um am Fordham und am Connecticut College angenommen zu werden, obgleich er sich letztlich für die Berkshire State University entschieden hatte – zum einen, weil sie günstiger war; vor allem aber, wie er begeistert jedem mitteilte, der es wissen wollte, weil die BSU eine Party-Uni war und er so gerne feierte. So zeigte er sich – als großer, freundlicher, lebenslustiger Kerl, ein Typ, den man total gern in seiner Mannschaft oder seinem Wohnheim hatte –, und die Welt nahm ihn offenkundig liebend gern beim Wort.

Für Eve war er allerdings noch immer der verwirrte Junge, der nicht begriff, warum sein Vater gegangen war und wieso sie ihn nicht einfach wieder nach Hause holen konnten. Während der ersten paar Monate nach Teds Auszug hatte Brendan mit einem Foto seines Vaters unter dem Kopfkissen geschlafen, und mehr als einmal hatte sie ihn mitten in der Nacht hellwach vorgefunden, wie er mit dem Foto sprach und ihm Tränen das Gesicht hinabliefen. Im Laufe der Zeit war er abgehärtet – sein Körper wurde sehnig, sein Blick hart, und das Bild verschwand –, aber irgendetwas hatte er dabei verloren, die ganze jungenhafte Weichheit und Verletzlichkeit, die sie so tief angerührt hatte. Er war einfach kein so netter Mensch mehr wie zuvor – nicht ansatzweise so süß, höflich oder liebenswert –, und sie konnte sich nicht verzeihen, das zugelassen zu haben, nicht gewusst zu haben, wie sie ihn beschützen sollte oder das zu reparieren, was kaputt gegangen war.

 

Am Rande des Campusgeländes gerieten sie in einen Stau, einen ausgelassenen Konvoi ankommender Erstsemester und ihrer Familien. Während sie sich Zentimeter für Zentimeter dem Longfellow-Wohnheimkomplex näherten, wurden sie angefeuert von Gruppen höherer Semester in passenden roten T-Shirts, die offenkundig dafür bezahlt wurden, die Neulinge zu begrüßen. Einige von ihnen tanzten, und andere hielten handgemalte Schilder hoch, auf denen stand: Willkommen zu Hause! Und: Ersties rocken! Ob nun gekauft oder nicht, ihr Enthusiasmus war derart ansteckend, dass Eve nicht anders konnte, als zu grinsen und zurückzuwinken.

»Was tust du da?«, murmelte Brendan, noch unleidig von seinem Schläfchen.

»Ich bin bloß freundlich«, sagte sie. »Wenn du nichts dagegen hast.«

»Was auch immer.« Er sank noch tiefer in den Sitz. »Tu dir keinen Zwang an.«

Brendan war Haus Einstein zugeteilt worden, einem der berüchtigten Hochhaus-Wohnheime, die Longfellow wie eine Sozialbausiedlung aussehen ließ. Eve hatte alarmierende Dinge über die Partykultur in diesem Teil des Hochschulcampus gehört, aber als sie in der Ladezone hielten und von einer Horde gut gelaunter und zupackender studentischer Umzugshelfer umschwärmt wurden, machte das einen beruhigend anständigen Eindruck auf Eve. Innerhalb von Minuten hatten die Helfer den Van ausgeladen und Brendans sämtliche Besitztümer in eine große orangefarbene Tonne auf Rädern verfrachtet. Eve stand daneben und sah zu; sie war froh, dass ihr eine weitere Runde schweißtreibender Arbeit erspart blieb. Ein etwas ungepflegt aussehender Junge, dessen T-Shirt ihn als TEAMLEITER auswies, schloss die Heckklappe und nickte ihr geschäftsmäßig zu.

»Okay, Mom. Wir werden diesen hübschen jungen Mann jetzt auf sein Zimmer bringen.«

»Wunderbar.« Mit dem Infrarotschlüssel verschloss Eve den Van. »Dann mal los.«

Der Teamleiter schüttelte den Kopf. Trotz der mehr als dreißig Grad trug er eine Wollmütze mit Ohrenklappen, die so steif von getrocknetem Schweiß waren, dass sie abstanden wie Pippi-Langstrumpf-Zöpfe. »Du nicht, Mom. Du musst den Wagen zum Besucherparkplatz fahren.«

Das war nicht gerecht, fand Eve. Sie hatte viele der Mütter gemeinsam mit ihren Kindern ins Wohnheim gehen sehen. Just in diesem Moment begleitete eine indische Dame in einem limettengrünen Sari ihre Tochter hinein. Aber gerade als Eve darauf hinweisen wollte, fiel ihr ein, dass die anderen Mütter sicherlich Ehemänner hatten, die das Parken übernahmen. Das schien wohl für alle die angemessene Arbeitsteilung zu sein: Die Männer parkten die Autos, während die Mütter bei ihren Kindern blieben. Eve gab ihrer Stimme eine sanftere Note, ersuchte um Gnade.

»Es dauert doch bloß ein paar Minuten. Ich muss ihm beim Auspacken helfen.«

»Das ist super nett, Mom.« Ein Hauch Ungeduld hatte sich in die Stimme des Teamleiters gemischt. »Aber erst musst du das Auto wegfahren. Es warten eine Menge Leute.«

Ich bin nicht deine Mom, dachte Eve, während sie den rechthaberischen kleinen Hosenscheißer gequält höflich anlächelte. Wäre sie seine Mutter, hätte sie ihm geraten, die Mütze zu entsorgen. Schatz, hätte sie gesagt, du siehst damit wie ein Volltrottel aus. Stattdessen atmete sie tief ein und versuchte, an seine Menschlichkeit zu appellieren.

»Ich bin alleinerziehend«, erklärte sie. »Er ist mein einziges Kind. Das ist wirklich ein großer Moment für uns.«

Mittlerweile verfolgte auch Brendan die Unterhaltung. Er wandte sich Eve zu und starrte sie an.

»Mom.« Er klang angespannt und sprach abgehackt. »Park den Wagen. Ich komm klar.«

»Bist du dir sicher?«

Der Teamleiter tätschelte ihr den Arm.

»Keine Sorge«, versicherte er. »Wir werden uns gut um den Kleinen kümmern.«

 

Bis zum Besucherparkplatz war es nur eine kurze Fahrt, aber der Fußweg zurück zum Haus Einstein dauerte länger, als sie erwartet hatte. Als sie in Brendans Zimmer im siebten Stock ankam, war dieser bereits zu hundert Prozent im Verbrüderungsmodus mit seinem neuen Zimmergenossen Zack, einem breitschultrigen Jungen aus Boxboro mit einem schmalen, akkurat getrimmten Bart, der um seine Kieferpartie herumlief wie ein Kinnriemen – die gleiche unvorteilhafte Gesichtsbehaarung, mit der Brendan den Großteil seines letzten Schuljahres herumgelaufen war. Die beiden trugen zudem identische Outfits – Flipflops, Baggyshorts, Muskelshirts und schräg aufgesetzte Baseballcaps –, nur dass Zack sein Ensemble noch mit einer Kette aus Puka-Muscheln aufgepeppt hatte.

Er machte einen netten Eindruck, aber Eve musste sich Mühe geben, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte gehofft, Brendan bekomme einen exotischeren Zimmergenossen, einen schwarzen Jungen aus Boston oder einen Austauschstudenten aus Kontinentalchina, oder sogar einen Schwulen mit einer Leidenschaft für Musiktheater, jemanden, der den Horizont ihres Sohnes erweitern und ihn aus seiner vorstädtischen Komfortzone herausholen würde. Stattdessen hatte man ihn mit einem jungen Mann zusammengesteckt, der sein lang verschollener Bruder sein konnte. Als sie den Raum betrat, bestaunten die beiden Jungen gerade ihre identischen Minikühlschränke.

»Einen könnten wir ganz dem Bier widmen«, schlug Zack vor. »Der andere könnte für Nicht-Bier-Kram sein, Aufschnitt, und was weiß ich.«

»Aber voll«, stimmte Brendan zu. »Milch für Cornflakes.«

»Arizonas.« Zack fummelte an seinen Puka-Muscheln herum. »Wäre vielleicht cool, wenn wir sie übereinander stellen. Dann wär’s wie ein mittelgroßer Kühlschrank mit zwei Fächern. So hätten wir mehr Platz.«

»Genial.«

Eve machte sich gleich an die Arbeit, bezog Brendans Bett und bestückte Schrank und Kommode genauso wie zu Hause, damit er alles wiederfand. Keiner der Jungs beachtete sie weiter – sie überlegten gerade, vielleicht eines der Betten aufzubocken und einen Schreibtisch darunter zu platzieren, um Platz für eine Couch zu schaffen, auf der man ja viel besser Videospiele spielen konnte –, und sie sagte sich, dass es total normal war, als Mutter in einer solchen Situation nicht beachtet zu werden. Das hier war das Zimmer der Jungs und ihre Welt; sie war ein Eindringling, der bald ohnehin auf dem Heimweg war.

»Wo sollen wir denn eine Couch herkriegen?«, fragte Brendan.

»Die werden hier einfach auf die Straße gestellt«, erklärte Zack. »Wir können später los und uns eine holen.«

»Ist das denn hygienisch?«, wandte Eve ein. »Sie könnte von Bettwanzen befallen sein.«

»Mom.« Brendan brachte sie mit einem Kopfschütteln zum Schweigen. »Wir kommen schon klar, okay?«

Zack strich sich wie ein Philosoph den Bart entlang. »Wir könnten ein Bettlaken drübermachen, dann wären wir auf der sicheren Seite.«

Es war bereits halb sechs, als Eve alles ausgepackt hatte. Den Teppich hatte sie sich bis zum Schluss aufgespart, positionierte ihn jetzt zwischen den beiden Betten, damit niemand an Wintermorgen kalte Füße haben musste. Er verlieh dem Gesamtbild eine wunderbar heimelige Note.

»Nicht schlecht«, sagte sie, schaute sich zufrieden um. »Ziemlich zivilisiert für ein Wohnheimzimmer.«

Brendan und Zack nickten auf diese verhaltene männliche Art, so als könnten sie sich kaum dazu bewegen, Zustimmung auszudrücken, geschweige denn Dankbarkeit.

»Wer hat Lust auf Abendessen?«, fragte sie. »Ich spendiere Pizza.«

Die Zimmergenossen wechselten einen kurzen, argwöhnischen Blick.

»Weißt du was, Mom? Ein paar von den Jungs von der Etage gehen demnächst zusammen los. Ich werd wahrscheinlich mit denen was essen, okay?«

Mein Gott, dachte Eve, merkte, wie ihr Gesicht plötzlich warm wurde, das ging ja schnell.

»Klar doch«, sagte sie. »Nur zu. Viel Spaß.«

»Jep«, fügte Brendan hinzu. »Dann musst du ja auch nicht im Dunkeln heimfahren.«

»Alles klar, gut.« Eve schaute sich suchend im Zimmer um, hielt erfolglos Ausschau nach einer weiteren Aufgabe. »Ich glaub, wir haben’s.«

Niemand widersprach.

»Okay.« Sie glättete ein letztes Mal Brendans Laken. Sie hatte das leicht schwindelerregende Gefühl, von der Zeit überholt zu werden, als werde die Zukunft zur Gegenwart, bevor Eve bereit dafür war. »Dann mach ich mich mal auf den Weg.«

Brendan begleitete sie zum Aufzug. Es war nicht gerade der perfekte Ort, um sich zu verabschieden – zu viele junge Leute liefen umher, einschließlich einer Gruppe Umzugshelfer, die einen leeren Container vor sich herschoben –, aber daran konnten sie nun nichts ändern.

»Ach so, warte …« Eve kramte in ihrer Handtasche und fand das Geld, das sie am Morgen abgehoben hatte. Sie drückte Brendan die Scheine in die Hand, umarmte ihn dann ungestüm und küsste ihn hastig. »Ruf mich einfach an, wenn du etwas brauchst, okay?«

»Ich komm schon klar.«

Als der Fahrstuhl da war, umarmte sie ihn erneut. »Ich liebe dich.«

»Jep«, murmelte er. »Ich dich auch.«

»Du wirst mir fehlen. Sehr.«

»Ich weiß.«

Damit war alles gesagt, und Eve stieg ein und winkte, bis sich die Türen schlossen. Einige Sekunden lang bewegte sich der Fahrstuhl nicht. Verlegen lächelte Eve den anderen Insassen zu, allesamt Studenten, doch keiner erwiderte die Geste. Sie unterhielten sich angeregt, schmiedeten Pläne, platzten schier vor Enthusiasmus und nahmen ihre Anwesenheit nicht im Geringsten wahr. Eve fühlte sich alt und ausgeschlossen, als gingen alle auf eine Party, zu der sie nicht eingeladen war. Das ist ungerecht, wollte sie ihnen sagen, aber da fuhren sie bereits abwärts, und ohnehin hätte sie niemand ernst genommen.

Fleischbombe

Ich war noch immer leicht durch den Wind, als wir zum Essen loszogen, noch immer von leichten Kopfschmerzen geplagt von meinem schon den ganzen Tag andauernden Kater – den Tequila Shots nun mal zur Folge haben –, und etwas eingeschüchtert von meiner neuen Umgebung, den Hochhäusern und den unbekannten Gesichtern. Ich konnte kaum glauben, dass ich jetzt wirklich am College war, nach all der Vorbereitung, nach einem ganzen Jahr des Herumfahrens, der Tests, Bewerbungen und Vorstellungsgespräche, nach diesem ganzen Drama, sich für eine Zukunft zu entscheiden, die Highschool abzuschließen, sich von Freunden, Familie und Trainer zu verabschieden, diesem ganzen sentimentalen Scheiß.

Es war schon irgendwie aufregend, all die Freiheiten zu haben, von denen ich geträumt hatte, tun und lassen zu können, was ich wollte, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein außer mir selbst. Aber ein bisschen war es auch ein Reinfall. Ehrlich gesagt, wäre ich genauso gern noch ein Jahr lang auf die Haddington High gegangen, wo ich jeden und jeder mich kannte, wo ich in so ziemlich jeder Sportart in der ersten Mannschaft mithalten konnte und in allen Fächern eine glatte Zwei bekam, ohne mir ein Bein auszureißen. Auf dem Weg in die Stadt hatte ich ein etwas mulmiges Gefühl – das gleiche Gefühl, das ich an Flughäfen und Bahnhöfen bekomme –, so als gebe es viel zu viele Menschen auf der Welt, und keiner von ihnen interessiere sich einen Scheißdreck für mich.

Zumindest tat mir die frische Luft gut. Oben im Wohnheimzimmer hatte ich fast Platzangst bekommen, als meine Mutter erwartungsgemäß wie besessen herumwuselte, alles in Ordnung brachte und alle möglichen Ratschläge gab, um die niemand gebeten hatte, so als sei Wäschewaschen Raketentechnik und sie die Vorsitzende der NASA. Als sie endlich im Fahrstuhl war, empfand ich tiefe Erleichterung, was nicht unbedingt das ist, was man in solch einem Moment seiner Mutter gegenüber empfinden will.

Zack legte mir den Arm um die Schulter, ganz lässig, im Gehen, so als würden wir uns schon Jahre kennen. Das erinnerte mich an meinen alten Kumpel Wade, der auf den Fluren immer allen möglichen Homo-Scheiß abgezogen hatte. Manchmal hatte er mich sogar auf die Wange oder seitlich am Kopf geküsst, oder mir in den Hintern gekniffen, was bloß deshalb lustig war, weil wir Lacrosse-Spieler waren und alle wussten, dass wir nicht schwul waren.

»Alter«, sagte er, »wir werden dieses Jahr den Mega-Spaß haben. Auf Zimmer 706 wird Alkohol in rauen Mengen konsumiert werden.«

»Gras wird geraucht werden«, sagte ich. »Partys gefeiert.«

»Und Schwänze gelutscht!«, fügte er hinzu, und zwar so laut, dass die beiden Asiatinnen, die vor uns liefen, sich umdrehten und uns komisch anguckten, als wären wir beide voll die Arschlöcher.

»Nicht von mir«, versicherte er den Mädchen und zog schnell den Arm von meiner Schulter. »Aber ihr Ladys solltet das ruhig machen, wenn das euer Ding ist.«

Die Mädchen verzogen keine Miene. Sie drehten sich bloß um und liefen weiter.

»Schon okay«, erklärte ich ihm. »Niemand verurteilt dich. Viele Leute haben am College ihr Comingout.«

»Leck mich, Vollidiot.«

»Das ist Hassrede, Arschloch.«

»Vollidiot ist Hassrede?«

»Und ob. Es ist beleidigend gegenüber Idioten.«

»Ah.« Er nickte, als ergebe das in jedem Fall Sinn. »Dann entschuldige ich mich.«

»Schon okay«, sagte ich. »Wir sind hier, um zu lernen und uns weiterzuentwickeln.«

 

Eigentlich wollten wir nur zu viert in die Pizzeria – ich und Zack, plus Will und Rico, diese gechillten Typen von unserem Stock –, aber ohne unser Wissen hatte Will seinem Ferienfreizeitbetreuerkumpel Dylan Bescheid gesagt, und Dylan hatte seinen Zimmergenossen mitgebracht, diesen nervigen Jungen namens Sanjay.

Also, nicht, dass mit Sanjay irgendwas nicht in Ordnung war, und nein, ich habe auch keine Vorurteile gegenüber Indern oder sonst irgendwem. Es passte halt einfach nicht. Wir anderen waren Sportlertypen und Partytiere, und Sanjay war dieser dürre Nerd, der aussah wie zwölf. Und das ist ja auch okay. Sei gern ein Nerd, wenn es dich glücklich macht. Erfind deine App oder was auch immer. Verlang bloß nicht von mir, einen Scheiß drauf zu geben.

»Sanjay ist im Hochbegabtenprogramm«, informierte uns Dylan. »Macht seinen Abschluss in Elektrotechnik. Jetzt von wegen krass.«

Ich nehme an, das muss man Dylan schon anrechnen. Er wollte ein guter Zimmergenosse sein, tat sein Möglichstes, Sanjay mit einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass er sich wohlfühlte. Es war halt bloß leider Zeitverschwendung. Sanjay würde niemals mit uns befreundet sein, und wir niemals mit ihm. Man brauchte sich nur einmal am Tisch umzuschauen.

»Nicht schlecht«, sagte Rico, ein weißer Typ mit blonden Locken, ehemaliger Highschool-Wrestler. Eigentlich hieß er Richard Timpkins, aber sein Spanischlehrer nannte ihn Rico, und weil seine Freunde das zum Totlachen fanden, hatte er den Spitznamen weg. »Ich hab selbst über Ingenieurswissenschaften nachgedacht, aber ich bin in Mathe ziemlich scheiße. Außerdem rauche ich viel zu viel Gras.«

»Vielleicht besteht da ein Zusammenhang«, sagte Will, ein ehemaliger Footballspieler, der einen breiteren Nacken als Kopf hatte. »Mein ja nur.«

»Durchaus möglich«, pflichtete Rico ihm bei. »Bong-Rauchen und Kopfrechnen ist keine ideale Kombination.«

»Tatsächlich«, sagte Sanjay, »denke ich darüber nach, zu Architektur zu wechseln. Das ist meine eigentliche Leidenschaft.«

Ich schaute Zack an, aber der hatte bereits nach seinem Telefon gegriffen, wischte über den Bildschirm und tippte mit beiden Daumen drauflos. Nach wenigen Sekunden hatte ich seine Nachricht.

Architektur ist meine eigentliche Leidenschaft!

Gleich nach Schwanzlutschen!!!, schrieb ich zurück.

Zack prustete los, und wir machten Faustcheck über dem Tisch. »Ratet mal, wie viel Punkte Sanjay im Mathe-Eignungstest erreicht hat«, sagte Dylan.

Niemanden interessierte das, weshalb die Frage irgendwie im Nichts versickerte. Sanjay sah genauso erleichtert aus wie die anderen.

Will starrte Dylan an. Ich glaube nicht, dass er wütend war. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die immer angepisst aussah. Kann man ihm jetzt nicht zum Vorwurf machen, denk ich mal. Er war einer der besten Highschool-Linebacker im ganzen Bundesstaat gewesen, schwer umworben von Division-3-Unis, aber beim Saisonauftakt in seinem letzten Jahr hatte er sich das Knie geschrottet, und damit war die Sache vom Tisch. Frührentner mit siebzehn.

»Wie kommt’s, dass er nicht im Stipendiaten-Wohnheim wohnt?«, erkundigte er sich, so als könne Sanjay kein Englisch und bräuchte Dylan, um für ihn zu übersetzen.

»Zu elitär«, erklärte Sanjay. »Ich denke, wir sollten nicht von allen getrennt in einem separaten Wohnheim wohnen. Wir sind doch eine große Gemeinschaft, oder?«

Mein Telefon brummte erneut. Ich nahm an, es sei Zack, aber dann war es Becca.

Wie gehts wie stehts studi

Unterwgs mit den jungs, schrieb ich zurück.

Fehl ich dir?

Ich war versucht, ihr die Wahrheit zu sagen – nö, überhaupt nicht –, aber ich hatte Mitleid mit ihr.

Sicher

Später skypen?

Gehen auf party

Wie viel uhr

Zehn

Wie wärs um 9.30 bist mir was schuldig für heut morgen!!! Ha ha:-)

Mir war klar, dass das passieren würde. Aus dem Grund hatte ich sie überhaupt abserviert, damit ich mich in der Uni nicht mit diesem Auf-Distanz-Schwachsinn rumschlagen musste. Aber dann hatte ich sie vergangene Nacht betrunken angesextet, sie angefleht, noch eine letzte Nummer zu schieben, bevor ich die Stadt verlassen würde. Sie hatte geantwortet, ich solle mich ins Knie ficken, was ja auch total verdient war. Ich hatte die Sache komplett vergessen, bis sie am Morgen bei mir zu Hause aufkreuzte, mich total überrumpelte, auf die denkbar beste Weise. Das ist dein Abschiedsgeschenk, hatte sie gesagt, sich vor mich hingekniet und mir die Boxershorts heruntergezogen. Und es war ein großartiger Blowjob gewesen – viel besser als sonst –, aber das sollte jetzt nicht bedeuten, dass wir wieder zusammen wären oder ich ihr irgendetwas schulde, auch wenn ich einsah, dass sie da möglicherweise anderer Meinung war.

I.o. 9.30

Hdl!

 

Die Pizzen kamen – eine große mit Peperoni, eine große mit Wurst und eine nur mit Käse –, und natürlich war Sanjay der Vegetarier. Wir fingen an, ihn deswegen aufzuziehen, bis Dylan erklärte, das habe religiöse Gründe, was hieß, dass man gemäß allgemeiner PC-Regularien keine Witze darüber machen durfte.

»Ich hatte ganz vergessen, wie geil Pizza ist«, erklärte Will. »Hab den ganzen Sommer über keine gegessen. Konnte nicht mal welche sehen.«

»Wieso das denn?«, fragte Rico.

Will zuckte mit den Schultern. »Hatte ein traumatisches Erlebnis. Wollt ihr nichts von hören, während ihr esst.«

Taten wir aber, also erzählte er. Am Tag nach dem Schulabschluss war Will auf die Party von diesem Mädchen reicher Eltern gegangen, in dem größten Monsterhaus, das er je gesehen hatte, mit Schwimmbad, Fitnessstudio und mindestens acht Badezimmern. Das Mädchen hatte angekündigt, es werde bei der Party keinen Alkohol geben, weshalb Will übel vorgeglüht hatte, reichlich Jack Daniels gekippt und sich einen mit THC versetzten Lutscher eingepfiffen hatte, den irgendjemandes Onkel hatte springen lassen, der mit chronischen Schulterschmerzen zu tun und einen verständnisvollen Arzt hatte. Als Will auf der Party ankam, hatte er ziemlichen Kohldampf und fühlte sich wie im Schlaraffenland, gab es dort doch dieses Wahnsinnsbüffet mit Brathühnchen, Lasagne, Grillfleisch und einem Ich-schwör’s-euch-bei-Gott drei Meter langen Jumbo-Sandwich, tonnenweise geile Fressalien halt. Er hatte bereits eine Menge davon probiert, als es an der Tür klingelte und ein Lieferant mit einem Stapel von zwölf Pizzen hereinkam. Die Leute scharten sich ums Buffet, und einer von Wills Kumpels wettete mit ihm um zwanzig Mäuse, dass er es nicht schaffen würde, eine große Pizza ganz alleine aufzuessen. Und zwar nicht irgendeine. Sondern die Pizza namens Fleischbombe.Her damit, ihr Lutscher!, sagte Will nur.

»Ach, Quatsch«, sagte Rico.

»Es war ein Kampf«, erklärte Will. »Aber ich wollte die Wette unbedingt gewinnen.«

Die vier ersten Stücke hatte er weggeatmet wie nichts. Bei Stück Nummer fünf allerdings mittendrin realisiert, dass es ein Problem gab.

»Ihr kennt das. Man fühlt sich gut, ist total in seinem Element. Und dann, wie aus dem Nichts, macht der Magen einfach zu und sagt: Schicht im Schacht, Alter. Nicht noch einen Bissen. Aber ich hatte ja noch drei Stücke vor mir.«

»Du hast sie nicht gegessen«, sagte Rico.

»Und ob ich das hab, verdammte Axt«, sagte Will. »Hab mir einfach weiter den Scheiß reingepresst. Aber ich wusste natürlich, bleiben würde er dort nicht.«

Die Meute brach in Jubel aus, als er fertig war, aber Will konnte nicht bleiben und ihn genießen. Er bahnte sich den Weg durch die Menge und rannte zur nächstgelegenen Toilette, nur um festzustellen, dass die Tür verschlossen war. Er hämmerte ein paarmal dagegen, aber die Person im Innern erklärte, er solle warten, bis er an der Reihe wäre. In Panik verfiel er nicht, weil es neben der Küche eine weitere Toilette gab. Nur war die blöderweise ziemlich beliebt. Fünf oder sechs Leute warteten in der Schlange, und Will konnte nicht vernünftig sprechen, was hieß, er konnte sein Dilemma nicht erklären, weshalb er sich einfach abwandte und die Treppe hinauflief, sich dabei den Bauch hielt und mit den Zähnen knirschte.

Es war wie in einem schlechten Traum. Immer, wenn er ein Bad fand, war entweder die Tür verriegelt, oder es standen jede Menge Leute davor Schlange. Er lief also immer weiter, in der Hoffnung, eine Toilette zu finden, bevor es zu spät war. Das Haus war riesig, und er gönnte sich mehr oder weniger die komplette Führung über alle drei Stockwerke, bis er schließlich im Elternschlafzimmer landete – absolut spektakulär, das riesige Bett war kreisrund, eine Wand vollständig aus Glas, und man schaute auf eine Wiese. Will allerdings hatte keine Zeit, die Aussicht zu goutieren. Er hielt direkt auf das Badezimmer zu, und, Gott sei’s gelobt, die Tür war nicht abgeschlossen. In Wills Magen rumorte es bereits, als er durch die Tür stürmte und sechs der hübschesten Mädchen seiner Schule anstarrte, die, allesamt in Bikinis, in einem gigantischen Jacuzzi saßen.

»Ach, du Scheiße«, sagte Dylan. »Hast du auf sie draufgekotzt?«

Will schüttelte den Kopf. »Ich hab bloß kurz traurig Winke-Winke gemacht, so als wollte ich nur Hallo sagen, dann gab ich Fersengeld wie nichts Gutes. Ich schaffte es kaum zurück in den Flur, und das war’s, die Reise war zu Ende. Ich schlüpfte in dieses Kinderzimmer. Ich dachte, ich würde dort einen Papierkorb oder so was in der Art finden, aber da war nichts, also riss ich eine Schublade an der Kommode auf, zog die Anziehsachen raus und kotzte rein. Die ganze beschissene Fleischbomben-Pizza. Dann machte ich die Schublade wieder zu, wischte mir den Mund ab und verpisste mich.«

»Hast du jemandem davon erzählt?«, fragte ich, als wir schließlich mit Stöhnen und Lachen fertig waren.

»Scheiße, nein. Was hätte ich denn sagen sollen? Ach, übrigens, dein kleiner Bruder sollte vielleicht lieber nicht seine Schlafanzugschublade aufmachen …«

»Zumindest hast du die Schlafanzüge rausgenommen«, sagte Rico. »Das war schlau.«

»Was blieb mir übrig?« Will hatte jetzt wieder diesen angepissten Gesichtsausdruck. »Acht beschissene Badezimmer, und ich finde keine Schüssel, wo ich reinreihern kann? Das kann man mir nun nicht ankreiden.«

Er zuckte mit den Achseln und griff sich noch ein Stück. Sanjay saß einfach da, der Mund stand ihm offen, so als habe er vergessen zu sprechen.

»Was meinst du?«, erkundigte sich Rico. »Willst du es nicht vielleicht doch lieber im Stipendiaten-Wohnheim versuchen?«

 

Zack und ich kamen gerade noch rechtzeitig zu meiner Skype-Session mit Becca auf unser Zimmer zurück. Ich erkundigte mich, ob es für ihn in Ordnung wäre, mir etwas Privatsphäre zu ermöglichen.

»Kein Problem«, sagte er. »Ich setz meinen Kopfhörer auf.«

»Meinst du, du könntest vielleicht für fünf oder zehn Minuten rausgehen? Länger wird’s nicht dauern.«

»Wieso das denn?« Er sah mich verschmitzt an. »Willst du dir einen von der Palme wedeln?«

»Wir müssen uns in Ruhe unterhalten. Wir hatten uns vor dem Sommer eigentlich getrennt, hatten aber jetzt einen Rückfall. Ich muss es ihr vorsichtig beibringen.«

»Alles klar, Alter. Ich werd mal schauen, wer so im Aufenthaltsraum ist. Text mich an, wenn du fertig bist.«

»Danke.«

Ich holte meinen Laptop heraus und loggte mich bei Skype ein. Zack war auf dem Weg nach draußen, als ich wählte, überlegte es sich dann aber anders und setzte sich neben mir aufs Bett, als Becca auf dem Bildschirm erschien, gerade so, dass die Kamera ihn nicht erfasste.

»Hey, Baby.« Sie trug ein knappes, weißes Tanktop, eng genug, dass sich ein kleines Dekolleté bildete, was bei ihren kleinen Titten gar nicht so einfach war. »Wie geht’s dir?«

»Ziemlich gut«, sagte ich. »Wie läuft’s bei dir?«

»Alles okay.« Sie sprach mit einem gehauchten Wispern, was viel verführerischer war als ihre normale Stimme, die ziemlich laut und herrisch sein konnte. »Wo bist du?«

»In meinem Zimmer.«

Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre mit Gloss bedeckten Lippen.

Ich warf Zack einen Blick zu, versuchte, ihm zu vermitteln, dass das Ganze nun ganz offiziell nicht mehr lustig war, aber er tat so, als kapiere er nicht. Mit den Lippen formte er die Worte Sie ist süß! und machte oberhalb seines Schritts mit der geballten Faust pumpende Bewegungen.

»Brendan?«, sagte sie. »Ist da noch jemand?«

Ich hätte einfach sagen sollen: Ja, mein Zimmergenosse, und er verhält sich wie ein Arsch, aber ich wollte ihn nicht bloßstellen.

»Nein«, sagte ich. »Nur ich.«

»Ich vermisse dich, Baby.« Sie schaute schmachtend in die Kamera. »Ich muss noch immer an heute Morgen denken.«

»Allerdings«, sagte ich. »Das war eine echt schöne Überraschung.«

»Bloß schön?«

»Es war der absolute Wahnsinn.«

»Sehr gut.« Sie sah etwas verlegen aus, aber auch irgendwie stolz. »Ich habe mir ein Lehrvideo auf YouTube angeschaut.«

Das leuchtete ein. Sie hatte mir zwar in der Vergangenheit schon ein paarmal einen geblasen, aber es war nie ihr Ding gewesen. Sie stellte sich unbeholfen an und musste würgen und war meist einfach erleichtert, wenn es vorbei war. Heute Morgen dagegen war sie ein Pornostar gewesen.

»Jep, du warst in absoluter Bestform.«

»Es war reine Kopfsache«, erklärte sie. »Ich habe einfach entschieden, eine positive Einstellung dazu zu haben. Dann ist es echt etwas anderes.«

Es war irrwitzig – und auch irgendwie peinlich –, dieses Gespräch mit Zack neben mir zu führen, aber ich konnte nichts tun, außer ihn möglichst nicht anzusehen. Ich wollte gar nicht wissen, was er dachte oder wie kurz er vor einem Lachanfall stand.

»Ich dachte, ich könnte womöglich auch schlucken«, sagte sie, »aber ich hab einfach … Keine Ahnung. Daran werd ich wohl noch arbeiten müssen.«

»Mit wem?«

Zack gab in dem Augenblick ein winziges Geräusch von sich, ein kurzes unterdrücktes Glucksen tief aus dem Rachen, aber Becca schien es nicht gehört zu haben.

»Mit dir, du Arsch. Es sei denn, du willst, dass ich mir jemand anderen suche.«

»Übung macht den Meister«, stichelte ich.

Zack wedelte mit der Hand, versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie er auf seinen Schwanz zeigte und mit den Lippen die Worte Ich kann helfen formte.

»Hey«, sagte sie, und jetzt klang ihre Stimme normal, als sei der sexy Teil der Unterhaltung offiziell beendet. »Hat deine Mutter noch irgendwas gesagt, nachdem ich weg war?«

»Nein, wieso?«

»Keine Ahnung. Sie hat mich so komisch angeguckt, als ich mich verabschiedet habe, so als wüsste sie, was abgeht.«

»Mach dir keinen Kopf deswegen. Sie war den ganzen Tag über schlecht gelaunt. Das hatte nichts mit dir zu tun.«

»Gut.« Becca wirkte erleichtert. »Gefällt es dir denn da?«

»Glaub schon. Versuch, mich erst mal einzugewöhnen, verstehst du?«

»Na ja, wenn du mal reden willst, ruf einfach an.« Sie senkte ein paar Sekunden lang den Kopf, sodass ich nur die Oberseite sehen konnte, das glänzende braune Haar, das so gut roch. Als sie wieder aufschaute, schniefte sie und wischte sich die Augen. »Du hast mir den Sommer über so gefehlt.«

Zack beugte sich nach vorne, in mein Blickfeld hinein. Er zog ein trauriges Clownsgesicht, die Unterlippe weit vorgeschoben, so als würde er gleich anfangen zu heulen. Ich streckte den Arm zur Seite und zeigte Zack den Mittelfinger.

»Mir gefällt dein Oberteil«, erklärte ich. »Es ist scharf.«

»Echt jetzt?« Sofort wurde sie wieder munter. »Ich habe es extra für dich angezogen. Ich trage auch den roten Tanga, den du so magst.«

Sie stand auf, um ihn mir zu zeigen, schob die Schlafanzughose herunter und drehte sich, damit ich ihren strammen, kleinen Turnerinnenhintern sehen konnte. Zack war beeindruckt.

»Heiß«, sagte ich.

»Du solltest für ein Wochenende nach Hause kommen«, sagte sie. »Oder vielleicht könnte ich dich besuchen.«

Zack stimmte lautlos für die zweite Option.

»Mal sehen«, sagte ich. »Ich hab wahrscheinlich eine Menge zu tun.«

»Klar, das habe ich mir schon gedacht.«

Wir schwiegen ein paar Sekunden lang, und ich wusste, dass nun der Augenblick gekommen war, zu sagen, was gesagt werden musste, mich dafür zu entschuldigen, wie ich mich den Sommer über benommen hatte, und dann musste ich erklären, so taktvoll wie möglich, dass ich keine Fernbeziehung wollte und wir beide frei sein sollten, was mit anderen anzufangen, wenn wir Lust dazu hatten. Aber es war schwierig, klar zu denken, wo Zack gleich neben mir saß und seine Zunge in dem V zwischen Zeige- und Mittelfinger vor- und zurückschnellen ließ.

»Also«, sagte ich. »Ich glaub, ich muss mal Schluss machen.«

Sie lächelte traurig und nickte. Aber dann beugte sie sich nach vorn.

»Hey, Brendan.«

Und dann, ohne jede Vorwarnung, zog sie ihr Oberteil und ihren BH hoch und zeigte mir ihre Titten, die den gesamten Bildschirm ausfüllten. Es passierte einfach, und dann war es vorbei. Das Oberteil wurde hinuntergezogen, und ich schaute wieder in ihr Gesicht. Sie warf mir eine Kusshand zu.

»Gute Nacht, Baby.«

Zack boxte mit beiden Händen in die Luft, schrie lautlos wieder und wieder das Wort Ja!, als habe er ein Tor geschossen.

»Danke«, sagte ich. »Schlaf du auch gut.«

 

Es war schwierig, lange böse auf Zack zu sein. Er tat total unschuldig, als sei es megalustig gewesen und überhaupt nicht seltsam, dass er bei meinem privaten Gespräch mitgehört hatte, vielmehr ein wichtiger Akt der Verbrüderung für uns beide. Außerdem machte er Becca jede Menge Komplimente und war von ihren rosafarbenen Nippeln total begeistert, die er mit kleinen Radiergummi-Knubbeln verglich.

»Wieso willst du mit einem solchen Mädchen Schluss machen?«, fragte er mich.

»Weil ich einen Neuanfang will.«

»Halt sie dir doch einfach warm. Ich mein, Gott, Alter. Die guckt sich auf YouTube Blowjob-Lehrvideos an. Das wird dir die Weihnachtsferien aufpeppen.«

»Vielleicht hast du recht.«

»Hey«, sagte er. »Wenn du sie nicht willst, schick sie zu mir. Da bekommt sie ein paar Tipps vom Profi.«

Der Rest des Abends war ein ziemlicher Reinfall. Zack war von einem Freund seines älteren Bruders zu einer Party außerhalb des Campus eingeladen, allerdings war die, wie sich herausstellte, viel weiter entfernt, als wir dachten. Wir brauchten zu Fuß eine halbe Stunde, und als wir ankamen, löste sich die Feier bereits auf. Irgendjemand meinte, ein paar Blocks weiter gäbe es eine Fassbierparty, aber wir konnten sie nicht finden und schleppten uns schließlich wieder zurück ins Wohnheim.

Es war noch ziemlich früh, aber wir waren beide ziemlich erschöpft. Wir putzten uns gemeinsam im Bad die Zähne und gingen dann zurück auf unser Zimmer, wo wir uns bis auf die Boxershorts auszogen und ins Bett legten. Es war, als hätte ich einen Zwillingsbruder.

Ich lag eine Weile lang da im Dunkeln, dachte, dass die Collegezeit wahrscheinlich echt okay werden würde. Mir war klar, dass ich an der Mitbewohnerfront Glück gehabt hatte, und ich war dankbar dafür. Ich meine, man stelle sich vor, man hätte mich mit jemandem wie Sanjay zusammengesteckt, einem Typen, mit dem mich rein gar nichts verband! Es wäre ein ganz schöner Mist gewesen, überall einen Nerd mit hinschleppen zu müssen, egal, wohin ich ging, gezwungen zu sein, mit ihm zu essen und so zu tun, als bewundere ich seine Architekturskizzen und übermenschlichen Testergebnisse. Mit Zack war es um einiges einfacher, einem Kumpel, der Party machte und über denselben bescheuerten Scheiß lachte wie ich. Mir war klar, dass meiner Mutter Sanjay lieber gewesen wäre, aber sie war ja nicht diejenige, die mit ihm zusammenleben musste.

»Oh, Mist«, murmelte ich.

»Was ist?«, brummte Zack.

»Ich hab vergessen, meiner Mom zu texten.«

Ich stieg aus dem Bett, nahm mein Handy und schrieb: College ist der Hammer!!! Ich stellte mir vor, wie sie hellwach zu Hause saß und sich fragte, wie es mir ging. Sie hatte oft gesagt, wie traurig sie sein würde, wenn ich weg wäre, und wie schwer es ihr fallen würde, sich daran zu gewöhnen, in einem leeren Haus zu leben.

»Nicht persönlich nehmen«, sagte Zack, als ich zurück ins Bett kroch. »Aber deine Mutter ist ziemlich heiß.«

»Alter«, sagte ich. »Im Ernst. Das ist kein geeignetes Gesprächsthema.«

»Mein ja nur«, sagte er. »Sie geht schon in Richtung MILF, findest du nicht?«

Das war nicht das erste Mal, dass ich das von einem meiner Freunde über meine Mutter hörte. Sie zog sich noch immer ziemlich jugendlich an und hatte eine ganz gute Figur. Aber sie war meine Mutter, und ich wollte nicht in diesen Kategorien über sie nachdenken.

»Wie steht’s denn mit deiner Mutter?«, fragte ich ihn. »Ist sie eine MILF?«

»Mein Mutter ist tot«, sagte er auch noch mit todtrauriger Stimme. »Ich vermisse sie sehr.«

»Oh, Mist.« Ich setzte mich im Bett auf. »Tut mir total leid.«

»Alter!« Zack lachte über meine Trauermiene. »Ich verarsch dich bloß. Meine Mom lebt, und es geht ihr gut. Aber sie ist definitiv keine MILF.«

Angewandte Alterskunde

Wenn Eve ihr Leben einer Bestandsaufnahme unterzog, ragte ihre Arbeit als augenfällig heller Fleck heraus, der einzige Bereich, in dem sie sich selbst als erfolgreich einstufte. Sie war geschäftsführende Direktorin des Haddington Senior Center, einer florierenden Einrichtung, die den älteren Bürgern der Stadt eine beeindruckende Bandbreite an Dienstleistungen bot. Das Center sorgte nicht nur für sozialen Kontakt, geistige Anregung und altersgerechte körperliche Betätigung, es war zudem ein Ort, wo Senioren mit kleiner Rente ein staatlich bezuschusstes Mittagessen bekamen, sich dann von einer Schwester den Blutdruck messen lassen und ihre problematischen Zehennägel von einem freundlichen Fußpfleger kürzen lassen konnten. Zweimal in der Woche transportierte das Center eine Busladung Klienten zum Market Basket und agierte darüber hinaus als Vermittlungsstelle für Handwerker, Gärtner, Haushaltshilfen und dergleichen mehr, indem es bewährte ortsansässige Firmen mit älteren Bürgern zusammenbrachte, die Unterstützung brauchten. Eve war stolz auf ihre Arbeit und musste sich, ganz anders als eine Menge Leute, die sie kannte, nie die Sinnfrage stellen oder darüber nachdenken, ob sie mit ihrem Leben etwas Bedeutungsvolleres anfangen solle.

Wenn sie daran dachte, wie sehr sie ihre Arbeit liebte, hatte sie tendenziell eher Aktivitäten wie Stuhlyoga, die Workshops für autobiografisches Schreiben oder Karaoke am Donnerstagnachmittag im Kopf. Woran sie nicht dachte, waren Situationen wie diese, in denen sie Menschen, die ohnehin schon genügend Probleme hatten, schlechte Nachrichten überbringen musste.

»Vielen Dank, dass sie so kurzfristig kommen konnten«, begann sie und lächelte George Rafferty unwillkürlich an, den sie offenkundig bei irgendeiner Klempnerarbeit gestört hatte. Er hatte Schmierfett im Gesicht, und die Knie seiner Arbeitshose waren dunkel und speckig von jahrelang festgebackenem Schmutz. Er war einmal an Thanksgiving um sechs Uhr morgens zu Eve nach Hause gekommen, um sich um eine verstopfte Toilette zu kümmern, was die Unterhaltung, die sie gleich führten, nur noch schwieriger machen würde. »Ich weiß, es passt gerade nicht.«

George erwiderte das Lächeln nicht. Er war ein gedrungener Typ mit Silberblick und rostfarbenem Haar, grau geflecktem Bart und einer Körpersprache, die Ungeduld ausstrahlte, so als gebe es immer etwas Dringlicheres, um das er sich kümmern musste. Besorgt schaute er zu seinem zweiundachtzigjährigen Vater, der neben ihm auf dem Sofa saß und mit den Lippen laute Schmatzgeräusche produzierte.

»Was hat er diesmal angestellt?«

Eve spürte das Misstrauen in seiner Stimme. Als George das letzte Mal mitten am Tag ins Center zitiert worden war, war es seinem Vater irgendwie gelungen, sich auf dem Rückweg vom Supermarkt im Seniorenbus auf den Sitz zu stellen und aus dem Fenster zu pinkeln. Eine eindrucksvolle Leistung für einen Mann seines Alters, selbst wenn er nach Aussagen von Augenzeugen nur teilweise erfolgreich gewesen war.

»Mr Rafferty?« Eve wandte sich an den alten Mann, der sie mit zerstreutem, aber gelassenem Gesichtsausdruck musterte. »Könnten Sie vielleicht Ihrem Sohn erklären, was nach dem Mittagessen vorgefallen ist?«

Roy Rafferty nahm Habachtstellung an.

»Mittagessen?«, sagte er. »Ist jetzt Mittagessenszeit?«

»Sie haben bereits gegessen«, erinnerte ihn Eve. »Wir reden darüber, was danach passiert ist. Den Grund, warum Sie Ärger bekommen haben.«

»Oh.« Das Gesicht des Alten verhärtete sich zu einer finsteren Maske vergeblicher Konzentration. Eve war er einer der liebsten, ein langjähriger Stammgast im Center, einer dieser gesprächigen, freundlichen Männer, die sich durchs Leben bewegten wie Politiker im Wahlkampf, allen die Hand schüttelten und sich nach den Enkeln erkundigten. Er war gesund und bei klarem Verstand gewesen, bis vor sechs Monaten seine Frau einem schweren Hirnschlag erlegen war. Seitdem hatte sich sein eigener Gesundheitszustand rasend schnell und in beunruhigendem Maße verschlechtert.

»Was ist passiert?«, fragte er. »Hab ich etwas falsch gemacht?«

»Sie waren wieder auf der Damentoilette.«

»Oh, scheiße.« George starrte seinen Vater mit einer Mischung aus Mitleid und Verzweiflung an. »Herrgott, Dad. Wir haben doch darüber gesprochen. Du hast auf der Damentoilette nichts verloren.«

Roy ließ den Kopf hängen wie ein Schuljunge. Eve kannte seine ganze Lebensgeschichte, oder zumindest die Highlights daraus. Er hatte in Korea gekämpft und war mit einer Purple-Heart-Auszeichnung und dem Bedürfnis zurückgekehrt, die verlorene Zeit aufzuholen. Binnen sechs Monaten hatte er seine Highschool-Liebe geheiratet und das Sanitärunternehmen der Familie übernommen, Rafferty & Söhne, das er die nächsten fünfundvierzig Jahre leitete, bevor er es an George übergab. Er und Joan hatten vier Kinder großgezogen, von denen das Älteste – Nick, der Vize-Rektor einer Highschool – mit Anfang fünfzig an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben war. Eve war bei der Beerdigung gewesen.

»Mr Rafferty«, sagte sie. »Erinnern Sie sich, was in der Damentoilette passiert ist?«

»Ich soll da nicht reingehen«, sagte er.