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Das Leben der Protagonistin Sarah spielt sich in München-Schwabing und Florenz ab und dreht sich um Kunst und Kreativität, das gesellschaftliche Ambiente, Mode und um menschliche Begegnungen. Ihre Umgebung ist reich an Kultur und sozialer Dynamik, die Kombination aus Kunst, Musik und der Münchner Gesellschaft schafft eine besondere Atmosphäre, die Sarah sowohl anzieht als auch herausfordert. Sarah kämpft mit ihrer Identität und den Herausforderungen, die das Leben in München mit sich bringt. Viele Gedanken macht sie sich zu den Männern Münchens und über ihre romantischen Erlebnisse, insbesondere zu Lars und über die Schwierigkeiten, die mit der Suche nach Liebe und dem eigenen Platz im Leben verbunden sind.
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2025
Ich heiße Bari Arain, bin in Karachi, Pakistan geboren und habe mit eineinhalb Jahren meine neue Heimat Deutschland entdeckt.
Durch meinen Lebensweg hinweg habe ich gelernt, eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen.
Literatur, Philosophie und Musik sind wichtige Säulen in meinem Leben, die mir in schwierigen Zeiten geholfen haben, die Welt besser zu verstehen. Schreiben ist ein Teil meiner täglichen Identität, die mich dazu bewog, ein Buch zu verfassen.
Beruhend auf Erzählungen, Erfahrungen und Beobachtungen des Lebens in Schwabing handelt diese Geschichte von den Herausforderungen einer jungen Frau, die ihre Gefühlswelt durch die Kunst, Literatur und Musik ausdrückt. Romantische Erlebnisse tragen sie durch die Stadt München, besonders eine prägt sie sehr. Es bleibt spannend für die Protagonistin und den Leser.
Dieses Buch widme ich hochachtungsvoll meiner Mutter, die immer für mich da ist. Der stärkste Fels in der Brandung, den ich je erlebt habe.
Bari Arain
München, Männer und Musik
© 2025 Bari Arain
Website: www.federschwung.net
Illustration: Silvan Borer
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrenburg, Deutschland
ISBN
Paperback ISBN 9 783384 549358
e-Book ISBN 978-3-384-54937-2
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Bari Ahmad, c/o wework, Neuturmstrasse 5, 80331 München, Deutschland.
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1 – München und Musik
Kapitel 2 – Kunst als Inspiration
Kapitel 3 – Erinnerungen an Beirut
Kapitel 4 – Enttäuschung naht
Kapitel 5 – Kampf mit sich selbst
Kapitel 6 – Die stille Wut
Kapitel 7 – Melancholie in München
Kapitel 8 – Im Bann von Florenz
Kapitel 9 – Unerwartete Nähe
Kapitel 10 – Kritischer Zustand
Kapitel 11 – Im Schatten der Sonne
Kapitel 12 – Schimmer am Himmel
Kapitel 13 – Das große Orchester
Kapitel 14 – Selige Sehnsucht
Kapitel 15 – Schlussakkord
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Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1 – München und Musik
Kapitel 15 – Schlussakkord
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Kapitel 1 – München und Musik
„Es steht mir frei zu behaupten, dass das Leben im Grunde ein Abwenden von Zwängen ist. Man braucht Geduld, um sie zu verstehen, man braucht Mut, um sie zu durchbrechen,“ sagte Sarah zu sich selbst, als sie in Richard Wagners „Tristan und Isolde“ saß.
Sie schloss ihre Augen und lauschte der wunderbaren Musik des berühmten Liebestods. Ihre Hände zitterten, ihr Atem stockte, sie fühlte diese Musik in jeder Faser ihres Körpers, sie bebte, sie starb, die Nacht, das Dunkle, ein „Stirb und werde“ von Goethe begann…
Es wurde eingehend geklatscht und sie öffnete ihre Augen und schaute in den Saal, der Altersdurchschnitt lag weit über 50, aber das machte nichts.
„Ich habe gerne die Alten um mich herum, das vermittelt mir eine gewisse Atmosphäre der Weisheit, gleich ob diese vorhanden ist oder nicht,“ bei diesem Gedanken musste sie schmunzeln.
Sie bewegten sich langsam in Richtung Ausgang. Ihr Missoni Kleid schwang sich graziös beim Gehen hin und her und sie genoss die warme Sommernacht. München ist so schön im Sommer. Sie dachte an Lars, ach, wäre er doch nur hier.
An diesem Abend war Johann ihre Begleitung, ein guter Freund, der 12 Jahre älter war als sie.
Mit ihm war sie in der Münchner Society angekommen, von der sie sich jedoch oft genug abkapselten.
München war ein Dorf, wenn man einige Menschen aus einem Stadtteil kannte, so kannte man sie alle. Denn die Orte, an denen sie sich trafen, wurden von allen, die diesen Lifestyle des „Sehen und Gesehen werden“ anstrebten, begehrt. Es gab einige wenige Benimmregeln, aber meist gaben das Geld und der Status den Ton an.
Eine Weltstadt wie München verzauberte mit ihrer Kunst, Literatur und Musik. Eine Faszination, die viele Persönlichkeiten über die Jahrzehnte anzog.
Manchmal hatte Sarah Lust auf dieses „Gesehen werden“ und sie sorgte im großen Stil für ein pompöses Aufsehen, aber dieses Schöne barg auch die Gefahr, sich darin zu verlieren. Wenn das Oberflächliche in ihrem Leben überhandnahm, verschwand sie gerne in die Tiefe und suchte die Kunst auf, die sie vor allem in der Abgeschiedenheit vorfand.
Oft tauschte sie sich darüber mit Johann aus, der ebenfalls den Künsten zugeneigt war. Eine Freundschaft, die sich über die Jahre aufbaute und Vertrauen genoss.
Zusammen analysierten sie stundenlang versunken die Welt und ihren Weltschmerz. Werke, die die Gesellschaft und auch die Formgebung der Gesellschaft bewegt hatten, reichten von der Weltliteratur Dostojewskis bis hin zu Opernstücken, wie etwa von Richard Strauss, Wagner oder Alban Berg. Die Liste war endlos.
Über die Jahre trafen sie sich in vertrauten Lokalen, wie etwa in dem Literaturhaus, in der Schumanns Bar, oder in der Bar Centrale - um nur einige zu nennen - denn in dem schönen Ambiente konnte sich Sarahs Melancholie besonders ausbreiten, eine Gratwanderung zwischen Sein und Nichtsein, wie Shakespeare es treffend formulierte.
Sie ließ nochmals die warme Sommernacht auf ihrer Haut spüren, als sie nach vier Stunden Wagneroper triumphal das mächtige Gebäude verließen. Es roch leicht nach Asphalt gemischt mit verschiedenen Parfums der vorbeigehenden Damen und Herren.
Am liebsten hätte sie jetzt eine schöne Zigarre geraucht, um die wagnerbeladene Musik intensiver zu fühlen.
München war schön im Sommer, eine ruhige jugendliche Brise lag über dem Max-Joseph-Platz. Junge Menschen, die sich trafen, alte, die sich nach der Oper verabschiedeten, und diejenigen, die München je nach Mondphase anders wahrnahmen.
Die magischen Sommernächte dieser Stadt hatten schon viele Künstler inspiriert.
Das Leben schien ihr im Moment zu gefallen, so ging es ihr oft nach einer Oper, sie kitzelte ihre Nerven, sie schwebte und genoss. So ging es ihr auch, wenn sie vor einem Gemälde stand und die Farben auf sich wirken ließ, meistens waren es Gemälde von Cézanne oder Matisse oder Klee, sie hatte viele Lieblingsmaler.
„Die Künste sind eine Wissenschaft für sich, denn sie schweben über dem Ganzen, sie verschmelzen nicht mit dem Alltag, sie heben ihn empor. Der Mensch scheint seit eh und je davon inspiriert zu sein. Man will sie fühlen, fassen, besitzen, jagen und letztendlich darin aufgehen. Die Gier wird oft von den Künsten entfacht. Es ist eine Suche nach einer Erfahrung oder gar Erleuchtung.“
Sie schwieg kurz.
„Sie haben etwas Religiöses, das wohl schnell in einen Zwang ausarten kann, aber wohl dosiert eine Bereicherung ist,“ sagte sie im Rausch zu Johann.
Nach der Abnabelung, die wohl früher oder später fast alle Kinder durchmachten, war ihr Anker das Lenbachhaus, aber auch andere Museen in der ganzen Welt. Sie hatte den Künstlern nach ihrem Leben getrachtet, sie aufgesucht, sie wollte etwas erfahren, die heimliche Stille der Angst, wenn man weiß, dass alles vergänglich ist oder eine melancholische Freude wiedergibt, die Tristan fühlte, als er Isolde in der unheimlichen Nacht traf.
Sie wollte in ihre Augen schauen und einen Hauch des Lebens der Hauptfiguren verstehen und alles um sich herum vergessen, wenn sie allein an die Augen von Jawlenskys Tänzer oder an das alte Weib von Albrecht Dürer dachte.
„Die Künste machen das Leben lebenswert und den Tod ersehnenswert, und wenn es tausend Tode sind, die man stirbt, um das Ganze zu erfahren, und zwar sich selbst,“ fuhr sie fort.
Sie waren noch nicht bereit, sich von der warmen Atmosphäre zu verabschieden und gingen noch einen Happen im Schwarzreiter essen. Die Nacht war noch jung, sie unterhielten sich über die Oper, lästerten über einige Besucher, die nicht adäquat angezogen waren und gingen dann ihres Weges.
Auf dem Heimweg kam er ihr wieder in den Sinn. Ein Teil von ihr konnte es kaum erwarten, ihn morgen wieder im Café zu treffen. Jedoch war die andere Stimme voller Zweifel, da die unerfüllte Liebe sie Tag für Tag in eine Grube zog, aus der sie nur allzu schwer hinauszuklettern konnte.
In ihren Gedanken spielten sich die vorhergehenden Begegnungen mit ihm im Café immer wieder ab und sie versuchte zu verstehen, warum Lars sich nicht für den nächsten Schritt entschließen konnte.
Sie dachte an das liebevolle Lächeln, das er ihr schenkte, wenn er sie ansah, während rechts und links die Menschen sich über Themen wie Politik und Wirtschaft unterhielten. In diesen Situationen blieb für Sarah die Zeit immer stehen. Sie verlor sich gerne in ihren Sehnsüchten, die sie dazu verleiteten, ihn manchmal anzustarren, aus der Ferne, wenn er nicht hinsah. Warum konnte sie in dem Moment nichts sagen? War es die Angst?
Lars war Anwalt, die Sorte Anwalt, die mit Paragraphen Geld schaufelten, indem sie großen Firmen verhalfen, noch größere Firmen zu kaufen, die kurz vor dem Ruin standen. Das ist alles, was sich Sarah zu dem Beruf merkte, denn an mehr hatte sie kein Interesse. Etwas in ihr verschloss sich, tiefer in diesen Teil seines Lebens blicken zu wollen.
Sie schlenderte am Literaturhaus vorbei und beobachtete das Licht, das die Laternen auf die Straßen warfen. Sie dachte wieder an Isolde, die in der geheimnisvollen Nacht auf Tristan wartete und beide eine unendliche Zeit der tiefen Gefühle erlebten, ohne zu ahnen, dass dies der endgültige Todesstoß für sie sein würde. Das tiefe Gefühl, die Liebe ein einziges Mal zu erleben, ließ den Tod so unbedeutend erscheinen. Die Liebe, die keine Angst vor dem Tod hatte, die in die unendliche Weite des Seins transzendierte.
Dieses romantisch-melancholische Gefühl war Sarah nicht fremd.
Sie erlebte einen Vorgeschmack auf diese Ekstase, insbesondere in der Oper, in einem Konzert oder vor einem Gemälde.
Als sie in die Kaiserstraße einbog, wo sie in einem Altbau unter dem Dach wohnte, freute sie sich erneut über diesen herrlichen Sommerabend.
Die Menschen standen auf den Straßen, holten sich noch ein Eis, man hörte Gelächter, wildes Durcheinander der Stimmen und Musik, die nur so eine warme Sommernacht in Harmonie erzeugen konnte.
Ihre Wohnung hatte zwei kleine und ein großes Zimmer mit einem Atelierfenster, das sie mit der äußeren Atmosphäre verband.
Zuhause angekommen, setzte sie einen Tee auf und ging ans Atelierfenster, um in den Himmel zu schauen, der zu der Jahreszeit besonders klar war. Immer wieder dachte sie an Lars und wie schön es wäre, wenn er jetzt mit ihr diesen Augenblick genießen könnte. Sie öffnete seitlich den sechsten Teil des Fensters, um die kühle Nachtluft in die Wohnung zu lassen und ging mit ihrem Tee ins Bett.
Ein sonniger Donnerstagmorgen im Mai begann und trotz ihrer Sehnsucht nach Lars, entschied sie sich nicht ins Café Cantare zu radeln, welches zwei Straßen weiter in Richtung Maxvorstadt lag, obwohl sie wusste, dass Lars gegen acht Uhr dort seinen Espresso mit anderen bekannten Gesichtern schlürfen würde.
Die Treffen mit Lars waren oft mit einem gewissen Gefühlschaos verbunden, welches sie manchmal tagelang beschäftigte. Nach einem Hoch wie gestern war sie nicht bereit dafür, diesen harmonischen Ist-Zustand zu verlassen. Während sie daran dachte, dass das Spiel der Liebe ein Risiko barg, wollte sie dies für heute aussetzen und entschied sich kurzerhand mit Johann zu telefonieren, um die Pläne für das kommende Wochenende festzulegen und schrieb parallel ihrer Freundin Miriam, ob sie Lust auf einen Kaffee vor der Arbeit hätte, die spontan zusagte.
Um 8.30 Uhr wartete Sarah schon im Café Vita auf der Bank ohne Polster mit dem Rücken zur Glaswand geneigt, die die Morgenkühle nach innen abgab. Ganz pünktlich saß sie da und zweifelte, ob die spontane Entscheidung, heute Lars zu meiden, richtig war oder ob sie doch vor ihm und den Gefühlen flüchtete. Sie schüttelte kurz den Kopf und musste kurz lachen, das Gefühlschaos war allein schon bei dem Gedanken da. Just in diesem Moment trat Miriam in den mit Kaffeeduft durchströmten Raum ein und lächelte Sarah an. Sarah stand kurz auf und sie umarmten sich.
Miriam war ebenfalls Mitte dreißig, Diplom-Ingenieurin und entschied sich nochmals auf die Universität zu gehen, um Psychologie zu studieren, was Sarah sehr bewundernswert fand. Sie unterstützte sie bei diesem Vorhaben tatkräftig.
Sarah bewunderte ihren Mut, ein Studium nach Dreißig wieder aufzunehmen, es käme ihr absolut nicht in den Sinn, ihren Müßiggang mit Pauken und Paukenschlägen zu unterbrechen.
Sarah war mehr der Typ „Laisser-faire“, organisiert, liebte die Ästhetik, bei sich und bei anderen, obwohl sie nicht kritisch beim Aussehen, sondern eher beim Charakter eines Menschen wurde. Sie war der Ansicht, dass der Mensch genauso schön war wie sein Inneres.
Man konnte sie nicht sofort in eine Schublade stecken. Sie wusste mit ihrer geheimnisvollen Aura zu kokettieren und ließ oft ihr Gegenüber mit einem oder mehreren Fragezeichen zurück, sodass spätere Reaktionen auf ihre Person ein kleines Nachbeben erzeugten.
Sie löste in den Menschen etwas aus, ob bewusst oder unbewusst, aber sie hatte die seltene Gabe durch ihr Sprechen und Handeln den Menschen positiv oder negativ zu beeinflussen, ganz entschieden nach ihrer Fasson. Es war eine Gabe, die nicht jeder hatte.
Sarah hatte eine angenehme Art zu sprechen, sie war mittelgroß, schlanke sportliche Figur und hatte kastanienbraune Haare. Jedoch waren es ihre intelligenten scharfen braunen Augen, die die Menschen in den Bann zogen, die bei ihrem Gegenüber Respekt einflößten, womit sie immer im Gespräch einen Schritt voraus war.
Nach einer gewissen Weile erkannte das Gegenüber, dass ein gut kontrolliertes Temperament in ihr schlummerte und nur zum Vorschein kam, wenn Grenzen überschritten wurden.
Miriam setzte sich zu Sarah und beide bestellten entspannt einen Kaffee, wobei Miriam mehr der Typ Cappuccino war, während Sarah den Kaffee schwarz und stark mochte.
„Und wie war die Oper“, fragte Miriam freundlich in ihren Cappuccino blickend. Sarah machte eine Handbewegung, um so ihre aufbrodelnde Leidenschaft etwas zurückzuhalten. „Wirklich schön“, antwortete sie und schaute aus dem Fenster. Sie hätte am liebsten mit „atemberaubend“ „herzergreifend“ geantwortet und weiter ausschweifen können, um die grausame Entzweiung der beiden zu beschreiben, nicht zu vergessen die Arie, die Isolde auf den toten Tristan sang.
„In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt-Atems wehenden All ertrinken, versinken, unbewusst, höchste Lust“, noch immer hörte Sarah das Orchester.
Ein Traum, ein Wunder. Für einige Momente nahm sie nicht die Stimmen um sie herum wahr, sondern nur Wagners majestätische Komposition dieser Arie, wie sie ihr Mark und Bein durchdrang, so etwas konnte sie Miriam nicht lapidar bei einem Kaffee zusammenfassen.
Am liebsten hätte sie es mit all ihren Gebärden vorgesungen, aber eine gewisse Coolness, die sie sich wahren wollte, hielt sie zurück.
Sarah war in Gedanken versunken, sodass sie ihr zunickte, nicht wissend, worüber Miriam gerade sprach. Als sie sich wieder dem Gespräch widmete, begriff sie schnell, dass es von ihren bekannten Herausforderungen bei den Studienangelegenheiten handelte und so stieg Sarah auch schnell ins Gespräch ein.
Sie sprach mit Miriam nicht oft über Lars oder ihre anderen männlichen Begegnungen, denn sie wusste, dass dies bei Miriam, die ihren Schulfreund geheiratet hatte, manchmal auf Unverständnis stieß. Sie mochte sie sehr, denn ihre unbeschwerte naive Art ließ die Welt in Ordnung scheinen, wie in einem schönen Gemälde des Impressionismus.
Miriam erinnerte sie an Monets Seerosen. Ein Bild, das sie sah, wenn sie in die süßen Gefühle einer unschuldigen Seele eintauchte, wie sie die Gesellschaft mit ihren Herausforderungen kämpfend wie ein Schwan annahm, aber dennoch wie ein kleines Entlein seichte zwischen den Seerosen hin und her schwamm, um das Bezaubernde im Alltag zu erhalten. Und nichts machte Sarah glücklicher als so ihren Morgen zu beginnen. Sie schaute schnell auf ihre Uhr. Die jetzigen Entwicklungen der Arbeitswelt gaben ihr die Möglichkeit von zuhause arbeiten zu können, sodass die Cafébesuche in Schwabing fast täglich auf der Tagesordnung standen.
Unbeschwert machte sie sich auf den Weg zurück in ihre Wohnung, mit einem kurzen Halt in der Hohenzollernstraße, wo sie noch schnell ihre Einkäufe erledigte.
Während sie auf der Hohenzollernstraße an den Schaufenstern vorbeilief, wippte ihre rosabeige Prada Tasche auf ihrer Schulter hin und her. Ihre Taschen und ihre Outfits suchte sie sich jeden Morgen nach ihrer Laune und nach ihrem allgemeinen Wohlbefinden aus.
Meistens trug sie bräunlich-erdige Töne gepaart mit anderen gedeckten Farben, wie etwa dunkles mattes Rot oder verschiedene Grünschattierungen. Aber nicht zu verachten war das Blau, jedoch tiefes dunkles Meeresblau, das wie auf Wogen gebrochen mit ihrem Aussehen eins wurde. Helle Pastellfarben lehnte sie grundsätzlich ab.
Die hellrote Prada Tasche war eine Ausnahme, sie liebte sie, trug sie oft, wie auch jetzt, zu ihrem leicht beigen Kaschmirmantel. Das meiste ihres Verdienstes gab sie für das Ästhetische aus. Sarah war der Meinung, dass es sehr wichtig war, adrett und gepflegt auszusehen. Aber sie war ebenfalls der Überzeugung, dass das Äußere allein nicht reichte. Dies wurde vor allem klar, wenn man ihre Wand voller Bücher begutachtete, die von Weltliteratur, Sachbüchern über Kunst und Kultur bis hin zu Mode und Innenarchitektur reichten. Ihre seelische Verwirrung konnte sie nur durch Wissen und Wissensdurst beruhigen. Es half ihr, ihre Gedanken besser zu verstehen.
Zuhause angekommen, legte Sie erstmal ihre Einkäufe ab und schaltete den Laptop für ihr erstes Meeting ein. Sie setzte schnell einen Kaffee auf und klickte sich durch die eMails, um so sicher zu stellen, dass sie keine wichtige Nachricht oder bevorstehende Aufgabe verpasst hatte.
Der Tag war gefüllt mit eMails, Meetings und Calls, sodass die Zeit schnell verging und sie diese vergaß. Als sie auf die Uhr schaute, schlug es schon 16 Uhr und sie bekam einen kleinen Schreck. Heute Abend war sie mit Nico verabredet, einem gutaussehenden Italiener, der alle Klischees erfüllte und eben deswegen immer für einen unterhaltsamen Abend sorgte.
Er schlug das Mara Mena vor, ein hippes griechisches Restaurant in der Reitschule. Nico war lustig, sah italienisch gepflegt aus, ungewöhnlich groß für einen Süditaliener mit gewöhnlich vollen schwarzen gegelten Haaren.
Sie waren gegen 19 Uhr verabredet. Verloren in ihrem Arbeitstag und ihren Gedanken, sprang sie eine Stunde zuvor unter die Dusche und suchte sich schnell ein Kleid aus, das ihre heutige Stimmung gut wiedergab. Es war das blaue kurze paillettenbestickte Chenille Kleid mit ausgestellten Armen, auch genannt Trompetenarme, das einen aufregenden Ausschnitt hatte, um so die schöne goldene Kette ihrer Großmutter zur Geltung zu bringen. Sie kombinierte das Kleid mit silberfarbenen Jimmy Choo, moderaten 8,5 cm Absätzen, die ihre Beine betonten.
Hastig griff sie nach ihrer grauen Diorama Tasche und rannte die Treppen des schönen pompösen Altbaus hinunter. Da sie zu spät dran war, entschied sie sich das Fahrrad zu nehmen.
Der Mai war in München in diesem Jahr sehr angenehm. Es begann kühl, aber heizte sich im Laufe des Tages auf, sodass man von der Mittagssonne oft geblendet wurde. Es wuselte und wütete, verblüfft war Sarah immer wieder über die Radfahrer, die schnell an ihr vorbei düsten und ihr düstere Blicke zuwarfen, da sie wegen ihres Kleides besonnen und langsam fuhr. Sie versuchte sich ganz links zu halten, um allen Rasern freie Bahn zu lassen. Auch das brachte sie nicht aus der Ruhe, denn sie freute sich auf den Abend und genoss die sich langsam verabschiedende Sonne, wie sie sich über das Siegestor neigte und ihr zuzwinkerte.
Von weitem sah sie, dass Nico schon vor dem Lokal auf sie wartete. Hastig sprang sie vom Fahrrad, kettete es schnell an und eilte auf ihren hohen Absätzen zu ihm, um ihn freudig zu umarmen. Er roch nach abenteuerlichem Aftershave.
„Hattest Du einen schönen Tag gehabt?“ fragte sie ihn lächelnd und wusste schon die Antwort, denn sie kannte seine kokette Art.
„Mein Tag fängt erst jetzt an,“ zwinkerte er ihr zu.
Sie lächelte ihn an und nahm seine Hand.
Das Restaurant war sehr voll und die Kellner jonglierten mit den Tabletten voll festlicher Mahle, von verschiedenen Fischvarietäten bis hin zu einer üppigen Dessertauswahl. Ihr Tisch befand sich in einer ruhigeren Ecke, sodass sie sich angeregt unterhielten, bis jeder für sich seine Wahl getroffen hatte. Sarah bestellte etwas mit Huhn. Und Nico freute sich auf einen Teller voller Meeresfrüchte.
Sie führten ein entspanntes Gespräch über ihre Lebensumstände. Nico berichtete ihr von seiner Arbeitssituation und dass er bald eine Beförderung erwartete, welches Sarah dazu bewog, ihr Glas zu heben und auf seine bevorstehenden beglückenden Karrierechancen anzustoßen. Er schien sich darüber zu freuen, dass sie ihm Mut zusprach, sodass er sich in diesem Moment pudelwohl fühlte und sich ein weiteres Glas Weißwein einschenkte.
Als Ingenieur arbeitete er in einem Architekturbüro, wo er seine Kreativität und sein technisches Know-how gut kombinieren konnte. Er liebte seinen Job und war mehr mit den Plänen als mit dem Geschäftssinn beschäftigt, weswegen er bei Beförderungen oft übergangen wurde, was Sarah jedes Mal bedauerte. In ihren Augen war er ein gutherziger Mensch, der nicht forsch und opportunistisch genug war, um das zu erreichen, was ihm eigentlich zustände. Aus diesem Grund war Sarah mehr als glücklich, als sie hörte, dass Nico bald sein eigenes kleines Team leiten würde. Harte ehrliche Arbeit zahlte sich doch aus, dachte sie.
Ihre anregende Diskussion über das Leben wurde durch den Gaumenschmaus in eine andere Sphäre katapultiert. Sie entspannten sich und der Wein löste ihre Zunge. Sie lachten, wurden lauter, und berührten sich öfters. Die anfängliche zögerliche Art verwandelte sich in eine beschwingte Heiterkeit und ließ sie wie kleine tanzende Kinder erscheinen, die auch andere im Raum in den Bann zog.
Das vertraute Zusammensein gab den Anschein, dass sie sich schon lange kannten, was jedoch nicht der Fall war, denn Sarah lernte ihn vor drei Jahren in einem Café kennen. Die anfängliche Sympathie verwandelte sich über die Jahre in eine Freundschaft.
Als sie herzhaft über seine witzigen Kommentare lachte, schaute sie ihn liebevoll mit seitlich geneigtem Blick an, er kam ihr näher und berührte ihre Haare, „Du bist die schönste Frau in diesem Restaurant.“
Sie schaute etwas überrascht und fragte ihn, „…nur im Restaurant?“. Sie lachten beide.
In diesem Moment glänzten seine mandelförmigen Augen besonders schön.
Das Essen war köstlich und nach diesem Gaumenschmaus verließen sie das Restaurant und entschieden sich einen kleinen Nachtspaziergang im Englischen Garten zu machen. Ein warmer Wind berührte die Haut und man ließ sich ganz vom zarten Sommer umarmen. Plötzlich drehte sich Nico um und küsste sie.