Multicopter selber bauen - Christian Rattat - E-Book

Multicopter selber bauen E-Book

Christian Rattat

4,7

Beschreibung

Dieses Buch begleitet Sie bei der Entwicklung eigener Multicopter, gleich welche Bauform oder welche Flugsteuerung Sie verwenden und unabhängig vom Anwendungszweck. Es vermittelt alle wichtigen Grundlagen und gibt einen tiefen Einblick in die Technik. Christian Rattat erklärt detailliert und verständlich die Funktionsweise aller Komponenten und wie diese zusammenarbeiten. Dabei geht er bewusst nicht auf die graue Theorie ein, sondern zeigt praxisorientierte Ansätze auf, die es auch Nicht-Ingenieuren ermöglichen, beliebige Multicopter- Modelle zu konzipieren und zu bauen. Nach eigenen Kapiteln zu den wichtigen gesetzlichen Regelungen und zur Sicherheit sowie zu "Werkzeugen und Werkstoffen" werden alle Komponenten der "Multicopter-Technik" und der "Flugsteuerungen" im Detail beschrieben. Das so vermittelte Wissen bildet die Basis für drei Multicopter-Selbstbauprojekte: • Ein Einsteiger-Quadrocopter mit einer Flugzeit von etwa 10 Minuten für maximal 200 Euro • Ein Hexacopter mit einer Schwebezeit bis zu 50 Minuten, der per First-Person-View (FPV) geflogen werden kann • Ein Video-Quadrocopter, der eine Nutzlast von 1 Kilogramm transportiert - mit Steuerung des Videoausschnitts vom Boden In jedem Projekt erklärt Christian Rattat, wie Sie von der Idee bis zum flugfertigen Multicopter vorgehen und feststellen können, ob ein Konzept funktioniert, welche Komponenten zusammenpassen und was sonst zu beachten ist. Die Modelle können einfach nachgebaut werden - mit den detaillierten Überlegungen zur Planung und Auswahl der Komponenten können Sie aber auch Ihre eigenen Flugobjekte entwerfen und bauen. Ein Kapitel über Probleme und deren Abhilfe, ein Glossar und ein Verzeichnis der Bezugsquellen runden dieses Maker-Buch ab.

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Christian Rattat arbeitet seit etwa 20 Jahren als Softwareentwickler und begann seine Karriere 1987 auf einem Commodore Amiga 2000. Heute arbeitet er für Großunternehmen im Microsoft- und Unix-Umfeld, hat aber auch mikrocontrollerbasierte Anwendungen gebaut und dafür Software implementiert.

Seit fast zehn Jahren fotografiert er semiprofessionell und besitzt ein eigenes Fotostudio. Die Suche nach aufregenden Perspektiven führte ihn 2011 zum ersten Modellhubschrauber. Der Schritt zum eigenen Multicopter war dann nicht mehr weit und 2012 hat er seinen ersten Quadrocopter gebaut. Seitdem hat er sich tief in die Thematik eingearbeitet und Multicopter für verschiedene Anwendungen gebaut.

Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

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Multicopter selber bauen

Grundlagen – Technik – eigene Modelle

Christian Rattat

Christian [email protected]

Lektorat: Dr. Michael BarabasCopy-Editing: Ursula Zimpfer, HerrenbergHerstellung: Susanne Bröckelmann, HeidelbergSatz: Ulrich Borstelmann, DortmundUmschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.deDruck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:Buch 978-3-86490-247-5PDF 978-3-86491-685-4ePub 978-3-86491-686-1

1. Auflage 2015Copyright © 2015 dpunkt.verlag GmbHWieblinger Weg 1769123 Heidelberg

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1    Einführung

1.1     An wen richtet sich dieses Buch?

1.2     Was sind Multicopter?

1.3     Selbst bauen oder kaufen?

1.4     Wie werden Multicopter gesteuert?

1.5     Wo kommen Multicopter zum Einsatz?

1.6     Wie unterscheiden sich Multicopter?

1.7     Kameraanwendungen

1.7.1    Immersionsflug

1.7.2    Video und Fotografie

1.8     Telemetrie

2    Recht und Sicherheit

2.1     Sicherheit

2.1.1    Verletzungsgefahren

2.1.2    Brandgefahren

2.1.3    Störung des Flugverkehrs

2.1.4    Andere Gefahren

2.1.5    Gefahren vermeiden

2.2     Rechte und Pflichten

2.2.1    Gesetzliche Regelung des Modellflugs

2.2.2    Voraussetzungen für den Modellflug

2.2.3    Zulässige Fluggebiete

2.2.4    Foto und Video

2.3     Sicherheitscheck für Multicopter-Flüge

3    Werkzeuge und Werkstoffe

3.1     Werkstoffe

3.1.1    Kohlefaserverstärkte Kunststoffe (CFK)

3.1.2    Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK)

3.1.3    Aluminium

3.1.4    Holz

3.1.5    Kunststoffe

3.2     Werkzeuge und Maschinen

3.2.1    Werkzeuge

3.2.2    Messen

3.2.3    Bohren

3.2.4    Sägen

3.2.5    Löten

3.2.6    Fräsen

3.2.7    3D-Druck

3.2.8    Drehen

3.2.9    Sonstige Materialien

4    Multicopter-Technik

4.1     Rahmen

4.2     Landegestell

4.3     Propeller

4.3.1    Bauformen, Eigenschaften, Kosten

4.3.2    Befestigung von Propellern

4.3.3    Wartung und Reparatur von Propellern

4.3.4    Kennzeichnung von Propellern

4.3.5    Propeller dimensionieren

4.4     Motoren

4.4.1    Verbrennungsmotoren

4.4.2    Elektromotoren mit Bürsten

4.4.3    Bürstenlose Elektromotoren

4.4.4    Innen- und Außenläufer

4.4.5    Kennzeichnung von bürstenlosen Motoren

4.4.6    Motorleistung

4.4.7    Wartung von Motoren

4.5     Geschwindigkeitsregler

4.5.1    Taktfrequenzen und Timing

4.5.2    Anschluss eines Geschwindigkeitsreglers

4.5.3    Konfiguration von Geschwindigkeitsreglern

4.6     Spannungsversorgung

4.6.1    Akkutechnologie und Akkutypen

4.6.2    Akkus laden

4.6.3    Umgang mit Akkus

4.6.4    Multiakku-Multicopter

4.6.5    Stromverteilung

4.7     Fernsteuerungssysteme

4.7.1    Konfiguration und Ausstattung

4.7.2    Konfiguration der Kanäle

4.7.3    Mischer, Kurven, Dual Rate

4.7.4    Zusatzfunktionen

4.8     Telemetrie

4.8.1    Spannungsmessung

4.8.2    Alarmfunktionen

4.8.3    Alternativen zu integrierter Telemetrie

4.9     Beleuchtung

4.10   FPV

4.10.1    FPV-Kameras

4.10.2    Sender und Empfänger

4.10.3    Antennen

4.10.4    Störungen

4.11   Gimbals

5    Flugsteuerungen

5.1     Flugstabilisierung

5.1.1    Steuerungsparameter

5.1.2    Montage

5.1.3    MultiWii

5.1.4    Ardupilot

5.1.5    DJI

6    Bauprojekt 1 – Einsteiger-Quadrocopter

6.1     Idee

6.2     Planung

6.3     Rahmenkonstruktion

6.4     Antrieb montieren

6.5     Konfiguration der Flugsteuerung

6.6     Endmontage

6.7     Feintuning

6.8     Jungfernflug

6.9     Fazit

7    Bauprojekt 2 – Der FPV-Hexacopter

7.1     Idee

7.2     Planung

7.3     Rahmenkonstruktion

7.4     Montage des Antriebs

7.5     Montage der Flugsteuerung

7.6     Grundkonfiguration

7.7     Endmontage

7.8     Jungfernflug

7.9     Landegestell

7.10   FPV-System

7.11   Propeller

7.12   Fazit

8    Bauprojekt 3 – Der Video-Quadrocopter

8.1     Idee

8.2     Planung

8.3     Rahmenkonstruktion

8.4     Montage des Antriebs

8.5     Montage der Flugsteuerung

8.6     Grundkonfiguration

8.7     Endmontage

8.8     Jungfernflug

8.9     Gimbal und Video

8.10   Feintuning

8.11   Fazit

9    Wenn etwas nicht funktioniert

9.1     Vorgehensweise bei Problemen

9.2     Probleme mit der Hardware

9.2.1    Beim Verbinden des Flug-Akkus geben die Geschwindigkeitsregler nicht die normale Tonfolge wieder

9.2.2    Beim Verbinden des Flug-Akkus entsteht Rauch oder es riecht verbrannt

9.2.3    Der Flug-Akku ist nach zu kurzer Zeit leer

9.2.4    Die Geschwindigkeitsregler werden zu heiß

9.2.5    Die Flugsteuerung zeigt keinen Ausschlag der Steuerknüppel an

9.2.6    Der Multicopter fiept/pfeift

9.2.7    Ein Motor ruckelt oder hat Aussetzer

9.2.8    Ein Propeller dreht durch

9.2.9    Die Motoren werden heiß

9.2.10  Die Ausleger verdrehen sich

9.3     Start- und Flugverhalten

9.3.1    Die Motoren lassen sich nicht starten

9.3.2    Der Multicopter schleudert herum

9.3.3    Der Multicopter überschlägt sich beim Start

9.3.4    Der Multicopter reagiert zu stark auf die Fernsteuerung

9.3.5    Der Multicopter reagiert falsch auf die Fernsteuerung

9.3.6    Der Multicopter hebt auch bei Vollgas nicht ab

9.3.7    Bei der Landung kippt der Multicopter um

9.3.8    Der Multicopter schaukelt sich auf

9.3.9    Der Multicopter giert im Flug

9.3.10  Die Flugsteuerung hält die Fluglage nicht

9.3.11  Die Flugsteuerung hält trotz GPS-stabilisiertem Modus die Position nicht

9.3.12  Der Multicopter stürzt ab

9.3.13  Der Multicopter reagiert im Flug nicht mehr auf die Fernsteuerung

9.4     Probleme mit FPV und Video

9.4.1    Der FPV-Sender zeigt keinen Betrieb an

9.4.2    Das FPV-Bild von Ihrem Multicopter wird vom Empfänger (Videobrille oder Monitor) nicht angezeigt

9.4.3    Das FPV-Bild ist permanent stark gestört

9.4.4    Die Qualität des FPV-Bildes ändert sich während des Fluges

9.4.5    Die FPV-Reichweite ist zu klein

9.4.6    Das Bild der FPV- oder Videokamera wackelt oder wobbelt

10 Glossar

11 Bezugsquellen

Index

Vorwort

Der Modellflug blickt auf eine Geschichte von über 160 Jahren zurück. Bereits 1848 brachte der Engländer John Stringfellow ein motorisiertes Flugmodell erfolgreich in die Luft. Als Antrieb kam eine Dampfmaschine zum Einsatz und Fernsteuerungen gab es damals noch nicht. Interessanter wurde der Modellflug mit dem Einzug brauchbarer Fernsteuerungen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Lange Zeit waren Verbrennungsmotoren bei Modellflugzeugen vorherrschend. Zwar gab es recht früh auch Varianten mit Elektromotoren, diese waren aber allein wegen ineffizienter und schwerer Blei-Akkus weniger für Flug- als für Schiffsmodelle geeignet.

Heute sind Multicopter Massenware und sorgen weltweit für Milliardenumsätze. Es gibt sie nicht mehr nur in Modellbaugeschäften, sondern auch in Supermärkten. Obwohl die meisten Menschen heute flugfertige Modelle kaufen und sich nicht mit der Technik befassen wollen, gibt es gute Gründe, eigene Multicopter zu bauen. Der Großteil der fertigen Multicopter sind Spielzeuge, die für viele Anwendungen ungeeignet sind. Für diejenigen, die bei ein wenig Wind noch fliegen möchten, reduziert sich das Angebot schnell auf wenige Fertigmodelle. Auch die Verwendung hochwertiger Kameras ist für Fertigmodelle bis auf wenige und teure Ausnahmen nicht möglich.

Wer sollte dieses Buch lesen?

Dieses Buch ist ideal für alle, die eigene Multicopter bauen oder gekaufte Modelle reparieren wollen. Technisches Geschick und Sachverstand im Umgang mit Werkzeugen und Werkstoffen sollte unbedingt vorhanden sein. Das Buch wendet sich an Einsteiger, aber auch alte Hasen werden nützliche Informationen finden.

Das Buch verzichtet auf viele technische Berechnungen und weitgehend auf Formeln aus der Elektrotechnik, Physik und Luftfahrt. Multicopter berechnen kann man nur, wenn man eine entsprechende Ausbildung absolviert hat. Alle behelfsmäßigen Ansätze für Berechnungen im Vorfeld sind viel zu ungenau, als dass damit wirklich gute Voraussagen über die Eigenschaften des fertigen Multicopters getroffen werden können. Deshalb werden pragmatische Ansätze verfolgt, die zuverlässig zu funktionierenden Lösungen führen oder schnell zeigen, dass ein Konzept nicht funktionieren kann.

Was Sie in diesem Buch finden

Kapitel 1 enthält eine Einführung ins Thema und erklärt, was Multicopter sind, wieso sie fliegen, welche Bauformen und Anwendungsgebiete es gibt.

Kapitel 2 gibt eine Übersicht über die Gefahren, die von Multicoptern ausgehen, wie man diese reduzieren kann, und erklärt mit Hinweisen auf Gesetze und Verordnungen, welche Rechte und Pflichten es für Modellflieger gibt.

Kapitel 3 gibt einen kleinen Überblick über Werkzeuge und Werkstoffe, die für den Bau von Multicoptern verwendet werden.

Kapitel 4 widmet sich ausführlich der Technik und den Komponenten, die bei Multicoptern zum Einsatz kommen.

Kapitel 5 beschreibt die der Flugsteuerungen MultiWii, Ardupilot Mega (APM) und die der Firma DJI. Sie erfahren, welche Möglichkeiten diese bieten und einige wichtige Punkte zu deren Konfiguration.

Kapitel 6 enthält das erste Bauprojekt. Hier erfahren Sie, wie ein kleiner Quadrocopter für den Einstieg konzipiert und gebaut wird und auch, wie die Flugsteuerung konfiguriert wird.

Kapitel 7 ist schon ein wenig umfangreicher und enthält das zweite Bauprojekt, einen Hexacopter für den FPV-Flug. Auch hier wird aus einer Idee ein Konzept hergeleitet und damit im Anschluss ein fliegender Multicopter gebaut.

Kapitel 8 enthält das dritte Bauprojekt. Hier geht es um einen großen Quadrocopter für Foto und Video, bei dem ein Kameramann vom Boden die Kamera unabhängig vom Multicopter steuern kann. Hier wird ebenfalls zuerst aus der Idee ein Konzept abgeleitet und erklärt, wie die benötigten Komponenten ermittelt werden.

Kapitel 9 befasst sich mit der Fehlersuche, falls beim Bau etwas nicht so funktioniert, wie es soll.

Kapitel 10 enthält ein Glossar für Begriffe und Abkürzungen, die im Zusammenhang mit Multicoptern häufig verwendet werden.

Kapitel 11 enthält eine Liste mit Bezugsquellen für die Bauteile, die in den Bauprojekten verwendet werden.

Die Webseite zum Buch

Unter http://www.multicopterbuch.de finden Sie die Webseite zum Buch. Dort stehen Ihnen folgende Informationen zur Verfügung:

Ergänzungen zum Buch und Fehlerkorrekturen

Weitere Bauprojekte und Basteleien

Links zu Foren, Gesetzen, Herstellern und Anbietern

Downloads

Ein Newsfeed, in dem Meldungen zu Vorfällen mit Multicoptern gesammelt werden

Zusätzlich können Sie @multicopterbuch auf Twitter folgen.

Danksagungen

Ein Buch zu schreiben, ist kein Pappenstiel und dass dies mein erstes Buch ist, hat es ganz sicher auch nicht einfacher gemacht. Umso mehr haben mir diejenigen geholfen, die mich mit Ideen, Motivation, Hinweisen und Korrekturen unterstützt haben.

Ich danke dem Team vom dpunkt.verlag, das es mir ermöglicht hat, dieses Buch zu schreiben. Auch meiner Lektorin Ursula Zimpfer möchte ich herzlich danken, dass sie dieselben Fehler konsequent Hunderte Male korrigiert hat. Ich habe mich immer gefragt, welchen Sinn der Deutschunterricht in der Schule hatte – den habe ich nun verstanden.

Für das Korrekturlesen, die Hinweise auf Inkonsistenzen, die Hilfe bei der Gestaltung der Texte auf der Webseite zum Buch und bei der technischen Unterstützung bei verschiedenen Themen möchte ich mich bei Peter Griwatsch, Maik Schmidt, Herwart Brinkmann, Katja Borowski, Susan Grey, Dirk Küppers, Wolfgang Lindner und Karsten Wassermann bedanken.

1 Einführung

Modellflug ist seit Jahrzehnten ein Hobby für sehr viele Menschen. Bisher wurden hauptsächlich Flugzeuge und klassische Hubschrauber verwendet. Seit einigen Jahren erfreuen sich aber auch Multicopter wachsender Beliebtheit.

Für die starke Verbreitung gibt es verschiedene Gründe. Gegenüber klassischen Hubschraubern sind Multicopter einfacher zu bauen und zu fliegen. Eine Voraussetzung dafür war, dass Mikrocontroller-Anwendungen für versierte Bastler zum Kinderspiel wurden. Modulare Mikrocontroller-Plattformen wie Arduino (http://arduino.cc) erlauben es heute auch Nicht-Elektronikern, in wenigen Stunden Schaltungen zu bauen, die vor zwanzig Jahren nur ein studierter Elektroniker in wochenlanger Arbeit hätte entwickeln können.

Andere Voraussetzungen waren der Einzug hocheffizienter Motoren als Massenware und die Verfügbarkeit computergesteuerter Maschinen, wie CNC-Fräsen und neuerdings auch 3D-Drucker. Wichtig war darüber hinaus die Einführung der 2,4-GHz-Fernsteuerungsanlagen.

Technik und Steuerungen sind heute so ausgereift, dass Multicopter in vielen Bereichen professionell genutzt werden. Dabei ist die Idee des Multicopters nicht neu. In der bemannten Luftfahrt gab es bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts flugfähige Multicopter.

In diesem Kapitel erfahren Sie, was Multicopter sind und wozu sie verwendet werden können.

1.1 An wen richtet sich dieses Buch?

Multicopter sind zweifellos hochkomplexe Geräte. Für den Bau von Multicoptern ist ein gutes Verständnis der benötigten Werkzeuge, Materialien, Komponenten und deren Zusammenspiel eine notwendige Voraussetzung. Wer einen Multicopter selbst baut, beschäftigt sich zwangsläufig auch mit Mechanik, Statik, Elektronik und Software.

Dieses Buch vermittelt viel Wissen über die Funktionsweise aller Komponenten von Multicoptern. Es erklärt, wie diese Komponenten zusammenarbeiten und wie festgestellt werden kann, welche Komponenten zusammenpassen. Anhand von Bauprojekten wird im Detail hergeleitet, wie Multicopter konzipiert und dazu passende Komponenten ermittelt werden. Der Leser erfährt, welche Werkzeuge, Maschinen und Materialien eingesetzt werden können. Auch die Themen Recht und Sicherheit werden eingehend behandelt.

Wie Werkzeuge richtig benutzt werden und wie Materialien korrekt und sicher bearbeitet werden, geht über den Umfang eines solchen Buchs aber deutlich hinaus. Ohne gute handwerkliche Fähigkeiten und ohne die Bereitschaft, sich auch teilweise über das Buch hinaus mit dem Thema zu beschäftigen, ist dieses Buch für Sie nicht geeignet, um einen Multicopter selbst zu bauen.

Wenn Sie das handwerkliche Geschick bereits mitbringen, vor Lötkolben und Dremel nicht zurückschrecken und bereit sind, sich in die Thematik einzuarbeiten, oder bereits Erfahrungen mit Multicoptern haben, dann ist dieses Buch genau der richtige Einstieg, um eigene Modelle jeglicher Art zu entwickeln. Dabei geht es nicht ausschließlich um den Bau eigener Multicopter, sondern auch generell um das Verständnis, wie diese funktionieren. Auch wenn Sie fertige Multicopter verwenden, finden Sie hier viele wichtige Informationen – beispielsweise, wenn Sie diese selbst reparieren wollen.

Ein wichtiger Hinweis in eigener Sache

Die Informationen in diesem Buch beruhen auf meinen Erfahrungen und Kenntnissen. Ich habe alle Angaben im Buch sehr sorgfältig überprüft. Die Bauprojekte wurden, wie hier beschrieben, von mir gebaut und ausführlich getestet. So hat beispielsweise der Video-Quadrocopter bei mir bereits etwa 50 Flugstunden geleistet, ohne dass es zu Problemen kam. Trotz großer Sorgfalt können sich Fehler eingeschlichen haben, die dazu führen, dass bei Ihnen etwas nicht funktioniert. Falls solche Fehler gefunden werden, wird es dazu auf der Webseite zum Buch Korrekturen geben.

Dieses Buch entbindet Sie nicht von der Verantwortung, Eigenbauten oder reparierte Multicopter sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass diese keine Schäden anrichten können. Insbesondere bezüglich Sicherheit und Gefahren obliegt der Umgang mit Multicoptern ausschließlich Ihnen.

1.2 Was sind Multicopter?

Multicopter ist ein Kunstwort für Multi-Rotor-Helikopter. Multi bedeutet »mehrere« und bezieht sich hier auf die Anzahl der Rotoren. Das Wort Helikopter stammt aus dem Griechischen und bedeutet sinngemäß Drehflügler. Eine andere Bezeichnung für Helikopter ist Hubschrauber. Multicopter gehören demnach zur Familie der Hubschrauber und haben mehrere Rotoren. Im Englischen werden Multicopter auch Multirotor genannt.

Obwohl Rotor bei Hubschraubern die richtige Bezeichnung ist, wird umgangssprachlich im Modellflug meist der Begriff Propeller verwendet. Wenn Sie in Modellbaugeschäften nach Rotoren für Multicopter suchen, werden Sie diese nur selten unter diesem Namen finden. In diesem Buch wird daher auch meist die Bezeichnung Propeller verwendet.

Abb. 1–1 Quadrocopter im Flug

Hubschrauber sind per Definition senkrecht startende Fluggeräte mit einem oder mehreren Rotoren zur Erzeugung von Auftrieb. Der Unterschied zu Flugzeugen ist nicht etwa, dass die eine Fraktion Tragflächen hat und die andere nicht. Tragflächen haben beide. Nur rotieren diese beim Hubschrauber, um eine entsprechende Strömungsgeschwindigkeit der Luft zu erreichen.

Flugzeuge müssen diese Geschwindigkeit als Ganzes erreichen. Deshalb kann ein Hubschrauber in der Luft stehen, ein Flugzeug aber nicht. Die Grundlage für die Flugfähigkeit bei Hubschraubern und Flugzeugen ist der dynamische Auftrieb. Das grundlegende Prinzip besteht darin, durch unterschiedliche Luftströmungen einen Druckunterschied und damit eine gerichtete Kraft zu erzeugen. Das wird durch die Form der Tragflächen erreicht.

Eine Tragfläche ist so konstruiert, dass sich die Anströmung, also die auftreffende Luft, unter der Tragfläche staut. Im geschützten Bereich oberhalb der Tragfläche, der nicht direkt vom Luftstrom erreicht wird, entsteht ein Unterdruck.

Abb. 1–2 Dynamischer Auftrieb an einer Tragfläche

Die Luft wird gezwungen, den längeren Weg an der Oberseite schneller zurückzulegen, während diese im unteren Teil gebremst wird. Da sich zwei unterschiedliche Drücke immer ausgleichen wollen, wird so eine nach oben wirkende Kraft erzeugt. Ist diese Kraft groß genug, kann sie die Gewichtskraft eines Luftfahrzeugs überwinden.

Wenn ein Multicopter ein Hubschrauber ist, wieso verwenden wir dann nicht einen klassischen Hubschrauber mit einem Hauptrotor und Heckrotor, werden Sie sich vielleicht fragen. So würden doch weniger Motoren und weniger Propeller benötigt. Eine Antwort auf diese Frage lautet, dass bei einem Multicopter dadurch die Komplexität erheblich reduziert wird. Gleichzeitig steigt auch noch die Flugstabilität.

Ein Hubschrauber mit nur einem Hauptrotor erzeugt zunächst nur in zwei Richtungen Kräfte: eine nach oben gerichtete Kraft in Richtung der Rotorachse und eine Rotationskraft um die Rotorachse. Der Kraft nach oben wirkt die Gewichtskraft des Hubschraubers entgegen, der Rotationskraft lediglich die Massenträgheit. So könnte der Hubschrauber nicht vernünftig fliegen. Er könnte zwar steigen und sinken, würde sich dabei aber um die Rotorachse drehen. Damit das nicht geschieht, gibt es den Heckrotor, der die Rotationskraft kompensiert.

Es gibt auch andere Lösungen, wie Koaxial-Rotoren. Hier drehen sich zwei Rotoren an einer Achse entgegengesetzt. So entstehen zwei entgegengesetzte Rotationskräfte, die sich aufheben. Durch Ändern der Schubkraft des Heckrotors kann ein Hubschrauber gezielt um die Rotorachse gedreht werden. Bei einem Koaxial-Rotor muss dazu der Schub eines Rotors größer als der des anderen werden. Eine weitere Variante anstelle des Heckrotors ist ein seitlicher Schubstrahl, der aus dem Abgasstrom der Turbine für den Hauptrotor erzeugt wird.

Allein mit der nach oben gerichteten Kraft könnte ein Hubschrauber sich aber nur vertikal bewegen. Horizontale Bewegungen wären damit nicht möglich. Horizontale Bewegungen werden bei Hubschraubern über eine Konstruktion erreicht, die sich Taumelscheibe nennt. Eine Taumelscheibe ist eine komplizierte Konstruktion aus Lagern, Hebeln und Gestängen. Mit ihr kann der Anstellwinkel der Rotorblätter verändert werden. Durch Änderung des Anstellwinkels ändert sich die Schubkraft. Ändert sich der Anstellwinkel für alle Rotorblätter gleichermaßen, so ändert sich die Schubkraft in Richtung der Rotorachse. Damit wird der Auf- und Abstieg kontrolliert.

Abb. 1–3 Hebel, Gestänge, Lager: Alles zusammen bildet die Taumelscheibe.

Um eine horizontale Kraft zu erzeugen, darf die Rotorachse nicht mehr senkrecht stehen, sondern muss in die Richtung gekippt sein, in die der Hubschrauber sich bewegen soll. Um die Rotorachse zu kippen, wird eine entsprechende Kraft benötigt. Die Taumelscheibe erzeugt diese Kraft, indem sie die Anstellwinkel der Rotorblätter nur in einem Teil des Rotorkreises ändert. Wenn ein Rotorblatt diesen Abschnitt erreicht, wird der Anstellwinkel geändert und beim Verlassen wieder zurückgestellt. Das bewirkt, dass der Schub in diesem Abschnitt anders als im Rest des Rotationskreises ist. Dadurch kippt der gesamte Hubschrauber.

Die Rotorachse steht dann nicht mehr senkrecht und die Auftriebskraft wirkt schräg nach oben. Aus dem Physikunterricht ist Ihnen vielleicht noch bekannt, dass jede Kraft in vertikal und horizontal wirkende Kräfte zerlegt werden kann. Würde die Rotorachse um neunzig Grad gekippt, würde das aus dem Hubschrauber ein Flugzeug machen. Aufgrund fehlender Tragflächen würde dieses aber abstürzen, da es keine nach oben wirkende Kraft mehr gäbe. Wenn die vertikale Kraft das Gewicht des Hubschraubers ausgleicht, führt effektiv nur noch die horizontale Kraft zu einer Bewegung. Der Hubschrauber fliegt auf diese Weise parallel zum Boden.

Abb. 1–4 Verteilung der Kräfte bei horizontaler Bewegung

Ein Multicopter fliegt nach demselben Prinzip. Es gibt zwar auch Multicopter, die Taumelscheiben verwenden, das ist jedoch nur sehr selten der Fall. Gerade der Verzicht auf die Komplexität der Taumelscheibe erlaubt dem Modellbauer, Multicopter mit verhältnismäßig einfachen Mitteln selbst zu bauen. Damit ein Multicopter sich horizontal bewegen kann, muss er genau so kippen können wie ein Hubschrauber mit nur einem Rotor mit einer Taumelscheibe. Dazu werden um den Schwerpunkt des Hubschraubers mehrere Propeller angeordnet, die separat gesteuert werden können.

Drehen alle Propeller gleich schnell, wirkt die Summe der Kräfte nach oben. Dreht ein Rotor schneller, hebt er den Hubschrauber an dieser Stelle an. Das entspricht dem Prinzip der Taumelscheibe. So entfällt die komplizierte Taumelscheibe und auch gleich der gesamte Rotorkopf. Ein Multicopter kann dadurch mit starren Propellern aufgebaut werden.

Damit ergibt sich aber noch ein Unterschied zum Rotor mit Taumelscheibe. Bei einem Rotor mit Taumelscheibe kann der Rotor mit konstanter Drehzahl drehen. Der Schub wird einfach über eine Änderung der Anstellwinkel der Rotorblätter verändert. Da bei starren Rotoren der Anstellwinkel nicht verändert werden kann, lässt sich der Schub nur über die Rotationsgeschwindigkeit verändern. Dazu werden Motoren benötigt, deren Drehzahl sich kontrollieren lassen.

Abb. 1–5 Elektromotor mit starrem Propeller

Ein Multicopter mit mehreren Antrieben und starren Propellern erfordert zusätzliche Maßnahmen. Die Motoren müssen einzeln angesteuert werden, da für horizontale Bewegungen einzelne Motoren schneller drehen müssen. Ein Mensch könnte die Drehzahl der Motoren nicht direkt kontrollieren. Er könnte weder die benötigten Schübe für die einzelnen Propeller erfassen, noch könnte er ausreichend schnell oder exakt reagieren.

In einer perfekten Umgebung ohne äußere Einflüsse würde ein Multicopter bei gleichem Schub für alle Propeller sich nur in der Vertikalen bewegen. In der Praxis kommen aber äußere Einflüsse hinzu. Seiten-, Auf- und Abwinde erfordern Anpassungen der Drehzahlen. Um das Wegkippen des Multicopters zu verhindern, müssen die Drehzahlen der Motoren in Millisekunden angepasst werden. Wenn ein Multicopter zu weit kippt, ist es nicht möglich, diesen wieder zurück zu kippen. Im Prinzip ist das wie das Balancieren eines Besens auf einem Finger.

Eine Voraussetzung für die Massentauglichkeit von Multicoptern war die Verfügbarkeit von verschleißarmen, schnell drehenden Motoren, deren Drehzahlen sich schnell in großen Bereichen verändern lassen. Diese sind heute in großen Stückzahlen herstellbar und verhältnismäßig günstig. Ihren Ursprung hatten diese Motoren aber in ganz anderen Geräten, wie beispielsweise in Tonbandmaschinen. Lesen Sie dazu mehr in Kapitel 4.

1.3 Selbst bauen oder kaufen?

Multicopter gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Suchmaschinen im Internet liefern Millionen von Einträgen für Begriffe rund um Multicopter. So viele Einträge finden sich für viele andere Dinge nicht. Suchen Sie mal nach Bratpfanne oder nach Eiskratzer. Beides wird sicher häufiger genutzt als Multicopter.

Multicopter können als mehr oder weniger flugfertige Modelle gekauft werden. Diese finden sich dann unter Bezeichnungen wie RTF (engl. ready to fly) oder ARF (engl. almost ready to fly). RTF- und ARF-Multicopter bestehen aus mehr oder weniger gut aufeinander abgestimmten Komponenten, die schon ganz oder zum großen Teil vormontiert sind. Je nach Variante müssen diese Komponenten nur noch zusammengeschraubt oder sogar nur noch der Flug-Akku geladen werden.

Wie lässt sich nun feststellen, ob so ein Multicopter für Ihre Zwecke geeignet ist? Am einfachsten wird dieser gekauft und ausprobiert. Wenn Sie die ersten Multicopter gekauft haben und diese nicht Ihren Erwartungen entsprechen, werden Sie sich entweder ein anderes Hobby suchen oder Sie beschäftigen sich mit der Technik und lernen, wie Sie Multicopter selbst bauen. Alternativ lassen Sie sich für viel Geld einen passenden Multicopter anfertigen.

Um ein Modell ohne Praxistest beurteilen zu können, benötigen Sie die technischen Daten aller wichtigen Komponenten. Sie müssen verstehen, wie gut diese Komponenten zueinander passen und wie deren Qualität ist. Das sind dieselben Voraussetzungen, die Sie brauchen, wenn Sie Multicopter selbst bauen. Beim Eigenbau können Sie alle Komponenten selbst aussuchen und haben viele Freiräume bei der technischen Umsetzung und den Kosten. Darüber hinaus können einzelne Teile einfach durch andere ersetzt werden, wenn diese nicht gut oder nicht mehr verfügbar sind. Das ist ein großer Nachteil bei RTF- und ARF-Multicoptern.

Einige Hersteller versuchen mittlerweile, ihre Kunden durch spezielle Komponenten an sich zu binden. Das sind beispielsweise Formteile oder in spezielle Gehäuse verpackte Standardkomponenten mit ein wenig Zusatzelektronik, die sich nicht einfach durch andere Komponenten ersetzen lassen. Diese speziellen Komponenten sind dann auch noch zum Teil stark überteuert. Verschwindet ein Hersteller vom Markt oder lässt einer ein Modell auslaufen, gibt es keine Ersatzteile mehr.

Einen Multicopter in Eigenregie zu bauen ist keine große Kunst. Natürlich brauchen Sie dazu technisches Verständnis. Sie müssen auch mit Werkzeugen und kleineren Maschinen umgehen können. Die eigentliche Herausforderung besteht aber in der Auswahl von Komponenten, die für die Umsetzung der eigenen Anforderungen an einen Multicopter geeignet sind.

Dieses Buch gibt Ihnen dazu die Grundlagen und ausführliche Beispiele. Multicopter selbst zu bauen bedeutet aber auch, zu recherchieren, zu testen und zu tüfteln. Manchmal werden Sie vielleicht lange an Problemen zu knacken haben, bis eine Lösung gefunden ist. Dazu benötigen Sie eine Grundausstattung an Werkzeugen und Maschinen, die Sie sich gegebenenfalls erst noch zulegen müssen. Wenn Sie statt zu basteln und tüfteln einfach nur möglichst schnell in die Luft wollen, ist es vielleicht sinnvoller, fertige Modelle zu verwenden oder bauen zu lassen.

Selbst bauen heißt aber nicht, dass Sie aus einem Baumstamm und einem Klumpen Bauxit einen Multicopter schnitzen und Aluminium für die Motoren selbst gewinnen müssen. Prinzipiell können Sie zwar alle Teile eines Multicopters selbst bauen. Das gilt sogar für Motoren, Propeller oder Flugsteuerungen. Im Normalfall werden Sie sich diese Mühe aber nicht machen und auf bewährte Dinge zurückgreifen. Selbst bauen bezieht sich oft mehr auf die Suche nach passenden Komponenten und auf die Anfertigung von Teilen, die nicht oder nicht passend für den benötigten Zweck zu kaufen sind.

Es ist absolut nicht verkehrt, wenn Sie alle Teile bei verschiedenen Händlern kaufen und diese dann nur noch zusammenbauen. Je nach Ansprüchen verwenden Sie günstige Materialien aus Baumärkten bis hin zu ultraleichten Verbundwerkstoffen. Und auch bei Werkzeugen und Maschinen ist die Bandbreite bezüglich der Möglichkeiten und Kosten sehr groß.

Abgesehen von Spielzeugmodellen, die es im Komplettpaket mit Fernsteuerung für unter 100 Euro zu kaufen gibt, ist das Multicopter-Hobby generell nicht billig. Wenn Sie bei null beginnen und keine Werkzeuge und Fernsteuerung besitzen, werden schnell 500 Euro für den ersten, kleineren Multicopter fällig. Günstige Fernsteuerungen mit Empfänger im Set kosten ab etwa 150 Euro aufwärts. Ein minimalistischer Multicopter aus günstigsten Teilen kostet zusammen mit einem Akku etwa um die 150 Euro. Dann benötigen Sie ein Ladegerät für den Flug-Akku, das mit mindestens 20 Euro zu Buche schlägt. Wenn Ihre Werkzeugkiste dann nur Wasserpumpenzange und Zimmermannshammer enthält, sind die 500 Euro in Summe schnell erreicht.

Wenn es um größere Modelle mit Kamera und FPV (siehe Kapitel 4) geht oder wenn Sie zusätzliche Anforderungen haben, steigen die Kosten schnell auf 1000 Euro und mehr.

1.4 Wie werden Multicopter gesteuert?

Das Fliegen von Multicoptern ist relativ einfach, wenn stabilisierte Flugsteuerungen verwendet werden. Selbst Anfänger, die vorher nie geflogen sind, bekommen solche Multicopter innerhalb von Minuten in den Griff. Stabilisierte Flugsteuerungen verfügen über Sensoren, welche Lage und Bewegungen, manchmal auch absolute Positionen im Raum und Himmelsrichtungen erfassen können. Mit diesen Informationen bestimmt eine Flugsteuerung, ob der Multicopter im gewollten Zustand ist.

Der gewollte Zustand ist der, den die Stellungen der Hebel und Schalter an der Fernsteuerung vorgeben. Stehen alle Hebel in Neutralposition und der Schub auf »Schweben«, ist der gewollte Zustand, dass der Multicopter auf der Stelle fliegt. Wird der Schub erhöht, ist der gewollte Zustand, dass der Multicopter steigt. Wird der entsprechende Hebel auf »Vorwärtsflug« bewegt, ist der gewollte Zustand, dass sich der Multicopter vorwärts bewegt.

Fliegen ist einfach?

Eine Flugsteuerung mit GPS-Unterstützung lässt einen Multicopter auf der Stelle stehen. Hier können Sie die Fernsteuerung beiseite legen und sich um die Steaks auf dem Grill und ein Bierchen kümmern. Die Steuerung ist so einfach wie ein Computerspiel mit Joystick. Manche Modellflieger schreiben das ihren Flugkünsten zu. Bricht aber der GPS-Empfang ab, entwickelt der Multicopter ein Eigenleben. Dann zeigt sich, wie gut die Flugkünste wirklich sind. Es ist keine Schande, automatisierte Flugmodi zu verwenden. Aber Sie müssen in der Lage sein, die Kontrolle auch selbst zu übernehmen und den Multicopter zumindest ohne Personenschäden kontrolliert auf den Boden zu holen. Wenn Sie in so einer Situation vor Panik in Schockstarre verfallen, sollten Sie in sicherer Umgebung das Fliegen in anderen Flugmodi üben, bis Sie Ihren Multicopter auch dabei sicher beherrschen.

Eine Flugsteuerung (engl. flight control) ist ein Kleinstcomputer, der Daten von Sensoren sammelt, diese mit den Eingaben der Fernsteuerung verbindet und daraus die Ansteuerung der Motoren ableitet. Die leichtesten Flugsteuerungen wiegen nicht einmal 10 g.

Einen PC mit Windows-Betriebssystem suchen Sie hier vergebens. Normale Betriebssysteme könnten einen Multicopter nicht steuern. Das geht nur mit Echtzeitbetriebssystemen. Bei normalen PC-Betriebssystemen warten Prozesse permanent auf irgendwas. Beispielsweise darauf, dass eine Festplatte aus der Hibernation erwacht. Diese Zeit reicht schon aus, um dass ein Multicopter in Einzelteile sortiert 30 cm tief im Boden steckt.

Die meisten Flugsteuerungen haben deshalb kein Betriebssystem. Als Software wird im Prinzip nur das Programm der Flugsteuerung installiert. Beim Einschalten der Flugsteuerung läuft dann sofort dieses eine Programm. Der Vorteil dieses Konzepts ist, dass es kaum zu Fehlern kommt, die nicht im Flugsteuerungsprogramm enthalten sind.

Zudem ist der Programmcode hier gegenüber einem Betriebssystem extrem klein. Es gibt aber auch Flugsteuerungen, die ein Betriebssystem verwenden. Eine davon ist zum Beispiel der Pixhawk Autopilot mit dem NuttX RTOS (http://nuttx.org).

Eine Multicopter-Steuerung ist eine klassische Anwendung der Mess- und Regeltechnik. Sie misst über Sensoren Istzustände, vergleicht diese mit Sollzuständen und trifft bei Bedarf Maßnahmen, die Istzustände in die Sollzustände zu bringen. Je mehr Istzustände über Sensoren erfasst werden, desto mehr Sollzustände können automatisiert hergestellt werden. So ergeben sich die unterschiedlichen Flugmodi. Manchmal soll die Flugsteuerung aber auch nicht eingreifen und es werden dann für einen Flugmodus bestimmte Sensoren nicht ausgewertet.

Abb. 1–6 Mikrocontroller Atmel ATMEGA1280

Manche Flugsteuerungen folgen dem Open-Source-Prinzip. Das bedeutet, dass Elektronik und Software offen dokumentiert sind. So können Open-Source-Flugsteuerungen von jedem nachgebaut und verändert werden. Andere Flugsteuerungen sind Blackboxen, die nur vom Hersteller verändert werden können. Es ist nicht allzu wichtig, welche Flugsteuerung verwendet wird. Wichtig ist, dass die benötigten Flugmodi und Funktionen zur Verfügung stehen und die dazu notwendigen Sensoren verfügbar sind.

Natürlich setzen manche Flugsteuerungen dieselben Funktionen anders als andere um. Oft ist es aber nur Geschmacksache, welche Umsetzung die bessere ist. In jedem Fall sollte die Möglichkeit bestehen, die Software zu aktualisieren.

Anderenfalls können Fehler später nicht korrigiert werden. Über Aktualisierungen werden oft auch neue Funktionen verfügbar. Allerdings können durch Aktualisierungen auch Verschlechterungen auftreten. Wenn Sie keine Probleme haben und keine neuen Funktionen nutzen wollen, sollten Sie auch keine neuen Versionen einspielen.

Angriffe auf Multicopter finden im Gegensatz zu PCs aktuell noch nicht statt. Daher müssen mit neuen Versionen auch nicht ständig Sicherheitslücken gestopft werden. Es gibt allerdings einen ersten Fall, wo für den Multicopter Parrot AR.Drone 2.0 eine Sicherheitslücke im verwendeten Betriebssystem festgestellt wurde, die es Angreifern ermöglichen soll, die Kontrolle des Multicopters zu übernehmen.

Beim Modellflug werden oft Fachbegriffe aus der Fliegersprache verwendet. Diese erlauben, Situationen kurz und präzise zu beschreiben. Begriffe wie Schlingern, Eiern, Rumzucken und Rumzicken lassen der Fantasie viel Spielraum. Besser ist es, die Dinge beim korrekten Namen zu nennen. So werden die Bewegungen eines Fluggeräts mit speziellen Begriffen bezeichnet.

Das Drehen um die Hochachse wird gieren genannt. Die Hochachse wird deswegen auch als Gierachse bezeichnet. Dreht sich ein Fluggerät um seine in Flugrichtung zeigende Längsachse, nennt sich das rollen. Und die Drehung um die Querachse nennt sich nicken, also wenn das Fluggerät die »Nase« hebt oder senkt.

Abb. 1–7 Achsen und Drehbewegungen bei einem Multicopter

Spezielle Bezeichnungen werden auch für Flugmodi verwendet. Davon gibt es je nach Flugsteuerung mehr oder weniger viele. Die Flugmodi finden Sie in Kapitel 5 für die dort jeweils beschriebenen Flugsteuerungen. Eine umfangreiche Erklärung vieler Fachbegriffe enthält das Glossar am Ende des Buchs.

Abgesehen von speziellen Programmierungen von Fernsteuerungen, sogenannten Mischern, fliegen Sie einen Multicopter ähnlich wie ein Flugzeug mit Höhenruder (nicken), Seitenruder (gieren) und Querruder (rollen). Der Unterschied zum Flugzeug besteht darin, dass ein Multicopter Flugbewegungen machen kann, die bei einem Flugzeug nicht möglich sind. Beispielsweise kann man anhalten und nach links fliegen.

Die drei Ruder sorgen für die Bewegungen in der Skizze oben. Sie haben dazu zwei Steuerknüppel, die jeweils in zwei Richtungen bewegt werden können. So gibt es vier Richtungen, drei für die Ruder und einen für Gas (Schubregelung). Mit dem Querruder und dem Seitenruder bewegen Sie den Multicopter horizontal. Das Seitenruder wird für elegantere Kurvenflüge verwendet. Prinzipiell können Sie ohne Seitenruder auskommen. Dann können Sie aber die »Nase« nicht in Flugrichtung ausrichten.

1.5 Wo kommen Multicopter zum Einsatz?

Multicopter sind nicht nur Spielzeuge. Sie werden auch professionell und kommerziell eingesetzt. Militär und Polizei sind vor allem an Überwachung und Aufklärung interessiert. Nie war es für die Polizei leichter, bei großen Veranstaltungen mit gleich mehreren fliegenden Kameras in strategisch günstigen Positionen den Überblick zu behalten. Das geht sonst nur mit bemannten Hubschraubern. Deren Einsatz ist aber nach wie vor äußerst teuer.

Kleine Multicopter mit Videokameras und Übertragung des Kamerabilds an eine Bodenstation können nahezu überall fliegen. Sie kosten nur Bruchteile von bemannten Hubschraubern. In Deutschland werden von der Polizei verschiedene Multicopter eingesetzt. Teilweise werden diese dort sogar in Eigenregie entwickelt.

Auch für Hilfs- und Rettungskräfte bieten fliegende Kameras enormes Potenzial bei der Aufklärung und Situationsanalyse. Nach Erdbeben, Bränden und anderen Katastrophen sind Gebiete oft nicht mehr zugänglich. Rettungskräfte können ohne Eigengefährdung vielleicht nicht einmal nach Verletzten suchen. Genau hier können Multicopter sehr effektiv und in größerer Anzahl eingesetzt werden. Sie verschaffen schnell Überblick und niemand muss sich in Gefahr begeben. Selbst in Gebäuden können Multicopter fliegen und Videobilder von dort übertragen. Zudem können Multicopter mit zusätzlichen Geräten ausgestattet werden, wie beispielsweise Wärmebildkameras oder Sensoren für giftige oder radioaktive Stoffe, um weitere Informationen zu erhalten.

Abb. 1–8 Von der Polizei eingesetzter AirRobot AR-100 B der Firma AirRobot GmbH & Co KG aus Arnsberg

Im privatwirtschaftlichen Bereich liegen die Anwendungen zurzeit vor allem bei Video- und Fotoaufnahmen. Für TV und Kino schaffen Multicopter Möglichkeiten für neue Perspektiven oder ersetzen teilweise komplizierte, unhandliche Stativkonstruktionen. Firmen präsentieren sich neben Fotos immer öfter auch mit Filmen, die deren Anlagen und Gebäude aus der Luft zeigen.

Auch Fotografen bedienen sich der neuen Perspektiven. Gruppenfotos bei Hochzeitsgesellschaften aus der Luft liegen stark im Trend. Aber nicht nur für Unterhaltungszwecke werden Videoaufnahmen und Fotos mit Multicoptern gemacht. Auch im handwerklichen und industriellen Bereich ist das sehr nützlich. So verwenden manche Dachdecker Multicopter zur Inspektion von Dächern und sparen sich so unnötige Klettereien.

Auch zur Inspektion von Industrieanlagen sind Multicopter geeignet. Bevor ein Industriekletterer einen Schornstein erklimmt, ist ein Multicopter mit hochauflösenden Bildern schon wieder am Boden und die Bilder sind ausgewertet. Auch bedarf es mit einem Multicopter keiner großen Vorbereitungen. Wenn Wind und Wetter passen, kann es jederzeit losgehen.

Abb. 1–9 High-End-Videoplattform: MULTIROTOR by service-drone.de

Im Hobbybereich werden Multicopter auch zum Filmen und Fotografieren eingesetzt. Viele Modellflieger verwenden aber auch keine Kameras und interessieren sich nur für das Fliegen an sich. Es gibt auch immer öfter 3D-Flieger mit Multicoptern. 3D-Flug ist eine Art Kunst- oder Akrobatikflug. Dort gibt es Flugmanöver, wie Loopings und Flips, die viele Multicopter-Flieger eher von Abstürzen kennen dürften.

Eine etwas obskure Anwendung für Multicopter ist das Heavy Lifting. Dabei geht es um das Heben möglichst schwerer Lasten. Es gibt hier auch Wettbewerbe. Bei einem Beer-Lifting-Wettbewerb im Jahre 2013 hat der Sieger eine Nutzlast von 58,7 kg mit einem Quadrocopter durch die Gegend geflogen. Über Sinn und Unsinn lässt sich sicher streiten. Bemerkenswert ist hierbei vor allem, dass quasi jeder, der einen Multicopter selbst bauen kann, auch solche Varianten bauen kann. Ich rate davon aber eindringlich ab! Ein Multicopter mit so einer Leistung ist vergleichbar mit einer fliegenden Häckselmaschine ohne Schutzmaßnahmen.

1.6 Wie unterscheiden sich Multicopter?

Es gibt verschiedene Bauformen von Multicoptern. Diese unterscheiden sich hauptsächlich durch die Anzahl von Motoren. Die gängigen Bauformen werden dann folgendermaßen genannt:

Monocopter mit einem Rotor

Duocopter mit zwei Rotoren

Tricopter mit drei Rotoren

Quadrocopter mit vier Rotoren

Hexacopter mit sechs Rotoren

Octocopter mit acht Rotoren

Abb. 1–10 Die häufigsten Bauformen von Multicoptern

Mono- und Duocopter finden sich nur selten und werden in diesem Buch nicht näher betrachtet. Neben der Motorzahl werden die Bauformen in X-, Plus- und H-Form unterteilt. Bei den Plus-Formen liegt vorne und mittig genau ein Motor. Bei den X-Formen ordnen sich vorne links und rechts der Mitte zwei Motoren an. Ähnlich zur X-Form ist die H-Form. Diese ermöglicht längliche Grundplatten, auf denen sich Komponenten besser unterbringen lassen als auf runden oder anderen rotationssymmetrischen Grundplatten.

Abb. 1–11 Quadrocopter in den Formen X, Plus und H

Warum nun also vier oder acht Motoren? Warum nicht gleich vierundzwanzig oder hundert? Theoretisch wie praktisch sind viele Varianten machbar und existieren auch zum Teil. Zunächst einmal leisten acht Motoren des gleichen Typs doppelt so viel wie vier. Andererseits leisten vier doppelt starke Motoren genauso viel wie acht halb so starke. Bei acht Motoren kann der Octocopter an mehr Stellen als der Quadrocopter angehoben werden, um den Multicopter zu kippen. Zudem können mehrere kleinere Propeller besser beschleunigt werden als wenige große, da geringere Massen zu beschleunigen sind. Das erlaubt präzisere Steuerungen.

Acht Motoren haben bei entsprechender Flugsteuerung eine gewisse Redundanz. Der Ausfall eines Motors kann durch die beiden Motoren links und rechts daneben ausgeglichen werden. Fällt bei einem Duocopter, Tricopter oder Quadrocopter ein Motor aus, so kommt es zumindest bei aktuellen Flugsteuerungen noch unweigerlich zum Absturz.

An der ETH Zürich wurde am Institut für dynamische Systeme und Steuerungen kürzlich eine funktionierende Methode entwickelt, um auch einen Quadrocopter bei Ausfall eines Motors sicher zu landen. Zukünftig werden solche Funktionen bestimmt auch für das Hobby verfügbar werden. Aktuell lässt sich Ausfallsicherheit nur mit redundanten Antrieben verbessern.

Der Vorteil kleinerer Propeller bei mehr Motoren hat noch einen weiteren, positiven Effekt. Kleine Propeller verursachen Vibrationen mit höheren Frequenzen, die weniger Energie transportieren. Wie Sie noch sehen werden, ist das ein wichtiger Aspekt. Hochfrequente Vibrationen lassen sich einfacher dämpfen. Andererseits haben mehr Motoren auch Nachteile. Sie benötigen mehr Ausleger, Motorsteuerungen, Kabel, Motorbefestigungen und Flugsteuerungen mit mehr Ausgängen.

Bei mehr Bauteilen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Komponente ausfällt. Bei acht Motoren gegenüber vier ist die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall doppelt so hoch. Und auch das Gewicht kann sich durch mehr Komponenten erhöhen, selbst wenn diese kleiner sind. Das reduziert die Flugzeit. Eine Lösung, die alle Fälle abdeckt, gibt es einfach nicht. Vielmehr existieren für jeden Anwendungsfall mehr oder weniger sinnvolle Konstruktionen. Das lässt vermuten, dass es nicht den einen Multicopter gibt, der für alle Zwecke geeignet ist.

Neben den beschriebenen Bauformen gibt es noch solche mit Koaxialantrieben. Diese bieten Redundanz, verzichten aber auf zusätzliche Ausleger. Dabei werden an einem Ausleger 2 Motoren befestigt. Das führt zur Bezeichnung Koaxial, weil beide Propeller quasi an derselben Achse sitzen.

Abb. 1–12 Quadrocopter mit Koaxialantrieb

Aber auch diese Bauform ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Redundanz ist auch hier nur gegeben, wenn ein Motor alleine genug Schub zum Fliegen erzeugt. Und da die Hälfte der Motoren unterhalb der Ausleger befestigt ist, ist es schwieriger, eine Kamera so zu montieren, dass diese freie Sicht hat.

1.7 Kameraanwendungen

Fast alle Multicopter können zusätzlich zum eigenen Gewicht auch Nutzlasten transportieren. Das können ein paar Hundert Gramm bis zu einigen Kilogramm sein. Multicopter können dadurch auch sehr gut Kameras transportieren. Mit geeigneten Maßnahmen wird aus dem Multicopter eine fliegende Kamera, die für faszinierende Perspektiven und Möglichkeiten sorgt.

Das Thema ist allerdings alles andere als neu. Mit Ballons an Leinen oder an ferngesteuerten Flugzeugen gab es schon viel früher fliegende Kameras. Wirklich einzigartig ist bei Multicoptern, dass es keinen Leinenzwang gibt, quasi jeder Ort erreicht werden kann und auch kein rasanter Flug die Kameraaufnahmen einschränkt.

1.7.1 Immersionsflug

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich der Immersionsflug. Der Begriff leitet sich vom lateinischen immersio für Eintauchen ab. Häufiger wird der Immersionsflug auch FPV-Flug genannt. FPV steht für den englischen Begriff First PersonView. First Person ist der englische Begriff für die Ich-Form. Beim Modellflug ist damit die Ich-Perspektive gemeint.

Der Pilot sitzt beim Immersionsflug virtuell im eigenen Fluggerät. Dazu nimmt eine Videokamera am Multicopter das Bild auf. Ein Videosender am Multicopter transportiert das Bild dann per Funk in Echtzeit zum Boden, wo der Pilot dieses nutzt, um sein Fluggerät zu steuern. FPV an sich ist nicht neu und wird auch bei anderen Modellen wie Flugzeugen, Autos und Booten verwendet. Der FPV-Flug ermöglicht auch, einen Multicopter zu steuern, ohne dass sich dieser in Sichtweite befindet. Das ist zwar technisch möglich, aber nicht erlaubt. Das Videobild wird beim FPV-Flug entweder auf einen Monitor oder eine Videobrille übertragen. Vor allem die Videobrille erlaubt faszinierende Erlebnisse, weil sie die Umwelt ausblendet.

Abb. 1–13 FPV-Videobrille der Firma Zeiss: Cinemizer

Da ein FPV-Sender wie ein Rundfunksender funktioniert, können sich mehrere Zuschauer damit verbinden und den Flug verfolgen. Der Pilot selbst darf nicht mit einer Videobrille den Flug steuern, da er den Multicopter und dessen Umgebung immer im Blick haben muss. Anders ist es bei Verwendung eines Monitors. Hier kann der Pilot hauptsächlich den Multicopter im Blick behalten, gelegentlich aber auch mal das Bild am Monitor betrachten. Als Kameras werden für den FPV-Flug wegen des Gewichts und der Lichtempfindlichkeit oft Miniaturkameras aus dem Überwachungsbereich verwendet.

Sie bestehen meist nur aus einer Platine, auf die der Bildsensor aufgelötet ist. Daher werden diese auch als Platinenkameras bezeichnet. Bereits mit nur 20 g Gewicht gibt es brauchbare Kameras dieser Art. Bis auf wenige Ausnahmen liefern FPV-Kameras ein FBAS-Signal. FBAS steht für Farb-Bild-Austast-Synchron-Signal. Das ist ein Verfahren zur analogen Codierung von Farbvideobildern. Genutzt wird dieses vor allem, weil es einfach zu handhaben ist. Das Signal kann über eine einzelne Signalleitung übertragen werden. Da das Signal analog ist, kann es auch problemlos über einfache Schaltungen über Funk übertragen werden. Eine andere Bezeichnung für FBAS ist Composite Video.

Abb. 1–14 FPV-Kamera ohne Aufnahmefunktion

Auch wenn Sie die Begriffe nicht kennen, werden Sie vermutlich schon einmal die typischen FBAS-Steckverbinder mit drei Cinch-Steckern in den Farben Weiß, Rot und Gelb gesehen haben. Diese liegen oft TV-Geräten, Videospielern und Spielekonsolen bei. Der rote und weiße Stecker liefern den Ton, der gelbe Stecker das Videobild.

Prinzipiell können auch Kameras verwendet werden, die ein Livebild über andere Ausgänge, wie HDMI, liefern. Um diese für FPV nutzen zu können, werden Konverter benötigt, die aus dem HDMI-Signal ein FBAS-Signal erzeugen. Prüfen Sie vor dem Kauf einer Kamera für den FPV-Flug, ob dafür ein passender Adapter erhältlich ist.

Aktuell wird für den FPV-Flug das Bild noch vorwiegend mit niedrigen Auflösungen von 640×480 Bildpunkten übertragen. Es gibt aber mittlerweile schon erste Systeme, die das auch im 1080p-Format können. Diese sind zurzeit noch sehr teuer und befinden sich aus meiner Sicht auch noch im experimentellen Stadium.

Abb. 1–15 Cinch-Stecker für FBAS-Video mit Stereoton

In Europa sind legale Sendefrequenzen für den Privatbereich stark eingeschränkt. Es gibt nicht einmal dedizierte Frequenzbänder für private Zwecke. Stattdessen können nur die ISM-Bänder mitgenutzt werden. ISM steht für Industrial, Scientific and Medical. Die ISM-Bänder definieren Frequenzbereiche, die für bestimmte Zwecke in genau definierten Formen genutzt werden können. Geräte wie WLAN, Babyfone oder Wetterstationen müssen sich einzelne ISM-Bänder teilen. Die relevanten ISM-Frequenzen und Sendestärken für den Modellflug in Deutschland sind die folgenden:

2.4 GHz (10 mW)

5.8 GHz (25 mW)

433 MHz (10 mW)

Die Nutzung ist im Telekommunikationsgesetz (TKG) in § 55 Absatz 2 und 3 geregelt. In Deutschland sind auch Sender mit 2000 mW erhältlich. Damit sind Reichweiten von vielen Kilometern realisierbar. Verwenden Sie solche Sender, müssen Sie damit rechnen, dass Ihre illegalen Sendeaktivitäten sehr schnell festgestellt werden. Das kostet schnell einige Tausend Euro. Ein Messeinsatz kostet bis zu 1500 Euro und es können leicht mehrere solcher Einsätze anfallen, um Sie aufzuspüren. Die fälligen Gebühren lesen Sie in der Frequenzgebührenverordnung (FGebV) nach. Daneben können durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) auch zusätzlich Ordnungsstrafen in ganz anderen Höhen verhängt werden. Und auch der Multicopter samt Bodenstation können beschlagnahmt werden. Wenn Ihnen einige Tausend Euro wichtig sind, nutzen Sie lieber legale Möglichkeiten, um die FPV-Übertragung zu optimieren.

1.7.2 Video und Fotografie

Wenn bereits ein FPV-System vorhanden ist, kann am Empfänger am Boden ein Videorekorder das Bild aufzeichnen. Wegen der Übertragungsqualität und den bei FPV-Übertragungen immer wieder auftretenden Störungen ist das aber kein wirklicher Ersatz für Aufzeichnungen mit einer Videokamera direkt am Multicopter.

Wenn Sie hochwertige Videoaufzeichnungen wollen, benötigen Sie hochwertige Kameras. Fotografen und Filmer wissen, dass Qualität und Möglichkeiten mit der Größe der Kamera beziehungsweise der Sensoren und Objektive zusammenhängen. Gründe dafür sind folgende:

Kleine Sensoren mit hohen Auflösungen erlauben keine Aufnahmen mit kleinen Tiefenschärfen. Das ist aber eines der wichtigsten Bildgestaltungsmittel.

Kleine Sensoren mit vielen Bildpunkten haben ein höheres Bildrauschen.

Die winzigen Optiken mit wenigen Linsen und Linsengruppen in Miniaturkameras erlauben keine ausreichenden Korrekturen der Strahlengänge. Das führt zu negativen Effekten wie chromatischen Abberationen (Farbsäume) und Bildverzerrungen, wie dem Fischaugeneffekt. Auch erreichen solche Systeme effektiv kein 1080p. Natürlich wird das Bildmaterial mit dieser Auflösung gespeichert. Wird der Inhalt auf die tatsächlichen Bildinformationen reduziert, ist die Auflösung wohl eher die Hälfte von Full HD.

Wenn Sie Lottomillionär sind oder aus anderen Gründen nicht auf Geld achten müssen, können Sie für Ihre Videoaufzeichnungen Cinemakameras von RED oder ARRI verwenden. Diese wiegen ein wenig mehr, liefern aber bis zu 6K Videomaterial in echter Kinoqualität.

Abb. 1–16 6K Cinema-Kamera – RED Dragon

Wenn Sie einen Multicopter nicht speziell für hochwertige Videozwecke bauen, werden Sie nur leichte Videokameras verwenden. Eventuell nutzen Sie auch noch ein Gimbal (spezielle Kameraaufhängung) um die Kamera vom Multicopter zu entkoppeln oder um diese auszurichten. Dann sind 500 g Nutzlast aber bereits erreicht. Gut eignen sich hierfür die immer populärer werdenden Actionkameras. Entwickelt wurden diese für Mountainbiker, Kitesurfer und andere Sportler, aber auch für Modell-U-Boote.

Abb. 1–17 Verschiedene Kameras für den FPV-Flug und Videoaufnahmen

Actionkameras liefern für die Mini-Optiken brauchbare Filme in 1080p. Manche protzen sogar mit dem 4K-Format. Wie schon erwähnt, liefern diese Kameras weder 4K noch 1080p. Manche Actionkameras zeichnen im 1080p-Modus 120 Bilder pro Sekunde auf (engl. frames per second, FPS). Für kleinere Auflösungen können sogar 240 oder 480 FPS genutzt werden. Damit lassen sich auch brauchbare Zeitlupen realisieren. Mit VDSLR und Systemkameras können Actionkameras aber keinesfalls konkurrieren. Die einzigen Gründe für Actionkameras sind Gewicht und Kosten.

Obwohl es bessere Actionkameras gibt, bietet die Multicopter-Zubehörwelt fast ausnahmslos GoPro-Kameras an. Selbst lange nach Markteinführung werden andere Actionkameras nicht berücksichtigt. Wenn Sie also eine Kamera mit guter Qualität mit einem guten Gimbal nutzen wollen, ist die einzige Wahl aktuell eine GoPro. Sinnvoll nutzbar für den FPV-Flug sind allerdings nur die teuersten Versionen der GoPro.

Eine Actionkamera können Sie oft gleichzeitig für den FPV-Flug und zur Aufzeichnung verwenden. In diesem Modus ist das FPV-Bild auch gleich eine Kontrollmöglichkeit der Filmaufnahme, da dasselbe Bild auch aufgezeichnet wird. Gleichzeitig den Multicopter steuern und Videofahrten umsetzen, ist aber kaum möglich. Ohne eine vom Multicopter unabhängige Steuerung der Videokamera ist an ernsthafte Foto- und Videoanwendungen nicht zu denken. Zudem müssen Bewegungen des Multicopters von einer Kameraaufhängung kompensiert werden. Anderenfalls wird der Film ein einziges Gewackel.

So eine Aufhängung wird Gimbal genannt. Der deutsche Begriff kardanische Aufhängung wird kaum verwendet. Primär hält ein Gimbal eine Kamera immer in derselben Lage, auch wenn der Multicopter sich schräg stellt. Darüber hinaus können manche Gimbals auch die Kamera ausrichten. Ein Gimbal hat mindestens zwei Achsen, um die Kamera in der Waagerechten zu halten. Es gibt auch Gimbals mit drei Achsen, die Kameras um die Hochachse drehen können.

Für Actionkameras gibt es, außer für GoPro-Modelle, aktuell leider keine hochwertigen und leichten Gimbals, wie die von DJI oder XAircraft. Die automatische Lagekorrektur erlaubt bei einem guten Gimbal eine weiche, konstante Kameraführung. Für größere Kameras gibt es gute Gimbals für verschiedene Kameramodelle. Diese kosten aber schnell einige Tausend Euro ohne Multicopter und ohne Kamera.

Abb. 1–18 Drei-Achs-Gimbal der Luxusklasse für größere Kameras – Dragon Gimbal von r0sewhite

Um die Sache wirklich rund zu machen, müssen Sie die Multicopter-Steuerung von der Kamerasteuerung trennen. Sie werden keinen Multicopter fliegen und gleichzeitig ein Gimbal steuern, die Szenerie im Überblick haben und den Bildausschnitt permanent kontrollieren. Die Geschichte mit dem Multitasking ist leider ein Mythos. Sie benötigen eine weitere Person zur Bedienung der Kamera und zudem ein FPV-Bild zur Prüfung des Bildausschnitts.

Damit Sie und Ihr Kameramann nicht an einer Fernsteuerung herumwerkeln müssen, werden Sie im Idealfall eine zweite Fernsteuerung mit getrenntem Empfänger zur Steuerung von Gimbal und Kamera verwenden. Eine separate Fernsteuerung für das Filmen eröffnet weitere Möglichkeiten. Neben der Gimbal-Steuerung können freie Kanäle für die Steuerung von Blende oder Brennweite verwendet werden.

Abb. 1–19 Schema für getrennte Flug- und Kamerasteuerung

Bis hier drehte sich alles um das Thema Video und FPV, nicht aber um die Fotografie. Die Anforderungen für die Fotografie sind weitgehend identisch zu denen für Videoaufnahmen. Zum Ausrichten der Kamera ist auch für die Fotografie ein Gimbal erforderlich. Fotografie ist im Prinzip aber einfacher. Sie können zum Fotografieren einfach anhalten, die Kamera positionieren und auslösen. So können Sie theoretisch sogar alles alleine steuern. Allerdings brauchen Sie hier eine Möglichkeit, um die Kamera auszulösen und zu fokussieren. Wenn Sie dazu eine Fotokamera anschaffen, müssen Sie sicherstellen, dass eine Auslösevorrichtung existiert, die über den Empfänger der Fernsteuerung ausgelöst werden kann.

1.8 Telemetrie

Da Sie nicht wie ein Pilot in Ihrem Multicopter vor einer Instrumententafel sitzen, fehlt Ihnen jegliche Information über dessen Zustand. Sie wissen nicht, wie lange der Flug-Akku noch hält oder wie die aktuelle Flughöhe ist. Wenn der GPS-Empfang abbricht, merken Sie das höchstens am Flugverhalten. Um nicht mit leerem Akku abzustürzen, verwenden Sie vielleicht einen Akku-Warner, der ab einer bestimmten Spannung laute Warntöne von sich gibt. Wenn Sie aber 400 m weit weg sind, hören Sie diese Töne vielleicht gar nicht. Oder aber Sie hören diese und es ist zu spät, um die 400 m zurückzufliegen. Ähnlich verhält es sich mit anderen wichtigen Informationen.

Schöner wäre es, wenn Sie die genauen Daten jederzeit im Blick hätten. Genau das erreichen Sie mit Telemetrie. Sinngemäß bedeutet Telemetrie »aus der Ferne messen«. Wichtige Daten, die ein Multicopter über sich preisgeben könnte, sind folgende:

Spannung des Flug-Akkus

Versorgungsspannung des Empfängers

Flughöhe

Geschwindigkeit

Entfernung vom Startpunkt

GPS-Position und Anzahl der empfangenen GPS-Satelliten

Steig- oder Sinkrate

Neigungswinkel

Flugrichtung

Leistungsaufnahme

Flugsteuerungen kennen notwendigerweise zumindest einige dieser Werte, da sie diese ja zur Flugstabilisierung benötigen. Leider liefern sie die Daten nicht immer auch nach außen. So stehen diese nicht für Telemetrie zur Verfügung. Um trotzdem an diese Information zu gelangen, müssen Sie dann zusätzliche Geräte am Multicopter installieren. Während das bei der Spannungsüberwachung noch verhältnismäßig einfach und sinnvoll ist, müssen Sie für die GPS-Daten einen zusätzlichen GPS-Empfänger installieren. Der wertet dann nur für die Telemetrie die GPS-Signale separat aus.

Wenn beide GPS-Empfänger unterschiedliche Qualität haben, empfängt die Flugsteuerung vielleicht 4 Satelliten, das Telemetrie-GPS-Modul aber 7. Was sagt Ihnen dann diese Information? Richtig, gar nichts. Sie ist einfach nutzlos. Wenn Sie Wert auf Telemetrie legen, informieren Sie sich frühzeitig über Fernsteuerungen, die Telemetrie vernünftig integrieren. Anderenfalls tauschen Sie später vielleicht die Fernsteuerung aus oder kaufen sich für viel Geld Zusatzmodule. Es kann auch sinnvoll sein, von vornherein eine andere Flugsteuerung zu verwenden.

Abb. 1–20 Fernsteuerung Futaba T14SG mit integrierter Spannungsüberwachung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Telemetrie. Die Luxusklasse sind Lösungen, die Telemetrie in die Fernsteuerung integrieren. Solche Fernsteuerungen warnen akustisch, optisch oder per Vibration, wenn entsprechende Zustände erreicht werden. Nicht ganz so komfortabel, aber ähnlich hilfreich sind nicht integrierte Systeme in Form von Zusatzgeräten. Diese lassen sich an Fernsteuerungen befestigen, sind aber unabhängig von diesen.

Eine günstige Lösung ist ein On-Screen Display (OSD). Das ist aber nur für FPV-Flieger interessant. Das Prinzip ist einfach: Das Signal der FPV-Kamera geht nicht zum FPV-Sender, sondern erst zum OSD. Das OSD erhält von der Flugsteuerung oder von anderen Modulen Daten über den Flugzustand und blendet diese in das Videobild der Kamera ein. So sehen Sie auf dem FPV-Monitor oder der Videobrille den aktuellen Zustand des Multicopters. Da die Daten so nur als Bildinformationen übertragen werden, lassen sich damit keine Alarme mehr erzeugen.

Abb. 1–21 Telemetriedaten vom DJI OSD Mini auf einem FPV-Monitor

Aber nicht nur die Technik ist wichtig, wenn Sie sich mit Multicoptern befassen. Multicopter und deren Herstellung bergen auch Gefahren. Und es gibt strenge gesetzliche Regelungen, wo und wann Multicopter geflogen werden dürfen. Im nächsten Kapitel lesen Sie, was zu beachten ist.

2 Recht und Sicherheit

Multicopter werden von vielen als Spielzeug betrachtet. Dass es für diese strenge gesetzliche Regelungen gibt, wissen die wenigsten. Wer einen Multicopter kauft und mit diesem einfach losfliegt, macht sich schnell strafbar. Zwar gibt es aktuell keinen Führerschein für Multicopter, aber wie für Kraftfahrzeuge besteht für diese Versicherungspflicht.

Auch hinsichtlich Gefahren werden Multicopter oft nur als Spielzeug betrachtet. Dass von Multicoptern erhebliche Verletzungsgefahren ausgehen, ist ebenfalls nur wenigen bewusst.

In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Gefahren bestehen und wie Sie diese vermeiden. Außerdem wird erklärt, welche Gesetze und Regeln es gibt und was diese für Sie bedeuten.

2.1 Sicherheit

2.1.1 Verletzungsgefahren

Ein Stabmixer für die Küche hat durchschnittlich etwa 500 Watt Leistung. Wer damit arbeitet, wird gut aufpassen, nicht in die rotierenden Klingen zu geraten. Ein Multicopter-Motor hat oft sogar deutlich mehr als 500 Watt Leistung. Wenn damit ein starrer Propeller mit scharfen Kanten angetrieben wird, verhält dieser sich nicht sehr viel anders wie ein Stabmixer. Vielen scheint die Gefahr aber nicht bewusst zu sein, die von einem Propeller ausgeht.

Rotiert ein Propeller mit 40 cm Durchmesser mit 5000 U/min, so legt er an der Außenkante rund 100 m/s zurück. Das entspricht etwa 375 km/h. Das ist ausreichend, um einen Finger abzutrennen. Zerbricht ein Propeller, fliegen die Bruchstücke mit dieser Geschwindigkeit weg. Das kann schnell zu erheblichen Verletzungen führen.

Ganz gleich, wie oft Sie bereits mit einem Modell geflogen sind und wie gut Sie meinen, Ihr Fluggerät zu beherrschen: Wenn Sie regelmäßig fliegen, wird Ihr Multicopter irgendwann einmal abstürzen. Ein Absturz kann jederzeit und ohne vorherige Ankündigung passieren.

Ein Multicopter für Hobby und Freizeit wiegt, von Ausnahmen abgesehen, bis zu 5 kg. Ein Ziegelstein wiegt etwa 3 kg. Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn Ihnen der Ziegelstein aus der vierten Etage eines Hauses auf den Kopf fällt. Mit einem Aspirin und einem Pflaster ist das nicht behoben.

Nun befestigen Sie noch vier Stabmixer ohne Klingenschutz am Ziegelstein. Lassen Sie die Stabmixer mit voller Drehzahl laufen und werfen alles zusammen vom Berliner Fernsehturm auf den belebten Alexanderplatz. Das entspricht in etwa einem Multicopter, der aus 200 m Höhe über einer Menschenmenge abstürzt.

Oder Sie fliegen in der Nähe einer Autobahn und Ihr Multicopter verselbstständigt sich in ein paar Metern Höhe. Dieser fliegt in Richtung Autobahn und lässt sich nicht mehr kontrollieren. Wie der Teufel es will, kreuzt er in dem Augenblick die Autobahn, in dem auch ein voll beladener Tankwagen dort entlang fährt. Der Multicopter kracht in die Windschutzscheibe, der Fahrer verliert die Kontrolle, durchbricht die Mittelleitplanke und kollidiert mit einem voll besetzen Reisebus mit Kindern auf Klassenfahrt. Es gibt Tote und Verletzte und 20.000 Liter Diesel laufen in den See neben der Autobahn.

Vorfälle mit Multicoptern beziehungsweise mit Modellfluggeräten generell passieren wirklich. Dass es vielleicht noch nicht zu solchen Unfällen, wie oben beschrieben, gekommen ist, ist wohl auch ein wenig Glück. In den Medien wird regelmäßig über Vorfälle mit Fluggeräten berichtet. Einige davon habe ich für Sie hier zusammengefasst.

Die Welt, 11.03.2014: Drohne stürzt auf Autodach

Ein Ingenieur-Büro hatte für Vermessungen eine Kreuzung fotografieren wollen. Dabei ist der wohl recht große Multicopter auf das Dach eines fahrenden Kfz gestürzt.

Spiegel Online, 31.12.2012: 53-Jähriger stirbt nach Unfall mit Modellflieger

Hierbei wurde der Modellflieger von seinem Modellflugzeug am Kopf getroffen und starb an seinen schweren Kopfverletzungen.

Spiegel Online, 08.12.2014: Passagierflugzeug stieß beinahe mit Drohne zusammen

Es war ein Beinahe-Crash in 213 Metern Höhe: Laut britischer Luftfahrtbehörde sind sich ein Passagierflugzeug und eine ferngesteuerte Drohne über dem Flughafen London-Heathrow gefährlich nahe gekommen.

Merkur-Online, 05.08.2009: Quadrocopter fiel auf zwei Pkw

Buchstäblich vom Himmel fiel ein Quadrocopter mit eingebauter Kamera am Mittwochmorgen. Zum Glück ist Ferienzeit – außer dem Inhaber einer Sicherheitsfirma befand sich kein Mensch in der Nähe. Der Flugkörper traf zwei Pkw, die auf dem Parkplatz neben der Doppelturnhalle geparkt waren.

MAZ Online, 02.06.2014: 73-Jähriger von Modellhubschrauber getötet

Auf einem Modellflugplatz wurde ein Mann von einem Hubschrauberrotor am Kopf getroffen und starb an seinen Verletzungen.

Kitguru.net, 07.04.2014: Hexacopter drone falls during race, injures athlete

Bei einem Triathlon in Australien war einem der Läufer ein filmender Hexacopter aus wohl 10 Metern Höhe auf den Kopf gefallen und hatte diesen verletzt.

FAZ, 20.06.2014: Drohne auf der Autobahn

Ein Modellflieger war mit seinem 5 kg schweren Quadrocopter auf der A392 bei Braunschweig gelandet. Passiert ist dabei glücklicherweise nichts.

Hessischer Rundfunk, 09.07.2014: Unfall mit Modellhubschrauber

Einem Mann war ein Modellhubschrauber ins Gesicht geflogen und hatte das rechte Auge schwer verletzt. Der Betroffene wurde zur Behandlung in eine Klinik eingewiesen.

Bei »stirbt«, »getötet« und »beinahe Zusammenstoß mit einem Passagierflugzeug« sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten. Nehmen Sie sich dies zu Herzen und denken Sie immer daran, dass es sich um ein Hobby handelt.

2.1.2 Brandgefahren

Beim Modellflug werden meist Lithium-Polymer-Akkus eingesetzt. Diese Akkus können in Brand geraten. Sie werden zwar auch in alltäglichen Bereichen Lithium-Polymer-Akkus finden, aber im Gegensatz zu denen haben die im Modellflug verwendeten fast nie eingebaute Schutzschaltungen und stabile Gehäuse. Zudem sind die Ladungsmengen im Modellflug oft wesentlich höher und hier können Akkus auch schon mal fest auf dem Boden aufschlagen.

Im Internet finden sich Videos, die Akku-Brände dokumentieren. Besonders tückisch ist, dass solche Brände innerhalb weniger Sekunden voll in Gang geraten können. Dabei entstehen heftige Stichflammen und giftiger Rauch.

Der häufigste Grund für Akku-Brände ist eine falsche Handhabung. Die folgende Liste erklärt, was falsche Handhabung bedeutet:

Wenn einzelne Zellen auf über 4,2 Volt geladen werden.

Wenn Lithium-Polymer-Akkus in sehr kaltem Zustand stark belastet werden.

Wenn Lithium-Polymer-Akkus auf Temperaturen über 60°C erhitzt werden. Dies kann auch durch die Entladung während des Flugs passieren, wenn mehr als die zulässige Leistung entnommen wird.

Jede Art von Kurzschlüssen. Die in einem Lithium-Polymer-Akku gespeicherte Energie kann sehr hoch sein. Kurzschlüsse bei sehr hohen Energien werden gezielt zum Lichtbogenschweißen eingesetzt. Hier entstehen so hohe Temperaturen, dass Eisen schmilzt. Lithium-Polymer-Akkus können sogar noch deutlich höhere Ströme als normale Schweißgeräte erzeugen. Mechanische Beschädigungen der Akkuzellen verursachen fast immer Kurzschlüsse. Bei einem voll geladenen Lithium-Polymer-Akku reicht schon ein Einstich mit einem Schraubendreher für einen Brand.

Eher selten brennen Lithium-Polymer-Akkus scheinbar von selbst. Meist beruht das aber auch auf vorhergehenden Beschädigungen.

In vielen Fällen ist ein Brand kein großes Problem. Wenn Sie Pech haben, brennt das Fluggerät ab und Sie müssen sich ein neues bauen. Gehen Sie keine Risiken ein und halten sich vom Brand fern. Stichflammen können meterweit völlig unerwartet aus dem Akku herausschießen. Und Verbrennungsgase von brennenden Akkus sind giftig.

Gelegentlich passieren Abstürze über trockenen Feldern, Wiesen und Wäldern, die dann in Brand geraten. Einen ausgewachsenen Feld- oder Waldbrand löscht auch keine Feuerwehr mehr, wenn sie nicht gerade mit einem Löschhubschrauber erscheint. Sie kann dann im günstigsten Fall noch das Übergreifen des Brandes verhindern. Ein abgebranntes Kornfeld in voller Ernte kostet schnell mehr Geld, als viele auf der hohen Kante haben. Gegebenenfalls brennt dann noch der angrenzende Hof samt Wohngebäuden mit ab.

Aber nicht nur Akkus stellen Brandgefahren dar. Wenn Sie Formteile mit Harzen herstellen, Teile lackieren, Platinen ätzen oder Modelle mit Verbrennungsmotoren verwenden, gibt es weitere Quellen für Brände.

2.1.3 Störung des Flugverkehrs

Sie sind nicht alleine in der Luft. Auch wenn es vom Boden sehr hoch erscheint, fliegen Verkehrsflugzeuge, Rettungs- und Polizeihubschrauber, Militärflugzeuge und Segelflugzeuge oft viel niedriger als erwartet. Besonders nach dem Start und vor der Landung ist das der Fall. Deswegen ist das Fliegen mit Multicoptern im Umfeld von Flughäfen und in Start- und Landekorridoren auch streng geregelt.

Ein Multicopter kann problemlos Hunderte Meter hoch fliegen. Gerät der in den Antrieb eines bemannten Flugzeugs, kann dieses im schlimmsten Fall abstürzen. Solche Störungen des Luftverkehrs können bereits ohne Schäden mit 50.000 Euro oder 2 Jahren Gefängnis bestraft werden. Bei einem Absturz einer Verkehrsmaschine mit Toten und Verletzten werden die 50.000 Euro vermutlich nicht einmal reichen, um die Anwälte zu bezahlen.

2.1.4 Andere Gefahren